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Dienstag, 30 Juni 2020 14:00

Erzeugung vielfältiger Schichtsysteme mittels Plasmasprühen für den Einsatz im medizinischen und technischen Bereich

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Abb. 1: Photographie des Plasmasprühprozesses auf ein Hüftimplantat Abb. 1: Photographie des Plasmasprühprozesses auf ein Hüftimplantat

Atmosphärendruck-Plasmasprühen (APS) ist ein etabliertes Verfahren der Oberflächenmodifikation, welches eine Vielzahl von Vorteilen besitzt. Hierbei können in kurzer Zeit große Werkstücke mit einer bis zu einigen Millimeter dicken Schicht versehen werden. Der Anwendungsbereich geht von Implantaten für ein verbessertes Einwachsverhalten, mit und ohne antimikrobieller Wirkung, in der Medizin, bis hin zu technischen Anwendungen bei z. B. Turbinenschaufeln (Korrosionsschutz- und Wärmedämmschicht)

Abb. 2: Schematische Darstellung des Plasmasprühens [4]Abb. 2: Schematische Darstellung des Plasmasprühens [4]Beim Plasmasprühen (APS) werden in ein ca. 16 000 °C heißes (thermisches) Plasma Partikel mit einer Größe zwischen 5 und 200 µm eingesprüht, die teilweise oder komplett aufgeschmolzen werden und sich mit Geschwindigkeiten von bis zu 450 m/s auf das zu beschichtende Substrat zubewegen, siehe schematische Grafik in Abbildung 2. Bei dieser Technik werden die zu beschichtenden Substrate nicht aufgeschmolzen, so dass diese in ihrer Kristallstruktur und sowohl in ihren chemischen als auch mechanischen Eigenschaften nicht verändert werden. Dabei ist eine gute Vorbehandlung der zu beschichtenden Oberfläche sehr wichtig. Zu dieser Vorbehandlung gehören (i) die Reinigung der Oberfläche von fremden Substanzen und (ii) das Aufrauen durch Bestrahlung mit abrasiven Medien (z. B. Korundstrahlen, s. Abb. 3). Untersuchungen haben gezeigt, dass die plasmagesprühte Schicht auf dem vorbehandelten Substrat sehr gut haftet, während auf der unbehandelten Oberfläche Schicht-abplatzungen und Delaminationen auftreten [3]. Durch das Korundstrahlen entsteht eine raue Oberfläche, die eine rein mechanische Verklammerung der aufgetragenen Schicht mit dem Substrat ermöglicht. Die Vorteile des Plasmasprühens sind:

Atmospheric pressure plasma spraying (APS) is an established method of surface modification, which has a variety of advantages. In this case, large workpieces can be equipped with a layer of up to several millimeters in thickness. The scope of application ranges from implants with enhanced ingrowth, with and without antimicrobial effect, in medicine, to technical applications of e. g. turbine blades (corrosion protection and thermal barrier coatings).

In sehr vielen Bereichen werden Oberflächen mit speziellen Eigenschaften zur Verbesserung von Eigenschaften des Basiswerkstoffes benötigt. Dazu zählt unter anderem der Bereich der Luftfahrt, in dem beispielhaft die Lebensdauer von Triebwerksschaufeln durch Korrosionsschutz- und Wärmedämmschicht oder die Laufzeit von Triebwerkslagern durch Verschleißschutzschichten verlängert wird [1]. Dies führt zu längeren Wartungsintervallen von Flugtriebwerken und damit einer markanten Kostenreduzierung. In der Medizintechnik werden Implantate bevorzugt mit Beschichtungen versehen, die durch ihre Materialeigenschaften sowohl das Einwachsen der Implantate in den Knochen verbessern als auch die Ausbreitung von Keimen unterbinden sollen, d. h. die Infektion zu vermeiden und damit das Wohlbefinden des Patienten deutlich zu verbessern sowie den Extremfall der Revision des Implantates zu vermeiden [2]. Abbildung 1 zeigt beispielhaft die Beschichtung eines Hüftimplantats mittels Plasmasprühen.

Abb. 4: Vergleich der antimikrobiellen Wirkung von TiAlV-Substraten mit unterschiedlicher Inkubationszeit; schwarz: ohne Beschichtung; rot: mit einer Hydroxylapatit (HAp) Schicht mit anti-mikrobiellem ZusatzAbb. 4: Vergleich der antimikrobiellen Wirkung von TiAlV-Substraten mit unterschiedlicher Inkubationszeit; schwarz: ohne Beschichtung; rot: mit einer Hydroxylapatit (HAp) Schicht mit anti-mikrobiellem ZusatzDas Plasmasprühen hat im medizinischen Bereich für die Implantatherstellung eine hohe Attraktivität [3]. Die Implantate können mit einer Titan- bzw. Titandioxidschicht versehen werden, die eine definierte Rauheit besitzt und somit unter anderem das Einwachsen des Implantates in den Knochen deutlich verbessert. Analog können Implantate mit einer knochenähnlichen Substanz (Hydroxylapatit (HAp), Tricalciumphosphat (β-TCP)) beschichtet werden, welche zusätzlich mit anti-mikrobiellen Agenzien (z. B. Silber [5], Kupfer oder Zink) ausgestattet sein kann. Diese werden in der ersten Zeit nach der Implantation freigesetzt und so eine bakterielle Besiedlung im Knochen vermieden. In Abbildung 4 ist die antimikrobielle Wirkung einer solchen Multikomponentenschicht anhand von Ergebnissen aus den Arbeiten am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e. V. (INP) dargestellt. Innerhalb von 2 Stunden sind nahezu alle Erreger abgetötet worden.
 
  • schneller Prozess
  • hohe Beschichtungsraten
  • kein Aufschmelzen des Substrates
  • Beschichtung von Polymeren möglich
  • für eine Vielzahl von Schicht- und Basiswerkstoffen geeignet
  • Multilayer- und Multimaterial-Schichtsysteme möglich
  • Schichtdicken im Bereich von 50–2000 µm
 
Abb. 3: Vergleich zweier Edelstahlsubstrate mit einer Al2O3-Beschichtung; links: vor dem Beschichtungsprozess Korund-gestrahlt, rechts: nicht vorbehandeltAbb. 3: Vergleich zweier Edelstahlsubstrate mit einer Al2O3-Beschichtung; links: vor dem Beschichtungsprozess Korund-gestrahlt, rechts: nicht vorbehandelt
 
Abb. 5: Zahnimplantat aus Yttrium-stabilisiertem Zirkonoxid, rechts mit TiO2 beschichtet für ein besseres An- wachsverhaltenAbb. 5: Zahnimplantat aus Yttrium-stabilisiertem Zirkonoxid, rechts mit TiO2 beschichtet für ein besseres An- wachsverhaltenEin weiteres Anwendungsbeispiel ist in Abbildung 5 dargestellt, hier wurde am INP ein Zahnimplantat aus Yttrium-stabilisiertem Zirkonoxid (YSZ) mit einer TiO2-Lage versehen, welche das Anwachsen im Kieferknochen verbessert [6] und gleichzeitig den kosmetischen Aspekt des hellen YSZ außerhalb des Knochens beibehält.
 
Neben Anwendungen für den medizinischen Bereich richtet sich der Fokus des Plasmasprühens am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. auch auf stark beanspruchte technische Werkstoffe. Beispielsweise wurden Hochspannungselektroden mit einer keramischen Verschleißschutzschicht, die elektrisch isolierend ist, bestehend aus Aluminiumoxid, versehen (Abb. 6a). Aufgrund der hohen Härte, Temperaturfestigkeit sowie der korrosionsschützenden Wirkung dieser keramischen Schicht konnte die Lebensdauer der Elektroden von anfänglich 2–3 Entladungen auf bis zu 100 Entladungen verbessert werden. Die Lebensdauern der zu den Elektroden (Abb. 6a) gehörenden Erdungshülsen (Abb. 6b) wurden ebenfalls durch die Al2O3-Schicht markant verlängert.
 

>Bei Luftfahrtanwendungen, hier insbesondere auf Turbinenschaufeln in denen Temperaturen von bis zu 2200 °C herschen, dient Yttrium-stabilisiertes Zirkonoxid zum Schutz vor thermischer Belastung. Typischerweise werden Schichten mit Dicken von 50 bis 200 µm abgeschieden [3]. Eine beispielhaft beschichtete Schaufel ist in Abbildung 7 zu sehen.

Im Rahmen weiterer Versuche wurden Pfannen mit Titanoxid beschichtet (s. Abb. 8). Diese Lage hat den Vorteil durch die poröse Struktur, bedingt durch das Abscheideverfahren selbst, das Öl „aufsaugen“ zu können, welches während des Bratvorganges freigesetzt wird. Dies führt durch die sehr gute Flächenverteilung dazu, dass weniger Fett benötigt wird. Ein weiterer Vorteil ist, dass solche Beschichtungen deutlich weniger Qualm während des Bratvorgangs erzeugen.
 

Abb. 6a: Plasmagesprühte Al2O3-Schicht als Verschleißschutz auf einer Hochspannungselektrode; links neu, rechts nach 100 EntladungenAbb. 6a: Plasmagesprühte Al2O3-Schicht als Verschleißschutz auf einer Hochspannungselektrode; links neu, rechts nach 100 Entladungen

Abb. 6b: Erdungshülsen zu den Hochspannungselektroden aus Abb. 6a, links nach zwei Entladungen mit einer Hochspannungselektrode ohne Schutzschicht, rechts nach 100 Entladungen mit Al2O3-SchutzschichtAbb. 6b: Erdungshülsen zu den Hochspannungselektroden aus Abb. 6a, links nach zwei Entladungen mit einer Hochspannungselektrode ohne Schutzschicht, rechts nach 100 Entladungen mit Al2O3-Schutzschicht

GT 2020 06 Medizin Abb 7Abb. 7: Yttrium-stabilisertes Zirkonoxid als Wärmedämmschutzschicht auf einer Schaufel

Abb. 8: Edelstahlplatte bei einem Test; links: unbehandelte polierte Edelstahloberfläche, rechts: mit TiO2 plasmagesprühte OberflächeAbb. 8: Edelstahlplatte bei einem Test; links: unbehandelte polierte Edelstahloberfläche, rechts: mit TiO2 plasmagesprühte Oberfläche

Ebenso werden am INP über eine spezielle Prozessführung thermisch sensitive Substratmaterialien plasmagesprüht, die bisher ungeeignet für dieses thermische Verfahren waren und somit besondere Anforderungen an die Prozessführung stellen. Das sind beispielsweise Polymere wie Polylactide (PLA), Polyvinylalkohol (PVA) oder Polyetheretherketon (PEEK), welche zu den modernen Werkstoffen in der Medizintechnik gehören [7].

Weiterhin konnten erfolgreich Beschichtungen auf Glas aufgebracht werden. In Abbildung 9 ist ein Floatglas mit einer TiO2-Schicht gezeigt.
 
Eine Gemeinsamkeit aller APS-Schichten ist die hohe Rauheit und Porosität. Dies ist in der rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme (REM) in Abbildung 10 erkennbar. Die Rauheit spielt in der medizinischen Anwendung eine große Rolle, da hier Osteoblasten sehr gut anhaften können [6]. In der technischen Anwendung hingegen eignet sich die Porosität für die Einlagerung von Schmierstoffen bei der Innenbeschichtung von Motorblöcken [8].
 

Abb. 9: Plasmagesprühte TiO2-Schicht auf FloatglasAbb. 9: Plasmagesprühte TiO2-Schicht auf Floatglas

Abb. 10: REM-Aufnahme einer plasmagesprühten Al2O3-SchichtAbb. 10: REM-Aufnahme einer plasmagesprühten Al2O3-Schicht

Angelehnt an den Erfordernissen und der Neuheit von Lösungsansätzen werden permanent neue Verfahren und Schichtsysteme für Applikationen im High-Tech- und Life Science-Bereich entwickelt und vorhandene Prozesse verbessert. Eine große Rolle spielt an dieser Stelle das Plasmasprühverfahren.

Literatur

[1] DeMasi-Marcin: Protective coatings in the gas turbine engine, Surface and Coatings Technology, 68/69 (1994) 1–9
[2] Heimann et al.: In vitro and in vivo performance of Ti6Al4V implants with plasma-sprayed osteoconductive hydroxyapatite-bioinert titania bond coat „duplex“ systems: an experimental study in sheep, Journal of Materials Science: Materials in Medicine 15 (2004), 1045–1052
[3] P. Fauchais: Understanding plasma spraying, J. Phys. D: Appl. Phys. 37 (2004), R86–R108
[4] © www.oerlikon.com/metco
[5] Noda et al.: Development of Novel Thermal Sprayed Antibacterial Coating and Evaluation of Release Properties of Silver Ions, WILEY InterSience, DOI: 10.1002/jbm.b.31235, 2008
[6] B. Stadlinger: Implantatoberflächen und ihr Einfluss auf das periimplantäre Hartgewebe, MKG-Chirurg 2014, 281–299, Springer 2014, DOI 10.1007/s12285-013-0388-1 
[7] Beauvais: Plasma Sprayed Biocompatible Coatings on PEEK Implants, Thermal Spray 2007: Global Coating Solutions, (Ed.) B.R. Marple, M.M. Hyland, Y.-C. Lau, C.-J. Li, R.S. Lima, and G. Montavon, Published by ASM International®, Materials Park, Ohio, USA, Copyright© 2007
[8] Oerlikon/metco, An Introduction to Thermal Spray, Issue 5, Oktober 2014

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 6
  • Jahr: 2020
  • Autoren: Holger Testrich, Antje Quade, Katja Fricke, Uta Schnabel, Martin Polak, Klaus-Dieter Weltmann, Maik Fröhlich, Leibnitz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V., Greifswald

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