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Dienstag, 17 August 2021 14:00

Aluminium selektiv beschichten

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Geschätzte Lesezeit: 5 - 9 Minuten
Tampon-beschichtetes Aluminiumteil Tampon-beschichtetes Aluminiumteil

Neben Stahl und Buntmetallen galvanisieren wir Aluminium, allerdings in einem geringen Umfang. Die eher kleinen Werkstücke werden vollflächig vernickelt, verzinnt und in Ausnahmefällen verchromt. Nun erhalten wir Anfragen zur partiellen Beschichtung teils sehr großer Aluminiumteile in höheren Stückzahlen. Je nach Artikel übersteigen die Maße unsere Badvolumina bei Weitem. Zur Debatte steht die Idee, für solche Artikel eigene Wannen anzufertigen. Wir würden die Aluminiumteile abdecken und nur bis zur Beschichtungstiefe eintauchen. Können Sie uns einige Anhaltspunkte für Abdeckung, Vorbehandlung, Handling und Verfahrenstechnik geben, damit wir eine Grundlage für eine Kalkulation und Bemusterung haben?

Abgedeckte Aluminiumteile nach der ZinkatbeizeAbgedeckte Aluminiumteile nach der ZinkatbeizeDie Galvanisierung von Aluminium stellt für sich gesehen schon eine besondere Herausforderung dar. Verglichen mit Stahl und Buntmetallen spielen Legierung und mechanische Bearbeitung eine größere Rolle bei der Vorbehandlung. Noch kritischer wird es bei der partiellen Beschichtung. Können die Teile in einer Handgalvanik oder am Automaten klassisch getaucht werden, sind die Anforderungen an die Abdeckung sehr hoch. Kommt dies nicht in Frage, verschiebt sich der Schwerpunkt auf das Handling, insbesondere bei der Tampongalvanisierung.

Da Sie bereits Erfahrungen mit der Galvanisierung von Aluminium haben, verzichten wir auf die Grundlagen und konzentrieren uns auf die konkrete Betrachtungsweise der o. g. Problemstellung.

Legierungen

Tendenziell bestehen kleinere Aluminiumteile aus einer relativ reinen Legierung. Größere Bauteile weisen sehr differente Zusammensetzungen und Gussarten auf, die auf die mechanische Bearbeitung und Galvanisierbarkeit einen monumentalen Einfluss haben. Der Kokillenguss neigt zu Lunker und Poren, was insbesondere in Verbindung mit einem hohen Siliziumanteil bei der Galvanisierung Schwierigkeiten bereiten kann. Unserer Erfahrung nach kann es mit der identischen Legierung und Gusstechnik von zwei unterschiedlichen Lieferanten zu verschiedenen Ergebnissen kommen.

Bei solchen Legierungen ist beim Beizprozess Vorsicht geboten. Ein zu starker Beizangriff kann Poren öffnen und – je nach Beizverfahren – an der Oberfläche Silizium anreichern, was die Galvanisierbarkeit weiter erschwert. Um diesen Schwankungen entgegenzutreten, werden die zu galvanisierenden Flächen oft gestrahlt. Hier kommen vorwiegend Schlammstrahl-Verfahren zum Einsatz. Dadurch erhält man eine gleichmäßige Oberfläche mit einer vergleichsweise geringen Rauheit.

Mechanische Bearbeitung

Partiell versilbertes Aluminium Partiell versilbertes Aluminium I. d. R. sind solche Teile vorwiegend von einer dicken Gusshaut bedeckt, teilweise lackiert und lediglich die zu galvanisierenden Flächen durch mechanische Verfahren wie Drehen und Fräsen freigelegt. Alle Parameter der Bearbeitung haben einen großen Einfluss auf die Galvanisierbarkeit solcher Oberflächen. Druck, Vorschub, verwendetes Kühlmittel etc. entscheiden darüber, wie intensiv vorbehandelt werden muss und ob die Beschichtung gelingt. Für den mechanischen Bearbeiter spielt dies keine Rolle, so lange er die Anforderungen der technischen Zeichnung erfüllt. Diese beschränkt sich zumeist auf Maße und ggf. Rauheit. Innerhalb dieser Parameter wird versucht, möglichst effizient zu arbeiten, was häufig zu Problemen bei der Galvanisierung führt. Das bedeutet, dass identische Werkstücke von verschiedenen Bearbeitern trotz Einhaltung der Zeichnung zu völlig unterschiedlichen Resultaten führen können.

Dieses Wissen spielt zunächst bei der Bemusterung eine große Rolle. Der Prozess muss vom Guss bis zur Galvanisierung klar definiert, kommuniziert und dokumentiert werden. Wichtig ist eine gute Kommunikation mit dem Kunden und allen Teilnehmern, meist Unterlieferanten, in der Prozesskette.

Abdeckung

Die zwei gängigen Techniken sind Kleben und Lackieren. Welche Methode zur Anwendung kommt, hängt von folgenden Parametern ab:

  • Teilegeometrie
  • Teilegröße
  • Verhältnis Abdeckung zur galvanisierten Fläche
  • Oberflächenreinheit (Sauberkeit)
  • Oberflächenrauheit
  • Verfahrenstechnik der Galvanisierung
  • Kosten

Sofern möglich, ist das Kleben die erste Wahl. Der Übergang zwischen Abdeckung und Galvanisierung muss i. d. R. ohnehin mit einem Aluminiumband geklebt werden. Außerdem geht die Technik schneller von der Hand und Klebeband ist kostengünstiger als Lack. Je mehr die Geometrie zur Kugelform neigt, je größer sie ist und zudem komplett getaucht werden muss, umso eher wird eine Lackierung in Betracht gezogen.

Probleme durch unzureichende Abdeckung Probleme durch unzureichende Abdeckung

Auf dem Markt gibt es für solche Zwecke unterschiedliche Lacke und eine Flut von Klebebändern. Für beide gilt, dass sie auf der Oberfläche haften müssen, um die galvanischen Prozesse zu überstehen. Nach der Galvanisierung sollen sie sich leicht lösen lassen. Die beste Abdeckung taugt nichts, wenn sie sich anschließend nicht entfernen lässt.

Die Haftfestigkeit der Abdeckung hängt von Rauheit und Reinheit der Fläche ab. Im besten Fall reicht eine manuelle Reinigung mit Tuch und Alkohol, im ungünstigsten müssen die Teile durch eine Reinigungsanlage oder klassisch entfettet werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass auf der Oberfläche kein chemischer Angriff stattfindet. Zudem kann, je nach Rauheit und Art der Abdeckung, eine zu gründliche Reinigung das Ablösen der Abdeckung erheblich erschweren.

Die kritischen Stellen sind immer die Übergänge. Hier darf sie sich während des Beschichtungsprozesses nicht ablösen, da Chemie eindringt und verschiedene Fehlerbilder verursachen kann. Etwa einen Angriff der nicht zu beschichtenden Flächen oder eine Galvanisierung selbiger. Ebenso kann während der Trocknung die Chemie auslaufen und die Beschichtung verunreinigen oder gar chemisch angreifen.

Verfahrenswahl

Tampons Marke EigenbauTampons Marke EigenbauZur Auswahl stehen Tauch- und Tamponverfahren. Die Tampongalvanisierung ist grundsätzlich mit allen Metallen möglich, allerdings raten wir von einer Verchromung ab, da dies verfahrenstechnisch ein großes Risiko darstellt – vom Gesundheitsschutz ganz zu schweigen.

Welches Verfahren zur Anwendung kommt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Teilegröße und Gewicht spielen dabei die Hauptrolle. Da sie die Werkstücke bei der Tamponbeschichtung nicht eintauchen müssen, reicht i. d. R. das Klebeverfahren zur Abdeckung aus. Dies muss nicht vollflächig, sondern nur in den Bereichen der Beschichtung durchgeführt werden. Das spart Klebeband und Zeit.

Bei kritischen Legierungen, Geometrien oder schlicht mehreren kleinen Flächen, die auf einem größeren Werkstück verteilt sind, hat das Tamponverfahren ebenfalls Vorteile. Es kann vorkommen, dass an einem Teil verschiedene Schichtdicken oder gar Schichtsysteme gefordert werden. Diese können Sie gesondert beschichten und erhalten bei richtiger Durchführung nicht einmal einen Hundeknocheneffekt. Außerdem sehen Sie bei der Vorbehandlung sofort, wie die Oberfläche reagiert, und können entsprechend individuell eingreifen.

Sind die Stückzahlen sehr hoch, rechnet sich die Beschichtung im Tauchverfahren und somit der Mehraufwand bei der Abdeckung. Außerdem ist hier die Prozesssicherheit höher, da sich dieser Verfahrensablauf leichter definieren und durchführen lässt. In beiden Fällen gilt aber, dass Sie ohne gut geschulte, gewissenhaft arbeitende Mitarbeiter keine zufriedenstellenden Resultate erhalten werden.

Individuelle Wannen rentieren sich vorwiegend bei größeren Teilen, die eine hohe Schichtdicke (> 30 µm) erfordern.

Tamponverfahren

Tampons Marke EigenbauTampons Marke EigenbauDa wir Ihrer Frage entnehmen, dass Sie mit dieser Verfahrenstechnik keine praktischen Erfahrungen besitzen, möchten wir gesondert darauf eingehen.

Für Vorbehandlung und Beschichtung werden häufig andere Chemikalien und Elektrolyte eingesetzt als bei der klassischen Galvanisierung. Bspw. durch den Umstand, dass man im Tamponverfahren fast ausschließlich mit kalten Lösungen arbeitet. Dafür können wesentlich höhere Stromdichten angelegt werden, wodurch die Beschichtung trotz Handarbeit schneller gelingt als bei den meisten Badverfahren.

Die Schichtdicke lässt sich sehr genau einstellen, sofern die Gleichrichter mit einem Amperestundenzähler ausgestattet sind. Zwischenmessungen gehen ebenfalls leichter von der Hand. Die Schichtdickenverteilung ist normalerweise wesentlich besser als in einer Wanne, da Sie stets den optimalen Anoden-Kathoden-Abstand und Winkel haben. Innenbereiche lassen sich mit entsprechender Vorrichtung sehr gut beschichten und Sie können auf umständliche Konstruktionen mit Hilfsanoden verzichten.

Man verwendet bei den meisten Beschichtungen unlösliche Anoden, oft eine Mischung aus Edelstahl, umwickelt von einem Graphit-Stoff, der wiederum von einem weichen, saugfähigen Stoff aus Baumwolle umwickelt wird. Diese Konstrukte sehen teils einfach, fast schon primitiv aus, sind jedoch höchst effektiv. Wichtig ist hierbei die stetige Nachlieferung des Elektrolyts. Im einfachsten Fall wird der Tampon immer wieder in ein Gefäß getunkt, man kann dies aber auch mit einer Pumpe kombinieren, die den Elektrolyt nachliefert. Generell gibt es hier zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten, die sich auf Zeit und Qualität positiv auswirken. Je nach Teileaufkommen und Geometrie lassen sich die Werkstücke sogar von einem Roboterarm galvanisieren. Hierzu muss die Ware entsprechend vorbereitet werden. Die Vorbehandlung und Vorbeschichtung wird weiterhin händisch erledigt, die finale Beschichtung hingegen wird vom Roboter durchgeführt. Dies funktioniert allerdings nur bei Schichten, die nicht an der Luft passivieren.

Ein besonderes Augenmerk sollte auf den Arbeitsplatz für die Tamponbeschichtung gerichtet werden. Dies betrifft ebenso die Sammlung der verschiedenen Abwässer wie die Belüftung und Arbeitskleidung. Bei Tauchverfahren ist man es gewohnt, die Wannen an Abluftanlagen anzuschließen. Dies gestaltet sich beim flexiblen Tamponverfahren als schwierig. Da gerade beim Beizen von Aluminium Aerosole entstehen, sollten die Arbeiten in Räumen mit großen Volumen und guter Belüftung durchgeführt werden. Neben Gummistiefeln empfehlen wir das Tragen von Schutzbrillen, Schürzen und Atemschutzmasken.

Kalkulation

Die Kalkulation von selektiven Beschichtungen gestaltet sich komplexer als die klassische Galvanisierung. Dies hängt u. a. mit zahlreichen manuellen Tätigkeiten zusammen, deren Zeiten möglichst exakt erfasst werden müssen. Die Zeiten bei der Abdeckung können großen Schwankungen unterliegen. Das liegt nicht nur am Faktor Mensch, sondern auch an der Individualität der Bauteile. Hinzu kommen die Arbeiten nach der Beschichtung, etwa die Entfernung der Abdeckung, Prüfung der Haftfestigkeit, mechanische Reinigung durch Schleifen, Kratzen, Bürsten etc.

Ebenfalls ins Gewicht fallen stark schwankende Metallpreise, unterschiedliche Schichtdicken und sogar Schichtsysteme pro Bauteil und Fläche sowie die Beschichtungstechnik selbst. Sie sollten daran denken, nicht nur die zu beschichtenden Flächen zu berechnen, sondern auch den Bereich der Abdeckung. Der Anteil an Lack und Klebeband kann hierbei sehr stark ins Gewicht fallen.

Je nach Teilegröße muss Transport und Logistik separat betrachtet werden. Die beschichteten Werkstücke werden oft anders verpackt als angeliefert, bei Teilen die mehrere hundert Kilogramm oder mehr wiegen spielt das innerbetriebliche Handling ebenfalls eine Rolle.

Um der Kalkulation gerecht zu werden und eine gute Nachkalkulation zu erhalten, ist es notwendig, der Produktion die kalkulierten Ressourcen und Zeiten mitzuteilen. Außerdem sollten den Auftragspapieren die errechneten Amperestunden pro Fläche sowie eine Zeichnung mit den gekennzeichneten Stellen für die Abdeckung beiliegen. Bei Bemusterungen und ersten Aufträgen müssen diese von Fachpersonal begleitet und überprüft werden. In den meisten Fällen lässt sich die eigentliche Beschichtung in der Kalkulation gut einschätzen, Vor- und Nacharbeiten hingegen erweisen sich als tückisch, da es immer wieder vorkommt, dass die angenommenen Abdeckzeiten bzw. die Entfernung selbiger erheblich höher sind als erwartet.

Der insgesamt erhöhte Aufwand und die für klassische Galvaniken ungewöhnliche Technik hält viele Betriebe davon ab, sich darauf einzulassen. Wer aber das Risiko eingeht und sich darauf spezialisiert, erhält zumindest regional ein Alleinstellungsmerkmal.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 8
  • Jahr: 2021
  • Autoren: B. C.

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