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Mittwoch, 22 Juni 2022 12:00

Chrom: drei- oder sechswertig?

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Musterteil vernickelt und verchromt aus Cr3+-Elektrolyten Musterteil vernickelt und verchromt aus Cr3+-Elektrolyten Foto: Wullimann AG

 

Chrom steht für die Vielfarbigkeit seiner Salze und den vielfältigen Einsatz in der Oberflächenbranche. Ob wir morgens mit der Brause duschen, auf dem Smartphone die Mails checken oder ins Auto steigen, überall kommt bislang sechswertiges Chrom zur Erzeugung bestimmter Oberflächeneigenschaften zum Einsatz.

Rechtliche Grundlage zu Chromtrioxid (EU und CH)

Das sechswertige Chrom wird als besonders besorgniserregender Stoff (SVHC) bewertet. Es darf gemäß REACh-Verordnung (engl. Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) nur noch mit zeitlich begrenzter Zulassung der ECHA (Europäische Chemikalien Agentur) verwendet werden. Zur Vermeidung von allfälligen Handelshemmnissen hat die Schweiz ihre Chemikalienverordnung angepasst und unter anderem das Chromtrioxid in die Verbotsliste der eidgenössischen Chemikalienrisikoreduktionsverordnung ChemRRV., Anhang 1.17, aufgenommen. Verbleibt kein sechswertiges Chrom im Endprodukt, so können diese Prozesse in der Schweiz weiterverwendet werden und der Verbrauch muss beim Bundesamt für Gesundheit in Bern nur gemeldet werden. Verbleibt sechswertiges Chrom im Endprodukt (z. B. Chromatieren), so darf es nur bei Vorliegen einer identischen EU-Zulassung verwendet werden.

Keine Chromsäure verbleibt auf der Ware bei elektrolytisch abscheidenden Prozessen mit Glanz- und Hartverchromen sowie bei abtragenden Prozessen, wie Beizen und Ätzen von Metallen und Kunststoffen. Auf dem Endprodukt verbleibt Chromtrioxid bei Konversionsschichten (Chromatieren) und Oxidschichten (Anodisieren).

Beispiel der Substitution anhand Glanzchrom- Abscheidung

Beim Glanzverchromen besteht die technische Möglichkeit, Chromtrioxid (Chromsäure) durch Chrom (III)-Elektrolyte zu ersetzen. Von Nachteil ist der geringere bläulichkalte Farbton abgeschiedener Chromschichten aus Cr3+-Ionen. Wesentliche Punkte bei der Substitution sind die Einhaltung der Kundenanforderungen. Der Anforderungskatalog beinhaltet häufig Farbe, Korrosionsbeständigkeit, Abriebbeständigkeit etc. Diese können nur durch langwierige Versuche und Tests mit dem neuen Elektrolyten ermittelt werden.

Investitionen in die Anlagentechnik

Die Umstellung auf einen anderen chemischen Stoff bedingt auch eine geänderte Anlagentechnik mit entsprechenden Investitionen und vor allem Produktionsunterbrüchen während des Umbaus. Der dreiwertige Elektrolyt wird mit mischoxidbeschichteten Titanstreckmetallanoden statt Bleianoden betrieben. Kunststoffwannen, Filtergeräte und Rohrleitungen können nicht mehr verwendet werden, da Reste von Chromsäure in die Apparaturen eindiffundiert sind. Die Investitionen durch Anlagenersatz bis hin zu einer Ionentauscheranlage für die Entfernung von Eisen zur Badpflege „kann keine Geiβ wegschlecken“ (… dagegen ist nichts zu machen).

Visualisierung einer Kationenaustauscheranlage zur Eisenentfernung (Foto: ProWaTech AG)Visualisierung einer Kationenaustauscheranlage zur Eisenentfernung (Foto: ProWaTech AG)

In einem konkreten Beispiel aus dem Jahre 2016 betrugen die Investitionen ca. 205.000 Euro inkl. Montage bei einem Volumen von 9.000 l Chromelektrolyt und bis zu 750 m2 Warendurchsatz pro Tag.

Analytischer Aufwand

Während bei einem sechswertigen Elektrolyten in der Regel eine wöchentliche Kontrolle von Chromat (Cr6+), Sulfat (SO42-) sowie ggf. Analysen von Fremdmetallen, wie Cr3+ und Fe erforderlich sind, ist es bei dreiwertigen Elektrolyten üblich, täglich Kontrollen von Metallen (Nickel, Eisen, Chrom), pH-Wert und Borsäure durchzuführen. Zudem müssen bei hohen Produktionsraten wöchentlich die Badzusätze per HPLC-Analyse gemessen werden. Das betrifft auch weitere Metalle (je nach Grundmaterial), darüber hinaus ist ein Hullzellen-Test notwendig.

Nachteile von Chrom (III)

Eine identische Farbe im Vergleich zu Chrom (VI)-Elektrolyten wird häufig gefordert, um die aus Chrom (VI) und Chrom (III) abgeschiedenen Waren mischen zu können. Diese wird aber kaum erreicht. Von Nachteil sind zudem die geringeren Schichtdicken. Bei sechswertigen Glanzchromelektrolyten können 1–3 µm Chrom abgeschieden und somit die Abriebfestigkeit, z. B. bei elektrischen Steckern erhöht werden.

Durch die sehr hohe Borsäurekonzentration im Prozessbad von dreiwertigen Elektrolyten wird das Borsäuresalz beim Ansetzen und Nachdosieren über ein Filtersystem geführt. Eine Mindesttemperatur des Prozessbades muss jederzeit sichergestellt werden, sonst kommt es zu einer Kristallisation.

Vorteile von Chrom (III)

Laut Anwender sind dreiwertige Chromlösungen zur Glanzverchromung im Einkauf sowie für die Badführung (Analytik) um das bis zu 15-fache teurer als bisherige sechswertige Prozesslösungen. Betrachtet man aber die Gesamtkosten, so liegen diese nur beim ca. 1.1-fachen (+ 10 %) der Kosten. Es liegen deutliche Einsparungen bei komplexen Oberflächengeometrien durch höhere Streufähigkeit vor, was zu einer Reduktion von Nacharbeiten der Werkstücke führt. Anbrennungen im hohen Stromdichtebereich sowie fehlende Abscheidung im niedrigen Stromdichtebereich (Bohrungen) sind bei Chrom (VI)-Elektrolyten ausgeprägter. Somit sind die Fehler resp. Nacharbeit nach der Substitution in einem Praxisbeispiel um ca. 95 % gesunken.

Die Reduktion von sechswertigem Chrom entfällt bei der chemischen Abwasserbehandlung. Zudem führen die Metallkonzentrationen in den Prozessbädern (z. B. 130 g/L Cr6+ zu 13 g/L Cr3+) rechnerisch zu 90 % weniger Sonderabfall (Galvanikschlamm). Mehrwertige Carbon- sowie Borsäuren im Abwasser müssen jedoch beachtet werden. Die Hauser + Walz GmbH aus Flaach, Schweiz, führt zurzeit im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt in Bern Versuche zur Behandlung von Abwässern mit diversen Chrom (III)-Elektrolyten durch.

Resümee

Laut vieler Unternehmen, die Glanzchromelektrolyte auf dreiwertiges Chrom umgestellt haben, überwiegen die Vorteile des neuen Verfahrens. Für kleinere Betriebe mit geringem Warendurchsatz bei der Verchromung werden dagegen die Investitionen und der Analysenaufwand nur schwer zu stemmen sein. Die lange Zeit für eine Implementierung im Unternehmen sollte nicht unterschätzt werden. Die Gesetzgebung lässt es offen, wie die Substitution erfolgt, es ist kein nasschemischer Prozess vorgeschrieben. Daher gilt für die Galvanobranche „De Schnäller isch de Gschwinder“ (…Der Schnellere ist der Geschwindere). Die Substitution von sechswertigem Chrom ist ein steiniger, aber lohnender Weg zu mehr Fortschritt im Unternehmen und mehr Akzeptanz der Mitarbeiter, der Behörden und der Öffentlichkeit.

www.prowatech.ch
www.hauserwalz.ch

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 6
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Herbert Hauser

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