Doch trotz dieser Zunahme von militärischer und politischer Gewalt vertritt der amerikanische Evolutionspsychologe Steven Pinker in seinem Buch „Gewalt“ die These, dass im Verlauf der Menschheitsgeschichte der über nötige Aggression hinausgehende Einsatz von materieller Macht abgenommen hat. Pinker will mit seinem Buch „eine neue Geschichte der Menschheit“ schreiben und erklären, „Why Violence has declined.“
Der US-Psychologe orientiert sich an dem Soziologen Norbert Elias, der den „Prozess der Zivilisation“ analysiert und dabei gefunden hat, er gehe mit einer Abnahme von Gewalt einher. Wobei vor allem die Vernunft von Menschen dafür zuständig ist, von der das Licht der Aufklärung ausgeht und die von vielen Denkern als die wesentliche Hoffnung benannt worden ist, um mit Bedrohungen wie der Atombombe und der Umweltzerstörung fertig zu werden. Diese hehre Vernunft spielt auch bei Pinker ihre besondere Rolle, da ihr als einziger Antriebskraft des Menschen ein progressives Potential zugestanden wird. Mit anderen Worten: Nur die Vernunft der menschlichen Gesellschaft kann im Laufe der Zeiten und also im Rahmen der Geschichte zunehmen und fördert so die dazugehörige Zivilisationsstufe, die durch bessere Ernährung und Ausbildung erkennbar werden soll.
Dem Berichterstatter scheint eher der gegenteilige Gedanke einleuchtend, dass die Menschheit in ihrer Gesamtheit und Veranlagung nicht wirklich friedlicher geworden ist, dass aber die technische Zivilisation dafür gesorgt hat, dass den Mitgliedern der Gesellschaft immer mehr Wege zur Verfügung stehen, ihre Triebkräfte zu bedienen und ihre dunkle Seite zu beruhigen. Man denke nur an Großereignisse mit Public Viewing und den rauschartigen Jubel im Rudel, wenn in der alkoholisierten Gruppenerfahrung das sonst sympathische Ich in ein sich ausgelassen und wild gebärdendes Wir übergeht, das sich dem Rausch überlässt und kaum noch zu beherrschen ist.