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Freitag, 18 Dezember 2020 13:00

Beschichtungen für stoff- und formschlüssige Al-Schmelze/Stahlblech-Hybridbauteile

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Geschätzte Lesezeit: 8 - 16 Minuten
Abb. 1: Schematische Darstellung zur Applikation unterschiedlicher Beschichtungen auf den Stahleinleger für das Druckgießen Abb. 1: Schematische Darstellung zur Applikation unterschiedlicher Beschichtungen auf den Stahleinleger für das Druckgießen

Die hybride Leichtbauweise ist von großem Interesse in der modernen Automobilindustrie. Die Kombination aus Stahl- und Aluminiumbauteilen zur Gewichtsreduktion spielt dabei eine besonders wichtige Rolle. Folglich ist die Erforschung geeigneter Fertigungstechnologien zur Verbindung dieser Werkstoffe vor allem im Bereich Karosseriebau zwingend erforderlich. Neben Verfahren wie Schweißen und Löten stellt das Druckgießen eine innovative Methode zur Herstellung von Aluminium/Stahlblech-Hybridbauteilen dar.

Da die Abkühlgeschwindigkeiten im Druckguss um ein Vielfaches höher sind als bei den meisten anderen Fügeverfahren, ist die Erzeugung von stoffschlüssigen Verbindungen wesentlich erschwert. Daher soll die Beeinflussung des Stoffschlusses durch die Beschichtung der Bleche mit unterschiedlichen Schichtsystemen erfolgen. Das Hauptziel der aktuellen Studie ist es, die Bindungsmechanismen für Aluminium/Stahl­blechverbindungen beim Druckgießprozess zu verstehen und die Einflussfaktoren auf diese zu untersuchen.

1 Einleitung

Um die Bindungsart an der Grenzfläche zwischen Aluminiumschmelze und Stahl zu kontrollieren und ihren Einfluss auf die Ausbildung von spröden intermetallischen AlFe-Phasen und auf eine mögliche Spaltbildung zwischen der Al-Schmelze und dem Stahlblech zu analysieren, wurden zunächst Beschichtungen aus Cu-, Ni- und Al-basierten Legierungen mittels thermischen Spritzens und Auftraglötens auf das Stahlblech appliziert. Von besonderem Interesse ist die Analyse von diesen Schichten in Bezug auf die mikrostrukturelle Entwicklung der Kontaktzone Al-Guss/Beschichtung/Stahlsubstrat. Neben metallographischen Untersuchungen mittels Licht- und Rasterelektronenmikroskopie wurde das thermische Verhalten der Beschichtungen in differenzkalorimetrischen Messungen analysiert. Zudem wurde die Verbindungsqualität in Abhängigkeit der Temperaturverteilung auf der Stahloberfläche während des Druckgießens analysiert.

Seit Jahrzehnten sind Stahl und Aluminium die bedeutendsten Werkstoffe in der Automobilindustrie. Speziell die Hybridstrukturen aus beiden Metallen zur Kombination der guten mechanischen Eigenschaften des Stahls mit der geringen Dichte des Aluminiums sollen zur Gewichtsreduktion und damit zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen im Verkehrssektor führen. Das Fügen von Aluminium und Stahl ist jedoch aufgrund stark unterschiedlicher thermophysikalischer und stoffschlüssiger Eigenschaften beider Werkstoffe sowie der Ausbildung von spröden intermetallischen Phasen an der Grenzfläche eine anspruchsvolle Aufgabe. Neben dem Schweißen und Hartlöten stellt das Druckgießen eine alternative Technik zum Verbinden artfremder Metalle dar. Der Hybrid-Druckguss von Aluminium auf einen Stahleinleger steht in den letzten Jahren im Fokus der Forschung an der RWTH Aachen [1, 2]. Trotz erster Erfolge ist eine weitere Verbesserung der Verbundeigenschaften erforderlich, da das Problem der spröden intermetallischen Phasen und der Spaltbildung an der Aluminium/Stahl-Grenzfläche nicht vollständig gelöst ist.

Es gibt drei Verbindungsarten, die in einem Materialverbund auftreten können: Stoffschluss, Kraftschluss und Formschluss. Aufgrund der extremen Abkühlgeschwindigkeiten nach dem Druckgießen und der unzureichenden Benetzung von Stahl durch Aluminium ist es herausfordernd, eine stoffschlüssige Bindung an der Grenzfläche zu realisieren. Ziel der aktuellen Studie ist die Untersuchung verschiedener Beschichtungen für den Stahlein­leger und deren Einfluss auf die Gefügeausbildung, Wachstumskinetik und chemische Zusammensetzung der Fügezone. Die größte Herausforderung ist die Applikation von Beschichtungen mit einer zuverlässigen Haftung auf dem Stahlsubstrat, die eine stoffschlüssige Verbindung mit dem Aluminiumguss beim Druckgießen ermöglichen. Beim Druckgussverfahren wird der Stahleinleger auf eine Temperatur von T = 500–520 °C erwärmt, während
die Temperatur des geschmolzenen Aluminiums ca. T = 700 °C beträgt [1]. Daher wurden als Beschichtungswerkstoff zwei Al-basierte Legierungen mit einer niedrigen Solidustemperatur ausgewählt, um ein partielles Aufschmelzen der Beschichtung im Druckgießprozess zu ermöglichen und so eine stoffschlüssige Bindung mit der Gusslegierung zu erreichen. Weiterhin wurden mittels Hochgeschwindigkeitsflammspritzen applizierte Ni5Al-Beschichtungen untersucht, die aufgrund der Infiltration der Porosität durch die Schmelze eine gute formschlüssige Anbindung im Druckgießprozess ermöglichen sollen. Außerdem wurden auch die Varianten mit Cu-Schichten zur Vermeidung einer metallurgischen Reaktion zwischen Aluminium und Stahl und der daraus resultierenden Bildung intermetallischer Phasen untersucht. Diese Beschichtungen wurden mittels Auftraglöten hergestellt. Ein Überblick über die Applikationstechniken und Beschichtungskonzepte ist in Abbildung 1 gegeben.

2 Versuchsaufbau und Beschreibung

In der aktuellen Untersuchung wurde kaltgewalzter Tiefziehstahl DC04 als Substratmaterial ausgewählt, der u.a. im Karosseriebau eingesetzt wird. Die Zusammensetzung des Stahls sowie der Beschichtungswerkstoffe und der Al-Gusslegierung AlSiMn9 ist in Tabelle 1 angegeben.

Tab. 1: Chemische Zusammensetzung der Beschichtungen, des Stahls und der Al-Gusslegierung
  Si Mn Mg C S P Cu Al Fe Zn Ni
DC04   0,40   0,08 0,03 0,03     bal.    
AA4145 10,00           4,00 bal.      
AA7075 0,4 0,3 2,5       1,6 bal.   5,5  
Ni5AL               5,0     bal.
AlSi9Mn 9,0 0,4 0,08       0,03 bal. 0,15    

2.1 Spritzversuche

Der unbehandelte Stahl wurde im kaltgewalzten Zustand sowie nach dem Sandstrahlen eingesetzt. Als Strahlmittel wurde Aluminiumoxid mit der Korngröße F80 (149 µm–210 µm) verwendet. AA4145-Pulver mit einer Korngrößenverteilung von -45 +15 µm und AA7075-Pulver mit einer Korngrößenverteilung von -63 +20 µm wurden von der TLS Technik GmbH (Bitterfeld, Deutschland) geliefert. Das Kinetiks 8000 Kaltgasspritzsystem der Fa. Oerlikon Metco (Pfäffikon, Schweiz) wurde zur Abscheidung der Al-basierten Beschichtungen mit Stickstoff als Prozess- und Trägergas eingesetzt.

Das Hochgeschwindigkeitsflammspritzsystem (HVOF) K2 des Herstellers GTV Verschleißschutz GmbH (Luckenbach, Deutschland) wurde für die Applikation der Ni5Al-Beschichtung verwendet. Die Spritzparameter für beide Al-Basis Legierungen sowie für die Ni5Al-Beschichtung sind in Tabelle 2 dargestellt.

Tab. 2: Prozessparameter für die Beschichtungsprozesse mittels thermischen Spritzens
Parameter AA4145 (CGS) / AA7075 (CGS) Ni5Al (HVOF)

Gasttemperatur [°C]

490  

Prozessgasfluss, N2 [m3/h]

60  

Trägergasfluss, N2 [m3/h]

3,0  

O2-Fluss [slpm], (HVOF)

  870

Kerosin (Exxsol D60) [l/h], HVOF

 

20 (λ = 1,26)

Spritzabstand [mm]

25 300

Robotergeschwindigkeit [mm/s]

200 1.000

2.2 Auftraglöten

Der Lötprozess zur Applikation der Cu-Folie mit einer Dicke von d = 100 µm wurde in einem PVA MOV 553 Vakuumofen durchgeführt. Die Proben wurden im Hochvakuum mit einer Heizrate von etwa Ṫ = 20 K/min auf eine Temperatur von T = 1.100 °C aufgewärmt. Die Haltezeit bei Löttemperatur betrug t = 10 min.

2.3 Gießversuche

Um das Benetzungsverhalten der beschichteten Proben zu untersuchen, wurden diese in einer ölgekühlten Verbundkokille mit der Gusslegierung AlSi9Mn (Trimal 37) umgossen. Das Werkzeug ist in Abbildung 2 dargestellt. Die Kokille wurde vor dem Versuch auf eine Temperatur von T = 170 ± 4 °C vorgewärmt. Nach der Platzierung der Probe in eine spezielle Einrichtung wurde diese mit der AlSi9Mn–Schmelze bei einer Temperatur von Ts = 720 ± 5 °C umgossen. Das Gussteil wurde nach der Erstarrung aus der Kokille herausgenommen und an der Luft gekühlt.

Abb. 2: a) Ölgekühlte Verbundkokille für die Umgießversuche, b) Geometrie des beschichteten StahleinlegersAbb. 2: a) Ölgekühlte Verbundkokille für die Umgießversuche, b) Geometrie des beschichteten Stahleinlegers

Die Druckgießversuche an den Proben mit ausgewählten Beschichtungen wurden an der Druckgießzelle Frech DAK 450 Vacural von Oskar Frech GmbH + Co. KG (Schorndorf, Deutschland) durchgeführt. Es wurde ein Blecheinleger mit einer verrippten Struktur zur Verbesserung der Steifigkeit des umgegossenen Bauteils eingesetzt. Die Geometrie des Blecheinlegers für die Druckgießversuche ist in Abbildung 3 dargestellt.

Abb. 3: Stahlblecheinleger für die Druckgießversuche mit den drei markierten Positionen der BeschichtungenAbb. 3: Stahlblecheinleger für die Druckgießversuche mit den drei markierten Positionen der Beschichtungen

Aufgrund der komplexen Struktur des Blecheinlegers war die vollflächige Beschichtung des Stahls mittels Kaltgasspritzens nur bedingt umsetzbar. Daher wurden drei spezifische Bereiche an der Blechoberfläche definiert,
die unterschiedliche Prozessbedingungen während des Druckgießens repräsentieren und die selektiv beschichtet wurden (Abb. 3). Im Einströmbereich des Druckgießwerkzeugs ist die Geschwindigkeit der Schmelze besonders hoch. Entsprechend ist an dieser Stelle auch der höchste Druck von bis zu p = 40 bar zu erwarten. Deswegen stellt dieser Bereich des Stahleinlegers besonders hohe Herausforderungen an die Beschichtung im Hinblick auf die Haftfestigkeit. Hinter der ersten Rippe des Einlegers bremst die Strömung stark ab, so dass die Geschwindigkeit ca. um den Faktor 5 sinkt. Laut der Untersuchungen von Lao liegen die maximalen Temperaturen im mittleren Bereich des Stahleinlegers bei ca. T = 500 °C [1].

2.4 Analytik

Um die Beschichtung zu charakterisieren, wurden die kaltgasgespritzten Proben metallographisch hinsichtlich ihrer Mikrostruktur untersucht. Die Diffusionsprozesse an der Grenzfläche Al-Guss/Beschichtung/Stahl nach dem Kokillen- sowie Druckgießen wurden mittels energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) am Rasterelektronenmikroskop Zeiss Leo 1530 mit dem EDX-Detektor Bruker Quantax 200 analysiert. Das thermische Verhalten der Beschichtungen wurde mittels dynamischer Differenzkalorimetrie (DSC) an einem Thermoanalyse-System SETSYS Evolution 16/18 der Firma Setaram Instrumentation (Caluire, Frankreich) untersucht. Sowohl Spritzwerkstoffe in der Ausgangsform als Pulver sowie beschichtete Proben wurden dabei von Raumtemperatur auf T = 650 °C mit einer Heizrate von Ṫ = 10 K/min aufgeheizt.

3 Ergebnisse und Diskussion

Für die AA4145-Legierung war es schwierig, durch das Kaltgasspritzen eine ausreichende Bindung auf dem unbehandelten Substrat zu erreichen. Nach dem Sandstrahlen der Stahloberfläche mit Aluminiumoxid F80 wurde eine Beschichtung mit einer Dicke von etwa d = 60 µm nach vier Übergängen abgeschieden (Abb. 4a). Die Porosität der Beschichtung AA4145 betrug etwa p = 1 %. Die Spritzversuche zeigten, dass die Legierung AA7075 durch Kaltgasspritzen auf dem Stahlsubstrat ohne vorherige Oberflächenbehandlung abgeschieden werden kann.

Abbildung 4b zeigt den Querschnitt der Beschichtung AA7075. Das Ausgangsmaterial weist eine gute Duktilität auf, was in einer starken Bindung zwischen den Partikeln resultierte. Die Beschichtungen aus AA7075 haben eine Porosität von etwa p = 0,5 %. Die Dicke der Beschichtung betrug etwa d = 150 µm.

Abb. 4: Lichtmikroskopische Aufnahmen der a) kaltgasgespritzten AA4145-Beschichtung, b) kaltgasgespritzten AA7075-Beschichtung, c) HVOF-gespritzten Ni5Al-Beschichtung, d) auftraggelöteten Cu-BeschichtungAbb. 4: Lichtmikroskopische Aufnahmen der a) kaltgasgespritzten AA4145-Beschichtung, b) kaltgasgespritzten AA7075-Beschichtung, c) HVOF-gespritzten Ni5Al-Beschichtung, d) auftraggelöteten Cu-Beschichtung

Die Nickelbasis-Legierung Ni5Al lässt sich gut mittels HVOF verarbeiten (Abb. 4c). Die Beschichtung weist eine kompakte Struktur mit geringer Porosität von ca. p = 2 % auf. Im Vergleich zu den kaltgasgespritzten Beschichtungen ist der Oxidanteil im Falle der Ni5Al-HVOF-Beschichtung bemerkbar höher. Die mittlere Schichtdicke der Ni5Al-Beschichtung lag bei d = 90 µm nach sieben Übergängen. Selten sind Fehlstellen wie Risse oder Strahlguteinschlüsse im Querschliff zu sehen. Im Unterschied zu den thermisch gespritzten Beschichtungen weist die aufgelötete Cu-Schicht eine stoffschlüssige Verbindung mit dem Stahlsubstrat auf. Außerdem hat sie eine homogene Mikrostruktur und eine glatte Oberfläche (Abb. 4d). Die Dicke der Cu-Beschichtung betrug ca. d = 100 µm.

3.1 DSC-Analyse

Abb. 5: DSC-Analyse der AA4145- und AA7075-Legierungen im pulverförmigen Ausgangszustand und nach der Applikation auf das StahlsubstratAbb. 5: DSC-Analyse der AA4145- und AA7075-Legierungen im pulverförmigen Ausgangszustand und nach der Applikation auf das StahlsubstratUm den Einfluss thermischer Prozesse auf die Phasenbildung an der Grenzfläche zwischen Stahl und Beschichtung zu bestimmen, wurden die Al-Basis-Beschichtungen mittels differenzkalorimetrischer Messungen analysiert. Das Interesse an beiden Werkstoffen liegt darin begründet, dass sich deren Zweiphasenbereich fest/flüssig mit den Prozesstemperaturen des Druckgießens überschneidet. Bei diesen Legierungen ist ein partielles Anschmelzen der Beschichtung während des Druckgießprozesses zu erwarten, was die Ausbildung einer metallurgischen Verbindung zwischen Schmelze und Beschichtung unterstützen soll. In einer Magmasoft-Simulation bei Lao et al. wurde die Temperatur an der Oberfläche des Blecheinlegers für den gesamten Druckgießprozess berechnet. Diese zeigte, dass die maximale Temperatur an der Oberfläche Werte im Bereich T = 500–520 °C erreicht [1]. Die beiden Al-Basis-Legierungen wurden in der Ausgangsform als Pulver und nach der Applikation auf den Stahl untersucht. Die Ergebnisse dieser Analyse sind in Abbildung 5 zu sehen. Für alle Proben kann ein ausgeprägter endothermer Peak beobachtet werden, welcher auf das Aufschmelzen der Legierungen zurückzuführen ist. Die theoretische Solidustemperatur der AA4145 Legierung liegt bei TSol = 520 °C. Im Vergleich zu reinem Pulver ist die Schmelztemperatur der Beschichtung geringfügig zu höheren Temperaturen verschoben.

 Die AA7075-Legierung weist im pulverförmigen Ausgangszustand eine höhere Schmelztemperatur von TSol = 583 °C im Vergleich zur AA4145-Legierung auf, obwohl der theoretische Schmelzbereich dieser Legierung zwischen T = 477 °C–635 °C liegt [3]. In der Studie von Atkinson et al. wurde gezeigt, dass das Aufschmelzen der AA7075-Legierung mit der Auflösung der MgZn2-Phase beginnt, [4]. Aufgrund des vermutlich geringen Anteils dieser Phase wird der Schmelzbereich der AA7075 erst bei höheren Temperaturen detektiert. Interessanterweise ist der Schmelzpeak im Falle der AA7075-Legierung im gespritzten Zustand zu niedrigeren Temperaturen verschoben. Rokni et al. zeigte, dass die Mikrostruktur der AA7075-Pulver während des Kaltgasspritzens eine starke Veränderung erfährt, auch was die Größe und Verteilung der Ausscheidungen betrifft [5, 6]. Dies kann ein möglicher Grund für die Verschiebung des Schmelzbereichs durch das thermische Spritzen sein. Für beide Beschichtungen liegt der Schmelzbereich knapp oberhalb der zu erwartenden Temperaturen an der Blechoberfläche im Druckgussprozess, die in der Simulation von Lao bestimmt wurden. Die Temperaturunterschied liegt im Bereich von ca. ΔT = 20 °C, was ein partielles Anschmelzen der Beschichtung nicht ausschließen lässt.

3.2 Gießversuche in einer ölgekühlten Kokille

Die Querschliffe der mit AlSi9Mn-Schmelze umgegossenen Proben sind in Abbildung 6 dargestellt. Die lichtmikroskopischen Aufnahmen zeigten, dass bei allen Proben ein Spalt zwischen der erstarrten Al-Schmelze und den beschichteten Proben von wenigen Mikrometern bis einigen Millimetern vorliegt. Die Ausbildung dieses Spalts ist auf die schlechte Benetzung der Beschichtungen durch die Schmelze und deren Volumenkontraktion beim Erstarren zurückzuführen. An manchen Stellen ist zu sehen, dass die flüssige Schmelze das Oberflächenprofil der Beschichtung teilweise abbildet, wie in Abbildung 6c bei der Ni5Al-Beschichtung. Es konnte keine Infiltration der Porosität durch die Schmelze im Falle der Ni5Al-Beschichtung metallographisch belegt werden. Einzig bei der AA4145-Beschichtung kam es zu einer partiellen stoffschlüssigen Anbindung zwischen der Schmelze und Beschichtung auf ca. 15 % der gesamten Kontaktfläche (Abb. 6a). Zwischen Al-Gusslegierung und Cu-Beschichtung lag ein dünner Spalt von wenigen Mikrometern vor (Abb. 6d).

 Abb. 6: Querschliffe umgegossener Proben mit a) CGS-AA415-Beschichtung, b) einer CGS-AA7075-Beschichtung, c) einer HVOF-Ni5Al-Beschichtung, d) auftraggelöteter Cu-BeschichtungAbb. 6: Querschliffe umgegossener Proben mit a) CGS-AA415-Beschichtung, b) einer CGS-AA7075-Beschichtung, c) einer HVOF-Ni5Al-Beschichtung, d) auftraggelöteter Cu-Beschichtung

Abb. 7: REM/EDX-Analyse einer umgegossenen Probe, beschichtet mit AA4145-LegierungAbb. 7: REM/EDX-Analyse einer umgegossenen Probe, beschichtet mit AA4145-LegierungDie Abbildung 7 zeigt die Ergebnisse einer REM/EDX-Messung an einer Stelle mit stoffschlüssiger Anbindung zwischen der AA4145-Beschichtung und Al-Schmelze. In der Mikrostruktur der Beschichtung sind helle Phasen an den Partikelgrenzen zu sehen. Wie aus der EDX-Messung hervorgeht, weisen diese Phasen einen Kupfergehalt von bis zu 40 Gew.-% auf mit Aluminium als Hauptkomponente. Aus dem Aluminium-Kupfer-Phasendiagramm kann auf die Bildung einer intermetallischen θ-AlCu-Phase geschlossen werden. Gemäß der EDX-Analyse kann eine dünne Reaktionszone aus AlFeSi-Phase an der Grenzfläche zwischen Stahl und AA4145-Legierung identifiziert werden (Abb. 7). Die Zusammensetzung der Reaktionszone entspricht der Zusammensetzung von α- und β-AlFeSi, nämlich Al12Fe5Si und Al5FeSi. Der intermetallische Phasensaum weist eine Struktur und Zusammensetzung auf, die vergleichbar ist mit denen aus Tauchversuchen von Stahlblechen in einer Al-Schmelze in den Arbeiten von Fragner et al. und Nazari et al. [7, 8].

 

3.3 Druckgießversuche

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus den Gießversuchen in einer ölgekühlten Kokille wurden zwei Al-Basis Beschichtungen für die ersten Druckgießversuche ausgewählt. Aus den lichtmikroskopischen Aufnahmen in Abbildung 8a ist ersichtlich, dass eine Anbindung zwischen der AA4145-Beschichtung und Al-Schmelze nur in kleinen Bereichen beobachtet wurde. Auf dem Querschliff ist zu sehen, dass die Beschichtung vermutlich aufgrund der Kontraktion bei der Erstarrung die Schmelze vom Substrat abgezogen und beschädigt wurde. Solche Schädigungen sind auch an einigen Stellen bei der AA7075-Beschichtung zu finden. In Abbildung 8b ist ersichtlich, dass einige Risse in der Beschichtung entlang der Grenzfläche Beschichtung/Schmelze verlaufen.

Abb. 8: Querschliffe druckgegossener Proben beschichtet mit a) AA4145- und b) AA7075-LegierungAbb. 8: Querschliffe druckgegossener Proben beschichtet mit a) AA4145- und b) AA7075-Legierung

Abb. 9: REM/EDX-Analyse einer druckgegossenen Probe, beschichtet mit AA7075Abb. 9: REM/EDX-Analyse einer druckgegossenen Probe, beschichtet mit AA7075Die stoffschlüssige Verbindung zwischen Al-Schmelze und AA7075-Beschichtung konnte partiell hergestellt werden. Im Angussbereich, wo die Schmelze die höchste Geschwindigkeit aufweist, wurden die Beschichtungen stark beschädigt oder teilweise abgetragen. Eine gute Anbindung zwischen Al-Schmelze und Beschichtung wurde im mittleren Bereich des Blecheinlegers erzielt, wo theoretisch die höchste Temperatur erreicht wurde.

Um die Wechselwirkung zwischen der Grenzfläche Schmelze/Beschichtung/Stahl zu beschreiben, wurde eine REM/EDX-Messung durchgeführt. In Abbildung 9 sind die Ergebnisse diese Analyse in Form eines Linescans dargestellt.

 Die Grenzfläche zwischen Al-Schmelze und Beschichtung wird insbesondere am Verlauf des Silizium- und Zinkgehalts erkennbar. Ein flacher Übergang beim Zink spricht für die Diffusion dieses Legierungselements in die Schmelze und entsprechend für eine gute stoffschlüssige Verbindung zwischen Beschichtung und Schmelze. Es wurde weder eine Interdiffusion an der Grenzfläche zwischen Stahl und Beschichtung noch die Ausbildung intermetallischer AlFe-Phasen beobachtet.

 

Zusammenfassung

Vier unterschiedliche Beschichtungen auf einem Stahleinleger für das Hybriddruckgießen von Aluminium wurden untersucht. Die Vorversuche an einer ölgekühlten Kokille zeigten, dass die HVOF-gespritzte Ni5Al-Beschichtung für eine formschlüssige Verbindung mit der Al-Schmelze unzureichend benetzt wird. Bei der aufgelöteten Cu-Beschichtung wurde ein deutlich geringerer Spalt zwischen Al-Schmelze und Beschichtung beobachtet, jedoch konnte keine stoffschlüssige Verbindung hergestellt werden. Bei den beiden Al-Basis-Beschichtungen AA4145 und AA7075 konnte nur partiell eine stoffschlüssige Anbindung zur Al-Schmelze hergestellt werden. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde das Verhalten der zwei Al-Basis-Legierungen in den Druckgießversuchen untersucht. Es wurde gezeigt, dass die Qualität der Hybridverbindung stark von der Position auf dem Blecheinleger abhängt. Das liegt darin begründet, dass die Eingießgeschwindigkeit der Schmelze und die Temperatur auf der Oberfläche des Stahleinlegers inhomogen sind. Im Eingießbereich wurde eine starke Beschädigung der Beschichtung festgestellt, die auf die hohe Geschwindigkeit der Schmelze in diesem Bereich zurückzuführen ist. Eine gute stoffschlüssige Verbindung konnte im mittleren Bereich des Stahleinlegers realisiert werden. Die Qualität der Anbindung zwischen Schmelze und Beschichtung war im Falle der AA7075-Legierung deutlich besser, obwohl die Ergebnisse der DSC-Analyse bei den Prozesstemperaturen ein etwas stärkeres Anschmelzen der AA4145-Beschichtung erwarten lassen, was in einer besseren Verbindung mit der Al-Schmelze resultieren sollte.

Im Weiteren sollen die hergestellten Hybridstrukturen aus Aluminium und Stahl in Zugversuchen und stichprobenartig in Dauerschwingversuchen analysiert werden. Ziel ist hier die Korrelation der Interaktion der Werkstoffpartner und diesbezüglich ein umfassendes Verständnis über Entstehung und Aufbau der Verbundzone zwischen Blech und Guss. Weiterhin soll auch das Korrosionsverhalten der druckgegossenen Al/Stahl-Hybridstrukturen untersucht werden.

 

Danksagung

Die Aktuelle Studie wird über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Vorhabens Nr. BO 1979/39-1 „Behandlung von Stahlblechen für das Druckgießen spalt- und verzugsarmer Aluminiumguss/Stahl-
blech-Metallhybriden“ gefördert.

Die Autoren danken für diese Finanzierung. Besonderer Dank gilt unseren Projektpartnern am Gießerei Institut (GI) und Institut für Bildsame Formgebung (IBF) der RWTH Aachen University.

Literatur

[1] Lao, B.: Druckgegossene Metallhybridstrukturen für den Leichtbau-Prozess, Werkstoffe und Gefüge der Metallhybriden,
Hochschulbibliothek der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Aachen, 2013

[2] Oberschelp, C.: Hybride Leichtbaustrukturen für den Karosseriebau – gusswerkstofforientierte Anwendungsuntersuchungen
für das Druckgießen, Gießerei-Inst. der RWTH, Aachen, 2012

[3] Ostermann, F.: Anwendungstechnologie Aluminium, 3. Aufl. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg, 2014

[4] Atkinson, H.V.; Burke, K.; Vaneetveld, G.: Recrystallisation in the semi-solid state in 7075 aluminium alloy,
Materials Science and Engineering: A 490/1-2, 2008, 266–276

[5] Rokni, M.R.; Widener, C.A.; Crawford, G.A.; West, M.K.: An investigation into microstructure and mechanical properties of
cold sprayed 7075 Al deposition, Materials Science and Engineering: A 625, 2015, 19–27

[6] Rokni, M.R.; Widener, C.A.; Crawford, G.A.: Microstructural evolution of 7075 Al gas atomized powder and high-pressure
cold sprayed deposition, Surface and Coatings Technology 251, 2014, 254–263

[7] Fragner, W.; Papis, K.; Wosik, J.; Uggowitzer, P.J.: Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten bei der Herstellung von
Verbundgussteilen, Vortragstext, 5. Ranshofener Leichtmetalltage 2008, LKR-Verlag, herausgegeben von U. Noster,
F. Riemelmoser u. P. J. Uggowitzer, Ranshofen, 2008, 75–85

[8] Nazari, K.A., Shabestari, S.G.: Effect of micro alloying elements on the interfacial reactions between molten aluminum
alloy and tool steel, Journal of Alloys and Compounds 478/1-2, 2009, 523–530

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 12
  • Jahr: 2020
  • Autoren: Prof. Dr.-Ing. Kirsten Bobzin, Dr.-Ing. Mehmet Öte, M. A. Sonja Wiesner, Univ. Prof. Dr.-Ing. Andreas Bührig-Polaczek, M. Sc. Johannes Brachmann, M. Sc. Leonid Gerdt

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