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Dienstag, 27 September 2022 12:00

Entgiftung von Nickel, Kupfer und Cyaniden

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Der Metallschlamm als „Schlammkuchen“ ist eines der Ziele einer  Abwasserbehandlung. Die Schritte bis zum Ziel hängen von vielen Faktoren ab Der Metallschlamm als „Schlammkuchen“ ist eines der Ziele einer Abwasserbehandlung. Die Schritte bis zum Ziel hängen von vielen Faktoren ab

Frage: Prozessbedingt sammeln sich bei uns cyanidische Abwässer mit Kupfer und Nickel in einem Chargenbehälter. Derzeit lassen wir dies abholen, doch auf Dauer ist das ein großer Kostenpunkt. Welche Möglichkeiten gibt es, ein solches Gemisch direkt im Chargenbehälter zu behandeln?

Antwort: Die klassische Methode, um Cyanide zu entgiften, ist die Anwendung von NaOCl oder Cl2-Gas, wobei sich hier bei der Einblasung im alkalischen Medium ebenfalls NaOCl bildet.

2NaOH + Cl2 → NaCl + NaOCl + H2O

Die Anlagentechnik von Chlorgas ist zwar umfangreicher, stellt aber heute keine Probleme mehr dar. Dafür bringt die Entgiftung mit Chlorgas den Vorteil, das Oxidationsmittel als 100%ige „Lösung“ (Chemikalie) zuzugeben. Bei Natriumhypochlorit werden hingegen bis zu 85 % Wasser dosiert, da dieses Oxidationsmittel als ca. 15 %ige Lösung vertrieben wird. Bei großen Abwassermengen macht der durch Chlorgasanwendung eingesparte Platz einiges aus.

Das Problem: Bei einem höheren Cyanidgehalt wird das mit Nickel i. d. R. nicht funktionieren, weil die Verbindung viel zu stabil ist, bspw. Ni(CN)2 bzw. K2[Ni(CN)4] (Kaliumtetracyanonickelat(II)). Sie können dies gerne selbst in einem Becherglas probieren und dem Abwasser einen Überschuss an NaOCl zugeben. Bei ausreichend hoher Nickel- und Cyanidkonzentration sollte sich hier selbst nach einem Jahr Reaktionszeit kein Erfolg einstellen. Wenn die Konzentrationen gering und der Überschuss hoch genug ist, kann es dennoch funktionieren. Dann sollte man nur nicht das AOX außer Acht lassen [2].

Die Oxidation mit Wasserstoffperoxid wird nicht funktionieren, da hier die Oxidationskraft geringer ist. Hinzu kommt der Kupfergehalt. Bei einer zu starken Dosierung reagiert das H2O2 mit dem vorliegenden Kupfer katalytisch. Hierbei kann es – salopp gesagt – passieren, dass Ihnen das Abwasser aus der Charge hüpft.

Peroxomonoschwefelsäure (auch Karoat oder Carosche Säure genannt) ist zumindest in der Theorie eine gute Möglichkeit. Es ist aber verhältnismäßig teuer, die Reaktionszeiten können recht lange dauern und es reagiert exotherm. Die Lagerung reiner Peroxomonschwefelsäure ist darüber hinaus als kritisch zu betrachten, da es explosiv ist.

Auch wenn es noch weitere Möglichkeiten gibt, die in der Praxis eine Nische finden konnten (etwa Ozon oder anodische Oxidation) empfehlen wir deshalb die Kombination aus UV-Licht und H2O2. Auf die Details wurde bereits in [3] vertiefend eingegangen, weshalb hier nur ein Überblick folgen soll.

UV-Oxidation

Cyanid-Entgiftung mittels UV-ReaktorCyanid-Entgiftung mittels UV-ReaktorEine Oxidation mit UV-Licht ist normalerweise mit einer Zudosierung von Wasserstoffperoxid verbunden. Das Kupfer spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, da diese Einrichtungen so ausgeführt sind, dass das H2O2 im Bypass fein zugegeben wird. Es entsteht somit nie eine lokale Überdosierung des Oxidationsmittels.

Zur UV-Oxidation werden sehr kompakte Reaktoren eingesetzt, die in der Regel aus einem Edelstahlrohr mit eingesetztem Quarzrohr bestehen. Im Quarzrohr befindet sich die UV-Lampe mit einer üblichen Leistung zwischen 1–12 kW. Zum Einsatz kommen Hochdruck- und Niederdruckquecksilberlampen. Die Verweilzeit des Abwassers liegt im Bereich von 5–10 Sekunden, so dass selbst bei großen Wassermengen der UV-Reaktor sehr klein ausgebildet sein kann.

Die entstehende kurzwellige UV-Strahlung ist in der Lage, chemische Bindungen direkt anzugreifen und somit zu einem Abbau von organischen Molekülen zu führen. Es wird somit nicht nur Cyanid oxidiert, sondern auch CSB und TOC abgebaut. Der zweite Reaktionsweg läuft über die Produktion von OH-Radikalen aus der Spaltung von H2O2–Molekülen. Die OH-Radikale sind als sehr starke Oxidationsmittel in der Lage die organischen Verbindungen abzubauen.

U. a. aufgrund der Nebenreaktionen, also dem CSB und TOC Abbau, dauert die UV-Oxidation i. d. R. länger als mit NaOCl. In der Praxis werden Werte von 12–72 h angegeben, wobei es sich bei den 72 h unserer Erfahrung nach um Gemische handelt, die sich mit Natriumhypochlorit überhaupt nicht behandeln lassen.

Ammonium

Egal mit welcher Methode oxidiert wird, es wird immer ein Teil Ammonium (saurer Bereich) oder Ammoniak (alkalischer Bereich) entstehen [3].

Ammoniak ist ein Nährstoff, welcher bei der Einleitung in Gewässer zur Eutrophierung führen kann. Außerdem wirkt er als Fischgift. Bei einer Indirekteinleitung über die Kanalisation ist er in Kläranlagen ein Nahrungsmittel für die Mikroorganismen. Findet eine Direkteinleitung statt, so ist der Ammoniak aus dem Abwasser zu entfernen.

Die Bildung von Ammoniumverbindungen nach der Oxidation von Cyanit ist nicht zu vernachlässigen. Diese geschieht i. d. R. dann extrem, wenn nach der Cyanidentgiftung eine Phosphatbehandlung anfällt. Durch das Senken des pH-Wertes bilden sich aus dem Cyanat (CNO) Ammoniumverbindungen. Eine Zwischenoxidation bei pH-Wert 7–8 (weitere Oxidation des Cyanats zu C und N-Verbindungen) sollte vor der Durchführung erst im Labor erprobt werden.

Liegen Ammoniak bzw. die Ammoniumverbindungen im Bereich von einigen g/L vor, so ist eine Ammoniakstrippung gerechtfertigt. Der Einsatz eines Blasenreaktors, in welchem feinverteilte Luft oder Wasserdampf unter alkalischen Bedingungen Ammoniak austreibt, ist möglich, aber aufwändig. Das im Luftstrom enthaltene Ammoniakgas kann in diesem Fall in einer zweiten Stufe über einen Waschturm (Festkörper, Tropfenfänger) wieder zurückgewonnen werden. Das Waschen kann mit Säuren erfolgen. Dadurch erhält man Ammoniumsulfat bzw. Ammoniumphosphat.

Für geringe Ammoniakkonzentrationen kann auf die aus der analytischen Chemie bekannte Magnesium-Ammonium-Phosphat Ausfällung (MgNH4PO4) zurückgegriffen werden. Problematisch sind dabei die Einhaltung eines begrenzten pH-Wertes von 9 sowie ein erforderlicher, stöchiometrischer Überschuss an Magnesium und Phosphorsalzen, um Werte unter 20 mg/L zu erreichen. Dazu kommt eine extrem hohe Schlammbildung, was den Ausschlag dafür gibt, dass diese Methode in der Praxis nicht angewendet wird.

Metallfällung

Sobald das Abwasser von Cyaniden und Ammonium befreit wurde, beginnt die klassische Metallfällung.

Als Fällungsmittel kommen folgende Verbindungen zum Einsatz:

  • Alkalihydroxide (NaOH)
  • Kalkmilch (Ca(OH)2)
  • Alkalicarbonate (Na2CO3) = Natriumcarbonat.

Werte wie pH-Wert, Temperatur und Redox müssen bei der  Entgiftung kontinuierlich überwacht werdenWerte wie pH-Wert, Temperatur und Redox müssen bei der Entgiftung kontinuierlich überwacht werdenEine erfolgreiche Fällung bezieht sich auf die Grenzwerteinhaltung (wenn alle Metalle reagiert haben). Bei Problemen muss ein anderes Fällungsmittel mit kleinerem Löslichkeitsprodukt verwendet werden (Alkalisulfide, Organosulfide etc.).

Der Einsatz von Sulfiden sollte mit Bedacht gewählt werden, da Sulfide selbst als giftig gelten. Außerdem sollte eine Fällung mit Sulfiden erst nach der Hydroxidfällung erfolgen, um eine laufende Umkomplexierung zu vermeiden.

Ideal ist eine Sulfidbehandlung, nachdem das Abwasser bereits filtriert wurde. Wenn eine Rücklösung der gefällten Hydroxide vermieden wird (wurden bereits gefiltert), kann viel Chemie gespart werden. Außerdem erweist sich diese Durchführung als prozesssicher, da beim Vorhandensein von Metallhydroxiden Nachreaktionen und Verschiebungen von Gleichgewichten nicht ausgeschlossen werden können.

Der Grenzwert für Kupfer liegt bei 0,5 mg/L. Bei Zugabe von NaOH oder Ca(OH)2 liegt der Fällungsbeginn bei pH 5,8, bei Na2CO3 bereits bei pH 5,6. Je nach Zusammensetzung des Abwassers ist eine Unterschreitung des Grenzwerts bereits ab pH 7,8 zu erwarten.

Bei Nickel liegt der Fall ein bisschen anders. Der Grenzwert liegt ebenfalls bei 0,5 mg/L, in Ausnahmefällen bei 1,0 mg/L. Fällungsbeginn ist ab pH 7,8, unterhalb des Grenzwerts erst ab pH 9,8. Durch Anwesenheit von anderen Kationen (wie Kupfer) ist eine etwas frühere Unterschreitung zu erwarten (etwa pH 9,2–9,5, je nach Konzentration).

Anschließend wird das Gemisch geflockt. Die Aufhebung der Grenzflächenladung geschieht durch Zusatz von Elektrolyten, wobei deren Wirkung mit ansteigender Wertigkeit exponentiell zunimmt. Bestehen die Elektrolyte, wie es bei der Koagulation von Abwasserinhaltsstoffen üblich ist, aus Lösungen leicht hydratisierender Metallsalze, z. B. FeCl3 oder Al2(SO4)3, dann kommt es nicht nur zu deren Koagulation, sondern auch zu Adsorbtionsvorgängen. Man nennt diese Kombination Adsorbtionskoagulation. Bei überschüssiger Dosierung dieser Metallsalzlösungen kommt es zusätzlich zum mechanischen Einbau der feinen Partikel in die gröberen Eisen(III)-hydroxid- bzw. Aluminiumhydroxidflocken und dadurch zur Verbesserung der Sedimentation.

Die Flocculation ist ein Vorgang, der sich häufig an die Koagulation anschließt, aber auch allein zur Anwendung kommen kann. Insbesondere dann, wenn die dazu benutzten Mittel ionogen sind und damit zusätzlich zur Koagulation führen. Zur Flocculation sind organische Makromoleküle mit gestrecktem Aufbau, die wasserlöslich sind und sich elektrostatisch oder chemisch an Kolloide oder feinste Teilchen anlagern können, geeignet.

Dabei ist es wichtig, dass die Makromoleküle mit einem Ende oder der Länge nach an den Partikelchen haften und dass das andere Ende möglichst weit in den Elektrolyten reicht. Dieser kann sich dann auf gleiche Weise ein anderes Partikelchen anlagern.

Dabei entstehen größere, durch diese fadenförmigen Moleküle zusammengehaltene Verbände, die sich gut sedimentieren lassen bzw. die Sedimentation beschleunigen. Stoffe, die eine solche Flocculation bewirken, nennt man Flockungshilfsmittel.

Die als Schlamm ausfallenden Hydroxide werden i. d. R. mittels einer Filterpresse / Kammerfilterpresse filtriert [2].

Literatur

[1] CyanoMat - Moderne Cyanidentgiftung mittels UV-Oxidation – Galvanotechnik 10/2001
[2] Umwelttechnik Teil 1 – Abwasserbehandlung https://www.galvanotechnik-for-you.de/kurse/umwelttechnik-teil-1-abwasserbehandlung/
[3] Cyanidentgiftung mit UV-Oxidation – Galvanotechnik 05/2021

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 9
  • Jahr: 2022
  • Autoren: B. C.

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