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Dienstag, 13 September 2022 14:45

EMS-Anbieter wünschen sich von Maschinen vor allem mehr Flexibilität

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Geschätzte Lesezeit: 4 - 8 Minuten

Maschinenhersteller warten immer wieder mit interessanten Neuerungen auf, die gerade auf der Messe ‚productronica‘ vorgestellt werden. Doch bis zur nächsten ‚productronica‘ wird einige Zeit verstreichen (November 2023). Die PLUS erkundigt sich unterdessen, wie diese Innovationen bei EMS-Anbietern ankommen – und welche sie sich von kommenden Maschinen erhoffen. Und ein Gebrauchtmaschinenhändler plaudert aus dem Nähkästchen.

„Der Chef lässt sich entschuldigen – ein neuer Container ist gekommen.“ Es ist gar nicht so leicht, Thorsten Düvel von TWD ‚an die Strippe‘ zu bekommen. Die in Leimberg bei Aachen sitzende Firma handelt mit Gebrauchtmaschinen rund um die Leiterplattenbestückung und besitzt mehr als 28 Jahre Erfahrung im An- und Verkauf dieser Systeme. Damit bot sich TWD-Geschäftsführer Thorsten Düvel als Gesprächspartner für unser Spezialheft an. Gerade in der holprigen Marktsituation – gezeichnet von schlechter Bauteilverfügbarkeit, Rohstoffknappheit, hohen Energiepreisen und Lieferkettenunterbrechungen – sind Einschätzungen eines Anbieters von Gebrauchtmaschinen von Interesse. Müssen heute Maschinen ausgetauscht werden, stellen die Bezieher oft andere Anforderungen als früher. Doch was erwarten die Käufer solcher Maschinen – von deren Herstellern, was erwarten vor allem die Bestücker?

Traceability ist in der Elektronikfertigung nicht mehr wegzudenken (Bild: Critical Manufacturing)Traceability ist in der Elektronikfertigung nicht mehr wegzudenken (Bild: Critical Manufacturing)

Antworten auf diese Fragen erhofften wir uns von Thorsten Düvel. Es verstrichen Wochen bis zu einem Telefonat – die PLUS musste einlaufenden Containern bei TWD den Vortritt lassen. „Die Anfrage ist nicht geringer geworden, sondern gleichbleibend“, erklärt Düvel im Gespräch. Allerdings legten seine Kunden immer mehr Wert auf Anlagen, „die einen nicht so hohen Stromverbrauch hätten“. Ganz klar: Auch im EMS-Bereich müssen die Energiekosten gesenkt werden. Zugleich würden erprobte Maschinen geschätzt, aufgrund ihrer Zuverlässigkeit und ihrer bekannten Einsatzmöglichkeiten.

Thorsten Düvel,  TWDThorsten Düvel, TWD

Joachim Taube, RAFIJoachim Taube, RAFI

Matthias Sester, Fritsch ElektronikMatthias Sester, Fritsch Elektronik

Marc Lauter,  KATEKMarc Lauter, KATEK

Bei TWD werden eingehende Maschinen gründlich trockeneisgereinigt und aufbereitet. Sie finden dann rasch Abnehmer: Vor allem Vakuumdampfphasenanlagen werden laut Düvel händeringend gesucht. Auch spezielle Dispenser, kleine Transportsysteme und Flipstationen werden sehr gerne gekauft. Eines sei aber laut Düvel klar: „Die Lage zwingt Kunden zur Vorsicht, sie wollen vor einem Investment abwarten, wie sich die Lage entwickelt.“ Auch wegen des Ukrainekonflikts. Die Unsicherheit sei spürbar.
Ansonsten unterscheide sich die Nachfrage bei Großkunden und kleinen EMS-Dienstleistern. „Großkunden gehen auf High Volume, kleinere müssen vor allem flexibel sein.“ Auch gehe der Bedarf in Deutschland eher auf einzelne Maschinen, während ins Ausland ganze Linien geliefert werden, etwa nach Portugal, in die USA oder in ein deutsches Fertigungswerk auf Taiwan.

Andreas Kraus, Kraus HardwareAndreas Kraus, Kraus HardwareAuf die Frage, welche Innovationen sich seine Kunden für neue Maschinen wünschen, hebt Düvel vor allem einen Punkt hervor: „Maschinen müssen gerade heute eine hohe Flexibilität bieten: schnelle Programmierung aus den CAD-Daten, rasche Aufnahme und Beschreibung der Bauteile.“ Was die Traceability angeht: Zwar sei die Datentiefe heutiger Maschinen laut Düvel enorm („Ein Wahnsinn, welche Masse an Daten auslesbar ist.“). Doch zusätzliche Schnittstellen unter den Maschinen seien vielfach erwünscht, damit Module unterschiedlicher Hersteller noch besser miteinander kommunizieren – vor allem bei der Transportsystemübergabe.

Bei der Frage, was er für Zukunft bei den Maschinen erwarte, hält sich Düvel bedeckt. „Vielleicht die Bestückung mit Lasertechnik für kleine, flexible Produktionen. Oder die Bestückung mit Heißluft.“ Er sieht solchen Innovationen neugierig entgegen. Schließlich seien die Maschinen von morgen die Gebrauchtmaschinen von übermorgen.

Welche Innovationen erhoffen sich EMsler von neuen Maschinen?

Wir haben auch einige EMS-Dienstleister befragt, wie sie aktuelle Entwicklungen bei Maschinen und Fertigungsanlagen bewerten. Joachim Taube (Entwicklung & Betriebsmanagement bei RAFI) zeichnet ein positives Bild: „Die Automatisierung der Standardprozesse ist relativ weit fortgeschritten. Interessant werden in Zukunft Lösungen für optische Prüfungen mit Hilfe der K.I, teilautomatisierte Umrüstvorgänge bei Produktwechseln und die weitere Automatisierung von Prüf- und Montageprozessen.“ Auch er wünsche sich bei neuen Maschinen eine hohe Flexibilität: „Automatisierung lohnt sich oft nur bei größeren Stückzahlen. Um auch mittlere und kleine Stückzahlen automatisiert zu fertigen, benötigt es einfach einzurichtende Automatisierungslösungen, die zuverlässig und sicher betrieben werden können.“ Besonders die Zuführung von Material und der Transport der Baugruppen stellten hierbei eine Herausforderung dar.

Das deckt sich mit den Wünschen von Matthias Sester, Geschäftsführer von Fritsch Elektronik. „Wir setzen auf zwei unterschiedliche Maschinentypen: ASM, um hochvolumige Aufträge erfüllen zu können, und MYDATA, weil man damit hochflexibel ist. Ich habe leider keine Maschine entdeckt, die beides in sich birgt: Hohe Flexibilität und High-Volume-Fähigkeit.“ Die stotternde Bauteilverfügbarkeit der letzten zwei Jahre habe Fritsch recht gegeben, beide Eigenschaften gleichermaßen abzudecken: „Man wartet oft ein halbes Jahr auf bestimme Bauteile. Meistens kommen dann entweder alle auf einen Schlag, oder es kommt gar nichts. Man bekommt auch Materialien oft nicht mehr auf einer Rolle, sondern Gurtabschnitte – wir nennen sie ‚Schnipsel‘. Wer als EMS-Dienstleister die Fähigkeit hat, so etwas kosteneffizient zu verarbeiten, der hat die Nase vorn.“

Durch die Marktsituation sei die Situation laut Sester schwieriger geworden: „Wenn ein Bauteil verfügbar ist, muss ich für den Kunden parat stehen. Das muss sich auch im Maschinenumfeld abzeichnen. Seit drei Jahren ist da wenig passiert, wir kriegen wenig Unterstützung von der Maschinenwelt.“ Künftige Maschinen müssten Flexibilität und Volumen-Fähigkeit besser miteinander verbinden. Was diese gewünschte Flexibilität für ihn bedeutet, sagt Sester ebenfalls deutlich: „Der Umgang mit der Bauteilvielfalt und ein besseres Handling. Denn früher war alles immer verfügbar. Das hat sich geändert.“

„Wir brauchen den vollen Zugriff auf Maschinen- und Produktionsdaten“

Bezüglich des wichtigen Aspekts der Traceability merkt Sester – durchaus kritisch – an, dass bei Maschinenherstellern auf Einheitlichkeit wenig Wert gelegt wird: „Das ist eine betriebspolitische Entscheidung. Sie wollen ihre eigene Software verkaufen.“ Er wünsche sich mehr Transparenz – und eine gewisse Normierung auf der Maschinenebene: „Das würde es für alle einfacher machen. Die Maschinenhersteller sollten daran denken: Als EMS-Anbieter entscheide ich mich gerade für eine Maschine, weil sie Transparenz bietet.“

Für Joachim Taube (RAFI) sei Traceability in der Elektronikfertigung „nicht mehr wegzudenken.“ Eine transparente Darstellung der aktuellen Fertigungssituation stelle die Basis für stabile Prozesse und Optimierungen dar. „Overall-Equipment-Effectiveness (OEE) ist hier eine klassische Kennzahl, die sich aus Qualität, Verfügbarkeit und Leistung zusammensetzt“, sagt Taube. Seine Firma biete hierzu ein System zur Datenerfassung an und setze dieses auch selber ein. „KIS.ME (Keep it simple. Manage everything) ist eine einfache Lösung, um manuelle Prozesse oder Bestandanlagen ohne Eingriff in die Maschinensteuerung anzubinden und Prozessdaten zu digitalisieren.“

Marc Lauter von der Firma KATEK (Group Head Technology) bewertet aktuelle Entwicklungen bei Maschinen zur EMS-Bestückung zum großen Teil positiv: „Der Trend hin zur Optimierung der Fertigungsprozesse hält weiter an. Eine flächendeckende Einführung von intelligenten kleinen und einfach zu programmierenden Robotern mit Vermessungs- und Kamerasystemen ist zu begrüßen. Sie wird Arbeitskräfte entlasten, und der hohe Automatisierungsgrad verbessert die Qualität.“ Auch die verstärkte Nutzung von AGVs (automated guided vehicles) für Inhouse-Logistik-Prozesse entlaste Mitarbeiter, die somit für andere Tätigkeiten zur Verfügung stünden.

In seinen Augen machten sich Maschinenhersteller bereits sehr viele Gedanken, wie Prozesse vereinfacht und optimiert werden können. Allerdings stellt auch Lauter fest: „Gerade bei Herstellern aus dem asiatischen Raum wäre mehr Flexibilität – etwa bei Softwareanpassungen – wünschenswert.“ Vieles dauere schlichtweg zu lange, manche Ideen würden gar nicht umgesetzt. Dabei stünde eines fest: Kunden erwarteten von kommenden Maschineninnovationen flexiblere Designs, „Layoutoptionen, welche die Bestückung von Alternativbauteilen und -bauformen ermöglichen.“ Bei KATEK arbeite man deshalb intensiv mit Maschinen- und Anlagenherstellern zusammen, um diese Entwicklungen voranzutreiben. Bezüglich der Traceability arbeite KATEK an einer standardisierten Softwarelösung für die gesamte Hard- und Software.

Eine verbesserte Traceability ist auch für Andreas Kraus (Geschäftsführer von Kraus Hardware in Großostheim/Ringheim) ein wichtiger Punkt bei Maschineninnovationen. „Wir brauchen den vollen Zugriff auf Maschinen- und Produktionsdaten, um sie in unserem EDV-System mit den weiteren Fertigungsdaten zu verarbeiten.“ Angenehm sei es, direkt auf die Datenbank der Maschine zugreifen zu können oder wenn entsprechende Schnittstellen zur Verfügung stünden. Aber Kraus hat auch pragmatischere Wünsche an Maschinenhersteller: „Einen kompetenten Support und Kontakt zum Hersteller bei technischen Problemen, neue Möglichkeiten bis zu Anpassungen an Maschinen-Hard- und -Software. Und das möglichst vor dem Kauf, sonst wird es unter Umständen schmerzhaft und teuer. Der Support über Händler hat uns hier schon häufiger nicht überzeugt, deshalb kaufen wir meistens die Maschinen direkt beim Hersteller.“ Und natürlich eine „gute und schnelle Ersatzteilversorgung, gegebenenfalls bis zum Serviceeinsatz, wenn dies nötig sein sollte – zu fairen Preisen.“ Das sei aktuell nicht unbedingt gegeben.

Bei kommenden Maschinen hofft Kraus vor allem auf schnelle Rüst- und Umrüstzeiten und daraus resultierende kurze Stillstandzeiten. Am Wichtigsten sei aber auch für Kraus Hardware die Flexibilität: „Wir brauchen einen möglichst großen Blumenstrauß an Möglichkeiten, um den vielfältigen Herausforderungen aus dem Feld gerecht zu werden – natürlich ohne Einbußen in der Fertigungsqualität.“

www.rafi-group.com, www.katek-group.de, www.fritsch-gmbh.de,
www.kraus-hw.de, www.twdgmbh.de, www.criticalmanufacturing.com 

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  • Ausgabe: 9
  • Jahr: 2022

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