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Dienstag, 29 März 2022 12:00

Netzwerker für Mensch und Umwelt

von Heinz Käsinger
Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten
Ein Thema des Öko-Instituts sind auch die großen Warenströme dieser Welt Ein Thema des Öko-Instituts sind auch die großen Warenströme dieser Welt Alle Fotos: Heinz Käsinger

Welche gesellschaftlichen und ökologischen Folgen hat die E-Mobilität? Wie gehen Unternehmen mit REACh um? Wie schaffen wir die Pestizid-freie Landwirtschaft? Antworten auf solche – und ähnliche – Fragen versucht das Öko-Institut zu beantworten.

Unternehmen verschließen sich dem Umweltschutz nicht, es gibt nur manchmal zu wenig Informationen, meint Prof. Dr. Dirk BunkeUnternehmen verschließen sich dem Umweltschutz nicht, es gibt nur manchmal zu wenig Informationen, meint Prof. Dr. Dirk BunkeDie Öffentlichkeit schiebt Phänomene wie die etwas unscharf so bezeichnete Umweltverschmutzung gerne der ebenso unscharf bezeichneten Industrie in die Schuhe und unterstellt ihr böse Absicht. So kategorisch möchte Prof. Dr. Dirk Bunke vom Freiburger Öko-Institut das nicht stehen lassen: „Die meisten Unternehmen sind guten Willens, was beispielsweise die Substitution von kritischen Stoffen anbelangt. Das Problem ist nur, die Unternehmen müssen wissen, welcher Stoff sich schädlich auswirkt und wie man es besser machen kann. An dieser Stelle kommen wir ins Spiel.“

„Wir“, das ist das Öko-Institut mit seiner Geschäftsstelle in Freiburg/Breisgau, und Büros in Darmstadt und Berlin. Bunke ist Senior Reseacher in Freiburg und dort im Bereich „Produkte und Stoffströme“ tätig. Er studierte in Köln Chemie und promovierte in Heidelberg – über Alzheimer und ein im Zusammenhang mit der Krankheit auffällig oft auftretendes bestimmtes Protein. Später ging er zu einem Aufbaustudium „Umweltwissenschaften“ für ein Jahr nach Delft. Überhaupt war es schon immer Bunkes Traum, nach dem Studium im Bereich Umweltschutz zu arbeiten und der Traum hat sich mit seiner Tätigkeit beim Öko-Institut erfüllt. Die Leser der „Galvanotechnik“ kennen den Professor übrigens als regelmäßigen Autor im „Jahrbuch Oberflächentechnik“.

Unter anderem Soziologen und auch Zukunftsforscher versuchen für ihre Arbeit manchmal so genannte Megatrends zu identifizieren und während seiner jetzt 30 Jahre dauernden Tätigkeit im Umweltschutz hat Bunke dies so ähnlich auch mit chemischen Stoffen erlebt: „In den 1990er Jahren war es Chlor, in den beginnenden 2000er Jahren Brom – und heute ist es Fluor, das, unter anderem, im Fokus unserer Arbeit steht“, berichtet er. Dabei ist Fluor in vielen Produkten, auch des täglichen Bedarfs, enthalten. Als Beispiel nennt er Imprägniersprays für Leder, die es mittlerweile auch ohne Fluorverbindungen gibt.

Das Gebäude des Öko-Instituts in der Freiburger Merzhauser Straße. Büros gibt es außerdem in Darmstadt und in BerlinDas Gebäude des Öko-Instituts in der Freiburger Merzhauser Straße. Büros gibt es außerdem in Darmstadt und in BerlinDabei entwickelt das Institut selbst keine Ersatzstoffe, bringt aber jeweils passende Partner zusammen. Auf der einen Seite also den Hersteller der Imprägniermittel, auf der anderen Seite ein Unternehmen, das einen passenden Ersatzstoff hat oder entwickeln kann, dafür aber noch Anwender sucht.

Um diese Arbeit effektiv zu gestalten, beteiligt sich das Institut an nationalen und internationalen Netzwerken, trägt zu ihrer Weiterentwicklung bei und initiiert selbst neue Netzwerke. Darüber hinaus sucht man gezielt nach strategischen Partnerschaften und einer Vernetzung mit Organisationen, um Kompetenzen zu fördern. Das Öko-Institut ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein. Es finanziert seine Arbeit in erster Linie durch projektbezogene Mittel von öffentlichen und privaten Auftraggebern. Mitgliedsbeiträge und Spenden ermöglichen die Umsetzung von Projekten, die für gesellschaftlich besonders wichtig erachtet, jedoch nicht vollständig durch Aufträge und Zuwendungen realisiert werden können. Die Freiburger beraten Unternehmer und Politiker, wobei gerade Projekte von kleinen und mittelständischen Unternehmen von der Bundesstiftung Umwelt gefördert werden.

Das Öko-Institut ging 1977 aus der Umweltschutzbewegung hervor und hat heute rund 170 Mitarbeiter, die jährlich 300 bis 400 Projekte aus vielen Bereichen betreuen. Darunter sind unter anderem die Mobilität der Zukunft, Landwirtschaft, nachwachsende Rohstoffe oder auch das Klima. Mit wissenschaftlicher Expertise und neuen Denkansätzen berät das Institut Partner und Auftraggeber aus Politik, Behörden und Unternehmen. Unter anderem werden dabei anwendungsorientierte Lösungen erarbeitet, mit denen umweltpolitische Ziele sozial gerecht erreicht werden können. Im Vordergrund stehen Lösungen auf Gebieten, in denen Kursänderungen aufgrund bestehender Risiken besonders wichtig und dringlich sind.

Antifoulingschichten von Schiffen waren vor Jahren der Grund, warum die Austernbänke in der Nordsee abstarbenAntifoulingschichten von Schiffen waren vor Jahren der Grund, warum die Austernbänke in der Nordsee abstarben

Dem Öko-Institut ist es gelungen, den Fluor-Anteil in Imprägniersprays zu ersetzenDem Öko-Institut ist es gelungen, den Fluor-Anteil in Imprägniersprays zu ersetzenProfessor Bunke betreut pro Jahr fünf bis sechs Projekte aus seinem Bereich „Produkte und Stoffströme“. Konkret widmet sich diese Institutssparte nachhaltigen Produkten und Konsum, nachhaltiger Chemie, Werkstoffen und Technologien, nachhaltigen Ernährungssystemen und biobasierten Rohstoffen. Internationale Zusammenarbeit zu Kreislaufwirtschaft und globalen Wertschöpfungsketten gehört ebenfalls dazu. Der REACh-Spezialist gibt im Rahmen seines „REACh-Radars“ außerdem Hinweise an Betroffene, auf was diese in naher Zukunft zu achten haben.

Dass oft auch Beschichtungen Teil der Arbeit der Freiburger Wissenschaftler sind, bleibt nicht aus und Bunke erzählt die Geschichte vom geheimnisvollen Absterben von Austernbänken in der Nordsee. Das war ein eher schleichender Prozess und man wusste nicht, warum die Bestände zurückgingen. Schließlich stellte sich heraus, dass die Antifoulingbeschichtung von Schiffen die Geschlechtsorgane der Schalentiere so nachhaltig schädigte, dass diese sich nicht mehr fortpflanzen konnten. Verantwortlich war speziell das in der Rumpfschicht enthaltene Tributylzinn (TBT). Die zinnorganische Verbindung mit drei Butylgruppen verhindert nicht nur das Faulen von Bootsrümpfen, sondern sorgt auch dafür, dass sich kein unterseeischer Bewuchs am Rumpf ansiedelt, die Gleitfähigkeit des Rumpfes vermindert und so auch die Treibstoffkosten steigen lässt. TBT ist seit 2010 in der Europäischen Union verboten und konnte substituiert werden.

Für Nicht-Küstenbewohner näher liegt eine andere Beschichtung, die im Rahmen eines ökologischen Updates der Coop-Gruppe dort ersetzt werden konnte. Ziel der Maßnahme war, zwölf Produktgruppen zu ersetzen, die Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) enthalten. PFAS haben keine natürliche Quelle. Sie werden industriell hergestellt und in einer Vielzahl von Produkten verwendet. Viele PFAS reichern sich in der Umwelt sowie im menschlichen und tierischen Gewebe an. Einige PFAS stehen im Verdacht krebserregend zu sein. Die jährlichen gesundheitsbezogenen Gesamtkosten im Zusammenhang mit der Exposition des Menschen gegenüber PFAS beliefen sich in den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) auf mindestens 52 bis 84 Milliarden Euro. Die jährlichen Gesamtkosten für Umweltscreening, Überwachung bei Kontamination, Wasseraufbereitung, Bodensanierung und Gesundheitsbewertung belaufen sich im EWR plus der Schweiz auf 821 Millionen bis 170 Milliarden Euro. Historisch wurde für die Stoffe die Bezeichnung Perfluorierte Tenside und die Abkürzung PFT genutzt, welche allerdings primär Perfluorsulfonsäuren (PFSA) und Perfluorcarbonsäuren (PFCA) mit den beiden Leitsubstanzen Perfluoroctansulfonat (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA) umfassten.

PFAS-haltige Schichten werden unter anderem bei Popkorn-Verpackungen eingesetzt. Gesund sind sie nichtPFAS-haltige Schichten werden unter anderem bei Popkorn-Verpackungen eingesetzt. Gesund sind sie nicht

Die Coop-Gruppe schaffte es, elf Produktgruppen zu ersetzen. Hartnäckig zeigte sich allerdings eine Popkornverpackung. Konsequenterweise nahmen die Coop-Verantwortlichen dieses Produkt aus dem Handel. Schließlich gelang es, eine naturnahe Zelluloseverpackung für das Popkorn zu installieren.

Bedenklich findet Prof. Bunke, dass man sich hierzulande viele Gedanken um eine gesündere Umwelt macht und große Anstrengungen unternimmt, Mensch und Umwelt zu schützen. Der Import von Erzeugnissen aus Nicht-EU-Staaten, die hierzulande verbotene Inhaltsstoffe enthalten, bliebe jedoch für viele Stoffe weiterhin erlaubt. Bunke: „Der Lebensbereich Kindergarten sollte uns da für alle denkbaren Fälle Vorbild sein. Für Kinderspielzeug sind alle bleihaltigen Stoffe tabu, auch bei importierten Produkten.“

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  • Ausgabe: 3
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Heinz Käsinger

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