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Freitag, 29 April 2022 09:00

Wie Galvanik dem Quantencomputer zum Durchbruch verhilft

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Chips aus dem Tiefkühlfach: Ob Elektronik fit genug für die  Quantenforschung ist, verrät die Kryomessung am Fraunhofer IZM;  Geräteaufbau mit einer Skizze des Testchips Chips aus dem Tiefkühlfach: Ob Elektronik fit genug für die Quantenforschung ist, verrät die Kryomessung am Fraunhofer IZM; Geräteaufbau mit einer Skizze des Testchips

Quantentechnologien und Highspeed-Rechner mit Supraleitern gehören zu den aktuellen Elektronik-Trends. Doch sind die Strukturen, mit denen etwa Qubits auf Chips angesteuert und in Echtzeit ausgelesen werden können, bislang noch größer als die Qubits selbst. Forschende des Fraunhofer IZM haben nun einen Prozess entwickelt, mit dem sie die Anschlussdichte mit Indiumbumps im Vergleich zu bisherigen Lösungen verdoppeln. Mit dieser Technologie wollen sie nun die Ansteuerelektronik optimieren. Zusätzlich haben sie in Berlin ein Kryomesslabor eingerichtet, mit dem sie die Leistungsfähigkeit ihrer Elektronikaufbauten testen können.

Quantenprozessor mit dem Boehringer Ingelheim gemeinsam  mit Google Berechnungen zur Forschung und Entwicklung im  Pharmabereich optimieren will (Foto: Boehringer Ingelheim)Quantenprozessor mit dem Boehringer Ingelheim gemeinsam mit Google Berechnungen zur Forschung und Entwicklung im Pharmabereich optimieren will (Foto: Boehringer Ingelheim)Fans der Science-Fiction kennen den Vorgang: Mit Hilfe der Kryostase wird die Hauptfigur eingefroren und kann einige Jahrhunderte später unbeschadet aus dem Kälteschlaf erweckt werden. Solche Utopien basieren auf ganz realer Wissenschaft: der Kryotechnik. Dabei werden Gase verflüssigt, indem sie Tiefsttemperaturen von –160°C und noch kälter ausgesetzt werden. Während die Erkenntnisse der Kryotechnik Ende des 19. Jahrhunderts noch experimentell gewonnen wurden, haben inzwischen viele Branchen die Vorteile der extremen Kälte erkannt: In der Raumfahrt kommen beispielsweise Kryo-Sensoren für die Gravitationsmessung oder rauscharme Verstärker für sehr schwache Signale zum Einsatz. In der Kryochirurgie wird damit krankes Gewebe behandelt. Vor allem auf dem Gebiet der Quantentechnologie ist die Kryotechnik relevant. Um das Spektrum der Quantentechnologien vom Computing über die Sensorik bis zur Quantenkommunikation realisieren zu können, ist die Entwicklung geeigneter und vor allem skalierbarer Fertigungstechnologien notwendig. Damit ein Quantencomputer echte Rechnungen löst und damit Anwendungen beschleunigt, bedarf es zusätzlicher, ansteuerbarer Qubits – mit Hunderttausenden bis sogar Millionen physikalischen Einheiten nicht gerade wenige. Diese Qubits sind durch supraleitende Schaltkreise miteinander verbunden, also Leitungen, die bei bestimmter Kälte einen kaum noch messbaren elektrischen Widerstand aufweisen.

Um nun die Qubits auslesen und manipulieren zu können, bedarf es einer elektrischen Schaltung, die eine möglichst hohe Anschlussdichte besitzt. Außerdem muss sie thermisch entkoppelt sein, damit durch ihre Eigenerwärmung im Betrieb die gekühlten Qubits ihre Verschränkung nicht verlieren. Die so genannte Quantenüberlegenheit wird erst mit hohen Qubit-Zahlen erreicht, man geht derzeit von 100.000 oder sogar einer Million Qubits aus. Die erreichbare Qubit-Dichte auf einem Halbleiterchip ist in vielen Fällen durch die Kontaktdichte limitiert. Beim Anschluss- Rastermaß, dem so genannten Pitch, konnte mit derzeitigen Technologien seit Jahren der Wert von 15 Mikrometern nicht unterschritten werden.

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Auswirkung der Quantenmechanik

Die Quantenmechanik ist eine der am besten bewiesenen physikalischen Theorien, ohne die unsere moderne Welt nicht möglich wäre. Zu den Vätern gehören Max Planck (Plancksches Wirkungsquantum), Albert Einstein (photoelektrischen Effekt), Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger, Max Born und andere.

Das Wort „Quantensprung“ im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet das Gegenteil der tatsächlich physikalischen Bedeutung. Faktisch handelt es sich dabei um den kleinstmöglichen Energieumsatz. Wie klein eine solche Änderung ist, erkennt man an der SI-Einheit des planckschen Wirkungsquantums: 6,62607015∙10-34 J s.

Die Theorie der Quantenmechanik führte zu Erfindungen wie Laser, Elektronenmikroskope, Dioden, Transistoren und somit zur modernen Elektronik. Sie revolutionierte die Atomphysik, Chemie (Quantenchemie) und Astronomie.

Seit einigen Jahren wird intensiv an Quantencomputern geforscht. Diese sollen Aufgaben, für die klassische Computer sehr lange brauchen, wesentlich schneller berechnen. Die Grundlage solcher Computer sind Qubits. Ein Qubit ist ein System, welches nur durch die Quantenmechanik korrekt beschrieben wird und das nur zwei durch Messung sicher unterscheidbare Zustände hat. Es ist analog zum Bit klassischer Computer zu sehen. Dabei fasst man mehrere Qubits zu Quantenregistern zusammen. Eine der Ursachen für die Effizienz von Quantencomputern liegt in der Quantenverschränkung begründet.

Den Forschenden um Dr.-Ing. Hermann Oppermann vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM ist es nun gelungen, durch die galvanische Abscheidung von Indium einen Pitch von weniger als 7,5 µm zu realisieren (lesen Sie hierzu das Interview mit Dr. Hermann Oppermann und Morten Brink am Heftende). Bei erforderlichen Umgebungstemperaturen von 20 Milli-Kelvin im Betrieb muss die Eigenerwärmung der elektrischen Leitungen extrem niedrig sein. Dafür sind supraleitende Materialien bestens geeignet. Den Forschenden um Hermann Oppermann ist die Abscheidung und Strukturierung von supraleitendem Niob und Nioblegierungen gelungen, die für die Verdrahtung von Schaltungsträgern in mehreren Lagen, so genannte Interposer, mit Durchkontaktierungen verwendet werden. Das Ergebnis sind äußerst verlustarme Schaltungsträger, mit denen sich Qubit- Arrays in Echtzeit ansteuern und zu hochdichten, skalierbaren Systemen für Quantenrechner integrieren lassen.

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Indium-Elektrolyt bietet optimale Eigenschaften

Für die Realisierung des 7,5 µm dünnen Indium-Bumps (Bump: Kontaktierhügel) haben die Experten des Fraunhofer Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (Fraunhofer IZM) den Elek­trolyten selbst entwickelt. Zwar wollten die Experten Brink und Dr. Oppermann im Interview über die Zusammensetzung selbst nichts sagen. Sie verrieten jedoch, Indium als Elektrolyt wegen seiner supraleitenden Fähigkeiten nahe dem absoluten Nullpunkt (ca. 270 Grad minus) sowie seiner Tieftemperaturzähigkeit einzusetzen. Silber etwa würde in diesen Temperaturbereichen zur Versprödung neigen. Der pH-Wert des Elektrolyten beträgt ca. 1 und er ist langzeitstabil. Die Abscheidung selbst findet bei rund 30 °C statt, möglich ist aber auch Raumtemperatur. Die Fraunhofer-Experten trimmen das Bad so, dass der Wirkungsgrad bei fast 100 % liegt. Indium-Indium hat zudem den Vorteil dass es bis hinunter zur Raumtemperatur gebondet werden kann. Gold und Silber erfordern höhere Temperaturen für die Verbindung. Die Stromdichte im Elektrolyten liegt bei 2–3 Ampere pro dm2. Damit die Ansteuerung der Qubits im Quantencomputer funktioniert, muss zwischen den Bumps die galvanisch abgeschiedene Kontaktierung weggeätzt werden. „Wir arbeiten immer mit einen Seat-Layer, um die Kontaktierung über den ganzen Prozess zu schaffen. Den müssen wir allerdings nachträglich entfernen, sonst haben wir überall Kurzschlüsse“, so Morten Brink vom Fraunhofer IZM.

Um diese Technologiebasis zu schaffen, Materialien zu untersuchen, Integrationskonzepte zu optimieren und supraleitende Aufbau- und Verbindungstechnik für kryogene Anwendungen zu entwickeln, wurde am Fraunhofer IZM in Berlin das Kryomesslabor eingerichtet. Im neu aufgebauten Testlabor können die Forschenden elektrische Schaltungen charakterisieren, evaluieren und damit Integrationstechnologien für Anwendungen in Niedrigsttemperaturen voranbringen. Durch die Analyse des Widerstandsverhaltens einzelner Schaltungsbestandteile, die mit einem Kühlfinger unter Vakuum auf bis zu 3 Kelvin gekühlt werden, können das elektrische Verhalten und die Zuverlässigkeit der Durchkontaktierungen, Umverdrahtungsebenen und Leitungssysteme bei Kryo-Temperaturen evaluiert werden.

 Umgeschmolzener Indium-Bump im Pitch von 7.5µmUmgeschmolzener Indium-Bump im Pitch von 7.5µm

 Indium-Bump im Pitch von 10µmIndium-Bump im Pitch von 10µm

In laufenden Projekten konnten bereits erste Messungen vorgenommen und Aufbau-und Verbindungstechniken sowie die Integration unter kryogenen Bedingungen vorangetrieben werden. „Als einen der nächsten Schritte sehen wir die Erweiterung der kryogenen Aufbau- und Verbindungstechnik in Richtung hochfrequente Millimeter-Wellentechnik.“ Hermann Oppermann ist zuversichtlich: „Unsere steigende Expertise auf diesem Gebiet bietet ein weites Marktpotenzial, welches über die Quantentechnologien hinaus in klassische Anwendungsgebiete wie High Performance Computing und Kryo-Sensorik reicht. Wir sind offen für weitere Projekte, in denen wir mit unseren Aufbautechnologien kryogene Anwendungen auf die nächste Ebene bringen.“

Interview

Einen enormen Schub bei der Rechenleistung versprechen Quanten- computer, die nicht wie PCs auf der Basis elektrischer, sondern quantenmechanischer Zustände arbeiten. Die Suche in riesigen Datenbanken könnte beschleunigt werden, ebenso Berechnungen vieler mathematischer und physikalischer Fragen. Ein vom Fraunhofer IZM entwickelter galvanisch erzeugter Indium-Pitch, sprich: eine Verbindung von Bauteilanschlüssen, erhöht nun die Anschlussdichte dieser Computer erheblich – und erhöht damit ihre Leistungsfähigkeit.

Dr. Oppermann, mit Galvanik werden Quantencomputer leistungsfähiger. Warum?

Morten Brink und Dr. Hermann Oppermann (v. l. n. r.)Morten Brink und Dr. Hermann Oppermann (v. l. n. r.)

Oppermann: Weil Quantencomputer eine sehr hohe Anschlussdichte brauchen. Qubits müssen an andere Qubits, Schaltungen und Kontroll­elektronik angeschlossen werden. Weil die Zahl der Qubits die Leistung des Computers steigert, ist es notwendig kompakter zu werden. Deshalb sind unsere Feinpitchs so wichtig.

Ihnen ist es gelungen 7,5 µm dünne Indium-Bumps mittels Galvanik zu erzeugen ...

Oppermann: Genau, und das besondere ist, dass Indium-Bumps (Kontaktierhügel) normalerweise auf­gedampft sind, doch da sind Pitches unter 15 µm kaum möglich. Anders beim galvanischen Verfahren – es ist dem Aufdampfen hier überlegen. Und die 7,5 µm, die wir erreicht haben, sind sicherlich ein interessanter Meilenstein.

Mit welcher Anlagentechnik arbeiten Sie?

Brink: Für die Wafergalvanik von 100 bis 300 mm gibt es halb- oder vollautomatische Fountainplater oder Cup­plater, bei denen der Wafer kopfüber in den Elektrolyten gehalten wird. Über Rotation und eine gewisse Bad­anströmung ist Homogenität gegeben. Dabei kommt die Strömung von unten, während die Anode unter dem Wafer sitzt. Wird der Strom angeschaltet, kommt es zur Abscheidung. Es gibt aber auch das Rack Plating Tool, das wir häufiger benutzen, bei dem der Wafer vertikal in den Elektrolyten eingeführt wird. Mittels Elektrolyt und einem Vollautomaten mit über 8 Metern Länge werden die Wafer gehandhabt und durch die Einzelprozesse gebracht. An den Elektrolyten gibt es dabei keine speziellen Anforderungen.

Wie kamen Sie darauf, Galvanik einzusetzen?

Brink: Wir kommen aus der Hoch­energiephysik und haben viel mit Infra­rotdetektoren und Detektoren aller Art zu tun. Die müssen verbunden werden und eben für diese Systeme haben wir Indium als Tieftemperatur-Verbindung in Betracht gezogen sowie einen Elektrolyten und eine Technologie entwickelt. Der Standard­-Pitch lag ursprünglich bei 55 µm. Wir haben uns von oben herunter gearbeitet, auch wegen Anfragen vieler Kunden, die am liebsten Pitchs unter 7,5 µm bekommen würden.

Wie arbeiten Sie mit der Industrie zusammen?

Oppermann: Wir als Institut benutzen Standardequipment wie in der Industrie. Wir setzen es flexibel bei Hunderten von Projekte jährlich ein. Allerdings nur in der Entwicklung und für Kleinserien. Geht es um kommerzielle Projekte, kommt das Know-how von uns und wir bieten den Prozess­transfer für die Industrie.

Interview: Robert Piterek

ZU DEN PERSONEN

Dr. Hermann Oppermann

Ist Werkstoffwissenschaftler mit Promotion in Metallphysik und seit 1999 am Fraunhofer IZM. Er leitet eine Gruppe für Montagetechnik und Assembly.

Morten Brink

Ist Chemiker und hat sein Diplom u a. über Abscheidung von Metallen am Fraunhofer IZM in Berlin gemacht. Er betreut u. a. Infrarot-Projekte.

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