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Donnerstag, 09 Dezember 2021 10:59

3D-Druck in der Medizintechnik

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3D-Drucker können bei Lieferengpässen Versorgungslücken schließen. Leitlinien und Plattformen wie die am TÜV Süd entwickelten, helfen bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen 3D-Drucker können bei Lieferengpässen Versorgungslücken schließen. Leitlinien und Plattformen wie die am TÜV Süd entwickelten, helfen bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen

3D-Druck ist fester Bestandteil in der Medizintechnik und wird fortwährend weiterentwickelt. Neue Technologieansätze erlauben dabei beispielsweise neue Werkstoffeigenschaften auf kleinstem Raum zu designen.

Forscher des KIT haben mittels eines neuartigen Photo- Mikrodruckverfahrens miniaturisierte poröse Materialien aus Photolack erzeugt (Abschnitt 1). Doch auch ohne neue Entwicklungen sind additive Fertigungs- techniken wesentlich für die Medizintechnik, beispielsweise um pandemiebedingte Lieferengpässe zu überbrücken (Abschnitt 2). Um einen unterbrechungsfreien Druck zu gewährleisten, sind 3D-Drucker mit Sensoren wie beispielsweise einem Filamentsensor ausgestattet. Für kritische 3D-Drucke reichen diese jedoch nicht aus – neue Sensoransätze sind in Abschnitt 3 beschrieben.

Neuartiger Fotolack ermöglicht 3D-Druck kleinster poröser Strukturen [1]

Farbwechsel: Der rechte, mit dem neuartigen Fotolack gedruckte Mikro-Zylinder erscheint weiß, weil in seiner schwammartigen Struktur das Licht gestreut wird, während der aus herkömmlichem Fotolack gedruckte Zylinder transparent erscheintFarbwechsel: Der rechte, mit dem neuartigen Fotolack gedruckte Mikro-Zylinder erscheint weiß, weil in seiner schwammartigen Struktur das Licht gestreut wird, während der aus herkömmlichem Fotolack gedruckte Zylinder transparent erscheintIm Exzellenzcluster 3D Matter Made to Order (3DMM2O) forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie und der Universität Heidelberg interdisziplinär an innovativen Technologien und Materialien für digitale skalierbare additive Fertigungsverfahren, um den 3D- Druck präziser, schneller und leistungsfähiger zu machen[2]. Ziel ist es, die 3D-Fertigung und Materialverarbeitung vom Molekül bis zur Makrostruktur vollständig zu digitalisieren. Zusätzlich zur Förderung als Exzellenzcluster innerhalb der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder wird 3DMM2O durch die Carl-Zeiss-Stiftung gefördert.

In diesem Exzellenzcluster wurde nun ein Fotolack für den Zwei-Photonen-Mikrodruck entwickelt, mit dem erstmals dreidimensionale polymere Mikrostrukturen mit Hohlräumen in Nanogröße hergestellt werden können. Im Fachblatt Advanced Materials berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ge- meinsamen Exzellenzclusters 3D Matter Made to Order, wie die Porosität im Druckprozess gesteuert werden kann und wie sich dies auf die Lichtstreuungseigenschaften der Mikrostrukturen auswirkt [3].

Fotolacke sind Drucktinten, mit denen in der sogenannten Zwei-Photonen-Lithographie kleinste Mikrostrukturen 3D-gedruckt werden können. Während des Drucks wird ein Laserstrahl durch den zunächst flüssigen Fotolack in alle Raumrichtungen bewegt. Hierbei härtet der Fotolack lediglich im Fokuspunkt des Laserstrahls aus. Nach und nach können so komplexe Mikrostrukturen aufgebaut werden. In einem zweiten Schritt wäscht ein Lösungsmittel jene Bereiche aus, die nicht belichtet worden sind. Übrig bleiben komplexe Polymer-Architekturen im Mikro- und Nanometer-Maßstab.

Die Zwei-Photonen-Polymerisation – beziehungsweise der auf diesem Verfahren basierende Zwei-Photonen- Mikrodruck – wird seit einigen Jahren intensiv erforscht – im Hinblick etwa auf die Herstellung von Mikrooptiken, von sogenannten Metamaterialien oder von Mikrogerüsten für Experimente mit einzelnen biologischen Zellen. Um das Anwendungsspektrum zu erweitern, bedarf es neuer druckbarer Materialien. Hier setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters 3DMM2O an: Mit bisherigen Fotolacken war es bisher lediglich möglich, transparente, glasartige Polymere zu drucken. Der neue Fotolack ermöglicht es erstmals, 3D-Mikrostrukturen aus porösem Nano-Schaum zu drucken. Dieser Polymer-Schaum weist Hohlräume einer Größe zwischen 30 und 100 Nanometern auf, die mit Luft gefüllt sind. Dieser Ansatz erlaubt es erstmals, mit Fotolack für den 3D Laser Microdruck „weißes“ Material zu drucken, denn wie in einer porösen Eierschale bewirken die zahlreichen winzigen Luftlöcher in den porösen Nano-Architekturen, dass diese weiß erscheinen. Einfach weiße Partikel in einen herkömmlichen Lack zu mischen, wäre keine Lösung, denn während des Drucks muss der Fotolack für den (roten) Laserstrahl transparent sein. Der Lack ist vor dem Drucken transparent, doch die gedruckten Objekte sind weiß und weisen damit eine hohe Reflektivität auf. Diese Eigenschaft demonstrieren die Forschenden aus Karlsruhe und Heidelberg mit dem Druck einer haarfeinen Ulbricht-Kugel, eines Bauelements der technischen Optik.

Ein anderer Faktor, der neue Möglichkeiten eröffnet, ist die extrem große innere Oberfläche des porösen Materials. Bei Filtervorgängen auf kleinstem Raum, bei extrem wasserabweisenden Beschichtungen oder bei der Kultivierung biologischer Zellen könnte dies einst positiv zu Buche schlagen.

Wozu der neuartige Fotolack geeignet ist und wie er bestmöglich anzuwenden ist, konnte in übergreifender Zusammenarbeit von drei der insgesamt neun Forschungsschwerpunkte des Exzellenzclusters beschrieben werden. Anhand elektronenmikroskopischer Scans und optischer Experimente zeigten die Forschenden, wie die Hohlräume in gedruckten Strukturen verteilt sind und wie ihre Formation durch Veränderungen der Druckeinstellungen, vor allem der Stärke der Laserpulse, auch gesteuert werden kann. An den aktuellen Arbeiten im Exzellenzcluster haben Heidelberger Forschende auf dem Gebiet der Materialwissenschaften und Karlsruher Forschende auf den Gebieten Chemie und Physik mitgewirkt.

3D-gedruckte Medizinprodukte schließen Lieferengpässe in Pandemiezeiten [4, 5]

Wenn Grenzen geschlossen werden, um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen, sind Unternehmen gezwungen, ihre Lieferketten anzupassen. Additive Fertigungsstätten, die 3D-Drucker verwenden, reagierten schnell, indem sie Ressourcen bündelten und den Druck auf die Lieferketten verringerten. Der Schwerpunkt lag unter anderem auf 3D- Drucktechniken, um Versorgungslücken zu schließen. Sie existierten vor allem bei Nasenabstrichtupfern, Komponenten von Beatmungsgeräten sowie der persönlichen Schutzausrüstung. Aktuell verbessert die additive Fertigung zudem die Versorgung mit wichtigen Produkten wie Gesichtsschilde, Ventile, Filter, Drucksensoren oder Röntgenröhren. Die Anwendungsfälle reichen von der allgemeinen Pflege bis hin zu hochpräzisen und personalisierten Geräten – selbst für Nischenmärkte.

Professionelle 3D-Druck-Anlage: Im Forschungsprojekt nutzt das IPH den Industriedrucker X500PRO der German RepRap GmbH und stattet ihn mit Sensortechnik ausProfessionelle 3D-Druck-Anlage: Im Forschungsprojekt nutzt das IPH den Industriedrucker X500PRO der German RepRap GmbH und stattet ihn mit Sensortechnik aus

Schon vor der Pandemie prognostizierten Analysten, der Markt für additive Fertigung in der Medizin würde bis 2020 einen Wert von min- destens 20 Milliarden US-Dollar erreichen. In der Zahnmedizin soll der Markt bis 2027 um 9,7 Milliarden US-Dollar wachsen, mit einer eindrucksvollen jährlichen Steigerung um 35 Prozent.

Ein entscheidender Vorteil der additiven Fertigung ist, mit zeitnahen Kapazitäten bei der Serienproduktion Versorgungslücken zu schließen. Sie ermöglicht zudem komplexe und funktionelle Designs aus einem Stück – ohne nachträgliche Montage von Einzelteilen. Das steigert oft auch die Qualität der Produkte. Hinzu kommt die Fähigkeit, Prototypen kosteneffizient und mit kürzerer Entwicklungszeit herzustellen. Durch die Pandemie wurde nicht nur deutlich, dass beides gelingt, sondern auch, wie umfangreich die gerätespezifischen Vorschriften und regulatorischen Anforderungen sind.

3D-gedruckte Zahnschienen: Medizinprodukte lassen sich dank Additiver Fertigung individuell an den Körper des Patienten anpassen und trotzdem kostengünstig herstellen3D-gedruckte Zahnschienen: Medizinprodukte lassen sich dank Additiver Fertigung individuell an den Körper des Patienten anpassen und trotzdem kostengünstig herstellen

Medizinprodukte müssen hochwertig, leistungsfähig und sicher sein. Bevor sie in Verkehr gebracht werden dürfen, sind zahlreiche Konformitäts- und Sicherheitsstandards zu erfüllen. Der Verwendungszweck bestimmt weitere spezielle Anfor- derungen an das Produkt. Persönliche Schutzausrüstung muss Partikel, Tröpfchen und dergleichen vom Benutzer fernhalten (Verordnung EU 2016/425). Bei Schutzmasken und Gesichtsschilden, wie sie in Krankenhäusern verwendet werden, sind die Konformitäts- und Sicherheitsstandards besonders hoch. Die erforderliche Konformitätsbewertung benötigt Zeit, die in einer Pandemie knapp ist.

Leitlinien helfen, die regulatorischen Anforderungen zuverlässig und zeitnah umzusetzen. TÜV SÜD hat dafür Checklisten zu den wichtigsten Anforderungen aus zentralen Normen und Vorschriften zur additiven Fertigung entwickelt und in der Krise kostenlos zu Verfügung gestellt – sowohl allgemeine als auch spezifische. Davon profitieren Prüflabore, Fachleute im Gesundheitswesen und die Öffentlichkeit. Zudem bieten internationale Normungsorganisationen wie ASTM International und ISO freien Zugang zu den für die Herstellung und Prüfung persönlicher Schutzausrüstung und medizinischer Geräte relevanten Normen.

So dient die additive Fertigung der Pandemiebekämpfung und wirkt sich insgesamt positiv auf die Medizin- und Gesundheitsbranche aus, weil sie die Innovationsbereitschaft fördert. Vieles spricht dafür, dass schnelle, integrierte Lieferkettennetzwerke mit einer Produktion vor Ort zur neuen Normalität werden. Als unabhängiger Dritter unterstützt TÜV SÜD nicht nur mit Checklisten. Sondern die speziell entwickelten Prüfleistungen von Additiven Produktionsstätten, sichern die Qualität und Konsistenz der industriellen, additiven Serienfertigung. Diese verhelfen den 3D-Druck-Auftragsfertigern, die Konformität nach den Anforderungen des MDD und MDR sicherzustellen.

Mit Plattformen wollen Regierungen und Industrieverbände, multinationale Unternehmen und Start-ups Wissenslücken in der Branche schließen:

Siemens stellte seine 3D-Drucker Ärzten, Krankenhäusern und Herstellern zur Verfügung, die die Entwicklung medizinischer Geräte oder Komponenten benötigten. Zudem vernetzt Siemens die gesamte Wertschöpfungskette vom Design und der Simulation bis zur Produktion.

Singapurs AM-Beschleuniger National Additive Manufacturing Innovation Cluster (NAMIC) hat eine Covid-19-Ressourcenseite eingerichtet, die umfassende Ressourcen für medizinische Einrichtungen, Krankenhäuser und Lieferanten medizinischer Geräte auflistet. Diese arbeiten mit 3D-Druck-Hubs zusammen, um Teile für wichtige Gesundheitsgeräte zu entwerfen, zu optimieren und zu drucken.

3Yourmind, ein agiler Anbieter von Fertigungssoftware, schuf eine Plattform zur effizienteren Koordination und Organisation der Lieferungen von Produkten, die während der Pandemie benötigt werden. Das Unternehmen hat die TÜV SÜD-Checkliste in seinen Workflow integriert, sodass die gefertigten Komponenten im Prozess bewertet werden konnten.

Der 3D-Drucker-Hersteller Ultimaker unterstützt mit dem Online-Portal Covid-19 Gesundheitszentren dabei, Produktionskapazitäten in ihrer Nähe zu finden. Das Unternehmen hilft zudem beim Design, der Druckvor- und -nachbearbeitung sowie der Anwendung. Zusammen mit Ultimaker entstand die erste TÜV SÜD-Checkliste.

Das nutzerorientierte Netzwerk Mobility Goes Additive (MGA) unterstützt seine Mitglieder bei der Entwicklung von Medizinprodukten und dem Austausch technischen Know-hows. Es sammelt Anwendungsbeispiele, Links und FAQs zu Gesichtsschutzschilden, Masken und Beat- mungsgeräten. Als Mitglied unterstützt TÜV SÜD Hersteller bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen.

TÜV SÜD beteiligte sich in Singapur an einer behördenübergreifenden Zusammenarbeit mit der Health Science Authority, der Nanyang Technological University (NTU) und NAMIC. Das Ziel: Hersteller durch die Prüfanforderungen leiten, damit sie diese zuverlässig und schnell erfüllen können. Für Gesichtsschilde und Nasenabstrichtupfer sind Checklisten über die NAMIC-Reaktionsplattform Covid-19 kostenlos verfügbar.

Das Centre for Additive Manufacturing an der National University of Singapore (AM.NUS) hat im vergangenen Jahr ein Memorandum of Understanding (MoU) mit TÜV SÜD unterzeichnet. Die Absichtserklärung bezieht sich auf Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten bei additiv gefertigten, biomedizinischen Metallimplantaten für eine bessere Gesundheitsversorgung. Deren Herstellung benötigt eine ISO 13485- Zertifizierung für ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem bei Medizinprodukten. TÜV SÜD bringt sein Know-how hier mit Schulungen ein.

Qualität im 3D-Druck sichern – mit Sensoren und Künstlicher Intelligenz [6]

Qualitätsüberwachung: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden Sensoren am Drucker anbringen, um Fehler zu erkennen wie etwa einen verstopften Druckkopf (Foto: Désirée Binder / IPH)Qualitätsüberwachung: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden Sensoren am Drucker anbringen, um Fehler zu erkennen wie etwa einen verstopften DruckkopfDer 3D-Druck ermöglicht eine Produktion in Losgröße 1. Das bedeutet, dass kein Produkt dem anderen gleicht, weil jedes Teil individuell für den Kunden entworfen wird. Interessant ist das unter anderem für die Medizintechnik. Additiv gefertigte Zahnschienen, Hörgeräte und sogar Implantate lassen sich perfekt an den Körper eines einzelnen Patienten anpassen und trotzdem kostengünstig herstellen. Eine Herausforderung für Unternehmen ist allerdings die Qualitätssicherung. Personalisierte Medizinprodukte unterliegen strengen Vorgaben an die Sicherheit. Die Hersteller müssen garantieren können, dass sich keine unsichtbaren Risse oder Poren im Bauteil befinden und die geometrischen Anforderungen sowie die gewünschten Materialeigenschaften erzielt werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Hannover und Aachen arbeiten an einer Lösung, um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen bei der Zulassung patientenindividueller Medizinprodukte aus dem 3D-Drucker zu unterstützen: Sie wollen eine App entwickeln, die bei der Qualitätssicherung hilft.

Je individualisierter die Produktion, desto schwieriger die Qualitätssicherung. Bei Gütern, die in Großserie gefertigt werden, genügt es oft, Qualitätsprüfungen an einigen zufällig ausgewählten Produkten durchzuführen, um damit Rückschlüsse auf die gesamte Charge ziehen zu können. Bei Einzelanfertigungen ist das nicht möglich. Hier muss jedes Bauteil genau untersucht werden, um die Qualität sicherzustellen.

Mögliche Mängel patientenindividueller 3D-Druck-Produkte bereits während der Fertigung zu erkennen ist das Ziel eines neuen Forschungsprojekts, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Integrierte Produktion Hannover (IPH) gGmbH und des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen gemeinsam durchführen [7].

Die Forscherinnen und Forscher wollen einen industriellen 3D-Drucker mit Sensortechnik ausstatten, um den Druckvorgang lückenlos zu überwachen. Die Sensordaten werden in einer App mithilfe von Künstlicher Intelligenz über ein Qualitätsmodell ausgewertet, um Produktionsfehler zuverlässig zu erkennen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IPH und des WZL konzentrieren sich vorrangig auf die Medizintechnik, weil in dieser Branche der Grad der Individualisierung der Produkte und die dazugehörigen Qualitätsanforderungen besonders hoch sind sowie im Rahmen einer Zulassung der Nachweis eines Qualitätssicherungssystems erbracht werden muss. Das IPH ist im Forschungsprojekt für die Sensortechnik und Datenerhebung verantwortlich, das WZL übernimmt die Erstellung des Qualitätsmodells und die Programmierung der App.

Die Qualität im 3D-Druck wird von vielen Faktoren beeinflusst: Von der Art des verwendeten Materials, der Umgebungstemperatur, der Temperatur, bei der das Filament aufgeschmolzen wird, der Druckgeschwindigkeit, den Vibrationen des Druck- kopfs und etlichen weiteren Parametern. Additive Fertigungsprozesse reagieren sehr sensibel auf äußere Einflüsse. Das Ziel ist es, mehr Sicherheit in den Prozess zu bekommen und Fehler zu vermeiden. Besonders tückisch ist, dass viele Fehler von außen nicht mehr sichtbar sind, wenn das Bauteil fertig gedruckt ist. Wenn beispielsweise zwischendurch kurz der Druckkopf verstopft und dann normal weiterdruckt, sieht man das später nicht.

Für das Forschungsprojekt nutzt das IPH den Industriedrucker X500PRO der German RepRap GmbH. Als Druckmaterial dient der Kunststoff Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS), der eine vergleichsweise hohe Festigkeit aufweist, aber sehr temperatursensibel ist.

Zur Überwachung der Druckqualität wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Sensoren nutzen. Denkbar sind beispielsweise Sensoren, die die Temperatur der Bauplatte oder Baukammer messen, Infrarotsensoren, mit denen sich die Temperatur direkt am Druckkopf bestimmen lässt, Vibrationssensoren sowie optische Messtechnik, die das IPH bereits im Forschungsprojekt Quali3D untersucht hat [8].

Aussagekräftig für die Qualitätsüberwachung sind auch akustische Signale, vereinfacht gesagt: Tonaufnahmen. Darüber ließe sich beispiels- weise feststellen, wenn der Druckkopf verstopft oder das Filament in der Anlage bricht. Das kann man hören, die Herausforderung ist allerdings, die Signale so zu verarbeiten, dass Umgebungsgeräusche herausgefiltert werden – also beispielsweise das Surren des Motors im 3D-Drucker, das Rauschen des Rechners oder eine zugeschlagene Tür. Um wichtige von unwichtigen Geräuschen zu unterscheiden, wollen die Forscherinnen und Forscher Machine Learning nutzen, eine Form der Künstlichen Intelligenz. Indem das Programm mit möglichst vielen Tonaufnahmen trainiert wird, lernt es immer besser, Fehler anhand von akustischen Signalen zuverlässig zu erkennen.

Letztlich soll eine App entwickelt werden, die sämtliche Sensordaten automatisiert auswertet. Das Ziel ist es, den Aufwand der Qualitätssicherung im 3D-Druck zu reduzieren und auch dem Laien über eine intuitive App eine Überwachung des Druckes zu ermöglichen. Die Nutzerinnen und Nutzer müssen die Sensordaten nicht interpretieren – die App überwacht den gesamten Druckprozess, dokumentiert Fehler und gibt eine Rückmeldung zur Druckqualität. Bei schwerwiegenden Fehlern, die das Bauteil unbrauchbar machen könnten, stoppt die App den Druckprozess und informiert die Nutzerin oder den Nutzer. Daraufhin können die Druckeinstellungen angepasst und bei Bedarf Fachpersonal hinzugeholt werden.

Literatur

[1] Quelle: Karlsruher Institut für Technologie (KIT) www.kit.edu/kit/pi_2020_077_neuartiger-fotolack-ermoglicht-3d-druck-kleinster-poroser-strukturen.php

[2] www.3dmm2o.de

[3] F. Mayer; D. Ryklin; I. Wacker; R. Curticean; M. Calkovský; A. Niemeyer; Z. Dong; P.A. Levkin; D. Gerthsen; R.R. Schröder; M. Wegener: 3D Two-Photon Microprinting of Nanoporous Architectures, Advanced Materials 2020, doi: 10.1002/adma.202002044

[4] Quelle: TÜV Süd

[5] Mehr Informationen auf: www.tuvsud.com/en/industries/manufacturing/machinery-and-robotics/additive-manufacturing/industrial-additive-manufacturing-production-site-certification www.tuvsud.com/de-de/branchen/produzierende-industrie/maschinen-geraete-ausruestung/additive-fertigung/zertifizierte-unternehmen

[6] Quelle: IPH Institut für integrierte Produktion Hannover www.iph-hannover.de

[7] www.iph-hannover.de/de/dienstleistungen/fertigungsverfahren/additive-fertigung/

[8] www.iph-hannover.de/de/forschung/forschungsprojekte/?we_objectID=5424&pid=5805

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 11
  • Jahr: 2021
  • Autoren: Stephan Reuter

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