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Donnerstag, 03 September 2020 07:00

Energietage 2020 im digitalen Format

von Claudia Bäßler
Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten

Die Energietage, die Leitveranstaltung der Energiewende in Deutschland seit 1999, mussten in diesem Jahr als digitale Konferenz stattfinden. Der Veranstalter zog ein positives Fazit zum digitalen Experiment. Es sei ein Wagnis gewesen, die Energietage in so kurzer Zeit komplett zu digitalisieren, aber letztlich ein Erfolg. Mit über 20 000 Anmeldungen zu Veranstaltungen bleiben die Energietage die Leitveranstaltung der Energiewende in Deutschland.

Jürgen Pöschk, Initiator und Veranstalter der Energietage, wies zudem auf die Vorteile der ortsunabhängigen Veranstaltungsdurchführung hin: Diese hätte zu einer breiten thematischen Vielfalt geführt. Themen, die in den letzten Jahren kaum eine Rolle gespielt haben, gehörten nun zu den großen Rennern: Wasserstoff, Future Fuels, Klimakommunikation und Energiewende sowie Populismus sind einige Beispiele.

Wasserstoff als Retter?

Mit der ASUE, dem B.KWK und der GASAG haben drei Veranstalter einen Tag des Wasserstoffs auf die Beine gestellt, der umfassend über Gegenwart und Zukunft des „neuen Gases“ informierte.

Den Auftakt bestritt eine vom Berliner Energieversorger GASAG organisierte Diskussionsrunde mit dem Titel „Wasserstoff – Hype oder Trend?“ unter der Moderation des energate-Redakteurs Dr. Heiko Lohmann. Die Teilnehmer (Stefan Kapferer, CEO 50Hertz, Andreas Kuhlmann, Geschäftsführer der dena und Gerhard Holtmeier, Vorstandsvorsitzender der GASAG AG) forderten eine technologieoffene Diskussion über die Energiezukunft und stellten auch die weitere Nutzung von Gasspeichern in den Vordergrund. Der Einsatz von Wasserstoff in Industrie oder im Wärmemarkt kann nur über marktwirtschaftliche Verfahren entschieden, nicht aber staatlich verordnet werden.

Zum Thema „Wasserstoff im Wärmemarkt“ stellte MdB Dr. Julia Verlinden (GRÜNE) heraus, dass ihre Fraktion klar gegen eine direkte Nutzung von Wasserstoff im Wärmemarkt sei. Wasserstoff werde eine teure und knappe Ressource sein, die sich dort einsetzen ließe, wo andere erneuerbare Energien nicht einsetzbar seien. Im Wärmemarkt sollten Effizienzmaßnahmen und Wärmepumpen priorisiert werden. Wichtiger wäre es, den Verbrauch insgesamt zu halbieren und dabei das Konzept der „Fairen Wärme“ ihrer Partei zu befolgen.

Nach diesem Gegenwind und der zuletzt mehrfach verschobenen Verabschiedung der Wasserstoffstrategie zeigten die Beiträge, dass der Markt der Gesetzgebung derzeit vorauseilt. So entsteht im baden-württembergischen Esslingen unter Führung von Prof. Fisch, EGS-plan Ingenieurgesellschaft mbH, derzeit ein Quartier, das durch eine in die Gebäudeheizung integrierte Elektrolyseanlage die darin sonst üblichen Wirkungsgradverluste durch die Nutzung der Abwärme wettmacht. Der erzeugte Wasserstoff werde stattdessen gewinnbringender in Transport und Industrie eingesetzt. Grundsätzlich mahnte Prof. Fisch, sich in Bezug auf die Energiewende der hohen anfallenden Kosten bewusst zu werden. Abschließend forderte er eine Einspeisevergütung für Grünen Wasserstoff. Warum derzeit viele zumindest ähnlich gedachte Projekte wirtschaftlich nicht durchführbar sind, brachte Norbert Zösch, Geschäftsführer der Stadtwerk Haßfurt GmbH, auf den Punkt: „Die Zahlung von EEG-Umlage auf den mittels Power-to-Gas erzeugten Strom ist völliger Unsinn!“.

Selbsterzeugten Strom im Haus, Hausspeichertechnologie und Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität

Das Webinar aus dem Informations- und Kompetenzzentrum für zukunftsgerechtes Bauen (IKzB) in Berlin erweckte größtes Interesse aufgrund der vielen aktuellen Informationen rund um die Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Strom am und im Haus.

Rechtsanwalt Peter Nümann stellte mit nützlichen Querverweisen den aktuell geltenden Rechtsrahmen für PV-Stromverbrauch vor Ort vor und gab Ausblicke auf zukünftig geplantes Recht. Mit dem Vergleich unterschiedlicher Versorgungsmodelle (PV-Wohnraummiete u. a.) wurden Vertragsmodelle erklärt. Eine spürbare Weiterentwicklung bei Hausspeichersystemen konnte Johannes Weniger, HTW Berlin, aus der DBU geförderten Stromspeicher-Inspektion 2020 feststellen. 14 Hersteller haben sich mit Labormesswerten von 21 Systemen am Speichervergleich beteiligt. Alle untersuchten Geräte konnten in der simulationsbasierten Bewertung nach dem System Performance Index (SPI) Effizienzwerte von 89 bis 94 Prozent erreichen.

Elektromobilität

Den Blick auf die Zukunft der Elektromobilität beschrieb Peter Lindlahr, HySolutions GmbH. Deutschland werde sich in den kommenden Jahren zu einem Hotspot des elektrischen Fahrens entwickeln. Im Jahr 2023 werde ein Scheitelpunkt für die künftige Marktentwicklung erreicht werden und sich ein signifikanter Nachfrageschub vollziehen. In Me-tropolräumen werde 2030 mehr als 30 Prozent des dann noch vorhandenen Fahrzeugbestands elektrisch angetrieben sein. Das Lademanagement für diese Fahrzeuge werde zu Hause, am Arbeitsplatz oder an öffentlichen Ladesäulen stattfinden. Die Bandbreite der Settings und Routinen beim Laden werden steigen und das Lastmanagement dabei immer wichtiger, um die Leistungsfähigkeit der Stromverteilnetze nicht zu gefährden. „Netzdienliches“ Laden wird ein unverzichtbarer Standard.

Identifizierung von Effizienz-Potenzialen in industriellen Prozessen

Die Systematisierung der Kennzahlensysteme zur Bewertung und Steigerung der Energieeffizienz ist ein unbedingtes Erfordernis zur Unterstützung der „Efficiency First – Strategie“ der Bundesregierung. Mit der Anwendung der Methode grenzwertorientierter Kennzahlen wird Deutschland energieeffizienter.

Im Rahmen der Veranstaltung „Efficiency First“ wurde die Methode des Physikalischen Optimums (VDI 4663) vorgestellt. Anschließend wurden konkrete Beispiele zur Anwendung des Physikalischen Optimums präsentiert. Abgerundet wurde die inhaltliche Vorstellung durch die perspektivische Anwendung der Methode auf Power-to-X-Prozesse. Die Validierung der Methode des Physikalischen Optimums findet derzeit im Rahmen eines Projekts (www.greokems.de) statt.

Gemeinsam Energiekosten senken und Know-how aufbauen

Unternehmen, die ihre Energieeffizienz steigern wollen, können unter www.effizienznetzwerke.org ein passendes Netzwerk finden. Eine interaktive Karte zeigt, wo ein schneller Start in die Netzwerkarbeit möglich ist. Außerdem gibt die Netzwerk-Börse einen Überblick zu bestehenden Gruppen und Ansprechpartnern nach Regionen und Branchen.

In einem Netzwerk arbeiten Unternehmen gemeinsam daran, ihre Energieeffizienz zu verbessern. Das senkt den Energieverbrauch, reduziert die Energiekos-
ten und schafft Wettbewerbsvorteile. Initiale Audits ermöglichen es, wirtschaftliche Investitionen in Energieeffizienz auf solider Datenbasis umzusetzen. Durch einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch gewinnen die Unternehmen gleichzeitig Know-how über Klimaschutz und technische Innovationen. Denn auch erneuerbare Energien, Mobilität und Digitalisierung sind beliebte Themen in der Netzwerkarbeit.

Bisher sind mehr als 2100 Unternehmen in 257 Netzwerken an der Initiative Energieeffizienz-Netzwerke beteiligt. Rund 190 dieser Netzwerke arbeiten mit regionalem Fokus. Dabei kooperieren Unternehmen wie Automobilproduzenten oder Krankenhäuser. In mehr als 50 Energieeffizienz-Netzwerken haben sich Teilnehmer innerhalb einer Branche zusammengeschlossen. Aktuell suchen zwölf Netzwerke in Gründung noch weitere Teilnehmer. Welche Unternehmen dabei sind und alle Informationen für einen Netzwerkstart finden Sie unter www.effizienznetzwerke.org oder Tel: (030) 66 77 77 66.

Wirtschaftspolitik im Spannungsbogen von Corona- und Klimakrise

Die Corona-Krise stellt die Wirtschaft auf eine nie dagewesene Belastungsprobe. Kann sie als Chance dienen oder überfordert sie Mittelstand und Industrie auf dem Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft? Welche Rolle spielt der „Green Deal“, mit dem die EU-Kommission eine effektive CO2-Bepreisung in der gesamten Wirtschaft gewährleisten will? Mit einem CO2-Grenzausgleich für ausgewählte Sektoren soll das Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen vermindert werden. Gleichzeitig will sich die Bundesregierung mit dem Klimaschutzprogramm 2030 auf EU-Ebene für einen moderaten CO2-Mindestpreis in den Sektoren Energie und Industrie einsetzen. Ab 2021 soll in Deutschland ein Festpreis-Emissionshandel auch für Wärme und Verkehr gelten. In der Veranstaltung wurde auch über einen CO2-Mindestpreis diskutiert.

Die online-Konferenz und das Rahmenprogramm mit offenen Diskussionsforen und Austauschformaten für individuelle Gespräche wurden aus Sicht des Veranstalters überaus gut angenommen. Auch wenn eine Präsenzveranstaltung mit den dort vorhandenen Begegnungsmöglichkeiten nicht ganz ersetzt werden kann, ist das digitale Format eine geeignete Alternative zur Ergänzung von Präsenzveranstaltungen.

 

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