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Freitag, 28 Januar 2022 10:59

V2021 – Vakuum und Plasma

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Das International Congress Center direkt an der Elbe war Schauplatz der diesjährigen V2021 in Dresden Das International Congress Center direkt an der Elbe war Schauplatz der diesjährigen V2021 in Dresden Fotos: C. Bäßler

Die traditionsreiche Veranstaltung V2021 zur Plasma- und Vakuumtechnik für die Oberflächenveredlung hat vom 12. – 14. Oktober 2021 im Internationalen Congress Center Dresden mit 370 Teilnehmern stattgefunden. Veranstaltet von der Europäischen Forschungsgesellschaft Dünne Schichten e.V. (EFDS) spielten Energie, Bio und Medizin, Optik sowie Werkszeuge und Bauteile in Workshops eine Rolle.

Die Energiewende durch dünne Schichten

Die Energiewende schreitet sowohl in Deutschland als auch weltweit immer weiter voran. Viele Fragen sind dabei noch ungelöst. Eine entscheidende Rolle für eine ökologisch-nachhaltige Gestaltung unserer Zukunft spielen moderne Energiesysteme – bei der Nutzung regenerativer Energien, bei der Energieumwandlung und -speicherung sowie bei der Verminderung von Wärmeverlusten. Dünnen Schichten und Schichtsystemen kommt hierbei eine wesentliche leistungs- und preisbestimmende Bedeutung zu. Ein optimales materialtechnisches Design der Schichtsysteme verbunden mit einer perfekt angepassten Prozess- technik ist hierzu erforderlich. Unterschiedliche Strategien und Technologien stehen im Wettbewerb und müssen sich am Markt behaupten, um die geforderten Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen Realität werden zu lassen.

Die größte PEM-(Protonen Exchange Membran) Elektrolysezelle zur Wasserstoffherstellung der Welt baute Siemens Energy im Jahr 2018. Die Anlage wird mit Strom aus erneuerbaren Quellen, wie Wind oder Solar betrieben. In 24 Modulen können 335 Kilogramm grüner Wasserstoff pro Stunde bei einer maximalen Stromaufnahme von 17,5 MW produziert werden. Allerdings ist dieser Wasserstoff noch sehr teuer, wie Yashar Musayev, Siemens Energy Global GmbH & Co. KG, berichtete.

Verschiedene Beschichtungen von Bipolarplatten für PEM-Brennstoffzellen, die in Pkw eingesetzt werden, wurden von Gerrit Jan van der Kolk, Ionbond AG Niederlande, vorgestellt. Der Zielwert für die Lebensdauer von Brennstoffzellen in Pkws beträgt 10.000 Stunden. Es wurden verschiedene Dotierungen auf Titanplatten untersucht. Die Dotierung mit Gold und Platin gab einen guten Korrosionsschutz. Die Kohlenstoffschichten waren am stabilsten auch hinsichtlich der mechanischen Stabilität.

Fabian Bergenthun, Zentrum für Brennstoffzellen Technik GmbH, ging ebenfalls auf verschiedene Beschichtungen für metallische Brennstoffzellen ein. Metallische Bipolarplatten sind dünner als Graphit-Polarplatten und haben gute mechanische Eigenschaften. Allerdings sind Beschichtungen notwendig, um Korrosion zu vermeiden.

Barrieren auf den Kathodenpartikeln ermöglichen eine längere Haltbarkeit von Li-Ionen-Akkus. Auch OLEDs und Solarzellen werden mit Barrieren geschützt, um seit- liches Eindringen von Wasserdampf durch Permeation zu verhindern und die Bauteile vor Korrosion zu schützen. Für Barrieren eignen sich (Spatial-)ALD ideal, wie Hannes Klumbies, FHR Anlagentechnik GmbH, zusammenfasste. Mit der Atomic Layer Deposition (ALD) wird oberflächenkonform ohne Abschattung bei 80 bis 100 Grad Celsius abgeschieden, wobei Beschichtungen mit Al2O3, TiO2, ZnO oder SiO2 möglich sind. Die Spatial-ALD ermöglicht eine hohe Produktivität, ist jedoch kostenintensiv.

Die Akzeptanz der Elektroautos hängt von der Reichweite und Schnellladefähigkeit der Batterien ab. Mit 5 Minuten Laden sollen 80 % der Kapazität erreicht sein. Beim Einsatz von Si-haltigen Graphit-Anoden wird zwar das Lithium auf der Anode gut verteilt, allerdings findet bereits im ersten Zyklus der Ent- bzw. Beladung ein bis zu 40%iger Kapazitätsverlust statt. Der Vakuumbeschichtungsprozess von Lithium verhindert den Kapazitätsverlust, wie Daniel Stock, Applied Materials WEB Coating GmbH, berichtete.

Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen haben zwar den besten Wirkungsgrad mit 29,5 %, sie können aber noch nicht industriell gefertigt werden. Soweit wird es erst in etwa 5 bis 6 Jahren sein, wie Daniel Amkreutz, Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH, hervorhob. Dabei sind sogar schon Triplesolarzellen entwickelt worden, deren Wirkungsgrad noch höher ist.

Eine umweltgerechte Stromproduktion ist durch vakuum-prozessierte organische Photovoltaik möglich. Karsten Walzer, Heliatek GmbH, beschrieb den Prozessablauf und viele Beispielanwendungen. Mit der organischen Solarfolie können glatte Fassaden und gewölbte Oberflächen, wie die Türme von Windkraftanlagen beklebt werden, denn sie sind flexibel, ultradünn und leicht. Außerdem können sie einfach nachgerüstet werden.

Der Energiebedarf für die Kühlung von Gebäuden nahm in den letzten Jahren stetig zu, eine Ursache sind auch die riesigen Fensterfassaden. Mit einem wirksamen Sonnenschutz am Fenster, lässt sich Energie einsparen. Elektrochrome Gläser als energiesparende Technologie für die Gebäudehülle wurden von Alexander Kraft, ChromoGenics AB (Schweden), vorgestellt. Zwischen die Fenstergläser wird eine elektrochrome Folie aufgebracht. Mittels elektronischer Steuerung wird die Folie eingefärbt. Bisher mussten alle Fenster einzeln verkabelt werden, was aufwändig und teuer ist, demnächst gibt es ein dynamisches Glas ohne Kabel.

Jolanta Szelwicka, Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP, stellte VO2-basierte thermochrome Schichten auf Dünnstglas für smarte Energieeinsparung in Gebäuden mit hohem Fenster- und Glasfassadenanteil vor. Im Rolle-zu- Rolle Prozess werden die thermochromen Schichten auf Dünnglas gebracht. Bei den thermochromen Schichten ändern sich die optischen Eigenschaften durch die Temperatur.

Werkstoffe im Kontakt mit Wasserstoff

In diesem Jahr stand das Thema „Wasserstoff als Schlüsselelement für die Energiewende“ im Fokus und wurde von Christian Elsässer, Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, als Keynote behandelt. „Grüner“ Wasserstoff wird mittels Elektrolyse hergestellt. Gewinnung, Verteilung und Nutzung von Wasserstoff stellen hohe Anforderungen an die Werkstoffe. Denn molekularer oder atomarer Wasserstoff kann in die Werkstoffe eindringen und zu mechanischen oder chemischen Veränderungen führen, die wiederum das Versagen von Bauteilen zur Folge haben können. Im Vortrag wurden experimentelle Methoden zur Messung und Prüfung mechanischen Verhaltens von Werkstoffen im Kontakt mit Wasserstoff vorgestellt. Außerdem ging der Redner auf theoretische Modelle und Computersimulationen der Materialphysik und Werkstoffmechanik ein.

Dünne Schichten und Oberflächen für Werkzeuge und Bauteile

Industrieausstellung mit Elbblick. 68 Firmen, 5 Forschungsinstitute und 2 Vereine präsentierten sich hierIndustrieausstellung mit Elbblick. 68 Firmen, 5 Forschungsinstitute und 2 Vereine präsentierten sich hierFunktionale Oberflächen bestimmen in vielen Bereichen der Produktentstehung Gebrauchseigenschaften, Lebensdauer und Funktionalität der Bauteile, also die Leistungsfähigkeit und damit den Wert für den Anwender. Die Nutzung von Technologien aus dem Bereich der industriellen Oberflächentechnik ermöglicht es, die Oberflächen soweit zu veredeln, dass ein signifikanter Mehrwert entsteht.

Das Aufbringen von tetraedrischen amorphen Kohlenstoffschichten (ta-C-Materials) auf Motorradketten reduziert den Reibwert von ca. 0,7 auf ca. 0,1 an den Ketten- rollen (zum Kettenritzel und -rad) und -hülsen (zur Innenseite der Rollen) und damit den Verschleiß derart, dass ein Nachspannen der Motorradketten nicht mehr notwendig ist, wie Franz-Josef Wetzel, BMW Group Motorrad, sagte.

Die Temperaturbeständigkeit von diamantartigen Kohlenstoffschichten kann durch variable Dotierung mit Silizium erhöht werden. Am Beispiel von Injektorkomponenten, die mit kohlenstoffhaltigen Verschleißschutzschichten, den sogenannten „diamond like carbon“ Schichten (DLC oder auch a-C:H), beschichtet wurden, erläuterte Julia Wöckel, Robert Bosch Manufacturing Solutions GmbH, die Thematik. Es wurde eine a-C:H:Si-Schicht entwickelt, die die Anforderung der höheren thermischen Beständigkeit bei gleichbleibendem Verschleißschutz erfüllt. Die Beständigkeit gegenüber Ölen wurde noch nicht getestet.

Ricardo Brugnara, Schaeffler Technologies AG & Co. KG, stellte Untersuchungen zur Optimierung der tribologischen Effizienz von Wälzlagerkomponenten mit modifizierten ta-C Beschichtungen vor. Unterschiedliche Dotierungselemente wurden im geschmierten Tribokontakt untersucht. Dafür wurden, neben der Analyse der mechanischen und topologischen Eigenschaften, die verschiedenen dotierten ta-C Schichtsysteme mit einer nicht dotierten ta-C Schicht verglichen. Es zeigte sich, dass das Dotierungselement einen wesentlichen Einfluss auf die Rauheit hat.

Mit HiPIMS (Hochenergieimpulsmagnetronsputtern) ist ein Innovationssprung gelungen. Die dichte, feinkörnige Struktur von HiPIMS-Schichten (12 µm) weist neben Zähigkeit auch Härte und Verschleißbeständigkeit auf, wie Christoph Schiffers, CemeCon AG, hervorhob. Über die Pulsparameter können die Schichten genau an die Geometrie des Werkzeugs angepasst werden. Es wurden beispielsweise superharte TiAlSiN-Schichten auf Mikrowerkzeugen mit höchsten Si-Gehalten für die Medizintechnik hergestellt.

Daniel Barnholt, voestalpine eifeler Vacotec GmbH, stellte einen innovativen Verschleißschutz für die Zerspanung, Verzahnung und Umformung vor. Hochlegierte Werkstoffe, hitze- oder korrosionsbeständige Werkstoffe stellen hohe Anforderungen an die Zerspanung und Umformung. AlCrN-basierte PVD-Beschichtungen (physikalische Gasphasenabscheidung / Physical Vapor Deposition) eignen sich für Werkzeuge sehr gut, da sie eine ausgezeichnete Oxidationsbeständigkeit, Abriebfestigkeit und Gleitverschleißfestigkeit aufweisen. Zur besseren Haftung wird in der Gasmischung aus Argon und Stickstoff beschichtet, wobei nicht nur AlCrN sondern auch AlTiN eingesetzt wird.

Auf PVD-Schichtkonzepte für die Herausforderungen von morgen ging Tim Krülle, TU Dresden ein. PVD-Hartstoffschichten schützen seit vielen Jahrzehnten Werkzeuge vor Verschleiß und bestimmen maßgeblich deren Gebrauchseigenschaften. Eine hohe Schichthärte und Temperaturbeständigkeit sind dabei ausschlaggebend. Durch geeignete Prozessparameter kann das Schichtwachstum beeinflusst werden und die Herstellung scharfer Kanten ist nun möglich. Außerdem wird die chemische Zusammensetzung (z.B. AlCrSiN/TiN) angepasst.

Künstliche Intelligenz

Die Digitalisierung hat im letzten Jahr rasante Fortschritte gemacht. Klaus Böbel, Robert Bosch Manufacturing Solutions GmbH, stellte die vollvernetzte Fertigung ‒ Smart Production für Oberflächenprozesse vor. Die Vernetzung bietet in der Oberflächentechnik große Chancen hinsichtlich Qualitätsoptimierung und Produktivitätserhöhung. Dabei ist es notwendig die gesamte Fertigungskette zu betrachten. Durch intelligente Fertigungseinrichtungen wird die Fertigung „smart“ gestaltet. Mit der Korrelation von Daten aus der Produktion sind schon heute Ansatzpunkte zur Optimierung vorhanden. Beispielsweise können relevante Umgebungsfaktoren, wie die Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Partikelbelastung oder Revisionsstand der Beschichtungsanlage, ausgewertet und der Zusammenhang zur erreichten Qualität hergestellt werden. Die Produktivität kann durch intelligente Produktionsplanung, in die der Wareneingang, Ablieferplanung, Personalauslastung, Bearbeitungszeiten und online-Tracking eingehen, gesteigert werden. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz erfordert eine hohe Qualität der Daten.

Auf der Fachtagung und Industrieausstellung versammelten sich Mitarbeiter von Forschungseinrichtungen, Anbieter von Hochleistungsmetallen und materialien, Hersteller von Anlagen für die industrielle Vakuumbeschichtung sowie Komponentenhersteller. Aktuelle Trends und neueste Ergebnisse wurden vorgestellt. In einem Workshop wurden Praxis-Demonstrationen an Anlagen bei der Dresdner von Ardenne GmbH vorgeführt. Die Möglichkeit, sich auf einer Präsenzveranstaltung persönlich zu treffen und auszutauschen, sorgte für einen intensiven Erfahrungsaustausch und wurde von den Teilnehmern sehr begrüßt.

Weitere Informationen

  • Jahr: 2022
  • Autoren: Claudia Bäßler

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