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Montag, 28 Juni 2021 11:59

Fehler bei der Beschichtung von Kunststoffen

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Die ständig steigenden mechanischen und optischen Anforderungen an beschichtete Kunststoffteile mit gleichzeitiger Notwendigkeit der Preis- und damit Kostenreduzierung stellen die Hersteller und Beschichter vor immer größer werdende Herausforderungen. Selbst ein geringer Anteil an Ausschuss kann so den Unterschied zwischen rentabel und unrentabel ausmachen. Somit ist eine schnelle Ursachenfindung für Fehlerbilder zwingend notwendig. Im Folgenden sollen typische und zum Teil auch ungewöhnliche Fehler bei der Beschichtung von Kunststoffen vorgestellt und die analytische Aufklärung der Fehlerursachen beschrieben werden. Dabei handelt es sich jeweils um Schadensfälle, bei denen die DFO Service GmbH mit der Analyse und Ursachenfindung beauftragt wurde.

Fehlerbild Rissbildung

Beim ersten Fall kam es auf beschichteten Polycarbonat-Bauteilen für den Automobil-Innenbereich im Bereich der Symbolik zu Rissbildung (s. Abb. 1). Diese Bereiche werden nach der Erstlackierung freigelasert und anschließend wird das gesamte Bauteil mit einem schwarzen UV-Klarlack überbeschichtet. Auf Anfrage der DFO wurden verschieden bearbeitete Bauteile zur Untersuchung bereitgestellt, darunter Rohteile, beschichtete und gelaserte Teile, nur mit Klarlack lackierte Bauteile und Bauteile mit dem Fehlerbild, die nach dem Standardprozess beschichtet und bearbeitet wurden. Da im Bereich der Symbolik transluzente Inlets in die Bauteile eingesetzt werden, lag der Verdacht nahe, dass diese fehlerhaft sind oder dass die Rissbildung durch den Laserprozess verursacht wird.

 Abb. 1: Rissbildung in der Symbolik in Aufsicht  (50-fache Vergrößerung, Durchlicht) Abb. 1: Rissbildung in der Symbolik in Aufsicht (50-fache Vergrößerung, Durchlicht)

 Abb. 2: Rissbildung in der Beschichtung in Aufsicht  (50-fache Vergrößerung, Durchlicht)Abb. 2: Rissbildung in der Beschichtung in Aufsicht (50-fache Vergrößerung, Durchlicht)

Bereits bei der lichtmikroskopischen Untersuchung aller Bauteilvarianten konnte die Ursache eindeutig zugeordnet werden: Sowohl die Rohteile als auch das beschichtete und im Inlet-Bereich gelaserte, aber nicht mit Klarlack überbeschichtete Bauteil zeigten keinerlei Rissbildung. Das Rohteil, das nur mit dem UV-Klarlack beschichtet wurde, wies hingegen nicht nur im Bereich der Inlets, sondern auch auf der gesamten Bauteiloberfläche eine mit dem Fehlerbild identische Rissbildung auf. Ein Blick in das Sicherheitsdatenblatt des UV-Lackes verriet, dass ein relativ hoher Anteil an Butylacetat enthalten war. Die verwendeten PC-Bauteile wiesen jedoch keine ausreichende Resistenz gegen dieses Lösemittel auf, so dass es direkt bei der Lackierung mit dem UV-Klarlack zur Rissbildung kam. Das Fehlerbild war anschließend nur im Bereich der Inlets erkennbar, weil zum einen dieser Bereich lichtdurchlässig und hinterleuchtet war, wodurch die Sichtbarkeit der Risse deutlich erhöht war. Zum anderen war auf dem Rest des Bauteils zum Zeitpunkt der Klarlacklackierung die schwarze Beschichtung auf dem Bauteil vorhanden. Diese war resistent gegenüber Butylacetat.

In einem zweiten Fall von Rissbildung wurden Schalterblenden, ebenfalls aus Polycarbonat, jeweils mit 2K-Polyurethanlacken weiß grundiert und schwarz decklackiert. Die Rohteile wurden in Deutschland hergestellt und anschließend mit der Vorgabe der zu verwendenden Lacksysteme zur Beschichtung nach Asien verschickt. Auch hier wurde zum Erreichen einer teillichtdurchlässigen Symbolik ein Bereich freigelasert, um im verbauten Zustand hinterleuchtet werden zu können. Nach kurzer Einsatzzeit wurden bei der rückseitigen Durchleuchtung feine Risse sichtbar (s. Abb. 2) und es kam in der Folge zu Reklamationen.

Zur genauen Lokalisierung der Rissbildung wurden zunächst Querschnitte per Mikrotom angefertigt. Die Risse selbst konnten anschließend nur per Rasterelektronenmikroskop (REM) sichtbar gemacht werden (Abb. 3), per Lichtmikroskop waren diese nicht erkennbar.

 Abb. 3: Rissbildung in der Beschichtung im Querschnitt per REM (2450-fache Vergrößerung) Abb. 3: Rissbildung in der Beschichtung im Querschnitt per REM (2450-fache Vergrößerung)

 Abb. 4: Rissbildung in der Beschichtung und Anlösen durch Abwischen mit IsopropanolAbb. 4: Rissbildung in der Beschichtung und Anlösen durch Abwischen mit Isopropanol

Die Risse verliefen zwar durch beide Beschichtungsebenen, jedoch nicht bis zum Substrat. Ein Substratfehler bzw. Rissbildung im Substrat konnte somit ausgeschlossen werden.

2K-Polyurethanbeschichtungen zeigen – sofern ausreichend ausgehärtet – eine hervorragende Chemikalienbeständigkeit. Bei einem Abwischversuch mit einem in Isopropanol getränkten Lappen zeigte sich allerdings ein anderes Bild: Die Beschichtung ließ sich mit wenig Aufwand nahezu rückstandsfrei von den Bauteilen abwischen. Dabei konnte eine deutliche Rissbildung in der Beschichtung beobachtet werden (Abb. 4).

Eine IR-spektroskopische Untersuchung der Beschichtung gab Aufschluss: Das rote Spektrum in Abbildung 5 zeigt die Absorptionsbanden der schwarzen Schicht, das blaue Spektrum die der weißen Schicht. Beide wiesen eine deutliche Untervernetzung auf, erkennbar an dem Intensitätsverhältnis der beiden charakteristischen Peaks bei den Wellenzahlen 1685 cm-1 und 1721 cm-1. Beide Polyurethanbeschichtungen waren so deutlich untervernetzt, dass davon ausgegangen werden konnte, dass gar kein Härter zugegeben worden war.

Abb. 5: IR-Absorptionsspektren der Beschichtung  (rotes Spektrum: schwarze Schicht; blaues Spektrum: weiße Schicht)Abb. 5: IR-Absorptionsspektren der Beschichtung (rotes Spektrum: schwarze Schicht; blaues Spektrum: weiße Schicht)

Untervernetzte Lacksysteme weisen weder ausreichende mechanisch-technologische Eigenschaften (Elastizität, Haftfestigkeit, etc.) noch eine hohe chemische Beständigkeit auf und können sogar rückgelöst werden.

Wie war es nun zu der Rissbildung gekommen? Der Stammlack beider Lacksysteme war stark butylacetathaltig. Nachdem die weiße Grundierung – also offenkundig nur der Stammlack – lackiert worden war, konnte dieser aufgrund des Härtermangels nicht vernetzen. Die anschließende Lackierung mit dem schwarzen Decklack – auch hier nur der Stammlack – führte aufgrund des enthaltenen Butylacetats zur Rissbildung in der nicht chemikalienresistenten Grundierung. Durch nachfolgende mechanische Beanspruchung der Schalter im täglichen Gebrauch (Druckschalter) kam es zur Rissfortpflanzung von der Grundierung in den ohnehin wenig elastischen Decklack. Lösemittelhaltige Reinigungsmittel, wie z. B. Glasreiniger, mögen zur Verstärkung des Fehlerbildes beigetragen haben.

Der dritte Schadensfall zeigt, dass sich auch im Bereich der Kunststoffbeschichtung häufig genug vermeintliche Beschichtungsfehler tatsächlich als Substratfehler herausstellen. Hierbei wurde die DFO Service GmbH beauftragt, beschichtete Kunststoffbauteile, die in der Hydrolysebeständigkeitsprüfung Auffälligkeiten zeigten, zu untersuchen. Neben sehr vereinzelter Blasenbildung wurden die Auffälligkeiten als „Glitzerstellen“ beschrieben, die abhängig von Betrachtungswinkel und Ausleuchtung sehr unterschiedlich hell erschienen.

Abb. 6: Fehlerbild „Glitzerstellen“ in Aufsicht nach Wasserlagerung (92 °C für 48 Std.) Abb. 6: Fehlerbild „Glitzerstellen“ in Aufsicht nach Wasserlagerung (92 °C für 48 Std.)

Mittels Wasserlagerung bei 92 °C für 48 Stunden konnte das Fehlerbild mehrmals bei unterschiedlichen Beschichtungsaufbauten nachgestellt werden (s. Abb. 6).

Eine anschließende Lagerung im Ofen für 30 Minuten bei 80 °C reduzierte das Fehlerbild deutlich, so dass Wassereinlagerungen angenommen wurden (Abb. 7).

Abb. 7: Regeneration des Bauteils nach Ofenlagerung (80 °C für 30 Min.)

In lichtmikroskopischer Aufsicht konnten durch Variation der Filtereinstellungen Interferenz-Erscheinungen sichtbar gemacht werden, die mal als dunkle, elliptische Effekte (Abb. 8) und mal kreisförmig, sphärisch in Erscheinung traten (Abb. 9).

 Abb. 8: Dunkle, elliptische Interferenz-EffekteAbb. 8: Dunkle, elliptische Interferenz-Effekte

 Abb. 9: Kreisförmige, sphärische Interferenz-EffekteAbb. 9: Kreisförmige, sphärische Interferenz-Effekte

Die Querschnittsuntersuchungen zeigten keinerlei Auffälligkeiten in den Beschichtungen, dafür fielen tief im Substrat die gleichen Interferenz-Erscheinungen auf, die auch schon in Aufsicht erkennbar waren (s. Abb. 10).

Schließlich handelte es sich bei dem Fehlerbild um Bruchstellen bzw. Risse im Kunststoff, die im Nachgang auch bei komplett unbeschichteten Bauteilen nach der Hydrolysebeständigkeitsprüfung feststellbar waren. Der eingesetzte Kunststoff war folglich nicht hydrolysestabilisiert, wie vom Auftraggeber angenommen.

 Abb. 10: Interferenz-Effekte im Substrat im Querschnitt  (100-fache Vergrößerung, Polarisationsfilter 90°) Abb. 10: Interferenz-Effekte im Substrat im Querschnitt (100-fache Vergrößerung, Polarisationsfilter 90°)

 Abb. 11: Einschluss in der Beschichtung des Bauteils in Aufsicht (500-fache Vergrößerung, Polarisationsfilter 100°) Abb. 11: Einschluss in der Beschichtung des Bauteils in Aufsicht (500-fache Vergrößerung, Polarisationsfilter 100°)

Fehlerbild Blasenbildung

Wenn es bei einem beschichteten Bauteil zu Blasenbildung kommt, gibt es dafür zahlreiche mögliche Ursachen. Dieses Fehlerbild wird häufig erst nach einiger Zeit sichtbar, je nachdem welchen Ursprung es hat. Häufig zeigen sich die Blasen nach einer längeren Zeit in der Endanwendung, nach einer Kondenswasserkonstantklima-Prüfung oder der Hydrolysebeständigkeitsprüfung.

Die typischsten Ursachen sind hier:

  • eine mangelhafte Durchmischung von 2K-Lacksystemen
  • Spül- oder Schleifmittelrückstände unter der Beschichtung
  • mangelhaft vorbehandelte Substratoberflächen (z. B. durch Überbeflämmen)
  • Überbrennen im Einbrennofen durch zu hohe Temperatur

Etwas seltener stellen sich ein wenig exotischere Ursachen für die Blasenbildung heraus. Anhand eines Beispiels soll im Folgenden eine solche Ursache erläutert werden.

In China hergestellte CFK-Bauteile wurden zur Beschichtung mit einem Mehrschichtaufbau nach Deutschland verschickt. Der Hin- und Rücktransport erfolgte per Schiff. Bei der Ankunft der fertig beschichteten Bauteile in China wurde eine massive Blasenbildung auf den Bauteilen festgestellt. Diese wurden als Reklamation wieder nach Deutschland zurück verschifft, dort war das Fehlerbild jedoch nicht mehr sichtbar. Die nach der Beschichtung in Deutschland verbliebenen Teile wiesen diesen Fehler ebenfalls zu keinem Zeitpunkt auf. Per Lichtmikroskopie konnten in Aufsicht mittels Polarisationsfilter über das gesamte Bauteil hinweg kleine kristalline Einschlüsse in der Beschichtung sichtbar gemacht werden (Abb. 11).

Mittels Schrägschnitt per Mikrotom konnten die Einschlüsse freigelegt und per REM mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) weiterführend untersucht werden. Die EDX-Analyse zeigte, dass hier neben den „normalen“ Lackbestandteilen (Kohlenstoff (C), Stickstoff (N) und Sauerstoff(O)) auch die Elemente Natrium (Na) und Chlor (Cl) gefunden werden konnten (Abb. 12).

Abb. 12:  Punktmessungen per EDX im Einschluss (Messpunkt 1) und  im Bereich der i.O.-Beschichtung (Messpunkt 2)Abb. 12: Punktmessungen per EDX im Einschluss (Messpunkt 1) und im Bereich der i.O.-Beschichtung (Messpunkt 2)

Die chemische Verbindung, die diesen Elementen zugeordnet werden kann, ist Natriumchlorid (NaCl). Aufgrund der Positionierung der Einschlüsse (sie finden sich in allen Schichten und auf dem Substrat) war davon auszugehen, dass das NaCl unmittelbar vor oder während des Beschichtungsprozesses in die Beschichtung gelangt war. Nach Rücksprache mit dem Beschichter konnte die Frage geklärt werden, wie die Salze in und unter die Beschichtung geraten waren. Die CFK-Bauteile wurden vor der Beschichtung manuell angeschliffen. Normalerweise werden solche Prozesse mit Handschuhen ausgeführt, dies war auch hier der Fall. Jedoch führten die Mitarbeiter nach Angaben des Beschichters nach dem Schleifprozess eine Prüfung der geschliffenen Oberfläche mit bloßen Händen durch, um „zu fühlen“ ob der Schliff auch ausreichend glatt gelungen war. Somit konnte die Verunreinigung mit NaCl schlicht auf Rückstände von Handschweiß zurückgeführt werden, in dem typischerweise hohe Mengen NaCl enthalten sind.

Aber was hat das mit Blasenbildung zu tun? Natriumchlorid ist eine hygroskopische Substanz, neigt also zur Wasseraufnahme. Da eine organische Beschichtung immer auch eine gewisse Wasserdampfdurchlässigkeit aufweist, kann beispielsweise, insbesondere bei hoher Luftfeuchtigkeit, genug Wasser bis hin zum Natriumchlorid migrieren, um eine Volumenvergrößerung und folglich eine Blasenbildung zu verursachen.

Das erklärt schließlich auch, warum das Fehlerbild nur in China nach dem Transport über den Seeweg sichtbar war. Auf hoher See waren die Bauteile über längere Zeit hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt. Zurück in Deutschland war bei niedriger Luftfeuchtigkeit das in den Blasen enthaltene Wasser wieder entwichen und die Blasen hatten sich wieder zurückgebildet.

Fehlerbild „Spots“ mit erhöhtem Glanzgrad

Der folgende Fall betraf die Beschichtung von Kunststoffbauteilen mit einem farbigen Basislack und einem matten 2K-Polyurethan Klarlack. Hier kam es zu vereinzelten, wenige Millimeter großen und kreisrunden Stellen mit erhöhtem Glanzgrad, die als „Spots“ beschrieben wurden (s. Abb. 13).

 Abb. 13: Fehlerbild „Spots“ in Aufsicht Abb. 13: Fehlerbild „Spots“ in Aufsicht

 Abb. 14: IR-Mapping im Fehlerbereich – Falschfarbendarstellung der Intensitätsunterschiede bei der Wellenzahl 1686 cm-1  Abb. 14: IR-Mapping im Fehlerbereich – Falschfarbendarstellung der Intensitätsunterschiede bei der Wellenzahl 1686 cm-1

 Abb. 15: Haftfestigkeitsverlust auf einem beschichteten BauteilAbb. 15: Haftfestigkeitsverlust auf einem beschichteten Bauteil

 Abb. 17: Haftfestigkeitsverlust auf beschichteten KunststoffbauteilenAbb. 17: Haftfestigkeitsverlust auf beschichteten Kunststoffbauteilen

Lichtmikroskopisch konnten weder in Aufsicht noch im Querschnitt Einschlüsse oder Unregelmäßigkeiten in der Pigmentierung erkannt werden. Die Aufhellung im Fehlerbereich war lediglich auf den höheren Glanzgrad zurückzuführen. Zur weiteren Analyse wurde der Fehlerbereich großflächig per IR-Spektroskopie untersucht. Dabei wurde ein Raster über den Fehlerbereich hinaus mit über 300 Messpunkten gelegt (Abb. 14). Somit konnten die IR-spektroskopischen Unterschiede zwischen Fehlerbereich und i.O.-Bereich und eine entsprechende lokale Abgrenzung dargestellt werden.

Um den IR-spektroskopischen Unterschied zwischen Fehlerbereich und i.O.-Bereich darzustellen, wurde der Intensitätsunterschied der einzelnen Absorptionsspektren bei der für Isocyanat typischen Wellenzahl von 1686 cm-1 über den gesamten Messbereich in Falschfarben dargestellt. Im Fehlerbereich ist eine deutliche Erhöhung der Bandenintensität erkennbar (gelb-orange), während die Bandenintensität im i.O.-Bereich konstant niedriger ist (blau-weiß). Folglich konnte davon ausgegangen werden, dass im Fehlerbereich eine signifikant höhere Menge Isocyanat vorhanden war. Isocyanat wird als Härter in 2K-Polyurethan Klarlacken verwendet.

Abb. 16: IR-spektroskopischer Vergleich verschiedener BeschichtungenAbb. 16: IR-spektroskopischer Vergleich verschiedener Beschichtungen

Lokale Überkonzentrationen von Härter (Isocyanat) können z. B. durch unzureichende Durchmischung von Stammlack und Härter entstehen.

Typischerweise werden bei 2K-Lacken Statikmischer eingesetzt. Sind diese zu kurz, reicht die Mischstrecke für eine homogene Durchmischung nicht aus.

Hier kann – neben einigen anderen Faktoren – die Viskositätsdifferenz zwischen Härter und Stammlack Einfluss auf die für eine homogene Durchmischung benötigte Mischstrecke haben.

Weiterhin können nicht akkurat schließende Ventile und Düsen dazu führen, dass Tropfen von Lackmaterial bzw. Stammlack oder Härter vor oder nach der eigentlichen Lackierung austreten, was zu „Spuckern“ auf der Beschichtung führen kann. Das Resultat sind über- oder untervernetzte Bereiche der Beschichtung, die typischerweise lokale Glanzgradunterschiede aufweisen können.

Fehlerbild Haftfestigkeitsverlust

Kommt es bei Beschichtungen zu Haftfestigkeitsverlusten, kann dies mehrere Ursachen haben. Liegen Verunreinigungen der Substratoberfläche vor, wie z. B. Rückstände von Trennmitteln, Schleifstaub, Fingerabdrücke usw., so stören diese die Anbindung der Beschichtung ans Sub- strat. Eine nicht ausreichend ausgehärtete Beschichtung erreicht nicht die mechanisch-technologischen Zieleigenschaften und kann somit ebenfalls zu Haftfestigkeits- verlusten führen. Eine weitere Einflussgröße ist die Benetzbarkeit des Substrates, die durch die freie Ober- flächenenergie charakterisiert wird. Für eine ausreichende Benetzung des Lackfilms muss die freie Oberflächenenergie des Substrates größer als die des Beschichtungsstoffes sein, um eine ausreichende Haftfestigkeit zu ermöglichen.

Diese und weitere mögliche Ursachen für Haftfestigkeitsverluste stellen die DFO im Bereich der Schadensanalytik immer wieder vor herausfordernde Fragestellungen.

Im folgenden Fall kam es zu Haftfestigkeitsverlusten bei Kunststoffteilen, die mit einem polyurethanbasierten 2K- Lack beschichtet waren. Der DFO wurden fehlerhafte Bauteile (s. Abb. 15) und Bauteile ohne Haftfestigkeitsverlust für die Ursachenuntersuchung zur Verfügung gestellt.

Die vergleichenden IR-spektroskopischen Untersuchungen der Beschichtungen der Bauteile ohne Haftfestigkeitsverlust und der reklamierten Bauteile ergaben in den Spektren deutliche Intensitätsunterschiede der beiden Peaks bei ca. 1680 cm-1 und 1730 cm-1. Deren Intensitätsverhältnis ist bei den untersuchten Proben invers, wobei bei der Reklamationsprobe der Peak der Wellenzahl 1680 cm-1 deutlich abgeschwächt ist (Abb. 16). Diese beiden Peaks lassen sich typischerweise einer Polyurethanverbindung zuordnen. Bei einer im Labor angefertigten Beschichtungsprobe, bei der dem Lack versuchsweise kein Härter zugemischt wurde, war die Peakintensität der Wellenzahl 1680 cm-1 sehr gering.

Dies ließ darauf schließen, dass hier ein falsches Mischungsverhältnis zwischen Härter und Stammlack des 2K-Lackes vorlag. Ist in einem 2K-Lack zu wenig Härter vorhanden, kann die Vernetzungsreaktion nicht vollständig ablaufen, was unter anderem in einer unzureichenden Haftfestigkeit resultiert.

Um bei einer Reklamation schnell prüfen zu können, ob eventuell eine unzureichende Aushärtung vorliegt, kann dies über eine sehr einfache Prüfung erfolgen: Dabei wird die beschichtete Oberfläche mit dem Lösemittel Isopropanol abgerieben. Kommt es dabei zu keiner Veränderung, so ist die Beschichtung vollständig ausgehärtet. Kommt es hingegen zu einem „Anlösen“ der Beschichtung, kann davon ausgegangen werden, dass die Beschichtung nicht ausreichend ausgehärtet ist. Bei ausreichender Aushärtung ist eine 2K-Beschichtung beständig gegen diese Beanspruchung. Ein weiterer Schadensfall mit dem Fehlerbild „Haftfestigkeitsverlust“ bedurfte einer anderen analytischen Herangehensweise. Bei beschichteten und teilweise freigelaserten Kunststoffbauteilen für den Automobil-Innenbereich traten großflächige Haftfestigkeitsverluste auf (Abb. 17). Das Fehlerbild konnte zwar auf nur eine Lackcharge eingegrenzt werden, dennoch gab es Streit über die Fehlerursache, da nur wenige Prozent der Bauteile betroffen waren. An der Lackrezeptur hatte sich nach Angaben des Lackherstellers auch nichts Relevantes in Bezug auf die Haftfestigkeit geändert. IR-spektroskopische Untersuchungen der Beschichtung führten in diesem Fall zu keiner Auffälligkeit im Vergleich zur Beschichtung nicht fehlerhafter Bauteile.

Bei Haftfestigkeitsstörungen bzw. einer Delamination der Beschichtung ist immer die Trennebene von analytischem Interesse. In diesem Fall wurde folglich sowohl die Beschichtungsunterseite als auch die Bauteiloberfläche im Delaminationsbereich per ToF-SIMS (Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometrie) untersucht. Diese analytische Methode erlaubt es, geringste Spuren bis hin zu monomolekularen Schichten einer Substanz zu detektieren. Auf diese Weise konnte an der Beschichtungsunterseite unter anderem ein modifiziertes Polydimethylsiloxan (PDMS) detektiert werden. Das allein war zunächst noch nicht negativ auffällig, da solche PDMS z. B. in Form eines Verlaufadditivs typische Lackbestandteile sind. Allerdings konnten auch große Mengen PDMS auf der Bauteiloberfläche im delaminierten Bereich detektiert werden. Auf noch unbeschichteten Rohteilen derselben Produktionscharge wurde kein PDMS detektiert, dafür jedoch Stearate und Palmitate. Von anderer Seite folgerte man daraus, dass PDMS als Ursache ausgeschlossen werden könne, da es ein Lackbestandteil war, und die Stearate und Palmitate für das Fehlerbild verantwortlich sein müssten.

Hier halfen ein wenig Logik und physikalisches Vorstellungsvermögen, diese These zu widerlegen. Stearate und Palmitate konnten als Fehlerverursacher ausgeschlossen werden, da diese auch bei anderen Lackchargen das Problem verursacht hätten.

Das in dem betroffenen Lacksystem eingesetzte PDMS kam derweil sehr wohl als fehlerverursachend in Betracht. Verlaufsadditive auf Basis PDMS haben eine tensidische Struktur, also einen unpolaren und einen polaren Teil im Molekülaufbau. Eingesetzt in einem Lacksystem wirken sie grenzflächenaktiv und reduzieren so die freie Oberflächenenergie des Lackes, was zu einem besseren Verlauf des Lackes führen soll. Es ist bekannt, dass eine zu hohe Menge an derartigen tensidischen Substanzen zur Überschreitung der sogenannten kritischen Mizellenbildungskonzetration (CMC) führt. Dabei können sich Mizellen aus PDMS bilden, die sich wiederum aneinander anlagern oder lamellare Strukturen an den Phasengrenzen, also z. B. Lack/Substrat, ausbilden (Abb. 18).

Abb. 18: Positionierung und Ausrichtung von Tensiden in einer Flüssigkeit (z. B. Lack) an den Phasengrenzen Abb. 18: Positionierung und Ausrichtung von Tensiden in einer Flüssigkeit (z. B. Lack) an den Phasengrenzen

Die einzelnen Lagen des PDMS haben keine bzw. eine schwache adhäsive Bindung zueinander. Folglich kann es in diesen Bereichen zu Delaminationen der Beschichtung vom Substrat kommen. Wie aber kam es zu einer zu hohen Menge PDMS in der betroffenen Lackcharge? Eine tiefergehende Betrachtung der Ereignisse im Zeitraum des Fehlerauftretens brachte zutage, dass die Rezeptur der betroffenen Charge sehr wohl von der Standardrezeptur abwich. Aufgrund eines anzupassenden Glanzgrades wurden knapp 1 % Mattierungsmittel aus der Rezeptur entfernt. Die Aussage, dass es sich um eine nicht haftfestigkeitsrelevante Änderung des Rezeptes handelte, stimmte jedoch leider nicht. Da das eingesetzte Mattierungsmittel ein Feststoff war, entfernte man einen relevanten Anteil an zur Verfügung stehender Oberfläche, an deren Phasengrenze zum Lack sich das PDMS ausrichten konnte. Das nun überschüssige PDMS führte zur Überschreitung der CMC und letztlich zur Haftfestigkeitsstörung. Eine adäquate Anpassung der Additivmenge bei der Rezepturumstellung hätte das Problem vermieden.

Fehlerbild „Stippen“

Abb. 19: Einschluss in der Beschichtung in Aufsicht (500-fache Vergrößerung, Polarisationsfilter 90°)Abb. 19: Einschluss in der Beschichtung in Aufsicht (500-fache Vergrößerung, Polarisationsfilter 90°)Auch beim Fehlerbild „Stippen“ ist nicht immer die vermeintlich plausibelste Ursache auch die tatsächliche. Schnell wird hier von „Schmutzeinschlüssen“ in der Beschichtung gesprochen, woraufhin in der Regel alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Suche nach Verunreinigungen auf den Bauteilen, Kontaminationen in den Lacken oder in der Lackier-Peripherie gehen. Zuweilen ist die Quelle der „Stippen“ jedoch erst auf den zweiten oder dritten Blick erkennbar.

Bei schwarz-hochglanz-beschichteten Bauteilen kam es zu Stippenbildung in der Beschichtung. Das Problem war bereits zu Beginn der Serienproduktion zu beobachten und trat kontinuierlich und homogen auf allen Bauteiloberflächen auf. Die üblichen Maßnahmen, wie Lackchargenwechsel, Säuberung der Lackierkabine oder Kontrolle der Bauteilsauberkeit führten jedoch zu keiner signifikanten Verbesserung. Dadurch rückte das Bauteil selbst in den Fokus des Verdachts.

Die ersten lichtmikroskopischen Untersuchungen in Aufsicht zeigten jedoch schnell, dass zahlreiche kristalline Einschlüsse in der Beschichtung fehlerverursachend waren (s. Abb. 19).

Mittels Schrägschnitt per Mikrotom wurden die Einschlüsse zunächst freigelegt und anschließend per EDX untersucht. Hierbei konnte neben den beschichtungstypischen Elementen Kohlenstoff und Sauerstoff eine Vielzahl an Fremdelementen, wie Natrium, Kalium, Schwefel und Chlor detektiert werden, die zunächst nicht zugeordnet werden konnten. Um die Fremdelemente zuordnen zu können, bedurfte es tatsächlich eines tieferen Einblicks in die Historie der Lackiererei. Nach zahlreichen Gesprächen mit dem Anlagenbetreiber stellte sich heraus, dass es Jahre zuvor einmal in direkter Nähe der Lackierkabinen zu einem lokalen Brand gekommen war. Bei genaueren Rückfragen zu diesem Vorfall stellte sich heraus, dass der Brand mit Hilfe von tragbaren Pulver-Feuerlöschern gelöscht worden war. Eine schnelle Recherche zu den Inhaltsstoffen von Pulver-Feuerlöschern gab Aufschluss über die Herkunft der Beschichtungseinschlüsse: Löschpulver der Klasse BC sind bspw. auf Basis von Kaliumsulfat und Natriumhydrogencarbonat zusammengesetzt. Löschpulver der Klasse D enthalten oftmals Natriumchlorid.

Warum hatten die bisherigen Maßnahmen, vor allem die Reinigung der Lackierkabinen, zu keiner Reduzierung der Fehlerrate geführt? Die Freisetzung von bereits geringen Mengen Löschpulver kann zu erheblichen Folgeschäden führen. Bei Löschpulver handelt es sich um wenige Mikrometer große Partikel, die sich in Lüftungsanlagen, Filtern und der Applikationstechnik festsetzen können. Zusätzlich kann das eingesetzte Löschpulver Bestandteile des Brandherdes aufnehmen und verschleppen. Selbst Jahre später können diese Partikel noch auffindbar sein und Fehlerbilder verursachen. In solchen Fällen sind in der Regel aufwendigere Reinigungen durch Spezialfirmen vonnöten.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 6
  • Jahr: 2021
  • Autoren: David Hoffmann; Nicole Dopheide; Heike Schuster; Ernst-Hermann Timmermann

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