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Mittwoch, 21 September 2022 12:00

Ultraschall nicht nur zur Diagnostik

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Mechanoluminiszentes Material während eines Experiments (Foto: Jens Meyer/Uni Jena) Mechanoluminiszentes Material während eines Experiments (Foto: Jens Meyer/Uni Jena)

Materialwissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben ein mechanolumineszentes Material entwickelt, mit dessen Hilfe sie mittels Ultraschall nicht nur einen lokalen Wärmeeintrag erzeugen können, sondern das gleichzeitig auch eine Rückmeldung über die Temperatur vor Ort gibt.

Mit Ultraschall Lichtemission anregen und Temperatur messen [1]

Werden mechanolumineszente Materialien von außen mechanisch belastet, dann emittieren sie sichtbares oder unsichtbares Licht. Eine solche Anregung kann zum Beispiel durch Knicken oder sanften Druck passieren, aber auch völlig berührungsfrei über Ultraschall. Auf diese Weise lässt sich der Effekt ferngesteuert auslösen und Licht an Orte bringen, die normalerweise eher im Dunkeln liegen – beispielsweise im menschlichen Körper.

Wenn die Ultraschallbehandlung gleichzeitig genutzt werden soll, um lokal Wärme zu erzeugen, so ist es bei einer solch sensiblen Umgebung wichtig, die sich dabei einstellenden Temperaturen genau zu beobachten.

Nun ist es den Wissenschaftlern aus Jena gelungen, ein solches mechanolumineszentes Material zu entwickeln. Es kann mittels Ultraschall einen lokalen Wärmeeintrag erzeugen sowie eine Rückmeldung über die Temperatur vor Ort geben [2].

Die Jenaer Wissenschaftler beschäftigen sich während ihrer Arbeit häufig mit den mechanischen Eigenschaften anorganischer Materialien, insbesondere damit, wie es gelingt, mechanische Prozesse optisch zu beobachten. Eine mechanisch induzierte Lichtemission kann dabei viele Details über die Antwort eines Materials auf mechanische Belastungen liefern. Doch um das Feld der Anwendungen zu erweitern, ist es mitunter notwendig, zusätzlich auch Informationen über die während der Belastung lokal vorherrschende Temperatur zu erhalten – gerade dann, wenn die Anregung mittels Ultraschall erfolgt. Hier waren die Wissenschaftler zunächst ganz einfach an Sensormaterialien in Form feinster Partikel interessiert, die – in eine zu untersuchende Umgebung eingebracht – durch äußere Ultraschallanregung sowohl auf ihre Umgebung einwirken können, als auch Informationen über diese Einwirkung rückkoppeln.

Dafür haben die Jenaer Wissenschaftler einen OxysulfidHalbleiter mit der seltenen Erde Erbiumoxid kombiniert. Die halbleitende Struktur nimmt dann die mechanische Anregung durch Ultraschall auf – das Erbiumoxid liefert die Lichtemission. Aus dem Spektrum des emittierten Lichts kann dann mittels sogenannter optischer Thermometrie die Temperatur herausgelesen werden. Somit besteht die volle Kontrolle über die Temperaturentwicklung im Material, die sich zusätzlich durch den Ultraschall beeinflussen lässt. Es lässt sich von außen eine Temperaturerhöhung anregen, diese durch die Lichtemission messen und dadurch einen vollständigen Steuerungskreislauf aufbauen.

Die ferngesteuerte Lichtemission verbunden mit der Temperaturkontrolle eröffnet für derartige mechanolumineszente Materialien ganz neue Anwendungsbereiche, beispielsweise in der Medizin. Ein mögliches Einsatzgebiet könnte dabei die photodynamische Therapie sein, bei der mit Hilfe von Licht photophysikalische Prozesse gesteuert werden, die den Organismus bei der Heilung unterstützen können. Mit mehrfach-responsiven mechanolumineszenten Materialien in Form feinster Partikel könnte so an einer gewünschten Stelle nicht nur Licht und Wärme generiert, sondern auch gezielt gesteuert werden. Da biologisches Gewebe für das emittierte Infrarotlicht transparent ist, kann man während der Behandlung von außen eine gewünschte Temperatur einstellen und kontrollieren.

Näherliegend sind da andere Anwendungen, bei denen Licht und Wärme gezielt an dunkle Orte gebracht werden sollen. So könnten zum Beispiel die Photosynthese oder andere lichtgetriebene Reaktionen gezielt ausgelöst, beobachtet und gesteuert werden. Ebenso kann – zurück zum Anfang – das Material als Sensor für die Erzeugung oder Beobachtung von Materialveränderungen oder auch als unsichtbare, codierte Markierung auf Materialoberflächen eingesetzt werden.

Ultraschall zur Unterstützung bei der Lokalanästhesie an Kliniken [3]

Bei der Lokalanästhesie bzw. örtlichen Betäubung wird ein Anästhetikum unter die Haut oder direkt ins Gewebe gespritzt. Dafür wird ein Schlauch mit einer darin enthaltenen Metallnadel in die Region eingeführt, in der das Medikament verabreicht werden soll. Damit dieser Vorgang noch genauer und minimalinvasiver ablaufen kann, wird am Institut für Angewandte Biopolymerforschung (ibp) der Hochschule Hof an einem im Ultraschall sichtbaren Mikroschlauch geforscht, der die Arbeit von Anästhesisten an Kliniken deutlich vereinfachen soll. Der Kunststoffschlauch soll mittels innovativer Mikrostrukturen deutlich im Ultraschall sichtbar sein.

Die Herausforderung bei der Lokalanästhesie ist, dass der Kunststoffschlauch mittels Ultraschall-Verfahren nicht sichtbar ist, weshalb die genaue Positionierung des Schlauchs nach Entfernung der metallischen Nadel erschwert ist. Aktuell wird dieser Mangel noch durch eine Verabreichung von größeren Mengen an Anästhetika oder dem Einsatz von teureren Röntgenverfahren mit Kontrastmitteln, die zu Nebenwirkungen führen können, kompensiert.

Das Ziel des Projekts ist nun die Entwicklung eines neuen Kunststoffschlauchs, welcher mittels innovativer Mikrostrukturen deutlich im Ultraschall sichtbar ist. Hierzu soll die Mikrostruktur im Polymer, an der Oberfläche und an der Schlauchspitze verändert werden. Damit wird die Ultraschall-Visibilität maßgeblich verbessert, wodurch die Positionierung des Schlauchs durch den Anästhesisten deutlich erleichtert wird und die reibungsarme Führung des Schlauchs das Gewebe schont.

In einem ersten Schritt des Projekts wird das Anforderungsprofil und anwendungsspezifische Vorgaben an die Biokompatibilität, also die Verträglichkeit zwischen dem natürlichen menschlichen Gewebe und des Werkstoffs konkretisiert. Im Anschluss folgt ein Versuchsaufbau und die Durchführung erster in-vitro Tests zur Abschätzung der Ultraschall-Visibilität. Gefolgt von weiteren Forschungsergebnissen sollen die hergestellten Funktionsmuster zum Schluss unter realen Einsatzbedingungen untersucht werden inklusive abschließender Tests zur Untersuchung der Lagerfähigkeit und Haltbarkeit der Mikrostrukturen.

Wandernde Ultraschallwellen als Antrieb [4]

Mikroskopisch kleine Nanomaschinen, die sich wie UBoote mit eigenem Antrieb bewegen – beispielsweise im menschlichen Körper, wo sie Wirkstoffe transportieren und gezielt freisetzen: Was nach Science-Fiction klingt, ist in den vergangenen 20 Jahren zu einem immer schneller wachsenden Forschungsgebiet geworden. Die meisten bisher entwickelten Teilchen funktionieren jedoch nur im Labor. Der Antrieb zum Beispiel ist eine Hürde: Manche Teilchen müssen durch Licht mit Energie versorgt werden, andere nutzen chemische Antriebe, die giftige Substanzen freisetzen. Beides kommt für eine Anwendung im Körper nicht infrage. Eine Lösung für das Problem könnten akustisch angetriebene Teilchen sein. Johannes Voß und Prof. Dr. Raphael Wittkowski vom Institut für Theoretische Physik und Center for Soft Nanoscience der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben nun zentrale Fragen, die bislang einer Anwendung eines akustischen Antriebs im Wege standen, geklärt (Abb.1) [5].

Abb. 1: Akustischer Antrieb für Nanomaschinen hängt von deren Orientierung ab. Münstersche Physiker simulieren erstmals Antrieb von frei orientierbaren Nanoteilchen durch wandernde Ultraschallwellen / Studie in „ACS Nano“Abb. 1: Akustischer Antrieb für Nanomaschinen hängt von deren Orientierung ab. Münstersche Physiker simulieren erstmals Antrieb von frei orientierbaren Nanoteilchen durch wandernde Ultraschallwellen / Studie in „ACS Nano“

Bei akustisch angetriebenen Nanomaschinen wird Ultraschall eingesetzt, da dieser für Anwendungen im Körper ungefährlich ist. In vielen der existierenden Publikationen zum Einsatz von Ultraschall als Antrieb für Nanomaschinen werden die Teilchen in den Experimenten bisher fast immer einer stehenden Ultraschallwelle ausgesetzt. Dies macht zwar die Experimente deutlich einfacher, aber gleichzeitig im Hinblick auf mögliche Anwendungen wenig aussagekräftig. Denn dort würde man wandernde Ultraschallwellen einsetzen. Stehende Wellen werden erzeugt, wenn sich gegenläufig wandernde Wellen überlagern. Im realen Einsatz ist dies selten praktikabel.

Die Forschung berücksichtige außerdem bislang nicht, dass die Teilchen sich in Anwendungen in beliebige Richtungen bewegen können, klammerte also die Frage aus, ob der Antrieb von der Orientierung der Teilchen abhängt. Stattdessen nahm sie nur jene Teilchen ins Visier, die senkrecht zur Ultraschallwelle ausgerichtet sind. Das münstersche Forscherteam hat die Auswirkungen der Orientierung nun erstmals mit aufwändigen Computersimulationen untersucht. Das Ergebnis der Untersuchungen ist, dass der Antrieb der Nanoteilchen von ihrer Orientierung abhängt. Gleichzeitig funktioniert der akustische Antriebsmechanismus bei wandernden Ultraschallwellen für alle Orientierungen der Teilchen, also nicht nur genau senkrecht zur Ultraschallwelle, so gut, dass diese Teilchen tatsächlich für biomedizinische Anwendungen einsetzbar sind. Als weiteren Aspekt haben die WWU-Physiker untersucht, welchen Antrieb die Teilchen aufweisen, wenn sie Ultraschall ausgesetzt sind, der aus allen Richtungen kommt („isotroper Ultraschall“). Auch diese Art von Ultraschall ist für manche potenziellen Anwendungen relevant.

Die Ergebnisse haben gezeigt, wie die Teilchen sich in Anwendungen verhalten werden und dass der Antrieb die richtigen Eigenschaften hat, um die Teilchen tatsächlich in diesen Anwendungen einsetzen zu können. Es konnten wichtige Eigenschaften akustisch angetriebener Nanoteilchen offengelegt werden, die bisher nicht untersucht worden waren, die man aber verstehen muss, um den Schritt von der Grundlagenforschung zu den geplanten Anwendungen der Teilchen zu ermöglichen.

Die Physiker der Uni Münster untersuchten kegelförmige Teilchen, da diese sich schon bei geringer Ultraschallintensität schnell bewegen können, also einen effizienten Antrieb haben, und außerdem in großer Zahl leicht hergestellt werden können. Die Teilchen sind knapp einen Mikrometer groß, also knapp tausend Nanometer. Die Partikel könnten sich also durch den Blutkreislauf bewegen, ohne die feinen Blutgefäße zu verstopfen. Die Größe der Teilchen kann nach Bedarf der jeweils beabsichtigten Anwendung gewählt werden, ihr Antriebsmechanismus funktioniert auch bei kleineren und größeren Teilchen. Die Teilchen wurden in den Untersuchungen in Wasser simuliert, aber der Antrieb ist auch für andere Flüssigkeiten und für Gewebe geeignet. Mithilfe der Computersimulationen erforschte das Team Systeme und ihre Eigenschaften, die in den vielen vorausgegangenen experimentellen Arbeiten nicht untersucht werden konnten.

Literatur

[1] Otto-Schott-Institut für Materialforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena
[2] Y. Ding; B. So; J. Cao; L. Wondraczek: Ultrasound-induced mechanoluminescence and optical thermometry toward stimulus-responsive materials with simultaneous trigger response and read-out functions, Advanced Science, DOI: 10.1002/advs.202201631
[3] Institut für Angewandte Biopolymerforschung (ibp) der Hochschule Hof
[4] Westfälische Wilhelms-Universität Münster
[5] J. Voß; R. Wittkowski: Orientation-dependent propulsion of triangular nano- and microparticles by a traveling ultrasound wave, 2022, ACS Nano, DOI: 10.1021/acsnano.1c02302

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 8
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Dr. Stephan Reuter

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