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Dienstag, 28 Juli 2020 07:00

Soft-Robotik in der minimal-invasiven Chirurgie (Teil 1)

von Mark Runciman
Geschätzte Lesezeit: 5 - 9 Minuten

Soft-Robotik Geräte haben viele wünschenswerte Eigenschaften für Anwendungen in der minimalinvasiven Chirurgie (MIC), jedoch bleiben viele interdisziplinäre Herausforderungen ungelöst. Um den gegenwärtigen Stand der Technologien zu verstehen, wurde eine Stichwortsuche mit Hilfe der Datenbanken Web of Science und Scopus durchgeführt. Aus der resultierenden Liste von Artikeln wurde anhand von Ein- und Ausschlusskriterien eine Artikelauswahl getroffen, anhand derer verschiedene Merkmale der Soft-Roboter-Geräte für die MIC verglichen wurden. Es gab eine geringe Vielfalt bei den Geräteausführungen und einen hohen Grad an Details bei den technischen Möglichkeiten. Wir schlagen eine standardisierte Vergleichsmethodik zur Charakterisierung der Soft-Robotik für verschiedene MIC-Anwendungen vor, die den Konstrukteuren bei der Herstellung der nächsten Generation von Geräten helfen soll.

1 Einführung

Bei der minimal-invasiven Chirurgie (MIC) werden lange, starre oder flexible chirurgische Instrumente verwendet, die durch kleine Einschnitte oder durch natürliche Öffnungen in den Körper eingeführt werden. Im Gegensatz dazu werden bei der offenen Chirurgie große Einschnitte in den Körper gemacht, um direkt an die gewünschte Stelle zu gelangen. Ziel der MIC ist es, einen chirurgischen Eingriff so sicher und so schnell wie möglich durchzuführen und gleichzeitig die Schädigung am umgebenden Gewebe zu minimieren. Die MIC wird immer häufiger als Alternative zur offenen Operation eingesetzt, da sie Verbesserungen in Bezug auf Patientensicherheit, Kosmetik, Genesungszeit, Dauer der Krankenhausaufenthalte, Anzahl postoperativer Komplikationen und weniger Schmerzen mit sich bringen kann [1]. Das vorliegenden Review ist eine detaillierte Zusammenfassung aktueller Literatur zum Thema neuartige Geräte der Soft-Robotik für die MIC.

Im Mittelpunkt der MIC befindet sich das Feld der Endoskopie, der Prozess der Beobachtung des Körperinneren durch direktes Einführen eines optischen Gerätes in den interessierenden Bereich. Das optische Gerät wird als Endoskop bezeichnet. Es gibt verschiedene Arten von Endoskopen. Heute bezeichnet ein Endoskop im Allgemeinen einen langen flexiblen Schlauch von etwa 1,5–2 m Länge, der mit einer hochauflösenden Kamera und einer Lichtquelle an der Endoskopspitze ausgestattet ist. Der Kopf kann mittels zweier daumengesteuerter Drehknöpfe am Bedien-Ende aktiv gesteuert werden. Typischerweise gibt es Arbeitskanäle entlang der Länge des Endoskops für die Zufuhr von Luft und Wasser und solche, über die kleine Instrumente flexibel eingeführt werden können, um einfache therapeutische Prozeduren durchzuführen. Flexible Endoskope dieser Art werden zur Visualisierung des oberen Gastrointestinal (GI)-Traktes (Gastroskop) und des unteren GI-Traktes (Koloskop) verwendet. Aber auch starre Endoskope unterschiedlicher Länge und Durchmesser werden in vielen Anwendungen eingesetzt, zum Beispiel zur Visualisierung des Abdomens (Laparoskop), des Gehirns (Neuroendoskop), der Gelenke (Arthroskop) und der Speiseröhre (Ösophagoskop). Es gibt eine Vielzahl von endoskopischen Verfahren, die entweder eine Diagnose oder eine Therapie an den unterschiedlichen Körperteilen ermöglichen. Flexible und starre Endoskope können je nach Anwendung und Patient in Durchmesser und Länge variieren.

Chirurgische Instrumente ermöglichen es dem Chirurgen, Gewebe im Körperinneren zu fassen, zu sezieren, zu entfernen und zu vernähen [2]. Ein häufiges Beispiel für die MIC ist die endoskopische Chirurgie bei Eingriffen am Abdomen, bei der ein Laparoskop und zwei oder drei lange, starre chirurgische Instrumente mit einem typischen Durchmesser von etwa 5 mm durch mehrere einzelne kleine Schnitte in das Abdomen eingeführt werden. Es wurden verschiedene Ansätze entwickelt, um die MIC noch weniger invasiv zu machen und neue Verfahren zu ermöglichen, die mit der traditionellen offenen Chirurgie nicht möglich sind. Einer dieser verbesserten Ansätze ist die laparoskopische Chirurgie mit einem einzigen Schnitt, bei der nicht nur ein Laparoskop, sondern auch zwei starre Instrumente durch einen einzigen größeren Schnitt im Abdomen, vorzugsweise am Nabel, eingeführt werden, wodurch die Anzahl der Schnitte reduziert, jedoch die Schwierigkeit der Prozedur erhöht wird. Die endoskopische Operation durch Körperöffnungen (engl: Natural orifice transluminal endoscopic surgery – NOTES) ist eine Technik, bei der der Zugang zum Abdomen über ein langes flexibles Endoskop erfolgt, das durch den Mund, den Anus oder die Vagina eingeführt wird, mit dem Vorteil, abdominale Einschnitte vollständig zu vermeiden [3]. Statt der Einschnitte wird NOTES durch innere Inzisionen durchgeführt, die es dem Endoskop ermöglichen, zwischen röhrenförmigen Strukturen im Körper, dem so genannten Lumen, zu benachbarten Hohlräumen zu gelangen. MIC kann zudem auch am Gehirn durchgeführt werden, indem ein Teil des Schädels entfernt und ein Port platziert wird, durch den ein Neuroendoskop und chirurgische Instrumente geführt werden, um Zugang zum Zielgewebe tief im Gehirn zu erhalten [4].

MIC geht einher mit kleinen, leicht verformbaren, sich dynamisch verändernden und unstrukturierten Arbeitsräumen, schlechter Sicht mit wenigen visuel-len Markern zur Orientierung und mit der Verwendung langer, schmaler Instrumente. Lange, starre Instrumente, die bei einigen Formen der MIC verwendet werden, erschweren die Benutzung der Instrumente durch den sogenannten Drehpunkteffekt, der durch den Einführungspunkt des Instruments in den Körper verursacht wird. Um diesen Punkt dreht sich das starre Instrument, sodass die Bewegungen des Chirurgen umgekehrt werden und das Zittern der Hand verstärkt werden kann [5]. Bei aktuellen robotergestützten MIC-Ansätzen steuert ein Chirurg eine starre Robotervorrichtung, die wiederum die Bewegung der modifizierten chirurgischen Instrumente steuert. Die an der Spitze von manuell betriebenen laparoskopischen Instrumenten ausgeübten Kräfte können zwischen 0,1 und 10 N liegen [6]. Konstrukteure von Robotersystemen streben eine ähnliche Performance an. Darüber hinaus bieten Robotersysteme Präzision, Stabilität, Bewegungsskalierung und andere Vorteile, können aber aufgrund ihrer Unbeweglichkeit und in manchen Fällen aufgrund ihrer Größe nicht auf gewundenen Pfaden navigieren, was bedeutet, dass sie nicht zur gesamten Zielanatomie Zugang haben. Wenn die Operationsstelle mit starren Geräten nicht durchgeführt werden kann, werden flexible Endoskope und Instrumente eingesetzt. Wenn flexible Geräte jedoch nicht einsetzbar sind, kann eine offene Operation die einzige Option sein. Bei Robotersystemen mit mehreren Instrumenten muss zudem die Möglichkeit von Instrumentenkollisionen beachtet werden [7], was die Manipulation der Instrumente aufgrund ihrer überlappenden Arbeitsbereiche komplexer macht. Bei der Verwendung mancher Robotersysteme ergeben sich zudem Schwierigkeiten beim Wechseln der Instrumente während eines Eingriffs.

Der Einsatz von Instrumenten, die schwer zu verwenden sind, führt zu langwierigen Verfahren und birgt ein hohes Risiko, dem Patienten unerwünschte Schäden zuzufügen [8]. Darüber hinaus sind manchmal Jahre der Ausbildung notwendig, um Experte für ihre Anwendung werden. Schmerzen beim Patienten entstehen häufig dadurch, dass die Instrumente das sie umgebende Gewebe verformen oder perforieren, was durch den Einsatz von zu steifen endoskopischen Instrumenten verursacht werden kann [9]. Schäden oder Schmerzen des Patienten können auch durch den Einsatz von flexiblen Geräten verursacht werden. Ein Beispiel hierfür ist die Schleifenbildung des Dickdarms während der Koloskopie. [10]. Darüber hinaus gibt es immer noch Probleme mit der Positionierung, der Fingerfertigkeit, der Kraftübertragung und Visualisierung bei der Verwendung von flexiblen Instrumenten und Endoskopen [11]. Forschung im Bereich der Soft-Robotik zielt darauf ab, die Kontrollierbarkeit starrer Robotik, die Fähigkeit flexibler Instrumente schwer zugängliche Stellen zu erreichen, und die Sicherheit weicher Materialien zusammenzubringen.

Das Gebiet der Soft-Robotik konzentriert sich auf die Verwendung weicher, nachgiebiger Materialien zur Konstruktion von Robotergeräten. Aufgrund ihrer Herstellungsmaterialien eignen sich Soft-Roboter ideal für unstrukturierte Umgebungen und für den Einsatz am Menschen, da sie sich entsprechend ihrer Umgebung verformen können [12]. Dies unterscheidet sich von dem traditionellen Roboterkonstruktionsansatz, bei dem starre Materialien sowohl für die Roboterverbindungen als auch für die Gelenke verwendet werden. Soft-Robotics ist hervorragend für medizinische Anwendungen geeignet, wo die Vermeidung von Trauma und Schmerzen des Patienten von vorrangiger Bedeutung ist [13]. Aufgrund der Herausforderungen, denen sich MIC stellen muss, sind die Einhaltung der Vorschriften, die Möglichkeit variable Steifigkeit einstellen zu können und die Patientensicherheit einige der wichtigsten Designkriterien [14]. Soft-Robotik erfüllt diese Anforderungen in gutem Maß. Nach der Erfahrung der Autoren erreichen weiche Materialien eine hohe Patientenakzeptanz im Vergleich zu Robotergeräten aus metallischen oder anderen starren Materialien. Eine Gruppe zur Vertretung von Darmkrebspatienten befand, dass ein nicht einschüchterndes Erscheinungsbild wichtiger ist als der Gerätequerschnitt. Kliniker, die sich auf Anwendungen im GI-Trakt spezialisiert haben und mit dessen empfindlichen mechanischen Eigenschaften vertraut sind, äußerten ebenfalls eine Präferenz für weiche Geräte, die mit geringerer Wahrscheinlichkeit Schmerzen und Traumata bei den Patienten verursachen würden.

Bei der Verwendung von Soft-Robotic Geräten müssen leider viele Kompromisse eingegangen werden im Austausch für eine höhere Patientensicherheit. Dazu gehören eine geringere Kraftausübung, eine schlechtere Steuerbarkeit und fehlende Sensormöglichkeiten, wie sie z. B. in Hughes et al. [15] diskutiert werden. Die Simulation von Soft-Robotern ist schwierig und rechnerisch teuer, weil nachgiebige Materialien nichtlinear auf Belastung reagieren und Soft Devices viele Freiheitsgrade haben, was die vorhersagbare Kon­struktion von Soft-Robotern erschwert [16]. Soft-Roboter können große Änderungen in Volumen, Form und Steifigkeit erreichen, die für konventionelle Roboter unmöglich sind und die ihnen einen einzigartigen Vorteil verschaffen. Die Nutzung dieser Fähigkeiten und die Bewältigung der Probleme mit geringer Kraftausübung und Kontrollierbarkeit werden die Instrumente der nächsten Generation für MIC liefern.

Ein Vorteil weicher Materialien ist, dass sie oft wirtschaftlicher, leicht verfügbar und einfach zu handhaben sind; der am häufigsten genannte Vorteil ist die große Auswahl an Elastomeren, die in einem Großteil der aktuellen Forschung verwendet werden. Durch die Verwendung kostengünstiger weicher Materialien und neuer Herstellungstechniken ist es auch möglich, Roboter zu konstruieren, die für den Einsatz in der MIC als Einwegprodukt konzipiert sind, die Patienten-spezifisch sind, die kostengünstig sind, oder die mittels rapid Prototyping hergestellt werden können. Da Soft-Roboter kostengünstiger als traditionelle Robotersysteme sind, haben sie das Potenzial, weithin verfügbar zu sein, was sie zu einem Kandidaten für frugale Designansätze mit hohem Nutzwert macht. Fortschritte bei Materialien und Herstellung werden das Potential für patientenspezifische Soft-Robotik in Zukunft erhöhen. Es kann in Zukunft jedoch zusätzliche regulatorische Anforderungen für anpassbare medizinische Geräte geben. Im Einzelfall müssen die Hersteller sicherstellen, dass jedes kundenspezifische Gerät die entsprechenden Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen erfüllt; daher ist ein zuverlässiger Herstellungsprozess äußerst wichtig.

Ziel dieses Reviews ist es, einen Überblick über Soft-Robotik-Geräte zu geben, welche auf dem Gebiet der MIC entwickelt werden, so dass die Konstrukteure leichter neue Wege zur Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen finden können, denen sie sich derzeit gegenübersehen.

Im nächsten Abschnitt wird über die, zur Durchführung der Literaturrecherche angewandte Methodik be-richtet, gefolgt von einer Beschreibung des Vergleichsprozesses und den Ergebnissen der Literaturrecherche. Die Anwendungsbereiche der Geräte umfassen endoskopische Verfahren sowohl für diagnostische als auch für therapeutische Zwecke. Im weiteren Verlauf dieser Übersicht werden die Arbeitsprinzipien und die Materialien, die bei den ausgewählten Soft-Roboter-Geräten zu finden sind, ausführlicher beschrieben. Dabei wird auf die Herausforderungen in vielen Disziplinen hingewiesen, die berücksichtigt werden müssen sowie auf das Fehlen einer Standardvergleichsmethode für Soft-Roboter-Geräte im MIC.

-wird fortgesetzt-

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 7
  • Jahr: 2020
  • Autoren: Mark Runciman, Ara Darzi, George P. Mylonas

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