Aluminium ist ein sehr unedles Metall (E0 = -1,66 V). Demnach wäre es technisch wenig brauchbar, weil es selbst mit Wasser schon heftig reagiert. Aluminium ist ein Ventilmetall, d.h. es ist ein Metall, das bei der anodischen Oxidation eine dichte Schicht aus einem nichtleitenden Metalloxid bildet. Erst durch die Oxidschicht wird die technische Brauchbarkeit gewährleistet. Die natürliche Oxidschicht ist allerdings sehr dünn, etwa 4 nm. Diese Oxidschicht wächst noch etwas mit der Zeit (Abb. 1).
Oxidschicht wird dicker
Wie man anhand der abnehmenden Stromdichten in Abbildung 1 sehen kann, wird die Oxidschicht mit der Lagerdauer etwas dicker. Diese Abhängigkeit ist in Abbildung 2 nochmal wiedergegeben.
Schätzt man ab, dass sich die Spannung und die Leitfähigkeit der Schicht nicht ändern, so folgt aus dem Ohmschen Gesetz für die Schichtdicke:
Im Verlauf von zwanzig Tagen verdoppelt sich demnach in etwa die Schichtdicke.
Leider ist es auch so, dass Passivschichten auf Metallen immer – mindestens geringfügig – angegriffen werden. Die Passivschicht des Aluminiums ist nur im pH-Bereich von etwa 4 bis 9 relativ stabil (Abb. 3). Bei niedrigeren und höheren pH-Werten wird sie stark angegriffen und kann den Schutz nicht mehr gewährleisten. Beizen für Aluminium müssen demnach in diesen Bereichen arbeiten. Da die meisten Einsatzgebiete aber im mittleren pH-Bereich liegen, ist der technische Einsatz relativ problemlos (Abb. 3).
Auf Aluminium bilden sich im pH-Bereich von 4–10 dichte Schutzschichten aus, die die Korrosion verhindern. Eine Absenkung des pH im sauren Bereich führt erwartungsgemäß zum Anstieg der Korrosionsgeschwindigkeit (Abb. 4).
Der Anstieg der Korrosionsgeschwindigkeit mit dem pH im alkalischen Bereich ist der Komplexierung geschuldet. Dabei lösen sich keine Al3+-Ionen, sondern [Al(OH)4]--Ionen.Eine weitere Form des Angriffs ist die durch Chlorid.
Leider enthalten die Meere etwa drei Prozent Chlorid. Infolgedessen ist das Chlorid praktisch allgegenwärtig und damit eine wesentliche Komponente der Aluminiumkorrosion. Deshalb ist in Meeresnähe die (Filiform)Korrosion besonders ausgeprägt
Lochfraßkorrosion ist die häufigste Korrosionsart des Aluminiums und wird initiiert, indem z. B. ein Sauerstoffatom in der Oxidschicht durch ein Chloratom ausgetauscht wird (Abb. 5).
Selbstheilung durch Sauerstoff
Damit wird die nur wenige Atomlagen dünne Schicht an dieser Stelle durchlässiger. Die Schicht ist ja undurchlässig, weil sie gerade so viel wachsen konnte, bis sie dicht war.
Mit dem weiteren Ersatz von Sauerstoffionen durch Chloridionen entstehen lokal weiße Korrosionsausblühungen (hydrolysiertes Aluminiumchlorid). Im günstigsten Fall verdrängt der Sauerstoff das Chlorid wieder und es findet eine Selbstheilung statt, d. h. die Poren „ersticken“ und die Korrosion kommt (fast) zum Erliegen (Abb. 6 und 7).
Lochfraß ist auch umgebungsbedingt (Abb. 7). In Industrie- und Seeluft ist die Korrosion gegenüber Landluft verstärkt. In diesen Umgebungen sind Chlorid und andere aggressive Inhaltsstoffe enthalten.
Zusammensetzung und Struktur der Aluminiumlegierung ist die zweite Haupteinflussgröße auf die Korrosion des Aluminiums. So kann eine Legierung, die Seewasser-beständig ist (z. B. Mg-haltig; Deckschicht: MgO), in einer sauren Industrieatmosphäre völlig versagen.
Unedlere Legierungspartner lösen sich auf
Die höchste Korrosionsbeständigkeit weist natürlich Reinaluminium auf. Sie nimmt mit der Zunahme der Konzentration von anderen Metallen in der Legierung ab. Am stärksten wirkt Kupfer mit seinem hohen positiven Potential. Im Gegensatz dazu besitzen die elektronegativeren Metalle Magnesium, Zink und Chrom einen wesentlich geringeren Einfluss (Abb. 8).
Aber auch das stark elektronegative Lithium wirkt deutlich. Deshalb wurden seine Konzentrationen in den heutigen Legierungen gegenüber den Lithiumlegierungen der ersten Generation, die mechanisch bessere Werte zeigen, gesenkt.
Kontakte mit Fremdmetallen führen natürlich ebenfalls zur Potentialbildung. Einige sind in Tabelle 1 mit aufgeführt.
Metall |
Potential gegen die |
Potential gegen |
Magnesium | -2372 | -850 |
Zink | -769 | -300 |
AlZn 4 Mg 1 | -719 | -250 |
AlZn 1 | -619 | -150 |
AlMg 5 | -520 | -50 - -40 |
AlMg3 | -520 | -30 - -20 |
AlZnMgCu | -490 | -20 - -10 |
AlMgMn | -480 | -10 - ±0 |
Reinaluminium |
-470 | ±0 |
AlMgMn | -470 | ±0 - +10 |
AlMn | -460 | +10 - +20 |
Cadmium | -465 | ±0 - +20 |
EN-WC AlSi 12 | -420 - -450 | +30 - +60 |
EN-WC AlCu 4 | -370 | +100 |
Eisen | -370 | +100 |
AlCuMg, |
-300 - -320 | +150 - +180 |
Messing (50 % Zn) | -70 | +400 |
Nickel | +11 | +480 |
Kupfer | +80 | +550 |
Chromnickel- |
-100 | +850 |
Aluminium schützt sich als Ventilmetall durch seine dichte Oxidschicht selbst. Sie ist allerdings nur 4–5 nm, also nur wenige Atomlagen, dick. An Inhomogenitäten der Oberfläche ist ihr Widerstand etwas geringer, so dass an diesen Stellen ein geringer Stromfluss möglich wird. Das führt zum Angriff an diesen Stellen. Inhomogenitäten gibt es an Rauheiten, Einschlüssen, Einwalzungen. Sie können aber auch entstehen, wenn einzelne Atome aus dem Verband herausgelöst werden (siehe vorhin). Letzteres findet natürlich ab und an durch den Angriff des Umgebungsmediums statt, insbesondere bei hohen oder niedrigen pH-Werten des Korrosionsmediums. Solche Fehlstellen wurden elektrochemisch siehe [3, 4] und elektronenmikroskopisch [5] nachgewiesen.
Hydratationsenergie bestimmt Ionenstabilität
Hydratisiertes Al3+ ist immer [Al(H2O)6]3+. Das bedeutet, es handelt sich bei der inneren Wasserhülle um chemische Hydratation (stöchiometrische Zusammensetzung). Die äußere Hülle ist dann vorwiegend physikalisch gebunden (Coulombsche Kräfte). Diese Hexaaquaaluminiumionen wirken als schwache Säure (pKs = 4,97) [8]. Die Höhe der Hydratationsenergie entscheidet letztendlich darüber, ob ein Ion stabil ist oder nicht.
Ion | z |
r0 |
n |
-∆Gh0 |
-∆Hh0 |
-∆Sh0 |
ri |
z2/r |
- | e | nm | - | kJ/mol | kJ/mol | J/(mol•K) | nm |
nm-1 |
Al+ |
1 | 6 | 464 | 485 | 70,7 | 0,129 | 7,752 | |
Al2+ |
2 | 1941 | 2021 | 270,7 | 0,107 | 37,383 | ||
Al3+ |
3 | 0,057 | 6 | 4577 | 4707 | 441,0 | 0,085 | 105,882 |
Thermodynamische Daten der Hydratation der Aluminiumionen bei unendlicher Verdünnung sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Die bestimmende Größe für die freie Energie ist z2/r (Abb. 10). Die energetischen Verhältnisse der Bildung der Aluminiumionen sind in Abbildung 11 dargestellt (jedoch ohne das extrem kurzlebige Al2+). Wie man zweifellos sieht, wird nur bei den dreiwertigen Ionen Energie freigesetzt. Es ist demnach das stabilste unter den Aluminiumionen.
Die an sich instabilen einwertigen Ionen werden durch Komplexierung stabilisiert. Ein wesentlicher Stabilisator ist Chlorid. Die hydratisierten Aluminiumionen hydrolysieren auch noch. Mit der Koordinationszahl 6 ergibt sich folgendes Gleichgewicht für [Al(H2O)6]3+:
Infolgedessen wird der Korrosionselektrolyt saurer. Die kathodische Reaktion ist:
bezogen auf den gelösten Sauerstoff.
Wenn sich Korrosionsprodukte ausscheiden, ist der Elektrolyt so hoch konzentriert, dass die Wasseraktivität ebenfalls zu berücksichtigen ist.
Die Aufklärung des Mechanismus der Aluminiumauflösung ist schwierig, weil mehrere Reaktionen parallel ablaufen. Die Bildung der Al3+-Ionen läuft dabei nicht nur über Durchtrittsreaktionen, sondern zusätzlich über unterschiedliche chemische Reaktionen (Abb. 12).
1. Die Disproportionierung (DPR) der gebildeten Al+-Ionen
2. Die Reaktion mit Wasserstoffionen und
3. Die Reaktion mit Wasser.
Wirkung des Chlorids
Chlorid ist das reine Gift für das Aluminium und zwar schon in kleinen Dosen. Warum?
Eine Durchtrittsreaktion, wie Al ↔ Al3+ + 3 e- wird niemals so stattfinden, weil niemals 4 Teilchen gleichzeitig zusammenstoßen bzw. auseinanderfliegen. Eine solche Summenreaktion muss demnach stufenweise ablaufen. Die erste Stufe ist dann:
Das ist beim Aluminium die Loslösung des 3p1-Elektrons, die beiden 3s-Elektronen sind deutlich fester gebunden. Nun ist das Al+Ion relativ instabil und kurzlebig. Es reagiert sofort weiter (Abb. 12).
In saurer Lösung mit den Wasserstoffionen Al++ 2 H+ ↔ Al3++ H2 und in alkalischer Lösung mit den Wasserstoffionen des Wassers Al++ 2 H2O ↔ Al3++ H2+ 2 OH- .
Ist Chlorid anwesend, so stabilisiert es das Al+Ion. Nicht genug damit, es katalysiert auch noch die Durchtrittsreaktion des Aluminiums. Bei der Reaktion mit Wasser bilden sich schützende, stabile Reaktionsprodukte. Infolgedessen tritt Selbstheilung der Korrosionsstelle ein. Anders bei der Durchtrittsreaktion unter Beteiligung von Chlorid.
Ist Chlorid vorhanden, so ist diese Reaktion bevorzugt, da sie bei negativerem Potential als ohne abläuft.
Das Aluminiumchlorid reagiert weiter, solange freies Wasser vorhanden ist.
Dissoziation des basischen Salzes:
Der entstehende Wasserstoff tritt teilweise als Gas nach außen. Da er aber zunächst atomar entsteht, diffundiert der andere Teil in das Aluminium und führt örtlich zur Versprödung, was sich bei der Spannungsrisskorrosion beschleunigend auswirken kann.
Mit der Dissoziation steht das Chlorid für die nächste Durchtrittsreaktion wieder zur Verfügung. Chlorid wirkt demnach wie ein Katalysator der Aluminiumauflösung. Die Korrosion kann fortschreiten. Die Folgen sind z.B. Lochfraßkorrosion (pitting corrosion) und Filiformkorrosion (filiform corrosion).
Das Potential der Durchtrittsreaktion hängt mit 60 mV pro Größenordnung von der Chloridkonzentration ab (1 Cl- und 1 e-) [6, 7]
Schlussfolgerung für den Galvaniseur aus der Wirkungsart des Chlorids: Treten Korrosionsprobleme auf, so sollte als letztes Spülwasser keinesfalls Stadtwasser (gechlort!) verwendet werden.
Literatur
[1] Füssel, U., Projektleiter: Korrelation zwischen Oberflächenhistorie, den Prozessbedingungen und der Löteignung von Aluminiumwerkstoffen; SB IGF 17.748 BR, TU Dresden (2015)
[2] Pryor, M.J.; Keir, D.S.: J. Electrochem. Soc. 105(1957), S. 629
[3] Wood, G.C. et al.: Proc. Conf. on Localized Corrosion 1971 Williamsburg, NACE Houston (1974)
[4] Galvele, J.R.: J. Corr. Sci 28(1981), S. 351
[5] Thompson, G.E. et al.: J. Electrochem. Soc. 129(1982), S. 1515
[6] Kaesche, H.: Die Korrosion der Metalle, 3. Aufl., Nachdr. (2011) Springer Verlag
[7] Kosin, L.F.: Elektroabscheidung und -auflösung mehrwertiger Metalle (russ.)
[8] Holleman, A.F.; Wiberg, N.: Lehrbuch der anorganischen Chemie, 102. Auflage, De Gruyter, Berlin (2007)