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Mittwoch, 23 Juni 2021 10:00

Herausforderung Rückbau: Vielschichtigen Aufgaben flexibel entgegentreten

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Geschätzte Lesezeit: 7 - 13 Minuten

Ein Stück Industriegeschichte verschwindet: Das Technische Zentrum Oberfläche (TZO) der Siemens AG Berlin wird rückgebaut, um einem neuen, auf Nachhaltigkeit ausgelegten, Stadtteil Platz zu machen.

Geschäftiges Treiben im Bereich der provisorisch errichteten Umkleidezone. Die persönliche Schutzausrüstung der drei Teams aus Facharbeitern und Helfern wird kontrolliert und gegebenenfalls ausgetauscht. Dann beginnt ein ganz normaler Arbeitstag am ehemaligen Technischen Zentrum für Oberfläche (TZO) der Siemens AG Berlin. „Ganz normal“ heißt in diesem Fall Rückbau der kontaminierten galvanischen Anlagen, der zugehörigen Betriebseinheiten wie Lüftungs- oder Wasseraufbereitungsanlagen und dem Verbund an Rohrleitungen für diverse Gefahrstoffe.

 Baustellenabsprache in Halle 3a1 mit Fa. Alba Berlin GmbH, BZ Arbeitsschutz, Fa. Cindy Boche und Fa. Wüsthoff Elektroinstallation. Baustellenabsprache in Halle 3a1 mit Fa. Alba Berlin GmbH, BZ Arbeitsschutz, Fa. Cindy Boche und Fa. Wüsthoff Elektroinstallation.

 Einweisung in das Arbeitsmittel durch den Bauleiter seitens  Cindy Boche Einweisung in das Arbeitsmittel durch den Bauleiter seitens Cindy Boche

Hier sind es die Restanhaftungen und undefinierte Mengen an Restflüssigkeit in den Rohren, die die Arbeiten des Rückbaus schwierig machen. Die beschrifteten Fässer für die rauchende Salzsäure oder die cyanidischen Abwässer stehen schon bereit. Nebenbei werden jene Bereiche vorbereitet, in denen eingebaute Dämmstoffe aus Mineralwolle demontiert und zur Sicherheit unmittelbar vor Ort staubdicht verpackt werden. Zwei Teamleiter beginnen die Arbeitspakete durchzusprechen und überprüfen dabei die bereits eingesetzten Arbeitsmaterialen auf mögliche Schäden durch die vorhandenen Gefahrstoffe. Parallel werden die entsprechenden Abfallbehälter bereitgestellt. Begleitet wird dieser Arbeitsschritt von dem externen Sicherheits- & Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKo) und der beauftragten Person für kontaminierte Bereiche. Die haben vorher mit dem Bauleiter die tägliche Vorgehensweise abgestimmt und die Teams entsprechend unterwiesen. Wie bereits erwähnt: Business as usual auf der „Baustelle Galvanik“.

 Demontage der über 30 Jahre alten Aluminiumversilberungsanlage und entsprechender cyanidischer Abluftwäscher

  gt 2021 06 0083

 Demontage der über 30 Jahre alten Aluminiumversilberungsanlage und entsprechender cyanidischer Abluftwäscher

 Schutzanzug Typ 3, Kategorie, Vollmaske mit Gebläse, Schutzstiefel S5Schutzanzug Typ 3, Kategorie, Vollmaske mit Gebläse, Schutzstiefel S5

 Flexen unter Vollschutz mit Schutzhelm mit VisierFlexen unter Vollschutz mit Schutzhelm mit Visier

 Anweisungen von der beauftragten Person für kontaminierte Bereiche  Anweisungen von der beauftragten Person für kontaminierte Bereiche 

In der Nachbarhalle läuft hingegen der normale Produktionsbetrieb der Switching Devices Berlin unverändert weiter.

Aber normal kann man diese Baustelle in den zwei Hallen und Nebengebäuden auf ca. 5000 m2 nun doch nicht bezeichnen. Bei der TZO handelt es sich um die bis in den September 2020 betriebene Galvanik der Siemens AG Berlin. Diese Galvanik war sowohl für interne als auch für externe Kunden zuständig und hatte durch ihre vielfältigen, insbesondere cyanidischen Prozesse, stellenweise ein weltweites Alleinstellungsmerkmal. Gerade diese sehr spezifischen cyanidischen Prozesse führten bei den genehmigungsbedürftigen Anlagen zu einer Störfalleinstufung nach BImSchG (Bundesimmissionsschutzgesetz) in der oberen Klasse des Betriebsbereichs. Und genau diese Störfalleinstufung wurde – gleichsam als Kehrseite der Medaille – dieser erfolgreichen Galvanik zum Verhängnis. Für Berlin und Siemens bot sich nämlich jetzt eine Chance für eine zeitgemäße aber vor allem nachhaltige Stadtentwicklung. Der neu benannte Stadtteil „Siemensstadt Square“ ist dabei mehr als nur ein Stadtprojekt. Es ist vielmehr eine Möglichkeit, zukünftig urbanes Leben, industriellen Fortschritt und Bildung unter dem Dach der Siemens AG nachhaltig zu vereinen.

Projektteam des Galvanik-Rückbaus der Siemens AGProjektteam des Galvanik-Rückbaus der Siemens AG

Und dies zusätzlich auf einem historisch geprägten Industriegebiet, welches bereits 1897 als Industrieareal für Siemens diente – mit einer hohen Fertigungsvielfalt und der entsprechenden Fertigungstiefe. Dazu gehörte auch ein galvanischer Beschichtungsprozess. Dem nachhaltigen Konzept einer offenen und progressiven Städteentwicklung steht ein solcher Störfallbetrieb natürlich entgegen, denn er ist notwendigerweise stark reglementiert und damit die Entwicklung beschränkend. Um dem Aufbruch in einen „Smart Campus der Zukunft“ nicht im Wege zu stehen, entschloss man sich schweren Herzens gegen den weiteren Betrieb der Galvanik.

ZUR INFO

UMS Strelow GmbH

Stefan Strelow, der CEO des Unternehmens, bringt sein Know-how aus 30 Jahren Berufserfahrung im Bereich der Chemie- und Entsorgungsbranche seit mehr als 10 Jahren in sein Unternehmen, der UMS Umweltmanagement Strelow GmbH, ein. Aufgaben sind u.a. das Abfallmanagement, Tätigkeiten im technischen Außendienst, wie z.B. fachgerechte Entsorgung von Abfällen und Gefahrstoffen, das Arbeiten in kontaminierten Bereichen, die Demontage von Industrieanlagen sowie die Durchführung von Gefahrguttransporten. Außerdem die Sachkunde als Abfallbeauftragter, Gefahrgutbeauftragter, Immissions- schutzbeauftragter, Asbestbeauftragter und Beauftragter für kontaminierte Bereiche. Ferner ist die Entwicklung neuer Verwertungsmöglichkeiten für Abfälle ein weiterer Punkt, dem sich die UMS Strelow GmbH verschrieben hat.

www.um-s.eu 

 

Die Stilllegung eines Störfallbetriebes oder prinzipiell einer genehmigungspflichtigen Anlage wird gesetzlich durch das BImSchG geregelt, das vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche und Erschütterungen schützen soll. Eine Stilllegung bedeutet damit weitaus mehr, als nur den sprichwörtlichen Stecker zu ziehen. Der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen nach BImSchG §5 (3) ist verpflichtet, sie so stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft ausgehen bzw. hervorgerufen werden können. Dies bedeutet auch, die vorhandenen oder durch den Rückbau entstandenen Abfälle ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit fachgerecht zu entsorgen.

 Demontage der Gestelle aus dem Speicher des KombinationsautomatenDemontage der Gestelle aus dem Speicher des Kombinationsautomaten

 Demontage der Magnetbremsen an dem TransportwagenDemontage der Magnetbremsen an dem Transportwagen

 Ziehen der 20 Meter langen Salpetersäureleitungen am KombinationsautomatenZiehen der 20 Meter langen Salpetersäureleitungen am Kombinationsautomaten

Eine der großen Herausforderungen ist dabei die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks, das durch die 70-jährige Nutzung der Hallen für galvanische Prozesse und den damit verbundenen aufwendigen Vor -und Nachbehandlungen eine besondere Sorgfalt bei der Planung verlangt. Somit erfolgte eine, auch die Historie einschließende, Erkundung in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden und entsprechend genehmigter Beprobung von Boden/Bodenluft, Grundwasser und Gebäude, um die Altlasten und die daraus resultierenden Sanierungsmaßnahmen sicher abschätzen zu können.

ZUR INFO

Alba Berlin GmbH

Die Alba Group ist in Deutschland, Europa und Asien als Recycling- und Umweltdienstleister sowie Rohstoffversorger aktiv. Im Jahr 2019 erwirtschafteten ihre Geschäftsbereiche einen Umsatz von 2,0 Milliarden Euro und beschäftigten insgesamt rund 8800 Mitarbeiter. Zum Portfolio gehört auch der Rückbau von kontaminierten und nicht kontaminierten Industrieanlagen. Durch Rückbau von Industrieanlagen und den dazugehörigen Recycling-Aktivitäten der Alba Group konnten allein im Jahr 2019 mehr als 4,2 Millionen Tonnen Treibhausgase und 32,3 Millionen Tonnen Primärrohstoffe eingespart werden.

www.alba.info 

 

Der Rückbau einer langjährigen und über mehrere Gebäude, Hallen und deren Nebeneinrichtungen gewachsenen Galvanik mit ihren cyanidisch-kontaminierten Bereichen stellt allerdings mehr als nur eine Herausforderung dar. Den vielschichtigen Aufgaben flexibel mit passenden Strategien zu begegnen, wurde Tagesgeschäft und führte zu neuen Erkenntnissen. Gerade die verschiedenen auf- und übereinander folgenden Betriebsebenen durchmischen die sonst klare Trennung der cyanidischen von den sauer/alkalischen Bereichen beim Rückbau. Das Betrachten aller Risiken in den Bereichen der Umwelt, Gesundheit und Sicherheit (Environment, Health and Safety) mündete in die Entscheidung, ein Team für die verschiedenen Verantwortlichkeiten zu bilden, das jeweils den Auftragnehmer, die ALBA Berlin GmbH, als auch den Auftraggeber, die Siemens AG, zusammen oder unabhängig voneinander beraten kann. So konnten zum einen den weitreichenden Erfahrungen beim Rückbau von kontaminierten Anlagen gemäß DGUV 101-004 aber auch TRGS 524, TRGS 519 und TRGS 521 und zum anderen mit einem 360° Blick hinsichtlich Arbeitsschutzgesetz, Kreislaufwirtschaftsgesetz, Gefahrgutverordnung, Gefahrstoffverordnung und auch der Arbeitsstättenverordnung allen Aspekten mit der notwendigen Sorgfalt begegnet werden.

 Beratung in der in den 70-ger Jahren erbauten Abwasseranlage mit der Fa Kunststofftechnik JenzikBeratung in der in den 70-ger Jahren erbauten Abwasseranlage mit der Fa Kunststofftechnik Jenzik

 Kontrolliertes Ablassen und Spiegeln der Rohrleitung für konzentrierte Salzsäure auf sieben Metern Höhe zum SchichtendeKontrolliertes Ablassen und Spiegeln der Rohrleitung für konzentrierte Salzsäure auf sieben Metern Höhe zum Schichtende

 Reparatur eines aktiven MedienrohresReparatur eines aktiven Medienrohres

„Wir haben viel gelernt und sind mit dieser Baustelle gewachsen, aber auch als Team zusammengewachsen. Die ersten Wochen konnte ich kaum schlafen und fragte mich, ob wir uns nicht mit dieser Demontage und den damit verbundenen Gefahren überschätzt haben“, so Steffen Scherping, der Projektleiter des Rückbaus bei Alba Berlin GmbH. Letztendlich beschreibt er aber trefflich die anfänglichen Bedenken, die sich auch in der Anzahl an unsicheren Situationen in der Unfallpyramide widerspiegelte und immer wieder zu einer Anpassung in der Gefährdungsbeurteilung führte.

Ein Review des ersten Angebotes einschließlich der entsprechend geplanten Arbeitsmittel und den einzusetzenden persönlichen Schutzausrüstungen zeigte bereits nach zwei Monaten, dass die tatsächlich auftretende Schadstoffbelastung / Kontaminierung die Prognose übertraf.

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Alba Berlin GmbH

Die Alba Group ist in Deutschland, Europa und Asien als Recycling- und Umweltdienstleister sowie Rohstoffversorger aktiv. Im Jahr 2019 erwirtschafteten ihre Geschäftsbereiche einen Umsatz von 2,0 Milliarden Euro und beschäftigten insgesamt rund 8800 Mitarbeiter. Zum Portfolio gehört auch der Rückbau von kontaminierten und nicht kontaminierten Industrieanlagen. Durch Rückbau von Industrieanlagen und den dazugehörigen Recycling-Aktivitäten der Alba Group konnten allein im Jahr 2019 mehr als 4,2 Millionen Tonnen Treibhausgase und 32,3 Millionen Tonnen Primärrohstoffe eingespart werden.

www.alba.info 

 

Selbst die von Alba Berlin GmbH bei der Sanierung 2009 gesammelte Erfahrung der abgebrannten Halle 3a1 des TZO bildete nur ein Bruchteil der Gegebenheiten ab, die sich bei einem vollständigen Rückbau ergeben. Einen kontrollierten Abbau der Anlagen ohne das Auftreten von ungewollten chemischen Reaktionen (Blausäure, nitrose Gasen, Schwefelwasserstoff) sicherzustellen, verlangt ein sehr umsichtiges Vorgehen. Schließlich ist das Gros der verlegten Rohrleitungen 50 Jahre alt und über 70 Meter lang, oberirdisch gebündelt verlegt, mit brüchigen Schweißnähten und durchgebogenen Rohrstrecken voller Restflüssigkeiten. Und dies eingebunden in einer bestehenden Infrastruktur und Medienversorgung der Hallen. Dies be- deutete unter anderem ein Verschweißen der jeweiligen Rohrabschnitte täglich zum Schichtende, um ein unkontrolliertes Austreten an Flüssigkeiten oder Gasen zu vermeiden.

 Demontage der Vorbehandlungsstrecke der KleinteilelackieranlageDemontage der Vorbehandlungsstrecke der Kleinteilelackieranlage

 Trennen der Stahlplatten innerhalb...Trennen der Stahlplatten innerhalb...

 ...und außerhalb der Einbrennzone des Lackieranlage auf sieben Meter Höhe ...und außerhalb der Einbrennzone des Lackieranlage auf sieben Meter Höhe

Fehlende Beschriftung und unklare Streckenführung der Rohre führten zum Trennen auch noch aktiver Rohre mit ebenso „aktiver“ Bewässerung der betroffenen Flächen – nur ein schnelles und beherztes Eingreifen in den jeweiligen versorgten Bereichen verhinderten ein weiteres Land unter. Aber wie kommentierte Michael Jenzik, Geschäftsführer der Fa. Kunststofftechnik Jenzik und jahrzehntelanger geschätzter Zulieferer der Fa Siemens: „Die Anlagen und die Betriebseinheiten wurden so gebaut und modernisiert, dass zwar ein sicheres Betreiben möglich war, nicht beachtet wurde jedoch der Rückbau der galvanischen Anlagen“.

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Demontage von 20 Meter langen Rohrleitungen im Verbindunggang zu den anderen Werkshallen des Schaltwerks Berlin, welches neben dem Risiko der parallellaufenden Rohre von sauren Konzentraten und cyanidischen Abwässern auch nach Entsperrung des Bereichs dekontaminierte Verkehrs- und Fluchtwege aufweisen muss. Nachweis der pH Neutralität der verschiedenen Bereiche.

In den ersten Planungsgesprächen galt die im Jahr 1978 nach einer Hallensanierung der Halle 2a wiedererrichtete Kleinlackieranlage als unkritisch, eher scherzhaft als „einfacher Stahlkoloss“ tituliert. Dieser erwies sich aber während der tatsächlichen Arbeiten als harter Gegner: Zahlreiche Erweiterungen und Modernisierungen, mehrere Ebenen mit Dämmmaterial ohne RAL-Gütezeichen, teilweise fünflagig geschweißte und mit Lackrückständen bedeckte Stahlplatten, Unmengen an Lackstäuben in stillgelegten Abluftschächten und umbaute Kammern machten den Arbeitstrupps das Leben schwer. Immer wieder erweiterte Gefährdungsbeurteilungen führten zu nicht abschätzbaren Projektverzögerungen. Auch das Auftreten von schwachgebundenen asbesthaltigen Dichtungsschnüren in Kombination mit den Unmengen an fein verteilen Staubpartikeln der künstlichen Mineralfasern ließen diesen einfachen Stahlkoloss zur Achillesferse des gesamten Projekts mutieren.

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Wüstoff Elektroinstallation

Das Leistungsspektrum des 13 Mann Unternehmens ist seit 1997 stets gewachsen. Hierbei zählt neben der Installation und Betreuung im hochwertigen Wohnungsbau, Wohnungsbau für Hausverwaltungen, Gewerbekunden und Privathaushalten letztendlich das Portfolio des gesamten Elektrotechnikbereiches, ebenso die Stilllegung elektrischer Anlagen und Betriebseinheiten bis hin zum E-Check Datentechnik. Zum Kundenstamm gehören private Bauherren, aber auch Großkunden (SAT 1, Deutscher Städtetag Berlin).

www.wuesthoff-elektro.de 

 

Eine weitere Herausforderung entstand bei der Beprobung der Boden/Bodenluft durch eine bis zu 4,50 Meter tiefe Kernbohrung. Ausgerechnet beim letzten Bohrpunkt der Halle traf man auf 2,5 Metern Tiefe ein Mittelspannungskabel. Viele wohlmeinende Anrufe aus stillstehenden Produktionen angeschlossener Hallen waren die Folge. Bei der anschließenden Freilegung und Reparatur wurde neben den leichtflüchtigen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) nun auch ein mit Quecksilber und Cyaniden belasteterer Boden (nach LAGA 20 z>2) in der ehemaligen cyanidischen Bodentasse ausgehoben, der einer physikalisch-chemischen Behandlung unterzogen werden musste. Diese Kontaminierungen stammen noch aus der Zeit vor der Hallensanierung 1978, hier wurde in einem damals üblichen Verfahren Quecksilber in einer Quickbeize verwendet. Somit musste neben der Demontage in der Halle das Ausheben, aber auch das Verfüllen des Erdschachtes in einer cyanidischen Bodentasse koordiniert und überwacht werden. Somit entstand eine gesonderte Baustelle in der Baustelle, die den auftretenden PAKs aber auch weiteren chemischer Reaktionen beim Verfüllen mit angrenzendem möglicherweise kontaminiertem Erdreich gerecht werden musste.

 gt 2021 06 0075Betonschneiden zur Reparatur des angeschnittenen Kabels

 ausgehobenes Erdreich teilweise aus der angrenzenden cyanidischen Bodentasseausgehobenes Erdreich teilweise aus der angrenzenden cyanidischen Bodentasse

 Probennahme gemäß PN98 LAGA 20Probennahme gemäß PN98 LAGA 20

Üblicherweise wird in einem Störfallbetrieb ein besonderes Augenmerk auf die chemischen Gefahrenquellen gelegt, so sind gerade in einer automatisierten Lohngalvanik mit hohem Durchsatz die elektrischen Gefahren sehr hoch, ausgehend von dem sehr hohen Anteil an ortsfesten Großanlagen sowie beweglichen Maschinen, elektrischen Betriebsmitteln, Kabelbäumen und Schaltschränken. Seit September 2020 verhindern besondere Maßnahmen das Wiedereinschalten von Anlagen, um so das Betreiben der Anlagen nachweislich ausschließen zu können. Um nun anlagenseitig gesichert spannungsfrei zurückbauen zu können, musste die entsprechende Vorgehensweise sorgfältig geplant werden, um die Schnittstellen für die verbleibende Hallenversorgung klar zu trennen. So ist die Hallenversorgung mit Strom gerade auch für die Brandmelde- anlagen und Rauchabgassysteme zwingend notwendig. Natürlich können hier Baustromgeneratoren den einen oder anderen Konflikt deeskalieren. Erst nach der Freigabe und Übergabe der Arbeitsbereiche durch die von Siemens bestellte Elektrofachkraft erfolgt die Vorgehensweise gemäß der Normreihe DIN VDE 0105 durch den Fachbetrieb Wüsthoff Elektroinstallation, um die endgültige Demontage bis hin zum „Strippenziehen“ dann der Firma Cindy Boche sicher übergeben zu können. Für Ralf Wüsthoff ist der Rückbau des Störfallbetriebes ein spannendes Umfeld, in dem insbesondere die wassergekühlten Gleichrichter einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, da – nicht nur – er diese trotz Jahrzehnte langer Erfahrung so noch nicht gesehen hatte. Hier stellten die Mitarbeiter von Cindy Boche seine ordnungsgemäße Vorgehensweise auf die Probe, da der Gleichrichterraum beim Rückbau aus Versehen mit dem „Highlight“ Kühlwasser überflutet wurde und trotz des gemessenen pH 9 kein elektrisches Ereignis erfolgte. So zeigt sich eindrucksvoll, wie wichtig die Spannungsfreischaltung des Arbeitsbereiches durch eine Elektrofachkraft ist.

 Demontage der Schaltanlagen der KreislaufwasseranlageDemontage der Schaltanlagen der Kreislaufwasseranlage

 Freischalten der KompressorstationFreischalten der Kompressorstation

 Demontage der stromführenden Kupferschienen des Gleichrichterraumes nach der ÜberflutungDemontage der stromführenden Kupferschienen des Gleichrichterraumes nach der Überflutung

ZUR INFO

Cindy Boche Abfallmanagement

Die im Jahr 1992 gegründete Begus Umweltschutz GmbH hat als Spezialunternehmen bundesweit anfallende Mengen an Haushalts -und Elektrogeräten, TV-Geräten und Kühlgeräten von FCKW, PCB und anderen Schadstoffen befreit. Durch die Zusammenarbeit mit der Alba ergab sich das neue Aufgabenfeld – Abfallmanagement/ Schadstoffsanierung. Cindy Boche Abfallmanagement ist nach der Abspaltung des Unternehmenszweiges bei Schadstoffsanierung und Abfallmanagement mit der ausgewiesen Fach- und Sachkunde (DGUV Regel 101-004 TRGS 519, TRGS 521, TRGS 524) am Markt tätig.

 Vorbereitung der Halle 2a zur pH neutralen und besenreinen ÜbergabeVorbereitung der Halle 2a zur pH neutralen und besenreinen Übergabe

 Schulung möglicher chemischer Reaktionen gerade mit Blick auf die Exposition giftiger GaseSchulung möglicher chemischer Reaktionen gerade mit Blick auf die Exposition giftiger Gase

Man wächst mit seinen Aufgaben sagt der Volksmund – das musste auch jeder der Beteiligten bei diesem Projekt erkennen. Sowohl hinsichtlich der technischen Maßnahmen und Arbeitsmittel, aber auch mit Blick auf den Umgang mit kontaminierten Anlagen und der verwendeten Gefahrstoffe war voller Einsatz geboten. Das Ziel lautete, dem Eigentümer eine „besenrein“, sprich dekontaminierte, pH neutrale Halle zu übergeben. Diesem Ziel ist man schon deutlich näher, denn elf der sechszehn genehmigungspflichtigen AwSV Anlagen sind bereits durch den TÜV Rheinland stillgelegt.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 6
  • Jahr: 2021
  • Autoren: Dr. Nina Dambrowsky

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