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Mittwoch, 07 September 2022 12:00

Mit viel Leidenschaft die Armaturenwelt gestalten

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Geschätzte Lesezeit: 5 - 9 Minuten
Exklusive Kopfbrausenabdeckungen  in der Messinggalvanik Exklusive Kopfbrausenabdeckungen in der Messinggalvanik Foto: Hansgrohe

Die Firma Hansgrohe aus Schiltach im Schwarzwald prägt seit weit über 100 Jahren die Ästhetik von Armaturen- und Brausen fürs Badezimmer. Der ehemalige Handwerksbetrieb von 1901 ist mittlerweile zu einem mittelständischen Global Player aufgestiegen und legt mit atemberaubenden Wachstumsraten zu. Eines der Erfolgsgeheimnisse ist das breite Know-how für Oberflächenbeschichtung und die Liebe zum Detail.

Es vermittelt ein Gefühl von Wohlbefinden, wenn eine frische Dusche unter makellosen Armaturen und Duschapplikationen nach einem Saunagang Körper und Seele reinigt. Oder wenn nach dem Abendessen im Restaurant gehobener Klasse bei sanfter Hintergrundmusik exklusive Armaturen an edlen Waschtischen mit bereitliegenden Handtüchern Wasser spenden und einen gelungenen Abend abrunden.

Bäderkultur bei Hansgrohe

Lebenswelten wie diese entstehen bei Hansgrohe in Schiltach. Das 5400-Mitarbeiter-Unternehmen verbindet unter seinen beiden Marken Axor und hansgrohe bewusst Leidenschaft, Individualität und Exzellenz mit einem breiten Sortiment aus Bad- und Küchenarmaturen sowie Brausen. Namhafte Designer arbeiten für das Unternehmen aus dem Schwarzwald und entwerfen für die Marken ihre Badkollektionen. Zugleich wirbt die sogenannte Aquademie am Firmensitz in Schiltach mit der Showerworld und individuellen Bäderlandschaften – im firmeneigenen Museum findet sich sogar noch der orangefarbene Seventies-Look mit Duscherlebnis hinter Glasbausteinen. Der Markt wird dabei genauestens im Auge behalten: Trendscouts spüren Entwicklungen auf, die das 195-köpfige Forschungs- und Entwicklungsteam sowie 50 Konstrukteure in innovative Produkte verwandeln. Mittlerweile gibt es sogar eine Brause für den Hund.

Brennen für ihren Job:  Alexander Kuderer und Thorsten Pohl (v.l.n.r.)Brennen für ihren Job: Alexander Kuderer und Thorsten Pohl (v.l.n.r.)

Aufstecken von Armaturenkomponenten im Bereich der MessinggalvanikAufstecken von Armaturenkomponenten im Bereich der Messinggalvanik

Im Bereich Oberflächentechnik müssen bei Hansgrohe täglich zehntausende Teile von Produktionsschritt zu Produktionsschritt gelangen – eine organisatorische MeisterleistungIm Bereich Oberflächentechnik müssen bei Hansgrohe täglich zehntausende Teile von Produktionsschritt zu Produktionsschritt gelangen – eine organisatorische Meisterleistung

In einer Roboterzelle wird der sogenannte Highriser bearbeitet. Unter der langhalsigen Armaturenvariante kann man sich auch die Haare waschen In einer Roboterzelle wird der sogenannte Highriser bearbeitet. Unter der langhalsigen Armaturenvariante kann man sich auch die Haare waschen

Die Strategie der Emotionalisierung wirkt: Der Umsatz bei Hansgrohe wuchs im vergangenen Jahr um märchenhafte 27 % auf 1,365 Mrd. Euro. Als international aufgestelltes Unternehmen mit einem ausländischen Umsatzanteil von 74 % und Werken in Deutschland, Frankreich, den USA und China gilt das Qualitätsverständnis „Made by Hansgrohe“ für alle Produktionsstandorte rund um den Globus, von Schiltach bis nach Shanghai. Hinzu kommen zahlreiche Auszeichnungen: Top-Employer 2021, Top 100 Innovator des deutschen Mittelstands sowie 700 Designpreise.

Erfolgsgarant Oberfläche

Doch hinter den Bäderträumen und Erfolgen aus dem Hause Hansgrohe stehen nicht zuletzt innovative Ideen, ein motiviertes Team und professionell ausgeführte industrielle Prozesse, insbesondere aus der Galvano- und Oberflächentechnik. „Wir definieren uns auch durch die Oberflächen“, verrät Thorsten Pohl, Leiter Oberflächentechnologie International bei Hansgrohe. Allein 150 Mitarbeiter widmen sich in Schiltach den vielfältigen Arbeitsschritten rund um die Oberflächentechnik der Produkte. Pohl ist Vollblutgalvaniker. Begonnen hat er als Oberflächenbeschichter bei einem Armaturenhersteller im Sauerland. Dann folgten der Galvanomeister und die zunehmende Verlagerung seines Arbeitsschwerpunkts in den kaufmännischen Bereich. Mitte der 1990er-Jahre ergab sich dann der Wechsel vom Westen in den Süden Deutschlands, wo Pohl 2005 schließlich bei Hansgrohe im Schiltacher Kinzigtal beruflich neu startete.

Alexander Klause, hat einen sehr hohen Stellenwert in SchiltachAlexander Klause, hat einen sehr hohen Stellenwert in Schiltach

Auch das Team der Axor Manufaktur gehört zur Organisationseinheit von Alexander Kuderer    Auch das Team der Axor Manufaktur gehört zur Organisationseinheit von Alexander Kuderer

Sesam öffne dich: Die PVD-Kammern sind ständig in Betrieb, weil der Bedarf an PVD-Beschichtung hoch und ihr Einsatz teuer ist  Sesam öffne dich: Die PVD-Kammern sind ständig in Betrieb, weil der Bedarf an PVD-Beschichtung hoch und ihr Einsatz teuer ist

10.000 Armaturen- und Brausenvarianten

Lara Burger ist Projektleiterin in der Axor Manufaktur und  steuert die Umsetzung exklusiver BäderwünscheDas Spektrum von Farben und Oberflächenbeschaffenheiten der Armaturen in Schiltach ist beachtlich. Bis zu 10.000 unterschiedliche Varianten von Armaturen und Brausen gibt es. 17 Farbbeschichtungen – von Silber- über Gold- und Bronzetöne bis zu matten schwarzen Oberflächen – sind verfügbar. „Sehr beliebt ist gebürstetes Schwarz in einem Anthrazit-Ton. Goldoptik läuft aber auch sehr gut, während im PVD-Bereich besonders Bronze im Trend ist“, weiß Alexander Kuderer, Leiter der Axor-Produktplanung, der im Produktionswerk West in Schiltach die Herstellung von Axor-Armaturen vom Reißbrett bis zum fertigen Produkt begleitet.

Bei der Gestaltung der Oberfläche dominieren zwei Verfahren: die Galvanotechnik und das Physical Vapor Deposition (PVD)-Verfahren, mit dem 15 der 17 Farboberflächen realisiert werden. Die galvanotechnischen Oberflächen beschränken sich auf Glanz- und Mattchrom. Und PVD-beschichtet oder nicht: Chrom ist immer die Basis einer Armatur aus Schiltach.

Automatisches Verchromen

Der Griff  dieser Armatur besteht aus einem massiven,  dunklen Swarovski-SteinDer Griff dieser Armatur besteht aus einem massiven, dunklen Swarovski-SteinThorsten Pohl ist ein Hüne von einem Mann. Mit weit ausholenden Gesten leitet er durch die Produktionshallen, vorbei an der Messinggießerei, wo im Niederdruckgießen die Rohteile für die Armaturen entstehen. Dann folgen weitere vorgelagerte Bereiche wie die mechanische Bearbeitung, in der Öffnungen und Gewinde eingebracht werden sowie die Schleiferei und Poliererei. Brummende Maschinen und Schleiftöne prägen die Geräuschkulisse. In einer Roboterzelle poliert und schleift ein Blechkamerad gerade einen sogenannten „Highriser“, eine Armaturenvariante mit besonders hohem Grundkörper und langem Auslauf. Darunter kann sich der Kunde auch am Waschbecken problemlos die Haare waschen. Schließlich ist die Messinggalvanik erreicht, die durch einen hohe Abtrennung gesichert ist. Die Galvanisierung erfolgt hier vollautomatisch – rund um die Uhr fahren Gestelle per Transportwagen in die Anlage hinein und wieder hinaus. Im vergangenen Jahr wurden so in Summe 15,2 Millionen Teile galvanisiert. „Wir beschichten hier noch mit Chromtrioxid, für das wir eine 12-Jahre-Sondergenehmigung haben – sowohl für das Beizen von Kunststoffen sowie die finale Beschichtung“, erklärt Pohl. Allerdings sind die Tage von Chrom VI gezählt: Hansgrohe will vor Ablauf der Sondergenehmigung auf Chrom III umstellen – schon weil sich das Unternehmen einer nachhaltigen Produktionsweise, geprägt von Einsparungen, Recycling und Umweltschutz, verschrieben hat, wie Pohl erläutert. Bis auf Weiteres wird hier jedoch noch weiter klassisch verchromt und gesundheitsbeeinträchtigende Stoffe werden automatisch dosiert, um die Oberflächenbeschichter zu schützen.

Der Prozess, der sich hinter den Abtrennungen abspielt, ist klar geregelt: Nach einer umfangreichen Vorreinigungsstufe mit Entfettungs- und Spülstufen, die unterschiedliche Schmutzarten entfernt, folgen unterschiedliche Nickelbeschichtungen als Basis für die finale Chromschicht. Je nach Anforderung kann auch Hochglanznickel für Hochglanzchrom eingesetzt werden. Schließlich wird die Armaturenkomponente im Chromelektrolyten beschichtet. Die Nickelschicht ist dabei 15 bis 25, die Chromschicht 0,3 bis 0,6 µm dick.

Mit PVD-Beschichtung das Produktspektrum erweitern

Ein wichtiges Erfolgsgeheimnis für das große Wachstum der vergangenen Jahre ist Pohl und Kuderer zufolge aber auch die zunehmende Fokussierung auf die PVDBeschichtung und Sonderoberflächen wie Lack. Die Oberflächentechnik, bei der im Hochvakuum einer Kammer mittels Strom verschiedene Gase über metallische Targets im Plasma verdampfen und so Metall auf dem Bauteil abgeschieden wird, kommt eigentlich aus dem technischen Bereich. Seit 2010 präsentiert Hansgrohe verstärkt auch Produkte mit PVD-beschichteten Oberflächen. Mit Erfolg: Das Verfahren, das deutlich mehr Kratz- und Verschleißfestigkeit der Bauteile und weitere Möglichkeiten bei der Farbgestaltung bietet, kam zunehmend zum Einsatz. So nimmt die Zahl der Produkte mit PVD-Oberflächen mittlerweile einen immer größeren Anteil im Produktsortiment ein.

Vor dem abgeschotteten Bereich der PVD-Beschichtungskammern zeigt ein Display über der Tür Rahmendaten über den Prozess und die Nutzung der Kammern an. Türen, dick wie Tresorluken, versperren die Vakuumkammern, die gerade alle in Gebrauch sind. „Wir arbeiten hier im Dreischichtbetrieb. PVD-Kammern sind sehr kapitalintensiv, sowohl was die Investitionen als auch die Betriebs- und Wartungskosten angeht“, beschreibt Pohl die unternehmerischen relevanten Gesichtspunkte bei der PVD-Beschichtung. „Die Wirtschaftlichkeit setzt voraus, dass die Anlagen rund um die Uhr betrieben werden“, ergänzt er. Einsatzmöglichkeiten gibt es genug: Aktuell wird in den Kammern sogar zum Teil am Samstag beschichtet, um die gute Auftragslage zu bedienen. Dann öffnet sich doch noch eine der Kammern, die eng mit dicht behängten Gestellen gefüllt ist. Zahlreiche klein- und mittelgroße Komponenten kommen zum Vorschein. Kaum ist die Kammer entladen, startet die erneute Beladung.

Wo Armaturen fürstlichen Glanz erhalten

Letzter Streckenpunkt des Werks West ist die Axor Manufaktur. Unter der Leitung von Thomas Wienen verwirklichen neun Mitarbeitende exklusive Produktvarianten für Hotels, Kreuzfahrtschiffe aber auch exklusive Privathäuser. Ein lohnendes Geschäft – auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wie jetzt, wie der hohe Auftragsstand zeigt. In der Vergangenheit wurden hier Prestigeprojekte wie Teile der Ausstattung des Luxusliners „Queen Elizabeth 2“ oder des Luxushotels „Burj al Arab“ in Dubai mit Badarmaturen gesteuert. „Wenn eine Sonderanfertigung einer unserer Kollektionen hereinkommt, wird zunächst die technische Umsetzbarkeit geprüft und dann von einem Projektteam vom ersten Prototypen bis hin zum Auslösen der Einzelteile und zum Serienanlauf begleitet“, erklärt Projektleiterin Lara Burger den Ablauf. Eines der aktuellen Prestigeprojekte waren die individuellen Armaturen in den acht Shamballa-Suiten des Luxushotels Villa Copenhagen in der dänischen Hauptstadt. Dort kommt die Armatur Axor Montreux zum Einsatz. Ihr viergliedriger Griff ist individuell gestaltet und mit Saphiren und Rubinen besetzt. „Die Manufaktur mit ihren Sonderleistungen ist Türöffner, um bei solchen Projekten zu überzeugen, denn die Hoteleigner erwarten für ihre Suiten sehr exklusive Produkte“, weiß Alexander Kuderer. Er macht noch auf eine weitere silberglänzende Armatur aufmerksam, die über einen Griff betätigt wird, der aus einem riesigen Swarovski-Stein besteht. Die Marke Axor ist aber nicht nur etwas für das absolute Oberklassesegment. Im mittleren Alter investieren manche Endverbraucher noch einmal in ein neues Gäste-WC mit Axor-Produkten und -individuellen Oberflächen. „Das Gäste-Bad ist quasi das Aushängeschild des Gastgebers“, hat der Axor-Produktplanungsleiter beobachtet, der zunächst Industriemechaniker gelernt hat und während der anschließenden Ausbildung zum Maschinenbautechniker die Arbeit bei Hansgrohe kennenlernte.

Das Schiltacher Hansgrohe-Werk liegt im idyllischen, aber engen KinzigtalDas Schiltacher Hansgrohe-Werk liegt im idyllischen, aber engen Kinzigtal

Armaturen- und Brausenflotte wird umgestellt

Die Lieferprobleme angesichts des Ukrainekriegs und der Nachwirkungen der Pandemie schrecken Thorsten Pohl nicht, wenn er an die Versorgung mit Rohstoffen bei Hansgrohe denkt. Denn das Unternehmen aus dem Schwarzwald ist das Thema Supply Chain frühzeitig angegangen und hat die Lagerbestände bei Rohmaterialien erhöht. Auch Chemielieferanten für die Elektrolyte halten die erforderlichen Mengen für die Schiltacher bereit. Das Wachstum kann also weitergehen. Daher werden aktuell 12 Millionen Euro in die Modernisierung des Produktionsstandorts in Schiltach investiert. Das neue Axor Center for Excellence wird so zum Kompetenzzentrum für die Fertigung von High-End Armaturen. Herausforderung ist auch der Trend zur Nachhaltigkeit, der zum Wasser- und Energiesparen anhält. „Wir sind dabei unsere Armaturen- und Brausenflotte komplett auf die EcoSmart-Technologie umzustellen, mit der nur noch etwa 9 Liter Wasser pro Minute durch die Brause fließt. Brausen, die mehr als 30 Liter pro Minute verbrauchen, wird es in Zukunft nicht mehr geben“, ist sich Thorsten Pohl sicher. Durch Beimischung von Luft und die ausgefeilte hauseigene Strahlforschung ist der Duschkomfort auch bei geringerem Wasserdurchlauf gewährleistet, ist man bei Hansgrohe überzeugt. Auf diese Weise sollen bis 2030 alle wasserführenden Produkte ausschließlich mit Wasserspartechnologien verfügbar sein. Mit viel Leidenschaft für die Armaturenwelt blicken Pohl und Kuderer schon nach vorne – im März 2023 steht die nächste Sanitärmesse ISH in Frankfurt an, auf der sie reichlich Neuentwicklungen mit makellosen Oberflächen präsentieren wollen.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 8
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Robert Piterek

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