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Freitag, 12 August 2022 12:00

Elektrische Implantate und Verbindungen in der Medizintechnik

von
Geschätzte Lesezeit: 5 - 9 Minuten

Gedruckte flexible Elektroden für die Elektroenzephalographie (EEG) und für die Elektromyographie (EMG) [1]

Auf der Haut angebrachte Elektroden sind das Kernelement sowohl für die Elektroenzephalographie (EEG) als auch für die Elektromyographie (EMG). Neben einer guten elektrischen Leitfähigkeit müssen die eingesetzten Elektroden auch hautverträglich sein und einen geringen Haut-Elektroden-Widerstand aufweisen. Heutige Standardelektroden sind aus Metall gefertigt und mit einer leitfähigen Gelschicht versehen, welche einen großflächigen elektrischen Kontakt zwischen der Metalloberfläche und der zerklüfteten Hautoberfläche herstellt. Bei Langzeitmessungen kann das Gel austrocknen und eine zuverlässige Messung am Patienten verhindern (Abb. 1).

Im erfolgreich beendeten BMBF-Forschungsprojekt „NanoEDGE“ wurde am Fraunhofer Institut für Biomediyinische Technik IBMT ein alternativer Ansatz verfolgt – basierend auf der Annahme, dass sich ein niedriger Haut-Elektroden-Widerstand auch ohne Einsatz eines Gels realisieren lässt. Die Elektrode muss sich dafür gut an die zerklüftete Hautoberfläche anschmiegen und so eine große Kontaktfläche bilden. Zu diesem Zweck wird die Hautelektrode als dünne, elektrisch leitfähige Schicht realisiert, die auf eine dünne und mechanisch flexible Kunststofffolie gedruckt ist.

Die Herstellung der Hautelektrode umfasst das Drucken einer elektrisch leitfähigen Tinte auf weiches Folienmaterial, gefolgt vom Zuschneiden und Laminieren einer für das Aufkleben auf die Haut geeigneten Isolationsschicht. Vor allem die Dicke der einzelnen Schichten sowie die Gesamtdicke bestimmen hierbei die Kopplung der Elektroden mit der Haut und damit das erreichbare Signal-Rausch-Verhältnis. Die nur wenige Mikrometer dünnen Elektroden in Kombination mit kostengünstiger, miniaturisierter Elektronik dienen als Bausteine für eine neue Generation tragbarer Sensoren.

Zunächst wurde die Druckbarkeit verschiedener Kohlenstoff-, Graphen- und Silbertinten per Inkjet-Drucker auf einer 80 µm dünnen Folie aus Polyurethan (PU) bewertet. Weiterhin wurden die Abriebfestigkeit, die elektrische Leitfähigkeit und die Hautverträglichkeit der gedruckten Strukturen untersucht. Um die Druckbarkeit zu verbessern, wurde nachträglich die Zusammensetzung einer kommerziellen Graphentinte verändert. Die bewerteten Tinten umfassten insgesamt vier Silbertinten und fünf Graphen- bzw. Kohlenstofftinten. Während sich wie erwartet die Silbertinten als zellschädigend erwiesen, eigneten sich die Tinten auf Graphen- oder Kohlenstoffbasis, einschließlich der modifizierten Graphentinte, für den späteren Einsatz als Hautelektroden. Die Höhe der elektrischen Leitfähigkeit der mit Graphen- bzw. Kohlenstofftinten hergestellten Elektroden und Leiterbahnen erwies sich jedoch als unzureichend. Erfolgreich war schließlich der Ansatz, biokompatible Elektroden mit ausreichend hoher elektrischer Leitfähigkeit durch das Drucken einer biokompatiblen Kohlenstoffschicht auf eine hoch leitfähige Silberunterschicht zu realisieren. Zytotoxizitätstests zeigten, dass der biokompatible Kohlenstoff in dieser Mehrfachschicht das zellschädigende Silber ausreichend abdeckt.

Die im Laufe des Projekts erarbeiteten Druckprozesse wurden schließlich beim Projektpartner Notion Systems GmbH (Schwetzingen, Deutschland) auf einen Industriedrucker transferiert, der ein Drucken im Hochdurchsatz gestattet. Das Drucken der Elektrodenstrukturen im industriellen Maßstab erfolgte mit einem n.jet-Drucker von Notion Systems mit industriellen Druckköpfen. Die Projektpartner der Universität Tel Aviv, Israel, erbrachten den Nachweis der Eignung der gedruckten Elektroden sowohl für die EMG- als auch für die EEG-Signalableitung. Dabei kamen jeweils anwendungsspezifische Elektrodengeometrien zum Einsatz. Hierzu entwickelte die SensoMedical Labs Ltd. in Nazareth, Israel, eine miniaturisierte Sensorelektronik zum Aufbau kompletter Monitoringsysteme.

Eine eigens entwickelte Messmethode und Vorrichtung zur Charakterisierung der Steifigkeit gedruckter Elektroden half dabei, mit unterschiedlichen Tinten gedruckte Strukturen auf ihre mechanische Verformbarkeit hin zu untersuchen. Durch den Vergleich der mit dieser Methode ermittelten Verformbarkeiten mit dem Signal-Rausch-Verhältnis der abgeleiteten EEG-Signale konnte erstmals gezeigt werden, dass die Eignung von Hautelektroden zur Ableitung von EEG-Signalen mit der mechanischen Verformbarkeit der Elektroden korreliert. Dieses Ergebnis stützt die dem Forschungsprojekt zugrundeliegende Hypothese, dass die möglichst gute Anpassung der Elektroden an die Kontur der Haut einen entscheidenden Faktor für die rauscharme Ableitung von EEG-Signalen darstellt.

Das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT war im Projekt für die mechanische und biologische Charakterisierung der verschiedenen Tinten, die Konzeption der Prozesskette sowie die Entwicklung der Druckprozesse verantwortlich. Als Projektergebnis steht nun eine auf Graphen und Industrieruß („carbon black“) basierte Tinte für den Inkjet-Druck zur Verfügung, die die erwartete elektrische Leitfähigkeit und eine gute Haftung auf PU-Folien aufweist. Weiterhin sind die Evaluierungsergebnisse verschiedener kommerzieller Silber- und Kohlenstofftinten bezüglich Druckbarkeit, Biokompatibilität und elektrischer Leitfähigkeit verfügbar.

Eine Prozesskette für das Drucken mechanisch flexibler Elektrodenstrukturen auf ein dünnes Foliensubstrat aus PU mit dem nachfolgenden Aufbringen einer Isolationsschicht wurde erarbeitet und steht für den Transfer in die industrielle Anwendung bereit. Durch die Kombination einer sehr leitfähigen Silbertinte mit einer biokompatiblen Tinte auf Basis von Kohlenstoff-Nanopartikeln lassen sich biokompatible Elektrodenstrukturen herstellen, die für das rauscharme Ableiten von EMG- und EEG-Signalen geeignet sind [2].

Photoelektrische Nervenstimulation [3]

Eine vollkommen neue Art von Implantat

Eine vollkommen neue Art von Implantat: Hauchdünne und lichtsensitive Pigmentfolien, beispielsweise zur Stimulation von Nervenzellen. Ein internationales Forschungsteam entwickelte und testete erfolgreich ein Konzept, bei dem Nerven mit Lichtpulsen stimuliert werden. Die Technologie ermöglicht vollkommen neue Arten von Implantaten, die zum Anregen von Nervenzellen eingesetzt werden können und wurde in einer Gemeinschaftsleistung von Forschenden der TU Graz, der Med Uni Graz, der Universität Zagreb und dem CEITEC (Central European Institute of Technology) entwickelt. Basis dafür sind Farbpigmente aus der Lebensmittelindustrie, wie sie beispielsweise auch in organischen Solarzellen verwendet werden. Die Pigmente werden zu einer nur wenige Nanometer dünnen Schicht aufgedampft und verwandeln dort – gleich wie in organischen Solarzellen – Licht in elektrische Ladung. Nervenzellen, die auf der Folie kultiviert werden, reagieren auf diese Aufladung und feuern ihrerseits elektrische Impulse ab, mit denen sie andere Nervenzellen anregen (Abb. 2).

Abb. 2 : Eine vollkommen neue Art von Implantat: Hauchdünne und lichtsensitive Pigmentfolien, beispielsweise zur Stimulation von NervenzellenAbb. 2 : Eine vollkommen neue Art von Implantat: Hauchdünne und lichtsensitive Pigmentfolien, beispielsweise zur Stimulation von Nervenzellen

In zellbiologischen Experimenten konnten die Forschenden diesen Prozess nun erstmals nachweisen. Gezüchtete Nervenzellen, die direkt auf der Folie wuchsen, wurden durch mehrere jeweils wenige Millisekunden kurze Lichtblitze mit einer Wellenlänge von 660 Nanometern (rotes Licht) angeregt und reagierten wie erhofft: Sie erzeugten sogenannte Aktionspotenziale, die wesentlich sind für die Kommunikation zwischen Nervenzellen. Die Ergebnisse ihrer elektrophysiologischen Messungen und Computersimulationen haben die Forschenden im Fachjournal „Advanced Materials Technologies“ veröffentlicht [4].

Im Gegensatz zur derzeit gängigen Elektrostimulation mittels Metallelektroden stellen die entwickelten Pigmentfolien eine vollkommen neue Möglichkeit dar, Nervenzellen anzuregen. Die Folien sind so dünn, dass sie leicht implantiert werden können. Während der Behandlung sollen die Nervenzellen dann mit rotem Licht bestrahlt werden, das ohne Schaden tief in den Körper dringen kann. Kurzfristige Behandlungen sollen zu therapeutischen Langzeiteffekten führen können.

Abb. 3 : Die Folie kann in verschiedenen Pigmentgrößen hergestellt werden. Derzeit wird getestet, welche Struktur sich am besten für klinische Anwendungen eignen wird (Foto: Lunghammer – TU Graz)Abb. 3 : Die Folie kann in verschiedenen Pigmentgrößen hergestellt werden. Derzeit wird getestet, welche Struktur sich am besten für klinische Anwendungen eignen wird (Foto: Lunghammer – TU Graz)

Zukünftig bräuchte es also keine aufwendige Verkabelung eines Nervenimplantats mehr, was nach invasiven Eingriffen wiederum die Infektionsgefahr reduziert, weil keine Schläuche oder Kabel mehr aus dem Körper nach außen führen müssen. Dank ihrer organischen Beschaffenheit sind die Pigmentfolien ausgesprochen gut verträglich, sowohl für menschliche als auch für tierische Zellen (Abb. 3).

Anwendungsmöglichkeiten sehen die Forschenden bei schweren Hirnverletzungen.

Anwendungsmöglichkeiten sehen die Forschenden bei schweren Hirnverletzungen. Hier kann die Stimulation von Nervenzellen den Heilungsprozess beschleunigen und Komplikationen vorbeugen, indem sie ein Absterben der Nervenzellen verhindert. Potenzial sehen die Forschenden auch bei anderen neurologischen Verletzungen oder in der Schmerztherapie. Außerdem könne die Technologie eingesetzt werden, um neuartige Netzhaut-Implantate zu erzeugen.

Glukose als Energiequelle für medizinische Implantate und SensorenMini-Brennstoffzelle erzeugt Strom mit körpereigenem Zucker [5]

Traubenzucker, auch Glukose genannt, ist der wichtigste Energielieferant für unseren Körper. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) wollen den Zucker im Körper nun auch als Energiequelle für medizinische Implantate nutzen. Sie haben eine Glukose-Brennstoffzelle entwickelt, die den Zucker in Elektrizität umwandelt.

Medizinische Implantate wie etwa Sensoren zur Messung der Vitalfunktionen, Elektroden zur Hirntiefenstimulation bei Parkinson oder auch Herzschrittmacher benötigen zuverlässige und möglichst kleine Stromquellen. Batterien können jedoch nicht beliebig verkleinert werden, da sie ein gewisses Volumen benötigen, um Energie zu speichern.

Ein Forschungsteam um Jennifer Rupp, Professorin für Chemie der Festkörperelektrolyte an der TUM und Dr. Philipp Simons vom MIT hat nun eine Glukose-Brennstoffzelle entwickelt, die nur 400 Nanometer dick ist – ein Hundertstel des Durchmessers eines menschlichen Haares. Anstatt eine Batterie zu verwenden, die 90 % des Volumens eines Implantats beansprucht, könnte das entwickelte Gerät in Form von dünnen Filmen auf einem Silizium-Chip oder zukünftig sogar auf die Oberfläche der Implantate aufgebracht werden.

Die Glukose-Brennstoffzelle besteht aus zwei Elektroden – der Kathode und der Anode – sowie einer Elektrolytschicht. Die Glukose aus dem Körper wird an der Anode in Glukonsäure umgewandelt, wobei Protonen freigesetzt werden. Der Elektrolyt leitet die Protonen durch die Brennstoffzelle zur Kathode, wo sie sich mit der Luft zu Wassermolekülen verbinden. Die Elektronen fließen in einen externen Stromkreis, wo sie zur Stromversorgung eines elektronischen Geräts verwendet werden können.

Die Idee, Glukose-Brennstoffzellen als Stromquelle zu nutzen, ist nicht neu. Die bisherigen Geräte verwendeten dabei Kunststoffe als Elektrolytschicht. Da Kunststoffmaterialien nicht mit gängigen Produktionsverfahren der Halbleiterindustrie kompatibel sind, können sie nur schwer auf Siliziumchips aufgebracht werden, die Stand der Technik bei medizinischen Implantaten sind. Dazu sind harte Materialien nötig. Ein weiterer Nachteil: Bei der Sterilisation der Implantate werden die Polymere, aus denen der Kunststoff besteht, teilweise beschädigt.

Die Forscherinnen und Forscher verwendeten für ihre Brennstoffzelle daher keramische Elektrolyte. Die gewählte Keramik lässt sich leicht miniaturisieren und auf einem Siliziumchip integrieren und ist biokompatibel. Das Material hält außerdem auch hohen Temperaturen stand.

Das Team stellte 150 der Glukose-Brennstoffzellen auf einem Chip her, jede etwa 400 Nanometer dünn und etwa 300 Mikrometer breit. Die Forscherinnen und Forscher brachten die Zellen auf Siliziumwafern auf und zeigten so, dass die Geräte mit einem gängigen Halbleitermaterial kombiniert werden können. Anschließend ließen sie eine Glukoselösung über jeden Wafer fließen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten fest, dass viele der Brennstoffzellen eine Spitzenspannung von etwa 80 Millivolt erzeugten. Diese Spannung ist ausreichend, um Sensoren und viele andere elektronische Geräte für Implantate zu betreiben. In Anbetracht der winzigen Größe jeder Zelle ist dies die höchste Leistungsdichte aller bisherigen Glukose-Brennstoffzellendesigns.

Es ist das erste Mal, dass die Protonenleitung in elektrokeramischen Materialien für die Umwandlung von Glukose in Strom genutzt werden kann [6].

Quellen und Referenzen

[1] Quelle: Fraunhofer Institut für Biomedizinische Technik IBMT
[2] Abschlussbericht: Nano-based portable electronics for the diagnosis of mental disorders and functional restoration, production technologies and devices (NanoEDGE), veröffentlicht,
http://publica.fraunhofer.de/documents/N-644064.html

[3] Quelle: TU Graz
[4] Schmidt, T.; Jakešová, M.; Đerek, V.; Kornmueller, K.; Tiapko, O.; Bischof, H. et al.: Light Stimulation of Neurons on Organic Photocapacitors Induces Action Potentials with Millisecond Precision, Adv. Mater. Technol. 2022, 2101159
https://doi.org/10.1002/admt.202101159

[5] Quelle: TU München
[6] Simons, P.; Schenk, S.A.; Gysel, M.A.; Olbrich, L.F.; Rupp, J.L.M.: A Ceramic-Electrolyte Glucose Fuel Cell for Implantable Electronics, Advanced Materials, April 2022, https://doi.org/10.1002/adma.202109075

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 7
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Dr. Stephan Reuter

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