Diese Seite drucken
Mittwoch, 16 Dezember 2020 16:01

Leichtbau und Galvanikprobleme - Teil 2 Resultierende Galvanisierprobleme

von
Geschätzte Lesezeit: 6 - 11 Minuten

Die Atome im Spannungsfeld einer Versetzung lösen sich schneller aus der Oberfläche und hinterlassen sog. Ätzgrübchen. Daneben bilden sich an Legierungen immer Mischpotentiale aus [5].

Für die Oberflächenbehandlung wichtig ist die Wirkung der Ausscheidungen auf das elektrochemische Potential kleiner Bereiche, die bis hin zum Kornzerfall führen. Die Potentiale intermetallischer Verbindungen können nicht als Mischpotentiale der sie bildenden Metalle bestimmt werden. Da sie andere Bindungen besitzen, besitzen sie auch andere Energieinhalte und damit auch eigene Potentiale und Austauschstromdichten. Diese kann man nur messtechnisch bestimmen.

Wie man an den Zusammensetzungen sieht, können die intermetallischen Verbindungen recht kompliziert sein.

Dass sie andere chemische Bindungen besitzen, als die Bestandteilmetalle, führt dazu, dass sie auch ein anderes elektrochemisches Potential besitzen. In der Regel sind sie infolge der festeren Bindung edler. Das ist aber von Metall zu Metall verschieden. Diese eigenen Bindungsverhältnisse führen auch noch dazu, dass sich nicht das erwartete berechenbare Mischpotential ausbildet.

Fehlersuche

Bei der Fehlersuche ist immer zuerst die geometrische Verteilung des auftretenden Fehlers über die Werkstücke zu ermitteln (Größe, Anzahl, Verteilung). Das schließt häufig schon aus, den Fehler unsinnigerweise in der Galvanik zu suchen. Warum? Sind die Fehler systematisch verteilt, können sie nicht aus der Galvanik stammen. Die Galvanik erzeugt immer unregelmäßig verteilte Fehler. Regelmäßig verteilte Fehler stammen immer aus der Vorfertigung. Die Galvanik kann sie dann höchstens verstärkt haben.

Z.B. traten winzige „Blasen“ auf jedem zweiten Bauelement in einer Reihe auf. Das kann die Galvanik nicht. Da war es gut zu wissen, dass die Bauelemente immer zu zweit gestanzt wurden. Damit war klar, dass die Fehler von der Stanzerei herrührten. Die genaue Betrachtung zeigte auch, dass es keine Blasen, sondern runde Erhebungen waren. Was war geschehen? Man hatte in der Stanzerei mit Ballotini (kleine Glaskugeln) gestrahlt. Eine Kugel hatte sich in den Stempel gedrückt und war dann wieder herausgefallen. Diese Beule prägte dann die Erhebung auf die Bauelemente, die zunächst als „Blase in der Goldschicht“ identifiziert wurde.

Ähnliches gilt, wenn Fehler immer an der gleichen Stelle eines Werkstückes auftreten.

Auch die Eigenarten des jeweiligen Galvanisierprozesses muss der „Qualitäter“ kennen. Silber scheidet sich normalerweise mit einer einhundertprozentigen Stromausbeute ab. Dabei können also keine Wasserstoffporen entstehen. Auf der weißen Silberschicht bildeten sich nach kurzer Lagerzeit kreisrunde, graue Flecke. Die Betrachtung unter dem Mikroskop zeigte, dass sich in ihrer Mitte immer eine Pore befand. Der graue Fleck entstand durch aus der Pore diffundierende Elektrolyten. Der Grundwerkstoff war porig.

Auch Blasen und Abblätterungen müssen nicht unbedingt im mangelnden Reinigungsprozess liegen. Solche plötzlich auftretenden Haftungsprobleme der Goldschicht auf FeNiCo waren nicht galvanisch bedingt. Der Metallurge hatte die Cobaltgrube im Kongo gewechselt. Das Erz enthielt etwas mehr Chrom. Obwohl die Zusammensetzung des Materials nach DIN noch korrekt war, reichte die schwache Chrompassivität auf der Oberfläche schon aus, um den Fehler zu verursachen.

Neben der Ermittlung der Fehlerverteilung ist es notwendig, das Fehlerbild möglichst exakt zu definieren. Ein Handlungsführer dazu kann die nachfolgende Liste sein [3].

Nach diesen beiden ersten Analyseschritten ist es unbedingt notwendig, zunächst z.B. anhand der Liste den bzw. die Prozessschritte zu ermitteln, die für die Verursachung in Frage kommen. Dabei hat man natürlich den eigenen Prozess zuerst im Auge. Es ist aber äußerst schädlich und teuer, wenn man sich irrt und zunächst die Daten des gut laufenden Prozesses verändert. Wie wichtig das ist, zeigt das vorstehende Beispiel der geringen Zusammensetzungsänderung des Rohmaterials.

Es ist auch wichtig, dem Kunden exakte Fehlerbilder nahe zu bringen. Um Kosten zu sparen, will man ja schnell reagieren. Da ist es wenig hilfreich, wenn der Kunde mitteilt „Oberflächenfehler“ oder „die Teile sind nicht verarbeitbar“. Dann vergeht relativ viel Zeit, bis die Fehlerteile im eigenen Hause sind und man die exakte Fehleranalyse ausführen kann.

Liste von Fehlerbildern

Abblätterungen, aufgerissene, in der Regel nach außen gerollte Schichten entstehen durch Zugspannungen oberhalb der Zerreißfestigkeit bei gleichzeitig geringer Haftung. Üblicherweise entstehen sie bei ungenügender Reinigung vor dem Abscheiden der Metallschicht oder eben bei passiven Materialien auf der Oberfläche.

Aufwachsung, starke, örtlich begrenzte Materialanhäufung durch starke Erhöhung der Stromdichte an aus der Oberfläche ragenden Stellen (Kanten von Riefen, Werkzeugspuren, Grate usw.).

Blase, Ablösung der Schicht oder der Zwischenschicht unter Aufwölbung des Schichtmaterials durch zu hohe Druckspannung in der Schicht und/oder Gasansammlung (Wasserstoff) bei gleichzeitig zu geringer Haftfestigkeit.

Fehlstelle, begrenzter, nicht galvanisierter Bereich durch eine mit einem Isolierstoff (Passivschicht, Gasblase) oder einem Werkstoff mit höherer Überspannung bedeckte Stelle.

Mangelnde Haftung, Trennung der Schicht vom Grundwerkstoff beim vereinbarungsgemäßen Gebrauch oder einer vergleichbaren Belastung (vereinbarte Prüfung) durch ungenügend entfernte Schichten auf dem Grundmaterial.

Pickel, über die Oberfläche verstreute, einzeln stehende Rauheiten durch Einwachsen von Partikelverunreinigungen der Oberfläche.

Poren, meist kreisrunde Vertiefung mit steiler Wand (u.U. mit aufgeworfenen Rändern) durch einen nicht leitenden Einschluss (Einschluss, Blase, Pore) im Grundmaterial.

Risse, linienförmige Trennung in der Schicht, senkrecht zur Oberfläche durch einen Riss an der Grundmaterialoberfläche. Kann durch die Abscheidung bedingt sein bei sprödem Schichtwerkstoff und hoher Zugspannung (z.B. Rh, Cr, Ni).

Wasserstoffversprödung, Versagen des Werkstückes, besonders bei hochfestem Material infolge der Überbelastung der Bindungen durch das Eindringen von Wasserstoff. Die Ursache ist schwierig zu ermitteln, da im gesamten metallurgischen Prozess und bei der Korrosion Wasserstoff eindringen kann. Tempern allein nach dem Galvanisieren reicht dann nicht aus.

Ab- und Eindrücke, Oberflächenmarkierungen (Erhebungen oder Vertiefungen), die unregelmäßig verteilt oder regelmäßig wiederkehrend auftreten können.

Aufwalzung, Flitter eines weicheren Metalls, der beim Walzen in Walzrichtung gestreckt und mit der Oberfläche mehr oder weniger fest verbunden wurde.

Biegezahl, Duktilitätsmaß, Prüfung quer zur Walzrichtung.

Blase im Grundwerkstoff, allseitig vom Material umschlossener Hohlraum von runder oder länglicher Gestalt mit meist blanker Innenfläche. Blasen in Oberflächennähe können als erkennbare Ausbeulungen in Erscheinung treten oder aufgerissen sein.

Blasennest, Anhäufung meist kleinerer Blasen.

Dopplungen, Spaltigkeit, innere Werkstofftrennungen, die am unbearbeiteten Halbzeug nur selten erkennbar sind und an die Oberfläche treten, sich nach dem Galvanisieren aber abheben.

Einschluss, nichtmetallische Einlagerung (Oxid, Schlacke, Sulfid) im Gefüge, kann an der Oberfläche austreten.

Einwalzung, beim Walzen in die Oberfläche eingedrücktes Partikel aus einem härteren Werkstoff als das Grundmaterial.

Fließfiguren, Fließ- und Knicklinien, durch örtliches Fließen des Werkstoffs beim Kaltverformen oder bei der Halbzeugverarbeitung (z.B. Tiefziehen) entstehende Linien.

Flitter, Schuppen, unregelmäßige, flächenhafte Oberflächentrennungen von geringer Dicke, die als zahlreiche feine Schalen auftreten, sie können in Walzrichtung gereckt sein und mit dem Grundmaterial zusammenhängen. Nach ihrer Ablösung bleibt auf dem Grundwerkstoff i.d.R. eine Narbe zurück.

Gefügeinhomogenitäten, nebeneinanderliegende Bereiche unterschiedlicher Phasen oder unterschiedlicher Zusammensetzung, die Bereiche besitzen unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften.

Glühfahnen, Glühflecke, durch Luft oder die Einwirkung anderer Medien beim Glühen auftretende Oberflächenverfärbungen infolge der Bildung anderer Verbindungen (Salze, Oxide) an diesen Stellen.

Grat, nach einem Trennverfahren in Schnittrichtung stehen gebliebenes Material in einer über den Spezifikationswert hinausgehenden Ausdehnung.

Gratrippe, aus der Oberfläche hervorstehender Grat infolge eines Spaltes zwischen den Matrizenteilen beim Ur- oder Umformen oder durch herausgepresstes Material beim Widerstandsschweißen.

Grübchen, Anfressungen und kleine Löcher, verstreut über einen Oberflächenbereich.

Haspelmarken, aufgerissene Oberfläche bzw. Kratzer mit unterschiedlicher Breite, Tiefe und Konzentration, i.d.R. mehr oder weniger gleichmäßig wiederholend quer zur Walzrichtung infolge Bandrelativbewegung beim Aufhaspeln.

Kaltbandschrammen, Riefen, Kratzer, Schürfungen oder Aufreißungen von unterschiedlicher Größe, bevorzugt in Walzrichtung, die offen oder geschlossen und frei von metallischen Einschlüssen sein können.

Korngröße, Nichteinhaltung des vorgegebenen Richtwertes, soweit sie die Verwendungsfähigkeit negativ beeinflusst.

Korrosion, an der Oberfläche sichtbare Korrosionsprodukte, hervorgerufen durch die Einwirkung ungeeigneter Medien bei Transport oder Lagerung.

Lunker, Vertiefung in der Rohteiloberfläche durch Gasbläschen oder herausgefallene Seigerungen.

Mangelnde Polierfähigkeit, Bildung von Ätzgrübchen und anderen Fehlern beim chemischen oder elektrochemischen Polieren.

Pore, Vertiefung mit geringem Oberflächenausmaß und steiler Böschung, wobei die Kanten in der Ebene der Bezugsoberfläche liegen.

Rattermarken, wellenartige Unebenheiten mit kurzen periodischen Abständen, quer zur Transportrichtung.

Raue Oberfläche, zu hohe Rauheit der Oberfläche, die auch nach dem Galvanisieren zu einer zu rauen Oberfläche führt.

Riss, örtlich begrenzte Trennung des Werkstoffgefüges von geringer Breite, aber oft beträchtlicher Tiefe oder Länge.

Schlackenzeile, nichtmetallische Einschlüsse, die beim Walzen gestreckt wurden.

Schmutz, leichte bis starke Ablagerung partikelförmiger und/oder flüssiger Fremdstoffe auf der Oberfläche infolge unsachgemäßer Handhabung bei Verarbeitung, Lagerung, Transport.

Seigerung, Anhäufung (Auskristallisation) von Fremdmaterial aus der Schmelze in der Rohteiloberfläche.

Walzriefe, geradlinige, grabenförmige Bearbeitungsspur größerer Länge in Bearbeitungsrichtung.

Wasserstoffgehalt, zu hoher Gehalt des Werkstückes aus den Vorstufen.

Je nach Kunde und seinen Verarbeitungsprozessen der galvanisierten Werkstücke sind weitere angepasste Fehlerbilder zu generieren.

Ein Zusammenhang von Galvanisierfehlern mit metallurgischen Ursachen lässt sich aus Tabelle 3 entnehmen.

Die elektrochemischen und damit galvanotechnisch relevanten Phänomene, die mit den Härtungsvorgängen verbunden sind, wurden bei den Methoden zur Härtung bereits beschrieben.

Tab. 3: Galvanisierfehler auf Grund von Rohteil- und Materialfehlern

Schichtfehler

Blasen

Abblätterungen

Mangelnde Haftung

Verfärbungen

Fehlstellen

Bruch

Aufwachsung

Poren

Pickel

Risse

Biegezahl

Schichtdickenschwankung

Rauheit

Glanz

Korrosion

Grundwerkstofffehler

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Poren

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

X
Blasen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

X
Blasennester

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Partikelverunreinigungen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Risse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

X X

 

X

 

X
Wasserstoffgehalt X

 

 

 

 

X

 

 

 

 

X

 

 

 

 

Abdrücke X

 

 

 

 

 

 

 

X

 

 

 

 

 

 

Aufwalzung X X X

 

X

 

 

 

 

 

 

X

 

 

X
Dopplungen, Flitter

 

X

 

 

 

 

 

 

X

 

 

 

 

 

X
Einschluss X X X X X

 

 

X

 

 

 

X

 

 

 

Einwalzung X X X

 

X

 

 

X

 

 

 

X

 

 

 

Fließfiguren

 

 

 

X

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grat, Gratrippe

 

 

 

 

 

 

X

 

 

 

 

 

 

 

 

Gefügeinhomogenitäten

 

 

X

 

X

 

 

 

 

 

 

X

 

 

 

Glühfahnen X X X X X

 

 

 

 

 

 

X

 

 

 

Grübchen

 

 

 

 

 

 

 

X X

 

X

 

X

 

X
Haspelmarken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

X
Schlagstellen, Dellen, Kerben

 

 

 

 

 

 

X  

 

 

 

X X

 

 

Kaltbandschrammen

 

 

 

 

 

X X  

 

X X X X   X
Korngröße

 

 

 

X

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lunker

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

X
Rattermarken

 

 

 

 

 

 

X

 

 

 

X X X X X
Rauheit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

X X X
Schlackenzeile X X X X X X

 

X

 

 

X

 

X X X
Seigerung X X X X X X

 

X

 

 

X

 

X X X
Schmutz X X

 

X X

 

 

X

 

 

 

X

 

X X
Walzriefe, Riefe

 

 

 

 

 

 

X

 

 

 

 

X

 

 

X
Mangelnde Polierfähigkeit

 

 

 

X

 

 

 

 

 

 

 

 

X X X
Korrosion

 

 

X X

 

 

 

 

 

 

 

X X X X

Tab. 3: Galvanisierfehler auf Grund von Rohteil- und Materialfehlern

Literatur

[1]Gottstein, G.: Physikalische Grundlagen der Materialkunde, Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York, 2001

[2]https://www.ahoefler.de/images/maschinenbau/werkstoffkunde/verformbarkeit-der-metalle/verformung-realkristall/versetzung.png

[3]Unruh, J.N.M., Tabellenbuch Galvanotechnik, ab Aufl. 7, Eugen G. Leuze Verlag, Bad Saulgau

[4]https://de.wikibooks.org/wiki/Werkstoffkunde_Metall/_Innerer_Aufbau/_Gitterfehler

[5]Unruh, J.N.M., Die Automobillegierung ZnNi14 und ihre Potentialverhältnisse, Galvanotechnik, 9, 1341

 

 

DER AUTOR

Dr.-Ing. habil. Jürgen N. M. Unruh ist gelernter Galvaniseur. Er studierte an der TU Ilmenau Elektrochemie und Galvanotechnik, promovierte und habilitierte sich dort auch. Er ist heute Geschäftsführer der Technologieberatung
Dr. Unruh, Gräfinau-Angstadt.

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 12
  • Jahr: 2020
  • Autoren: Dr.-Ing. habil. Jürgen N. M. Unruh

Ähnliche Artikel