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Donnerstag, 15 April 2021 11:59

Im Gegenteil - Die zwei Kulturen

von
Geschätzte Lesezeit: 1 - 2 Minuten

In den 1960er Jahren ist dem britischen Romancier und Physiker Charles Percy Snow aufgefallen, dass die Geisteswissenschaftler an seiner Universität in Cambridge zwar von Shakespeares Sonetten schwärmten, aber den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik nicht kannten. So etwas gehöre nicht zur Bildung.

Snow nutzte diese Überheblichkeit, um eine Trennung der literarischen von der wissenschaftlichen Kultur zu diagnostizieren. Seitdem fragt man sich, ob diese Spaltung nur Schnee vom vergangenen Jahr ist oder ihre Relevanz behalten hat. Hier wird die Ansicht vertreten, dass es ja weder um die Sonette noch um den Hauptsatz geht und es vielmehr auf ein Verstehen der Welt ankommt, und darum bemühen sich sowohl die Literatur als auch die Physik. Wer dies beachtet, wird finden, dass der Dichter in seinem Werk die Zeit anhält, um seine Liebste in ihrer Schönheit im Sonett auf ewig einzufangen, während die Wissenschaft konstatieren muss, dass die Zeit in der Wirklichkeit nur in Bewegung sein kann und auf den Tod zuläuft. Wer Zeit als Ganzes verstehen will, scheint gut beraten, wenn er sich sowohl in der Poesie umhört als auch in der Physik umsieht. Manchmal ist ein literarischer Text schwer zu verstehen, und manchmal verzweifelt man am Weltbild der Wissenschaft. Als sich diese Sicht der Dinge entwickelte, entstanden auch die Romane von Franz Kafka, die an dieser Stelle erwähnt werden, weil der Literaturkritiker und Philosoph Walter Benjamin um 1930 meinte, man könne die kafkaeske Welt besser verstehen, wenn man die Aporien der modernen Physik daneben stelle. Offenbar dachte Benjamin, die Sätze der Naturwissenschaft seien verständlich genug, um das Unverständliche der Prager Prosa begreiflich zu machen. Mir scheint, dass Gegenteil ist eher der Fall, womit konkret gemeint ist, dass die wundersamen Einsichten der Atomphysik den Menschen näher gebracht werden können, wenn man sie in eine Erzählung einbindet und darin verrückte Welten der Art erlebt, wie Kafka sie beschrieben hat. Als die Physiker am Anfang des 20. Jahrhunderts die mikroskopischen Sphären erkundeten, fragten sie sich, ob sie jemals den Wahnsinn verstehen könnten, den sie da vorfanden. Ja! Aber nur, wenn wir zugleich verstehen, was verstehen heißt. Doch nicht nur mit dem Kopf, auch mit dem Herzen. Wenn es gelingt, Herz und Kopf für Atome und Moleküle zu erwärmen, wenn Poesie und Physik zusammentreffen, dann entsteht die Kultur, von der Snow träumte. Sie macht das Humane aus.

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  • Ausgabe: 4
  • Jahr: 2021
  • Autoren: Ernst Peter Fischer

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