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Donnerstag, 01 September 2022 12:00

Gleich- und Pulsstromquellen Made in Germany

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Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
Die Hauptzentrale von plating electronic befindet sich in Sexau nahe Freiburg im Breisgau Die Hauptzentrale von plating electronic befindet sich in Sexau nahe Freiburg im Breisgau Fotos: plating electronic

In 35 Jahren vom Start-up zum gewichtigen 100-Mann-Mittelständler. Im Interview sprechen Karl und Sebastian Rieder über die Einsatzmöglichkeiten ihrer Technologie, das internationale Geschäft und die Entwicklung von plating electronic.

Die Gleichrichterexperten aus Sexau am Fuße des Schwarzwalds haben seit ihrer Gründung vor 35 Jahren einen kontinuierlichen Aufschwung erlebt. Heute gehört das Familienunternehmen zu den Innovationstreibern bei Gleichstrom- und Pulsstromquellen für elektrochemische Prozesse in Industrie und Forschung. Auf der Branchenmesse für Galvano- und Oberflächentechnik Surface Technology in Stuttgart durfte plating electronic deshalb nicht fehlen. Die „Galvanotechnik“ nutzte die Gelegenheit zu einem längeren Gespräch mit Geschäftsführer Karl Rieder und seinem Sohn Sebastian Rieder, der auch neue Geschäftsbereiche über die Elektrochemie hinaus erschließt.

Welche Bedeutung hat die Galvano- und Oberflächentechnik für Ihr Geschäft?

Karl und Sebastian Rieder auf der Surface Technology im Juni. Plating electronic ist auch international tätig   Karl und Sebastian Rieder auf der Surface Technology im Juni. Plating electronic ist auch international tätig Karl Rieder: Man sieht es schon am Namen. Seit der Gründung stand die Galvanobranche als Kundenkreis im Mittelpunkt. Und auch wenn ich in die Zukunft blicke, in der Ressourcenschonung eine größere Rolle spielen wird, hat die Galvanotechnik eine Zukunft. Aber wir wollen auch in gewissem Maße wachsen, wollen unsere Ressourcen und Entwicklungskapazitäten optimal nutzen. Deswegen blicken wir stets nach links und rechts, wie unsere Geräte die wir ursprünglich für die Galvanotechnik entwickelt haben, noch in anderen Märkten genutzt werden können.Wir werden weiterhin mit unseren Produkten in der Galvanobranche eine führende Rolle einnehmen.

Welche Ihrer Geräte finden sich am häufigsten in Galvaniken?

Als wir vor 35 Jahren starteten, setzten wir von Anfang an auf die Schaltnetzteiltechnik. Diese Technik hat sich sehr etabliert, es ist heute die treibende Technologie in unserem Bereich. Mit dieser können wir auch den aktuellen Anforderungen gerecht werden, denn die Schaltnetzteiltechnik verbessert die Energieeffizienz der Geräte stark. Hier spielt uns jetzt auch der Halbleitermarkt in die Karten, weil es dort immer effizientere Produkte gibt, die den Wirkungsgrad unserer Geräte und Anlagen erhöhen, z. B. die SiC-MOS-Technologie, die jetzt auch in der E-Mobilität eingesetzt wird.

Ihre Geräte werden also kontinuierlich energieeffizienter?

Ja, da sehen wir auch weiteres Potenzial. Unsere neuen Produkte werden hier kontinuierlich weiterentwickelt.

Sie sind Technologieführer bei Gleich- und Pulsstromquellen für elektrochemische Prozesse. Welche Kundenbranchen bedienen Sie mit Ihren Produkten?

Es gibt ein breites Anwendungsspektrum. Ein großer Anwendungsbereich ist die Leiterplattenherstellung, gerade High-Density-Interconnect (HDI)-Leiterplatten, die die Pulstechnologie sehr intensiv für die Herstellung nutzen. Dann Automobilbau in verschiedenster Form, Korrosionsschutz, die Kathodische Tauchlackierung (KTL). Ein großer Bereich sind auch Bandanlagen zur Fertigung von Steckverbindern sowie Zahnarztbohrer, die in ganz Europa mit Hilfe unserer Gleichrichter beschichtet werden. Unsere Stromquellen sind ebenso in Eloxalanlagen verbaut, darüber hinaus haben wir Hartchromkunden und liefern unsere Anlagen noch an viele Nebenbereiche, z. B. in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Uhren- und Schmuckherstellung. Unsere Kunden spiegeln die Oberflächenbearbeitung in ihrer ganzen Breite wieder.

Einsetzbar sind die Anlagen auch in den Bereichen Power-to-X, also der Speicherung von Stromüberschüssen sowie Erneuerbare Energien. Läuft das gut?

Sebastian Rieder: Dieses Geschäftsfeld entsteht zurzeit noch. Aber es läuft gut. Wir haben bereits Gleichrichter für Pilotanlagen von Wasserstofftankstellen ausgeliefert. Unsere Stromquellen werden auch in Containersystemen eingesetzt, um überschüssige Energie von Windparks zwischenzuspeichern. Es kommen auch Kunden aus der Chemieindustrie, die unsere Geräte nutzen, um Wasserstoff als Prozessgas herzustellen.

Machen Sie auch selber etwas für Ihre Klimabilanz und Ihren Energieverbrauch?

Das 1987 gegründete Unternehmen wird von Karl Rieder (rechts) geleitet.  Inzwischen bringt sich fast die gesamte Familie mit ein.  Mit im Bild: Ehefrau Dorothea und Sohn Sebastian Das 1987 gegründete Unternehmen wird von Karl Rieder (rechts) geleitet. Inzwischen bringt sich fast die gesamte Familie mit ein. Mit im Bild: Ehefrau Dorothea und Sohn Sebastian Wir verwenden moderne, rückspeisende Lasten, um den Energieverbrauch in der Produktion gering zu halten. In diesen Bereich haben wir in den vergangenen Jahren stets viel investiert. So haben wir 2021 eine Photovoltaikanlage auf unserem Produktionsgebäude installiert, damit wir so viel wie möglich von dem Strom, den wir für Prüfungen und Produktion benötigen, selbst herstellen können.

Sie beschäftigen rund 100 Mitarbeiter und sind in Europa, Amerika, Asien und Australien aktiv. Nun herrscht Krieg in der Ukraine und die Energie- und Metallmärkte sind von Preisschwankungen und Lieferschwierigkeiten geprägt. Wie schätzen Sie die Entwicklung sowie den Einfluss auf Ihr Geschäft ein?

Karl Rieder: An eine Deglobalisierung, von der manche reden, glaube ich nicht. Deutschland ist auf den globalen Markt angewiesen. Aber es gibt politische Entwicklungen, die das internationale Geschäft beeinflussen. Man denke an China, das viel Technologie im Ausland eingekauft hat. Das ist zunehmend politisch unerwünscht, daher gehe ich mittelfristig von einem Rückgang des Chinageschäfts aus. Wir werden aber weiterhin international tätig sein, weil unsere Kunden es sind und wir ihnen folgen. Es besteht ein Serviceanspruch, daher werden wir unser After Sales-Geschäft langfristig aufrechterhalten.

Die Auftragslage in der Galvanobranche ist ja zurzeit sehr gut. Färbt das auch auf Ihr Geschäft ab?

Aktuell ist es so. Wir haben schon die eine oder andere Krise mit unseren Kunden mitgemacht. Aktuell ist die Stimmung aber gut, wie man auch hier auf der Messe sieht.

Umreißen Sie doch bitte kurz, wie es mit Ihrer Firma einmal begonnen hat?

Schaltschränke von plating electronic in einer GalvanikSchaltschränke von plating electronic in einer GalvanikWir haben quasi in der Garage bzw. im Keller angefangen. Zur Zeit der Gründung im Jahr 1987 kam die Schaltnetzteiltechnik gerade auf. In der Galvano- und Oberflächentechnik war sie noch neu. Und da der Standort unserer Firma nicht allzu weit von der Goldstadt Pforzheim mit ihren zahlreichen Galvaniken entfernt liegt, konnten wir dort in einem ersten Schritt einige Firmen von unserer Technik überzeugen. Unser Vorteil war es, kleineren Unternehmen sehr genaue Gleichrichter zur Minimalbeschichtung anbieten zu können. Sie konnten so die Anforderungen ihrer Kunden erfüllen, ohne zu viel Material zu verbrauchen. Das hat recht gut funktioniert, insbesondere bei Gold und Silber. Für die Abscheidung von einigen Mikrometern Metall braucht man eine bestimmte Zeit. Je genauer das Gerät ist, desto präziser kann die Abscheidung eingestellt werden und das spart Gold. So kam unser Geschäft in Gang. Und heute sind wir hier. Wir haben dann einen kontinuierlichen Aufstieg erlebt. Inzwischen haben wir viele Mitarbeiter, die schon länger als 20 Jahre bei uns beschäftigt sind.

Wie sind die Aufgaben in Ihrem Unternehmen aufgeteilt?

Karl Rieder: Wir bringen uns alle im Unternehmen ein, meine Frau, meine drei Söhne und ich.

Sebastian Rieder: Wir sind in verschiedenen Bereichen aktiv. Ich arbeite im Vertrieb und baue neue Geschäftsbereiche auf. Der mittlere Bruder arbeitet seit einem Jahr in der Produktion und der jüngste Bruder beendet gerade sein Studium und will sich im Anschluss ebenfalls im Unternehmen einbringen.

Karl Rieder: Er hat ja bei uns eine Ausbildung zum Elektroniker gemacht und kennt den Betrieb in- und auswendig. Auch meine Frau arbeitet schon seit über 20 Jahren in der Firma und betreut die Bereiche Personal und Rechnungswesen. Ich kümmere mich inzwischen mehr um die Entwicklungsleitung und weniger um Vertriebsaktivitäten.

Wenn Sie nach 35 Jahren Unternehmensgeschichte in die Zukunft blicken. Wie ist die Aussicht?

In der Vergangenheit ist unser Geschäft kontinuierlich gewachsen und wir haben unsere Produkte regelmäßig angepasst. In den kommenden Jahren erwarten uns dagegen viele Herausforderungen, insbesondere der Umbruch in der Wirtschaft mit der Energiewende und dem Wechsel hin zur E-Mobilität. Mit unserem Produktportfolio sind wir aber gut aufgestellt. Zu unserer Belegschaft von rund 100 Mitarbeitern gehören allein 14 Entwickler, das sind Elektroingenieure und Softwareentwickler, mit denen wir uns gut für die Zukunft gewappnet sehen.

ZUR INFO

plating electronic: Innovationstreiber bei industrieller Stromversorgung

  • 1987: Firmengründung in Emmendingen bei Freiburg
  • 1993: Umzug nach Denzlingen bei Freiburg
  • 2016: Bezug des neuen Firmengebäudes mit Verwaltung und Produktion in Sexau bei Freiburg
  • 2021: Inbetriebnahme der modernen Photovoltaikanlage mit 265 kW Peakleistung, Gebäudeheizung durch KWK
  • 2021: Geräteprüfung durch rückspeisende wassergekühlte Lasten bis 400 kW
  • 2022 Installation von E-Ladestationen für E-Auto-Fuhrpark

www.plating.de

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 8
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Robert Piterek

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