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Dienstag, 12 April 2022 10:40

Brief aus England

von
Geschätzte Lesezeit: 7 - 13 Minuten
Abb. 1: Das Nordstream 2-Gasterminal bei Greifswald Abb. 1: Das Nordstream 2-Gasterminal bei Greifswald Bild: fotowunsch - stock.adobe.com

In nur einem Monat hat sich alles verändert

Wir erholten uns langsam von der Pandemie, freuten uns auf einen normalen, glücklichen Sommer – und nun hat sich alles verändert. Seit 1945 haben wir hier in Europa nicht mehr solche Bilder von weitreichender Zerstörung und menschlichem Blutvergießen und Elend gesehen, wie sie uns jetzt täglich aus der Ukraine erreichen. Wir hoffen und beten, dass dieser Krieg nicht auf das übrige Europa übergreift, aber er hat bereits begonnen, uns auf andere Weise zu beeinflussen. Bei dem, was ich im Folgenden erörtere, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil die Veränderungen, die ich erörtere, zwar die Folgen des Konflikts für uns wiedergeben, nicht jedoch den täglichen Schrecken in der Ukraine aufwiegen können.

Zweifellos steht uns ein sehr schwieriges Jahr bevor, das uns alle auf unterschiedliche Weise betreffen wird. Lassen Sie mich mit Nordstream 2 beginnen, der 10 Milliarden Euro teuren Gaspipeline von Russland nach Greifswald. Das Projekt ist fertiggestellt, aber es scheint jetzt unwahrscheinlich, dass die Pipeline jemals ihre Arbeit aufnehmen wird. Eigentümer ist das schweizerische Unternehmen Nordstream 2 AG. Gazprom hat die Hälfte der Kosten für die Pipeline bezahlt, der Rest wurde von Shell, OMV Österreich, Engie (FR) sowie Uniper und Wintershall (beide D) finanziert. Es ist schwer vorstellbar, wie diese Investoren ihre Kosten jemals wieder hereinholen werden. Abbildung 1 zeigt das Terminal bei Greifswald. Was wird jetzt dort geschehen? Die Nordstream 2 AG hat nun offenbar Insolvenz angemeldet und alle Mitarbeiter entlassen. Viele der globalen Ölkonzerne hatten zuvor sehr große Investitionen in Russland getätigt und einige von ihnen haben kürzlich angekündigt, dass sie sich zurückziehen werden. Shell hat sich aus einem Joint Venture mit Gazprom zurückgezogen, BP hat dasselbe mit seiner 20 %igen Beteiligung an Rosneft getan. Beide Unternehmen könnten große Verluste erleiden. Wie es um Total Energie (FR) und ENI (IT) steht, ist unklar. Russland hat nun alle russischen Patente, die sich im Besitz „unfreundlicher Staaten“ befinden, für ungültig erklärt.

Sanktionen

Gegen Russland wurden zahlreiche Sanktionen verhängt, die sich bereits negativ auswirken. Der russische Rubel hat, während ich schreibe, ca. 40 % seines Wertes gegenüber dem US-Dollar verloren. Aber diese Sanktionen schaden auch uns. Viele europäische Unternehmen, die alles vom Pkw bis hin zum Hamburger verkaufen, haben sich aus Russland zurückgezogen. Dort haben sie rentable Geschäfte gemacht und werden daher Einkommensverluste und in vielen Fällen auch Investitionsverluste erleiden. Wladimir Putin hat nun Gegensanktionen für die Ausfuhr einiger Produkte aus Russland in den Westen verhängt. Einige Geschäftsleute werden leider versucht sein, die Sanktionen auf unehrliche Weise zu umgehen, indem sie ihre Exporte über ein Drittland leiten. Die Inflation könnte hier in Europa 10 % erreichen, und die Treibstoffkosten haben sich in einigen Fällen mehr als verdoppelt. Die meisten russischen Fluggesellschaften setzen Boeing- oder Airbus-Flugzeuge ein. Etwa 50 davon befanden sich außerhalb Russlands, als die Sanktionen in Kraft traten, aber etwa 450 dieser Flugzeuge sind noch in Russland. Fast alle befinden sich nicht im Besitz russischer Fluggesellschaften, sondern sind an US-amerikanische oder europäische Unternehmen verleast. Sie waren in Ländern wie den Bermudas (Steuerparadies) registriert. Nun wurden sie in Russland neu registriert, was bedeutet, dass sie keine gültigen Lufttüchtigkeitsbescheinigungen mehr haben. Das wiederum bedeutet, dass sie und ihre Passagiere nicht mehr versichert sind. Der Wert dieser 450 Flugzeuge beträgt ca. 12 Milliarden Dollar. Niemand weiß, was mit ihnen geschehen wird.

Selbstständigkeit

Die Krise hat auf brutalste Weise unsere Abhängigkeit von Russland bei der Deckung unseres Energiebedarfs deutlich gemacht. Viele europäische Länder versuchen nun, alternative Öl- und Gaslieferungen aus dem Nahen Osten aufzubauen. Deutschland baut deshalb derzeit in Brunsbüttel ein neues LNG-Terminal (Liquified Natural Gas) für Importe aus dem Nahen Osten. Aber wie klug ist es, angesichts der vielen Konflikte im Nahen Osten auf diese Energiequelle zu vertrauen? Für mich ist die Antwort klar. Kurzfristig – so schmerzhaft es auch ist – werden wir unsere Nutzung von Kohle, dem schmutzigsten aller fossilen Brennstoffe, erhöhen müssen. Die Franzosen haben ein Sprichwort: „Reculer pour mieux sauter“ d.h. einen Schritt zurück, um weiter springen zu können. Und so sollten wir eine verstärkte Nutzung der Kohle als kurzfristige Maßnahme sehen, bis wir genug erneuerbare Energiequellen aufgebaut haben. Viele Freunde von Deutschland haben sich lobend dazu geäußert, dass sich die öffentliche Meinung in Deutschland angesichts der Krise so schnell geändert hat. Dazu gehört auch die Meinung vieler Deutscher zur Kernkraft. Außerdem liefern Russland und die Ukraine etwa ein Drittel des weltweiten Weizens.

Was nun?

Die Pandemie hat viele Milliarden gekostet und unsere Staatskassen geleert. Jetzt aber werden wir mehr denn je ausgeben müssen. Lebensmittel und Treibstoff werden teurer, ebenso wie fast alles andere. Ärmeren Menschen droht die Wahl zwischen „Heizen oder Essen“. Viele europäische Länder haben beschlossen, die Ausgaben für ihr Militär zu erhöhen. Und was ist mit Russland? Historiker erinnern uns daran, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion größtenteils auf übermäßige Militärausgaben zurückzuführen war. Auch heute gibt Russland pro Kopf der Bevölkerung weit mehr aus als jedes andere europäische Land (allerdings nicht im Vergleich zu den USA). Wird sich die Geschichte also wiederholen? Gegenwärtig scheint Präsident Putin die absolute Macht zu haben und die russische Rechtslage erlaubt es ihm, nach Ablauf der aktuellen Legislaturperiode noch weitere 10 Jahre an der Macht zu bleiben – bis er 83 Jahre alt ist. Es scheint klar, dass er davon träumt, die ehemalige Sowjetunion wieder aufzubauen. Als nächstes könnte die Republik Moldau in sein Visier geraten. Aber die Führer der ehemaligen Sowjetunion waren, anders als viele führende Russen heute, nicht korrupt und schon gar nicht Milliardäre und Oligarchen. Vor kurzem wurde ein faszinierendes Buch veröffentlicht – „Putins Leute“*, in dem detailliert beschrieben wird, wie die Putin nahestehenden Personen zu Milliardären geworden sind. Viele davon durch Geschäfte der Bank Rossiya. Russland versuchte erfolglos, dieses Buch zu verhindern. Ist Präsident Putin verrückt? Ich glaube nicht. Aber zwei aktuelle Fotos aus dem Kreml (Abb. 2 und 3) erzählen ihre eigene Geschichte. Wladimir Putin wird eher wie ein mittelalterlicher König gesehen. Beachten Sie die Männer, die vor den Türen strammstehen. Ich glaube nicht, dass Putin verrückt ist, aber einige Experten meinen, er habe ernsthafte gesundheitliche Probleme. Sie bemerken sein geschwollenes Gesicht – ein Merkmal von jemandem, der Steroide nimmt, und Steroide sind dafür bekannt, dass sie das Verhalten von Menschen beeinflussen.

Die russische Militärmaschinerie

Durch den Krieg in der Ukraine ist es externen Experten erstmals möglich, die Effizienz der russischen Kriegsmaschinerie zu beurteilen, und sie war nicht beeindruckend. Es gibt viele Berichte über Ausrüstungsmängel, minderwertige Gummireifen, Treibstoff- und Nahrungsmittel- knappheit und Zusammenbrüche in der Kommunikation, wobei die Armee gezwungen ist, für die Kommunikation untereinander Handys zu benutzen. So kann die Ukraine mithören. Die NATO-Staaten sind nicht in den Krieg in der Ukraine verwickelt, aber sie haben die ukrainische Armee mit einigen der modernsten Ausrüstungen wie Panzerfäusten und Flugab- wehrraketen versorgt. Hinzu kommt die türkische Drohne Bayraktar TB2, die sich zur Zerstörung russischer Panzer eignet (Abb. 4). Im Jahr 2019 hat die Ukraine rund 50 dieser Drohnen gekauft.

Fazit: Russland hat sich, wie viele schon lange vermutet haben, als feindlicher Staat entpuppt. Lebensmittel, Treibstoff und fast alles andere wird teurer werden. Es wird eine größere Einwanderungswelle geben als 2015. Wir werden mehr für die Verteidigung ausgeben müssen – also werden die Steuern steigen. Die Ereignisse in der Ukraine werden unseren Übergang zur Selbstständigkeit beschleunigen, vor allem hin zur „grünen Energie“. Wir müssen die Kernkraft meiner Meinung nach neu überdenken. Schließlich wird der Krieg enden und das russische Volk wird dafür einen hohen Preis zahlen – so wie es die Ukrainer jetzt schon tun.

Ein ruhigeres Leben

Die Ereignisse in der Ukraine wirken wie ein „Technologiebeschleuniger“, da wir uns jetzt beeilen, unsere Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu verringern. Erneuerbare Energiequellen gewinnen zunehmend an Bedeu- tung. Die Windturbinentechnologie scheint nahezu ausgereift zu sein – und doch sind die Menschen vor Ort oft dagegen, wenn es um die Errichtung neuer Windturbinen geht. Einer der Gründe dafür sind die Geräusche der Flügel der Windkraftanlagen, die sich oft 24 Stunden am Tag drehen. Kann deren Lautstärke verringert werden? Auch elektrische Drohnen sind ein neuer Bestandteil unseres Lebens, und auch sie sind ziemlich laut. Es wird daran gearbeitet, diese Probleme zu lösen, und wie so oft könnte die Natur eine Lösung bieten. Vor allem die Eule ist für ihren lautlosen Flug bei der Jagd auf ihre Beute bekannt. Normalerweise fliegt eine Eule 18 Dezibel leiser als andere Vögel. Chinesische Wissenschaftler modellieren nun die Flügel einer Eule, um das Prinzip auf Windkraftanlagen und Drohnen anzuwenden. Abbildung 5 zeigt ein Modell eines neuen Flügels, der dem der Eule nachempfunden ist. Dank gebogener Elemente an der Hinterkante wird die Bildung von Luftwirbeln und damit auch der Lärm stark reduziert.

Abb. 5: Lärmarme Tragfläche auf der Basis eines Eulenflügels   (mit freundlicher Genehmigung der Xi‘an Jiaotong Universität)Abb. 5: Lärmarme Tragfläche auf der Basis eines Eulenflügels (mit freundlicher Genehmigung der Xi‘an Jiaotong Universität)

Quelle: L Wang u.a. Physics of Fluids 33, 015123 (2021);

https://doi.org/10.1063/5.0035544 

Low-Tech-Energie für Afrika

Abb. 6: Das neue AceOn-Natrium-BatteriepaketAbb. 6: Das neue AceOn-Natrium-BatteriepaketDer jüngste Anstieg der Energiepreise ist für uns alle unerfreulich. Doch für die ärmsten Menschen der Welt, die hauptsächlich mit Petroleum kochen, sind diese Preissteigerungen eine Katastrophe. Tragbare Benzingeneratoren sind in Afrika ebenfalls weit verbreitet, und auch hier hat der starke Anstieg der Benzinpreise Millionen von Nutzern getroffen. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara haben weniger als 50 % der Bevölkerung Zugang zu einem Stromnetz. Ein Unternehmen in England entwickelt eine kostengünstige Alternative auf der Grundlage von Sonnenkollektoren und einer Natriumbatterie. AceOn (www.aceongroup.com) arbeitet mit dem Unternehmen GoodWe (www.en.goodwe.com) zusammen, das sich auf solarbetriebene DC/AC-Wechselrichter spezialisiert hat. Abbildung 6 zeigt das neue AceOn-Batteriepaket, das mit Solarzellen verwendet werden kann. Kürzlich habe ich über ein australisches Unternehmen geschrieben, das ebenfalls ähnliche Pakete mit Solarmodulen und Batteriespeichern für netzunabhängige Häuser und Büros herstellt. Ich denke, wir sehen hier die Anfänge eines ganz neuen Geschäftszweigs.

Hochreiner Hightech-Stahl aus Metallschrott

In Kanada wurde ein neues Verfahren zur elektrochemischen Entfernung von Kohlenstoff aus Stahl im Recyclingprozess entwickelt, um ultrareinen Stahl mit niedrigem Kohlenstoffgehalt herzustellen. Die Forscher sind der Ansicht, dass die erforderliche Technologie möglicherweise in sekundäre Stahlwerke integriert werden könnte, um das Recycling von kohlenstoffreichem Stahl zu reineren, höherwertigen Metallen zu ermöglichen, die in der High­tech-Industrie stark nachgefragt werden.

Da der Klimawandel und die Abfallentsorgung zunehmend Anlass zur Sorge geben und die Stahlindustrie – die Kohle oder Koks als Reduktionsmittel benötigt, um dem Eisenerz Sauerstoff zu entziehen – für rund 7 % aller vom Menschen verursachten Kohlenstoffemissionen verantwortlich ist, gewinnt das Recycling von Altstahl immer mehr an Bedeutung. Viele Hightech-Branchen wie die Elektronik- und die Automobilindustrie sind mehr denn je auf Stähle mit extrem niedrigem Kohlenstoffgehalt angewiesen, die manchmal weniger als 0,003 % Kohlenstoff enthalten und für dünne Karosserieteile oder Präzisionslegierungen verwendet werden. Bei einem Großteil des recycelten Stahlschrotts handelt es sich jedoch um relativ kohlenstoffreichen „harten“ Stahl. In der Industrie wird der Kohlenstoff aus dem geschmolzenen Eisen entfernt, indem Sauerstoff durch das Eisen geblasen wird. Das Verfahren zur Reduzierung des Kohlenstoffs und zur Herstellung von Stahl mit extrem niedrigem Kohlenstoffgehalt erfordert oft mehrere Schritte und mehrere Reagenzien und führt zum Verlust eines Teils des Metalls. Beim herkömmlichen Recycling wird der Stahlschrott in einem Elektrolichtbogenofen mit einem Gemisch aus Reagenzien, der so genannten Schlacke, geschmolzen, um die Verunreinigungen zu entfernen. Recyclinganlagen sind daher bereits auf die Nutzung von Strom eingerichtet. Vor diesem Hintergrund entwickelten die Forscher ein zweites Verfahren, bei dem die geschmolzene Schlacke als Elektrolyt verwendet wurde. „Wir mussten ein elektrochemisches Potenzial über den keramischen Elektrolyten zwischen dem geschmolzenen Eisen und einer anderen Elektrode anlegen“, erklärt der Chemieingenieur, der das Forschungsprojekt leitete. Das Verfahren ist in Abbildung 7 dargestellt.

Abb. 7: Elektrochemische Raffination von Stahlschrott mit geschmolzener SchlackeAbb. 7: Elektrochemische Raffination von Stahlschrott mit geschmolzener Schlacke

Der Kohlenstoff in der Anode aus geschmolzenem Eisen wurde durch den Sauerstoff aus dem Siliziumdioxid in der Schlacke oxidiert, wobei Kohlenmonoxid entstand, das in Blasen ausströmte. Die Siliziumionen wurden an der Molybdänkathode zu Silizium in metallurgischer Qualität reduziert, das möglicherweise für die Legierung des recycelten Stahls eingesetzt werden kann. Die Forscher stellten fest, dass ihr Verfahren den Kohlenstoffgehalt des geschmolzenen Eisens von 3,78 % auf 0,84 % reduzierte und Eisen mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,005 % auf 0,001 % veredeln konnte. Sie arbeiten nun daran, das Verfahren hoch zu skalieren und untersuchen die Entfernung anderer Verunreinigungen nach demselben Prinzip.

Die Materialwissenschaftlerin Katrin Daehn vom MIT in den USA ist fasziniert. „Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn, um bestehende Recyclingtechnologien zu verbessern“, sagt sie. Wirklich spannend wäre, die Elektroraffination auch für Verunreinigungen wie Kupfer, Zinn oder Phosphor einzusetzen, die manchmal in Sekundärstahl vorhanden sind und für die es derzeit kein gutes Verfahren gibt, um sie zurückzugewinnen.

Quelle: W D Judge, J Paeng und G Azimi, Nat. Mater., 2021, DOI: 10.1038/s41563-021-01106-z

Schutz für unser Kunsterbe

Eine transparente Schicht aus Graphen, die nur wenige Atome dick ist, kann das Verblassen von Pigmenten in Gemälden verhindern, indem sie sie vor UV-Licht, Feuchtigkeit und Luftschadstoffen schützt. Das Verblassen der Farben ist ein großes Problem für gemalte Kunstwerke. Vincent van Goghs berühmte Sonnenblumengemälde beispielsweise enthalten lichtempfindliche Bleipigmente. Ursprünglich leuchtend gelb, haben sie sich mit der Zeit grünlich-braun verfärbt. Ein Graphenfilm reduziert das Verblassen der Farben um 70 %, so die Forscher, die hinter dieser Arbeit stehen. Das genaue Ausmaß des Schutzes hängt zwar von den Farben und dem Pigmentsubstrat ab, aber „es entspricht ungefähr einer 200-jährigen Exposition unter den in Museen oder anderen Ausstellungsumgebungen anzutreffenden Bedingungen“, so der Leiter der Studie, Costas Galiotis, von der Stiftung für Forschung und Technologie Hellas in Griechenland. „Graphen absorbiert je nach Anzahl der Schichten eine beträchtliche Menge an ultraviolettem Licht und ist eine sehr gute Barriere gegen Sauerstoff und Feuchtigkeit“, erklärt Galiotis. Graphen verhindert das Verblassen der Farben, indem es gleichzeitig die einfallende schädliche Strahlung reduziert und die Diffusion von Oxidationsmitteln verzögert.

Galiotis und seine Kollegen haben eine Maschine entwickelt, mit der die nur wenige Atome dicke Graphenschicht auf ein Gemälde aufgebracht werden kann. Dabei werden dünne Graphengitter verwendet, die durch Aufdampfen auf einem Kupfersubstrat gezüchtet und auf eine Klebefolie übertragen werden. Zwei Walzen pressen das Gemälde und die Folie sanft zusammen und ziehen dann die Folie ab, so dass nur die Graphenschicht übrig bleibt. Abbildung 8 zeigt den Prozessablauf. Die Forscher setzten farbige Scheiben, die durch Graphenschichten geschützt waren, einem hohen Maß an Licht, Wärme und Feuchtigkeit aus – also einem künstlicher Alterungsprozess. Sie untersuchten auch die Auswirkungen auf ein Gemälde – indische Tinte auf Hochglanzpapier – indem sie eine Hälfte mit ihrem Graphen-Schleier bedeckten und die andere ungeschützt ließen. Nachdem das Gemälde mehr als 1000 Stunden in der Alterungskammer gelegen hatte, waren die Farben auf der ungeschützten Hälfte merklich verblasst – die durch den Graphenfilm geschützten Farben blieben jedoch erhalten.

Abb. 8: Anwendung von Graphen-Dünnschichten zum Schutz von GemäldenAbb. 8: Anwendung von Graphen-Dünnschichten zum Schutz von Gemälden

Narayan Khandekar, Direktor des Straus Center for Consolation and Technical Studies an den Harvard Art Museums in den USA, erklärt, dass Museen das Verblassen der Farben dadurch einschränken, dass sie die Gemälde in dunklen Räumen aufbewahren und sie nur für kurze Zeit unter energiesparender Beleuchtung ausstellen. Aber die meisten Gemälde in Privatwohnungen erhalten keine solche Behandlung, sagt er. Die Idee einer schützenden Graphenschicht ist „wirklich überzeugend – sie scheint eine Menge Lichtschäden zu mildern und lässt sich leicht entfernen. Ich glaube also, dass sie ein großes Potenzial hat“. Er weist jedoch darauf hin, dass Gemälde häufig durch eine spezielle Harz- oder Firnisschicht geschützt sind – die Forscher müssen nun untersuchen, wie diese mit dem Graphen-Schleier interagiert.

Quelle: M Kotsidi et al, Nat. Nanotechnol., 2021, DOI: 10.1038/s41565-021-00934-z

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 4
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Dr. Anselm T. Kuhn

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