Diese Seite drucken
Mittwoch, 08 September 2021 11:59

Brief aus England

von
Geschätzte Lesezeit: 10 - 20 Minuten
(Bild: © Faradion) (Bild: © Faradion)

 

Menschen in Bewegung

Das Thema Migration ist nicht neu. Viele Deutsche tragen die Gene der römischen Soldaten in sich, die vor fast 2000 Jahren weite Teile Europas eroberten. Das Gleiche gilt für die Engländer, die ebenfalls erst von den Römern und dann von den Wikingern erobert wurden. In beiden Fällen beschlossen viele der Invasoren, sich in Deutschland oder England niederzulassen und heirateten einheimische Frauen.

Am Ende des 17. Jahrhunderts flohen etwa 50 000 Hugenotten vor der Verfolgung in Frankreich nach England. Gegen Ende des 2. Weltkrieges und in den Folgejahren gab es eine große Zuwanderung von Menschen aus dem Osten nach Deutschland. Erst in den folgenden Jahrzehnten, etwa zwischen 1950 und 2010, hat das Tempo nachgelassen. Aber in den letzten Jahren haben wir eine Massenmigration wie nie zuvor erlebt, mit Millionen von Menschen in Bewegung. Manchmal treibt diese Migranten die Suche nach einem besseren Leben an. Manchmal sind sie Flüchtlinge vor einem Krieg. Niemand weiß das besser als die Deutschen, die 2015 die Einwanderung von über einer Million Flüchtlingen aus dem Nahen Osten erlebten, von denen die meisten in Deutschland landeten, bekannterweise kommentiert mit Angela Merkels berühmten Worten „Wir schaffen das“.

2015 mag der Höhepunkt gewesen sein, aber die Flut der Migranten hat sich fortgesetzt. Sie kommen aus Afrika, Pakistan, Bangladesch, Afghanistan und anderen Ländern. Manche kommen als Familien, manche als alleinstehende junge Männer, manche sind sogar unbegleitete Kinder. Es gibt junge Männer, die über ihr Alter Lügen erzählen und vorgeben, Kinder zu sein, und die Ärzte müssen dann entscheiden, wer die Wahrheit sagt oder nicht. Spanien kann die illegale Migration in seine beiden ma- rokkanischen Enklaven Ceuta und Melilla kaum noch verhindern. Das Gleiche gilt für die Kanarischen Inseln, etwa 300 km von der westafrikanischen Küste entfernt. Für das gesamte Jahr 2021 wird vorausgesagt, dass fast 10 000 Menschen in kleinen Schlauchbooten illegal den Kanal nach England überqueren werden, eine Rekordzahl. In Afghanistan ist es der NATO nicht gelungen, die Taliban zu stoppen, und sie hat sich nun zurückgezogen. Rund 10 000 Afghanen, die als Dolmetscher fungierten, droht nun der Tod und die USA werden sie und ihre Familien als Einwanderer aufnehmen. Donald Trump scheiterte mit dem Bau seiner sogenannten „schönen Mauer“ an der Südgrenze zu Mexiko, und die illegale Einwanderung erreichte im Mai den höchsten Stand seit 20 Jahren, fast 200 000 in nur einem Monat.

Währenddessen fehlen in England etwa 70 000 Lkw- Fahrer und rund 100 000 Ärzte und Krankenschwestern. Durch den Brexit verließen viele europäische Bürger England und kehrten in ihre Heimatländer zurück. Der Brexit ermöglichte es der britischen Regierung, die Anzahl der in Großbritannien lebenden EU-Bürger zu schätzen. Sie dachten, es seien etwa 3,5 Millionen gewesen, aber tatsächlich waren es 5,4 Millionen. England hatte also rund 2 Millionen Einwohner mehr, von denen es nichts wusste! Im heutigen Europa hat Italien (ca. 60 Millionen Einwohner) eine sogenannte „Fertilitätsrate“ von 1,3 Kindern pro Paar. Die zum Erhalt der Bevölkerung erforderliche Fertilitätsrate liegt bei 2,1 Kindern pro Paar. Für Italien wird daher in den nächsten Jahren ein stetiger Rückgang der Bevölkerung prognostiziert. Ähnliche Vorhersagen werden für Frankreich (ca. 1,9 Kinder), Deutschland (ca. 1,6) und Großbritannien (ca. 1,7) gemacht. Was sollen wir also aus solchen Statistiken schließen? Wir sind besorgt über die globale Erwärmung – aber das liegt nicht an den CO2- oder Methan-Emissionen – es liegt an den Menschen, die diese Emissionen verursachen. Im Hinblick auf den Klimawandel ist eine schrumpfende Bevölkerung wünschenswert.

Abb. 1: Geschätzter Prozentsatz der bestehenden Arbeitsplätze, die durch die Automatisierung gefährdet sind (mit freundlicher Genehmigung von PWC)   Abb. 1: Geschätzter Prozentsatz der bestehenden Arbeitsplätze, die durch die Automatisierung gefährdet sind (mit freundlicher Genehmigung von PWC)

Dann haben wir die Frage der Arbeitsplatzverluste durch KI und Automatisierung. Für diese Effekte gibt es viele Vorhersagen. Eine davon ist in Abbildung 1 dargestellt, basierend auf einer Studie von 29 Ländern weltweit*. Alle Experten sind sich einig, dass die Pandemie das Tempo der Automatisierung beschleunigt hat, dazu kommen die niedrigen Zinsen, die Investitionen begünstigen.

Abb. 2: Die weißrussische Regierung begleitet „Touristen“ aus der Türkei zur EU-Grenze in LitauenAbb. 2: Die weißrussische Regierung begleitet „Touristen“ aus der Türkei zur EU-Grenze in LitauenKriminelle haben nicht lange gezögert, Geld aus Möchtegern-Migranten zu machen, und Tausende, die illegal den Ärmelkanal überqueren, zahlen etwa 5000 Euro pro Person an solche kriminellen Banden. Aber in den letzten Monaten haben wir etwas ganz Neues gesehen – Staatskriminalität. Die Regierung in Belarus organisiert „Touristenflüge“ von der Türkei nach Minsk. Sobald diese „Touristen“ ankommen, werden sie an die litauische Grenze eskortiert, wo sie versuchen, nach Litauen einzureisen – und damit in die EU. Litauen baut nun verzweifelt Grenzzäune auf (Abb. 2).

Wo wird diese ganze Geschichte enden? Präsident Trump plante, die illegale Migration durch den Bau einer Mauer entlang der etwa 3000 km langen Grenze zu Mexiko zu verhindern. Am Ende hat er es geschafft, ungefähr 700 km zu bauen bzw. zu erneuern. Präsident Biden hat sich noch nicht entschieden, was er gegen das Problem unternehmen will. In Australien werden jetzt alle illegalen Einwanderer in ein Lager auf den Inseln von Papua-Neuguinea geschickt. In Europa ist es Dänemark, das die strengste Politik in Bezug auf Migration und Asylbewerber hat, und jetzt, da Damaskus als „sicher“ bezeichnet wird, plant Dänemark, Tausende von Syrern in ihr Heimatland zurückzuschicken.

Die globale Erwärmung und das unkontrollierte Bevölkerungswachstum werden das Leben in Afrika für Hunderte von Millionen Menschen dort verschlechtern und sie dazu bringen, nach Europa zu migrieren. Die Regierungen in allen Ländern müssen nun harte Entscheidungen treffen. Die Hugenotten waren auf der Flucht vor Verfolgung. Die meisten Migranten heute sind einfach auf der Flucht vor Krieg oder auf der Suche nach einem besseren Leben. Wir sollten Mitleid mit ihnen haben, aber allein in Afrika gibt es Milliarden, die einen ähnlichen Anspruch erheben könnten. Es wäre für Europa oder die USA unmöglich, eine solche Zahl aufzunehmen. Und es ist eine traurige Tatsache, dass je mehr solcher Migranten ankommen, desto mehr drängen sie ihre Familie und Freunde dazu, sich ihnen anzuschließen. Dänemark wird für seine harte neue Politik kritisiert werden. Aber gibt es eine Alternative? Ist es immer noch wahr, dieses „Wir schaffen das!“?

*https://www.pwc.co.uk/services/economics/insights/the-impact-of-automation-on-jobs.html 

Auf dem Weg zu einer Wasserstoffwirtschaft

Wir scheinen uns stetig in Richtung einer Wasserstoff-Wirtschaft zu bewegen. Wasserstoff, ob „blau“ oder „grün“ wird in der Industrie, im Verkehr und im Haushalt gebraucht.

Die neuesten Nachrichten betreffen ein massives Wasserstoffspeicherprojekt. Nach Plänen des Energieunternehmens SSE und des norwegischen Staatskonzerns Equinor könnte einer der größten britischen Erdgasspeicher für die Speicherung von Wasserstoff umgerüstet werden. Die beiden Konzerne sind gemeinsam Eigentümer der Anlage in Aldbrough (East Yorkshire), die 2011 in Betrieb genommen wurde und Erdgas in neun unterirdischen Salzkavernen speichert. Die Unternehmen haben angekündigt, dass sie nun an Plänen arbeiten, den Standort entweder für die Speicherung von Wasserstoff umzubauen oder neue Wasserstoffspeicher-Kavernen neben den bestehenden Anlagen zu entwickeln.

Der Wasserstoffspeicher soll zunächst dazu dienen, die Versorgung des von den Unternehmen geplanten, weltweit ersten mit Wasserstoff betriebenen Kraftwerks in Keadby in Nord-Lincolnshire sicherzustellen. Das Konversionsprojekt in Aldbrough wird voraussichtlich Hunderte von Millionen Euro kosten und hängt von politischen Maßnahmen der britischen Regierung ab, um es finanziell tragfähig zu machen. Die Anlage wäre weitaus größer als alle bestehenden Wasserstoffspeicher der Welt und soll nach ihrer Inbetriebnahme, die nach Angaben der Unternehmen bis 2028 erfolgen könnte, eine der größten der Welt sein. Der Standort stellt etwa 17 % der britischen Gasspeicherkapazität dar, nachdem der riesige Rough-Speicher des Energieunternehmens Centrica in der Nordsee 2017 geschlossen wurde. Centrica verfolgt nun auch Pläne, Rough mit einem Kostenaufwand von 1,8 Milliarden Euro für die Speicherung von Wasserstoff umzurüsten, was wiederum von der politischen Unterstützung abhängt, um das rentabel zu machen.

Die Pläne von SSE und Equinor für Aldbrough sind Teil einer umfassenderen Strategie zur Entwicklung neuer Wasserstoffinfrastruktur in der englischen Region Humberside an der Nordseeküste. Equinor plant, Anlagen zu entwickeln, die kohlenstoffarmen „blauen“ Wasserstoff aus Erdgas produzieren, die Kohlendioxid-Emissionen abfangen und offshore, also unter dem Meeresspiegel, speichern. Equinor und SSE planen außerdem gemeinsam, in Keadby das weltweit erste großtechnische Kraftwerk zur Verbrennung von reinem Wasserstoff zu bauen, das genug Strom für eine Million Haushalte erzeugen könnte.

Von MegaWatt zu MilliWatt

Abb. 3: Enzymhaltige „Pflaster“ erzeugen Strom     Abb. 3: Enzymhaltige „Pflaster“ erzeugen Strom Unsere Handys werden immer schlauer, aber wir müssen sie trotzdem aufladen, wenn der Akku leer ist. Jetzt wird eine neue Idee erprobt. Wissenschaftler haben ein tragbares Gerät entwickelt, das den Schweiß von den Fingern auffangen und in Energie umwandeln kann. Der flexible, pflasterähnliche Streifen enthält harmlose Enzyme, die mit Chemikalien im menschlichen Schweiß reagieren, um Elektrizität zu erzeugen und diese dann zu speichern. Forscher der University of California San Diego (UCSD) fanden heraus, dass das Gerät, wenn es zehn Stunden lang über Nacht getragen wird, fast 4 Joule Energie sammelt – genug, um eine elektronische Armbanduhr 24 Stunden lang zu betreiben. Wenn man ein solches Gerät an jeden Finger schnallt (Abb. 3), würde es zehnmal so viel Energie erzeugen, was die Aussicht eröffnet, dass auch größere, komplexere elektronische Geräte durch Schweiß mit Energie versorgt werden könnten. Die Forscher gaben jedoch zu bedenken, dass es in der jetzigen Form drei Wochen dauern würde, um genug Energie zu erzeugen, um ein Smartphone vollständig aufzuladen. Sie hoffen, dass sich die Erfindung in der Gesundheitstechnik als nützlich erweisen könnte, zum Beispiel als Sensor zur Messung des Blutzuckerspiegels bei Diabetikern. Bisherige Geräte, die sich auf Schweiß zur Energiegewinnung verlassen, erfordern vom Benutzer eine intensive körperliche Betätigung, wie z. B. viel Laufen oder Radfahren, bevor etwas mit Strom versorgt werden kann.

Dieser Durchbruch erreicht das, was die Forscher als den „heiligen Gral“ der energiesammelnden Gadgets bezeichnen, da es keine Bewegung oder irgendwelche externen, unregelmäßigen Quellen für Strom benötigt. Das Gerät erzeugt auch Energie, wenn Druck auf es ausgeübt wird, also bei Aktivitäten wie dem Tippen auf einer Tastatur.

Abb. 4: Funktionsschema des neuen Geräts (mit freundlicher Genehmigung von Tom Knowles)Abb. 4: Funktionsschema des neuen Geräts (mit freundlicher Genehmigung von Tom Knowles)Joseph Wang, ein Professor für Nanoengineering an der UCSD und Mitautor der Studie, sagte: „Wir wollten ein Gerät schaffen, das an die tägliche Aktivität angepasst ist und fast keine Energieinvestition erfordert. Man kann das Gerät vergessen und schlafen gehen oder Schreibtischarbeit wie Tippen verrichten, und trotzdem weiterhin Energie erzeugen. Man kann es ‚Energie aus dem Nichtstun’ nennen.“ Die Forscher sagten, dass es zwar seltsam erscheinen mag, den Schweiß von den Fingern und nicht etwa von den Achselhöhlen zu erfassen, aber die Fingerspitzen haben tatsächlich die höchste Konzentration von Schweißdrüsen am Körper. Sie haben jeweils mehr als tausend Schweißdrüsen und können zwischen 100 und 1000 Mal mehr Schweiß produzieren als die meisten anderen Körperteile. „Die Erzeugung von mehr Schweiß an den Fingern hat sich wahrscheinlich entwickelt, um uns zu helfen, Dinge besser zu greifen“, sagt Lu Yin, ein Doktorand der Nanotechnologie in Wangs Labor und ein Co-Autor des Berichts. „Die Schweißmenge am Finger kann bis zu einigen Mikrolitern pro Quadratzentimeter und Minute betragen. Das ist signifikant im Vergleich zu anderen Stellen am Körper.“ Der Grund, warum wir an anderen Körperstellen mehr schwitzen, ist, dass diese Stellen nicht gut belüftet sind. Im Gegensatz dazu sind die Fingerspitzen immer der Luft ausgesetzt, so dass der Schweiß verdunstet, wenn er herauskommt. Anstatt ihn also verdunsten zu lassen, verwendet man das Gerät, um diesen Schweiß zu sammeln, und das kann eine erhebliche Menge an Energie erzeugen.

Das Gerät enthält Hydrogel, um die Absorption zu maximieren, wobei der Schweiß dann von elektrischen Leitern oder Elektroden aus einem Kohlenstoffschaum absorbiert wird. Enzyme auf den Elektroden lösen eine chemische Reaktion zwischen Sauerstoff und dem Laktat der Schweißmoleküle aus, wodurch Strom erzeugt wird, der in einem kleinen Kondensator innerhalb des Geräts gespeichert wird, der dann entladen werden kann, um Strom für Geräte mit geringer Leistung bereitzustellen.

Auf der Schiene – China führt die Welt an

Abb. 5: Die neue chinesische Hochgeschwindigkeits-MagnetschwebeAbb. 5: Die neue chinesische Hochgeschwindigkeits-MagnetschwebebahnVor ein paar Wochen hat China den wohl schnellsten Personenzug der Welt vorgestellt, der mit mehr als 600 km/h auf noch zu bauenden Gleisen fährt. Der neue Magnetschwebebahn-Zug, der die Reibung mit den Schienen durch Magnetschwebetechnik aufhebt, kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Peking versucht, seine Position als weltweit produktivster Erbauer von Hochgeschwindigkeitsstrecken zu festigen (Abb. 5). Der neue Zug rollte langsam aus einem Schuppen der staatlichen CRRC, Chinas offiziellem Zugbauer, in der östlich gelegenen Stadt Qingdao. „Willkommen in der Hochgeschwindigkeits-Magnetschwebebahn, die mit 600 km/h fährt“, war auf einem digitalen Bildschirm in einem der Wagen zu lesen, wie ein von der offiziellen Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichtes Video zeigt.

Der Zug wird in fünf bis zehn Jahren in Betrieb gehen, sagten Beamte. Im Moment kann der fünfteilige Zug „stetig“ schweben und „dynamisch“ arbeiten, so eine staatliche Nachrichtenseite, und er bietet „das bequemste Transportmittel für Reisen im Umkreis von 1500 Kilometern“. China betreibt bereits das weltweit umfangreichste Netz von Hochgeschwindigkeitszügen auf mehr als 39 000 km Gleisen. Die Züge fahren normalerweise mit 200 bis 350 km/h, aber das Land will ein Zugmodell entwickeln, das fast doppelt so schnell fahren kann.

Die Hochgeschwindigkeits-Magnetschwebebahn soll berührungslos zwischen Zug und Schiene mittels elektromagnetischer Kräfte aufgehängt, angetrieben und geführt werden, wobei der einzige Widerstand aus der Luft kommt. Peking sagte, dass die Magnetschwebebahn die Lücke zwischen Hochgeschwindigkeitszügen, die normalerweise auf etwa 300 km/h begrenzt sind, und Verkehrsflugzeugen, die mit etwa 800 km/h fliegen, schließen könnte. Staatliche Medien sagten, dass die 1300 Kilometer lange Reise von Peking nach Shanghai etwa zwei Stunden mit dem Flugzeug, fünfeinhalb Stunden mit der Hochgeschwindigkeits-Eisenbahn und nur zweieinhalb Stunden mit der Hochgeschwindigkeits-Mag- netschwebebahn dauert. Chinas Magnetschwebebahn-Projekt begann 2016. Bis 2019 baute CRRC einen Prototyp und führte ein Jahr später eine erfolgreiche Testfahrt durch. Jetzt hat CRRC ein komplettes System gebaut und ist damit dem kommerziellen Betrieb einen Schritt näher gekommen – auch wenn das Land noch keine kommerziellen Strecken für den Zug gebaut hat, auf denen er fahren könnte. Staatliche Medien lobten den neuen Zug als den Beginn der „Post-Hochgeschwindigkeits-Ära“ des Landes. Dies geschah einige Monate, nachdem Peking einen ehrgeizigen Plan für das zukünftige Transportwesen des Landes vorgestellt hatte, der unter anderem die Entwicklung von „dreistündigen Transportkreisen“ zwischen den größten Städten vorsah.

Die östliche Provinz Zhejiang hat einen 12-Milliarden-Euro-Plan zum Bau einer Magnetschwebebahn mit einer Konstruktionsgeschwindigkeit von 600 km/h vorgelegt. Zwei andere Provinzen haben ähnliche Pläne. Peking will auch ein großer Exporteur von Hochgeschwindigkeitsbahnen werden, als Teil von Präsident Xis Flaggschiff-Initiative „Belt and Road“, die darauf abzielt, den globalen Fußabdruck des Landes durch massiven Infrastrukturbau zu erweitern. China hat jetzt drei Magnetschwebebahnlinien, von denen die schnellste mit 430 km/h in Shanghai mit deutscher Technologie fährt. Die beiden anderen Linien sind viel langsamer und fahren nur mit 100 und 120 Stundenkilometern.

Deutschland und Japan entwickeln ebenfalls Magnetschwebebahnen, aber es scheint, dass China bei dieser Technologie, wie bei so vielen anderen, derzeit die Nase vorn hat. Uns sollte bange sein.

Zwei Probleme – eine Lösung

Abb. 6: Zerkleinerter Kunststoff hat eine sandähnliche Morphologie (mit freundlicher Genehmigung von Dr. John Orr)    Abb. 6: Zerkleinerter Kunststoff hat eine sandähnliche Morphologie (mit freundlicher Genehmigung von Dr. John Orr) In fast allen Ländern weltweit ist Plastikmüll ein wachsendes Problem. Es gibt viele Fotos von Flüssen in Asien, die mit Plastikmüll verstopft sind. In Indien werden jeden Tag schätzungsweise 15 000 Tonnen Plastik weggeworfen. Ein Teil des Plastiks kann recycelt werden, aber es ist nicht immer wirtschaftlich, dies zu tun. Die meisten Leser werden sich dessen bereits bewusst sein. Aber wie viele Leser sind sich eines anderen Problems bewusst – des Sandmangels? Sand gibt es an jedem Seestrand im Überfluss – aber weil er Salz enthält, ist er für die Herstellung von Beton nicht geeignet. Die Sahara-Wüste ist eine riesige Sandfläche, aber die Morphologie der Sandkörner (fast keine scharfen Kanten), macht sie ebenfalls ungeeignet für Beton. Der beste Sand für die Herstellung von Beton wird aus Flussbetten gebaggert, aber auch hier gibt es Probleme. Wegen solcher Engpässe sind in einigen Teilen der Welt kriminelle Banden in diesen Markt eingestiegen, die als „Sand-Mafias“ bekannt sind. Eine Lösung, oder zumindest eine Teillösung für diese beiden Probleme, wurde von Dr. John Orr von der Universität Cambridge gefunden. Er hat gezeigt, dass hochwertiger Beton aus geschreddertem Kunststoff hergestellt werden kann, um einen Teil des verwendeten Sandes zu ersetzen. Abbildung 6 zeigt eine Probe von geschreddertem Kunststoff, der in seiner Morphologie dem Sand nicht unähnlich ist.

Testmuster von kunststoffhaltigem Beton (Abb. 7) haben hervorragende mechanische Eigenschaften gezeigt. Es wird geschätzt, dass dadurch allein in Indien 820 Millionen Tonnen Sand pro Jahr eingespart werden könnten. Ich frage mich, was Leser von dieser Idee halten werden? Stimmt, es ist eine Lösung für zwei große Probleme. Aber ist Kunststoffabfall an sich nicht viel wertvoller? Gibt es keinen besseren Weg, ihn zu recyceln?

Bessere Batterien?

Abb. 7: Mit Kunststoffabfällen hergestellte Betonproben (mit freundlicher Genehmigung von Dr. John Orr)    Abb. 7: Mit Kunststoffabfällen hergestellte Betonproben (mit freundlicher Genehmigung von Dr. John Orr) In Deutschland und Frankreich werden sogenannte Gigafactories gebaut, um Lithium-Batterien für die wachsende Zahl von EVs herzustellen, z. B. in Erfurt. Mehrere davon sind chinesisch, die Erfurter Anlage des chinesischen Unternehmens CATL wird ca. 3 Mal so groß wie die Tesla Anlage in den USA. Natürlich hoffen die Besitzer, dass diese Anlagen ein langes Leben haben und nicht schnell von neueren Technologien überholt werden. Die geplante englische Gigafactory, die die nahegelegene Nissan Anlage bedient, wird ebenfalls chinesisch sein, in diesem Fall AESC.

Ob es uns nun gefällt oder nicht, China drängt in unsere Wirtschaften. Aber sind die heutigen Lithium-Batterien das letzte Wort? Eine Reihe von Start-ups entwickeln alternative Batterien und insbesondere Festkörperbatterien, die eine höhere Energiedichte und damit eine größere Reichweite für eVs versprechen. Ein solches Unternehmen ist Ilika (www.ilika.com) mit Sitz in Südengland. Die Firma behauptet, dass ihre Festkörperbatterien eine höhere Energiedichte, eine höhere Leistungsdichte, höhere Laderaten, eine längere Lager- und Zyklenlebensdauer haben und dass sie nicht entflammbar sind. Sie zielen auf zwei getrennte Märkte: kleine Batterien z. B. für medizinische Geräte und große Leistungsbatterien für eVs. Diese Batterien gehören zu einer Familie, die als „Quantum Glass Batteries“ bekannt ist und einen dünnen Film aus Spezialglas verwendet, in dem Lithium-Ionen mobil sind. Es wird vorhergesagt, dass sie Energiedichten von 500 Wh/kg oder mehr bieten.

Ein weiteres Start-up-Unternehmen ist AMTE Power, Sitz in Schottland (www.amtepower.com). Seine Technologie, ebenfalls auf Lithiumbasis, scheint der von Ilika ähnlich zu sein. Ein weiteres Start-up-Unternehmen, Faradion (www.faradion.co.uk) mit Sitz in Sheffield, England, konzentriert sich auf die Natrium-Ionen-Technologie. Faradion hat sich jedoch mit AMTE zusammengetan und gezeigt, dass die jeweiligen Lithium- und Natrium-Batterien auf der gleichen Produktionslinie hergestellt werden können. Faradion-Batterien enthalten weder Kobalt noch Kupfer, was sie kostengünstiger macht. Die Website von Faradion enthält Links zu seinen Patenten. Ein Ausschnitt aus seinen Batterien ist in Abbildung 8 dargestellt.

Abb. 8: Eine Auswahl von Natriumbatterien (mit freundlicher Genehmigung von Faradion Ltd.)    Abb. 8: Eine Auswahl von Natriumbatterien (mit freundlicher Genehmigung von Faradion Ltd.) Da Batterien immer energiedichter werden, wird das Wärmemanagement zu einem zunehmenden Problem. Ein weiteres Start-up, Cognition Energy (www.cognition.energy) mit Sitz in der Nähe von Oxford, England, verwendet die Lithium-Technologie, konzentriert sich aber auf das Wärmemanagement. Als Ergebnis kommunizieren die Verantwortlichen eine Lebensdauer von 30 000 Zyklen (ca. 10 Jahre) für ihre Batterien, was zu einer Senkung der Betriebskosten um 75 % führt, außerdem schnelles Aufladen und einfaches Recycling.

Lithium-Luft-Batterien können als Hybridbatterien-Brennstoffzellen betrachtet werden. Eine neue Art von Lithium-Luft-Batterie, die kürzlich von Forschern in China vorgestellt wurde, kombiniert höhere Kapazität, längere Lebensdauer und größere Stabilität als herkömmliche Batterien. Das Gerät, bei dem ein fester Zeolith-Elektrolyt mit zwei Elektroden integriert ist, könnte einen bedeutenden Schritt in Richtung der Realisierbarkeit solcher Batterien für Elektrofahrzeuge und Energiespeicher darstellen.

Lithium-Luft-Batterien verwenden normalerweise eine Anode aus reinem Lithium und eine Form von porösem Kohlenstoff an der Kathode. Wenn die Batterie entladen wird, fließen Lithium-Ionen von der Anode zur Kathode, wo sie auf Elektronen treffen, die durch den externen Stromkreis fließen und mit Sauerstoff aus der Luft reagieren. Beim Aufladen der Batterie kehrt sich dieser Prozess um. Da Lithium hoch elektropositiv und extrem leicht ist und Luft praktisch masselos ist, haben Lithium-Luft-Batterien die höchste theoretische maximale spezifische Energiedichte aller Batterietypen.

In der Praxis hat es sich jedoch als äußerst schwierig erwiesen, ein brauchbares wieder aufladbares Gerät zu entwickeln. Die extreme Reaktivität von Lithium ist ein zweischneidiges Schwert: Sie ermöglicht die Speicherung einer riesigen Menge an Energie, aber die kontrollierte, sichere und reversible Freisetzung dieser Energie ist schwierig. Die frühen Li-Luft-Batterien verwendeten verschiedene flüssige Elektrolyte. Lithium reagiert heftig mit Wasser, was in wässrigen Elektrolyten zu Problemen führt, und organische Elektrolyte sind anfällig für Nebenreaktionen.

„Die intrinsische thermodynamische Instabilität von Lithium führt zu kontinuierlichen und irreversiblen Reaktionen zwischen der Anode und dem organischen Elektrolyten, was zu einer Zersetzung des Elektrolyten führt, die von einer Korrosion der Lithium-Metall-Anode begleitet wird“, erklärt Jijing Xu von der Jilin University in Changchun, China. Normalerweise wird zum Schutz des Lithiums ein ionenleitender Separator eingefügt, doch die Platzierung eines solchen Systems – insbesondere wenn es einen entflammbaren organischen Elektrolyten enthält – in einer Batterie, die zur Luft hin offen sein muss, wirft ernsthafte Sicherheitsbedenken auf.

Die Forscher gehen daher zunehmend zu Festelektrolyten über. Diese bringen jedoch ihre eigenen Probleme mit sich: Damit die Batterie effizient arbeitet, muss das Elektrolytmaterial eine hohe Ionenleitfähigkeit und eine niedrige elektrische Leitfähigkeit aufweisen und einen guten Kontakt zur Lithiumelektrode haben, um den Kontaktwiderstand zu minimieren. Schließlich sollte es weder mit dem Lithium noch mit dem Sauerstoff reagieren, wenn es elektrochemisch zykliert wird. Die Suche nach einem solchen Material hat sich als schwierig erwiesen. Xu u. a. züchteten stickstoffdotierte Kohlenstoff-Nanoröhren auf Edelstahlgewebe durch chemische Gasphasenabscheidung, um ihre Kathode zu bilden. (Abb. 9, 10).

Abb. 9:  SS = Edelstahl, CNT = Kohlenstoff-Nanoröhrchen   Abb. 9: SS = Edelstahl, CNT = Kohlenstoff-Nanoröhrchen

Dann fügten sie eine hoch monokristalline, 5 μm dicke Schicht eines lithiumhaltigen Zeolithen hinzu, der als Elektrolyt dient. Schließlich gossen sie geschmolzenes Lithium direkt auf die Rückseite dieser Schicht, um die Anode zu bilden.

„Dies ist das erste integrierte Kathoden-/Festelektrolyt-/Anoden-Design für eine Lithium-Luft-Batterie“, erklärt Jihong Yu, ebenfalls von der Jilin University, der neben Xu die Forschung leitete.

Die Forscher testeten ihr Produkt gegen mehrere andere Typen von Lithium-Luft-Batterien und stellten fest, dass es in mehrfacher Hinsicht überlegen ist. Trotz seiner geringen Dicke schützte der Zeolith die Metallanode um Größenordnungen länger vor Korrosion durch Sauerstoff als der handelsübliche Festkörperelektrolyt und bot eine hervorragende elektrische Isolierung, während er für Lithium-Ionen viel besser leitfähig war. Während sich die Zyklenstabilität vieler anderer Arten von Lithium-Luft-Festkörperbatterien zu verschlechtern begann, manchmal schon nach 10 Lade-/Entladezyklen, leistete diese Batterie nahezu 150 Zyklen lang maximale Kapazität. An diesem Punkt begann Lithiumkarbonat – das entsteht, wenn Lithium mit dem Kohlendioxid reagiert, das sich in einer Nebenreaktion bildet – die Kathode zu inaktivieren. Dies sei ein häufiges Problem in Lithium-Luft-Batterien, erklärt Yu.

Abb. 10: Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die mittels CVD auf einem Edelstahlmesh gewachsen sind (Abb. 9 und 10 mit freundlicher Genehmigung von „Chemistry World“)  Abb. 10: Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die mittels CVD auf einem Edelstahlmesh gewachsen sind (Abb. 9 und 10 mit freundlicher Genehmigung von „Chemistry World“)

Die Entwicklung von CO2-selektiv absorbierenden oder blockierenden Membranen auf der Oberfläche der Kathode oder die Erforschung und Konstruktion von stabileren kohlenstofffreien Kathoden gelten als wirksame Möglichkeiten, um die Bildung von Lithiumkarbonat zu vermindern. Die Forscher arbeiten nun daran, ihr Zeolith-Membran-Design über Lithium-Luft-Batterien hinaus auf andere Arten von Lithium-Batterien sowie Natrium- und Magnesium-Batterien und darüber hinaus zu erweitern.

Quelle: X Chi u. a. Nature (2021)592, S. 551 (DOI: 10.1038/s41586-021-03410-9)

Fazit:

In dieser Momentaufnahme habe ich versucht aufzuzeigen, dass die Lithium-Batterien, die wir heute in unseren EVs verwenden, in nur wenigen Jahren durch Batterien mit neuer Technologie ersetzt werden könnten, die eine höhere Energiedichte, eine längere Lebensdauer und höhere Laderaten aufweisen. Ist die Batterietechnik damit ausgereift? Die Antwort lautet Nein!

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 8
  • Jahr: 2021
  • Autoren: Dr. Anselm T. Kuhn

Ähnliche Artikel