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Mittwoch, 16 November 2022 10:59

Titan – häufig und vielseitig

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Geschätzte Lesezeit: 11 - 21 Minuten
Abb. 1: Titanschwamm (A) und Titanmetall (B) (1 kg, 105 € (B) Abb. 1: Titanschwamm (A) und Titanmetall (B) (1 kg, 105 € (B)

Titan ist mit etwa 0,4 % zehnthäufigstes Element in der Erdkruste. Dort kommt es vor allem in Form des Ilmenits, einem Eisentitanat, sowie des Rutils, einem Kalziumtitanat vor. Wenig ergiebig ist die Gewinnung aus Meerwasser mit Gehalten zwischen 1–2 mg Titan/m3. Die Titan-Gewinnung aus Erzen erfolgt in zwei Stufen, wobei die erste, die Isolierung des Titandioxids nach dem Sulfat- und Chlorierungs-Verfahren zur wichtigen Handelsform des Titans führt, während im zweiten Schritt das Titan über die Reduktion durch sehr unedle Metalle zugängig ist.

Korrosionsbeständigkeit und geringe Dichte favorisieren das Titan und seine Legierungen zu Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt. Titandioxid ist als Weißpigment in Farben, Kunststoffen, Keramiken und Papier etabliert sowie Ausgangsstoff vieler Titan-Verbindungen. Der Einsatz in kosmetischen Produkten und Lebensmitteln musste allerding einen Dämpfer hinnehmen.

Titan, ein robustes Leichtmetall

Das Übergangsmetall Titan mit seinen vielen hervorragenden Eigenschaften, wie seinem weißlich metallischen Glanz, geringer Dichte, hoher Festigkeit und KorrosionsBeständigkeit reiht sich als 22. Element mit seinem Atomgewicht von 47,87 g/Mol in die 4. Nebengruppe des Periodensystems der Elemente ein. Umgeben ist das Titan in der 4. Periode von Scandium und Vanadin sowie von den schwereren Elementen Yttrium, Zirkonium und Niob. Die 4. Nebengruppe setzt sich über Zirkonium zum Hafnium fort.

Das ungerade Atomgewicht von 47,87 ist den Atomgewichten des Gemisches aus fünf natürlich vorkommenden, stabilen Titan-Isotopen zu verdanken:

46 Ti : 8,0 %
47 Ti : 7,3 %
48 Ti : 73,8 %
49 Ti : 5,5 %
50 Ti : 5,4 %.

Abbildung 2: Rutil, TiO2 (A), Ilmenit, FeTiO3 (B) und Perowskit, CaTiO3 (C) Abbildung 2: Rutil, TiO2 (A), Ilmenit, FeTiO3 (B) und Perowskit, CaTiO3 (C) Das Normal-Potenzial, um Titandioxid zum Titan zu reduzieren, beträgt -0,86 Volt, die Elektronegativität nach L. Pauling beläuft sich auf 1,54. Titan tritt in seinen Verbindungen +2-, +3- und +4-wertig auf.

Das Leichtmetall eignet sich daher besonders für Anwendungen, bei denen es auf hohe Korrosionsbeständigkeit, Festigkeit und geringes Gewicht ankommt. Aufgrund des komplizierten Herstellungsprozesses ist Titan zehnmal so teuer wie herkömmlicher Stahl [1].

Titan bildet an der Luft eine äußerst beständige oxidische Schutzschicht aus, die es in vielen Medien korrosionsbeständig macht. Oberhalb einer Temperatur von 400 °C gehen die Festigkeits-Eigenschaften aber schnell zurück. Hochreines Titan ist duktil. Bei höheren Temperaturen versprödet es durch Aufnahme von Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff sehr schnell. Zu beachten ist auch die hohe Reaktivität von Titan mit vielen Medien bei erhöhten Temperaturen oder erhöhtem Druck, wenn die Passivschicht dem chemischen Angriff nicht gewachsen ist. Dabei kann sich die Reaktions-Geschwindigkeit explosionsartig erhöhen. Bei einem Sauerstoff-Druck von 25 bar verbrennt Titan stark exotherm vollständig zu Titandioxid. Trotz Passivierungsschicht reagiert es bei Temperaturen oberhalb von 880 °C mit Sauerstoff, bei Temperaturen ab 550 °C mit Chlor. Titan reagiert auch mit reinem Stickstoff exotherm, was zum Beispiel bei spanender Bearbeitung unter N2-Schutzgas wegen der Hitzeentwicklung unbedingt zu beachten ist.

Gegen verdünnte Schwefelsäure, Salzsäure, chloridhaltige Lösungen, kalte Salpetersäure und die meisten organischen Säuren und Laugen wie Natriumhydroxid ist Titan beständig. In konzentrierter Schwefelsäure dagegen löst es sich langsam auf, unter Bildung des violetten Titansulfats. Unter der Fußnote [2] können weitere Eigenschaften des Titans in Erfahrung gebracht werden. Mit Wasserstoff verbindet sich das Titan bereits bei Raumtemperatur, bei höheren Temperaturen von 300 bis 400 °C bis fast zum TiH2. In dieser Verbindung ist doppelt so viel Wasserstoff gespeichert, wie im gleichen Volumen flüssigen Wasserstoffs. Erst bei 1000 °C ist mit einer vollständigen WasserstoffFreisetzung aus dem Titanhydrid zu rechnen.

Entdeckung und Darstellung des Titans

Abb. 3: Titan-Analyse als orangefarbener Peroxid-KomplexAbb. 3: Titan-Analyse als orangefarbener Peroxid-KomplexDas Element Titan entdeckte 1791 der englische Geistliche und begeisterte Mineraloge William Gregor (1761–1817) aus Cornwall durch bemerkenswert akkurate Analysen von Titaneisen-Mineral [3].

Vier Jahre später stieß der Berliner Chemiker Martin Heinrich Klaproth (1743–1817) auf das Element, als er Rutilerz untersuchte. Angelehnt an das griechische Göttergeschlecht der Titanen, gab er dem Element seinen heutigen Namen [4].

Erst im Jahre 1831 gelang es dem Chemie-Professor Justus von Liebig (1803–1873) in seinem Gießener Labor aus dem Titan-Erz das metallische Titan zu gewinnen [5].

Die Herstellung von Titanmetall in einer Reinheit von 99,9% unternahm 1910 der amerikanische Metallkundler Matthew Albert Hunter (1878–1961), indem er in einer Stahlbombe Titantetrachlorid, TiCl4, mit Natrium auf 700 bis 800°C erhitzte.

Es sollten noch weitere 30 Jahre vergehen, bis der luxemburgische Metallurge William Justin Kroll (1889–1973) im Jahre 1940 mit einem neuen patentierten Verfahren, dem „Kroll-Prozess“, die industrielle Herstellung von Titan-Metall in zwei Schritten ermöglichte. Zunächst erfolgte die Herstellung von Titantetrachlorid, gefolgt von der Reduktion mit Magnesium.

Titan(IV)-oxid setzt sich bei Temperaturen von 750 bis 1000 °C im Rahmen einer reduzierenden Chlorierung mit Chlor und Koks zu Titan(IV)-chlorid um:

TiO2 + 2 Cl + 2 C → TiCl4 + 2 CO <1>

Nach einer fraktionierten Destillation des bei Raumtemperatur flüssigen Titantetrachlorids mit einem Siedepunkt von 136,4 °C zur Abtrennung der Verunreinigungen aus dem Erz erfolgt die Reduktion mit Magnesium bei Temperaturen von ca. 800–900 °C unter einer Argon-Schutzgas-Atmosphäre zum metallischen Titan [6]:

TiCl4 + 2 Mg → Ti + 2 MgCl2 <2>

Abb. 4: Titan als Spitzen-Material in der Luft- und  Raumfahrttechnik, z. B.: Lockheed SR-71, „Blackbird“ Abb. 4: Titan als Spitzen-Material in der Luft- und Raumfahrttechnik, z. B.: Lockheed SR-71, „Blackbird“ Bei einer Vakuum-Destillation entweicht das restliche Magnesium sowie wie Magnesiumchlorid mit Siedepunkten unter Normalbedingungen von 1.110 und 1.412 °C. Der entstehende Titanschwamm (Abb. 1) mit einer Reinheit von 99,1 bis 99,7 Gew.-% und Sauerstoff-Gehalten zwischen 0,06 und 0,3 Gew.-% kommt als zerkleinertes Pulver bzw. als geschmolzenes Metall auf den Markt [7].

Die Titanschwamm-Produktion ist die Basis der TitanIndustrie, jedoch ein Zwischenprodukt, das hauptsächlich für die Herstellung von Titanmetall- oder Titanlegierungs-Blöcken verwendet wird, die wiederum zur Herstellung von Barren, Rohren, Stangen, Platten, Blechen und anderen Titan-Halbzeugen dienen.

Reinstes Titan ist durch das „Van-Arkel-de-Boer-Verfahren“ zugängig. Das von den niederländischen Chemikern Anton Eduard van Arkel (1893–1976) und Jan Hendrik de Boer (199–1971) im Jahre 1924 entwickelte Verfahren der Transportreaktion zur Gewinnung bzw. zur Reinigung von Metallen, wie z. B. Titan und anderen Metallen, basiert auf einer Reaktion mit Iod bei etwa 600 °C und einer thermischen Zersetzung am Wolfram-Draht bei 1.200 °C [8]:

Ti + 2 I2 → TiI4 → Ti + 2 I2 <3>

Im Jahre 2008 kostete eine Tonne Titanschwamm durchschnittlich 12.000 Euro. Aus China kommen 2021 Angebote, die um 8.000 Euro liegen [9].

Titan-Vorkommen

Das Titan kommt als relativ unedles Element in der Erdkruste nur in Verbindungen als Oxid, TiO2, oder mit anderen Metallen als Titanat(IV) vor. Zwar kommt es nur in geringen Konzentrationen vor, jedoch keineswegs selten, denn es steht mit einem Gehalt von 0,4 % an 10. Stelle der Element-Häufigkeit in der Erdkruste. Bedeutende Mineral-Vorkommen sind Rutil, TiO2, Ilmenit, FeTiO3, Perowskit, CaTiO3(Abb. 2) sowie andere Metalltitanate(IV), wie das Bariumtitanat, BaTiO3 und das Titanit, CaTiO(SiO4).

Abb. 5: Flugzeugtriebwerk-Lüfter (Turbofan) Trent 800, Rolls- Royce plc, mit sechsundzwanzig Flügeln aus der Legierung Ti-6Al-4VAbb. 5: Flugzeugtriebwerk-Lüfter (Turbofan) Trent 800, Rolls- Royce plc, mit sechsundzwanzig Flügeln aus der Legierung Ti-6Al-4VAllein das Mineral Rutil war bis 2019 an weltweit 5900 Fundorten anzutreffen [10]. Weltweit wurden die AbbauReserven 2014 für die wichtigsten Titanminerale Ilmenit und Rutil auf 692,58 Millionen Tonnen geschätzt, wobei die größten regionalen Anteile auf China mit 28,9%, Australien mit 17,0% und Indien mit 13,3% fielen.

Weitere Titan-Vorkommen liegen in Skandinavien, Nordamerika, dem Ural und Malaysia. Im Jahr 2010 wurden in Paraguay Vorkommen entdeckt, deren Ausbeutung noch in der Planungs-Phase steckt.

Auch in Meteoriten ließ sich Titan nachweisen. Gesteinsproben der Mondmission Apollo 17 enthielten bis zu 12,1% Titandioxid, TiO2, was bereits Überlegungen zum „Asteroid mining“ auf den Plan rief [1].

Pflanzen enthalten etwa 1 mg Titan/kg Trockenmasse und im menschlichen Körper ist es mit durchschnittlich 15 mg, hauptsächlich in der Lunge, enthalten [11].

In Deutschland konnte z. B. Rutil vor allem in einigen Regionen des Schwarzwaldes, im Fichtelgebirge, Spessart, Bayerischen WaldundOberpfälzer Wald, Hessen, Niedersachsen, im nordrhein-westfälischen Siebengebirge, der Eifel, im Saarland, im sächsischen Erzgebirge, Schleswig-Holstein und Thüringen nachgewiesen werden [1].

Analytik von Titan

Zur Bestimmung größerer Titanmengen wird das in der Regel vierwertig vorliegende Element in die dreiwertige Oxidations-Stufe mit Zink oder Aluminium reduziert. So ist eine Titration gegen Oxidationsmittel-Standards, wie Eisen(III)-ammoniumsulfat, Fe(NH4)(SO4)2 · 12 H2O, oder Cersulfat, Ce(SO4)2 · 4 H2O, möglich.

Titan-Spuren lassen sich bevorzugt spekrophotometrisch bestimmen: Durch Zugabe von Wasserstoffperoxid in saurer Lösung [2] erhält man einen gelben Peroxytitan-Komplex (Abb. 3). Einen ebenfalls gelben Komplex liefert das Tiron (1,2-dihydroxybenzol-3,5-disulfonat), das bei 410 nm ausgemessen wird [12,13].

Heute werden Titan-Analysen bevorzugt mit phykalischen Bestimmungs-Methoden analysiert, wie z. B. Röngenfluoreszenz, Emissions-Spekrometrie oder die induktiv gekuppelte Plasma-Atomemission-Spektroskopie (ICP).

Titan-Legierungen

Sowohl in der Form von Leichtmetall-Legierungen als auch als Stahl-Vergütung liegt eine Reihe von genormten Titan-Legierungen vor.

Nach US-amerikanischem Standard ASTM (American Society for Testing and Materials) bestehen für Titan und seine Legierungen 35 Güteklassen, wobei die ersten vier dem reinen Titan vorbehalten sind. Sie unterscheiden sich hinsichtlich Reinheit, Korrosionsbeständigkeit, Streckbarkeit und Festigkeit. Die Güteklasse 1 verfügt über die höchste Korrosionsbeständigkeit und Formbarkeit, jedoch die geringste Festigkeit, während technisch reines Titan vom Gütegrad 4 die höchste Festigkeit aufweist [14]. Als Europäische Werkstoff-Nummer hat Rein-Titan die Nr. 3.7034. Die wirtschaftlich bedeutendsten Titan-Legierungen mit 6 Gew.-% Aluminium und 4 % Vanadium eignen sich für industrielle Anwendungen unter der Werkstoff-Nr. 3.7165 und 3.7164 für die Luft- und Raumfahrt (ASTM-Grad 5) (Abb. 4 und 5) [15, 16].

Abb. 6: Ersatzteile aus Titan oder Titan-Legierungen in der Medizin-Technik  Abb. 6: Ersatzteile aus Titan oder Titan-Legierungen in der Medizin-Technik

Legierungen aus Nickel (kubisch-flächenzentriert) und Titan (hexagonal) gehören zu den „Formgedächtnis-Legierungen“ oder „Memory-Metallen“ mit vielfachen Anwendungen, da sie aufgrund der unterschiedlichen Kristallstrukturen nach mechanischer Verformung in ihren Urzustand zurückkehren [17].

Dem Stahl in Spuren zugesetzt, verleiht Titan dem Stahl bereits in Konzentrationen von 0,01 bis 0,1 Gew.-Prozent erhöhte Zähigkeit, Festigkeit, Duktilität und verhindert dieinterkristalline Korrosion.Titanbasis-Legierungen mit Preisen um 45 Euro/kg dienen höchsten Anforderungen für Anwendungen in chloridhaltigen Medien und Meerwasser.

Wegen der geringen Dichte sind Titan-Legierungen auch in vielen Outdoor- und Sportartikeln zu finden, wie beispielsweise in Rennrädern, Golf- und Tennisschlägern, Tauchermessern, bei Bergsteiger-Schrauben oder ZeltHeringen.

Auch die Medizintechnik greift gerne auf Titan und seine Legierungen zurück, denn sie vereinen höchste Biokompatibilität, mechanische Belastbarkeit und Korrosions-Beständigkeit und eignen sich damit ideal für beanspruchte medizinische Komponenten, insbesondere für lasttragende orthopädische Implantate und Dental-Werkstoffe (Abb. 6). Als Ausgangs-Werkstoffe werden hierzu in der Regel feine, sphärische Titan-Pulver verfügbarer Werkstoffe verwendet, wie unter anderem Titan kommerzieller Reinheit, bzw. die Legierungen Ti-6Al-4V und Ti-6Al-7Nb [18, 19].

Titan-Verbindungen

Von den Titan-Verbindungen [20] haben die polymorphen Oxide die größte Bedeutung, gefolgt von den Halogeniden, insbesondere dem Tetrachlorid, das auch als Ausgangstoff für die Metall-Herstellung dient.

Titanoxide

Titan bildet eine Reihe verschiedener Oxide aus [21, 22], von denen das polymorphe Titandioxid, TiO2, mit seinen Modifikationen Rutil, Anatas und Brookit die größte Bedeutung hat. Daneben lässt sich eine Reihe an nichtstöchiometrischen Titan-Suboxiden vom Typ TinO2n-1 (4 ≤ n ≤ 10) sowie das Titan(III)-oxid und Titan(II)-oxid herstellen.

Abb. 7: Welt-Jahresproduktion an Titandioxid nach den verschiedenen Verfahrens-Varianten   Abb. 7: Welt-Jahresproduktion an Titandioxid nach den verschiedenen Verfahrens-Varianten

Das goldgelbe, stromleitende Titan(II)-oxid, TiO, existiert im Bereich von Ti0,64O bis Ti1,26O in der Kristallstruktur des Natriumchlorids.

Das dunkelviolette Titan(III)-oxid, Ti2O3, ist im Bereich von TiO1,49 bis TiO1,51 mit einer trigonalen Kristallstruktur zu finden, die dem Korund, Al2O3, gleicht.

Das dunkelblaue Titanpentoxid, Ti3O5, liegt bis 120 °C in der monoklinen Kristallstruktur vor, darüber in der orthorhombischen Modifikation. Ab 175 ° wechselt die Verbindung vom Halbleiter in einen metallischen Leiter.

Die Oxide der Zusammensetzung Ti4O7 bis Ti10O19 bzw. TiO1,75–TiO1,90, weisen in ihren triklinen Kristallstrukturen komplexe Verknüpfungen von TiO6-Oktaedern auf.

Titandioxid, TiO2, kommt als farblose Verbindung in der Natur als Rutil, Anatas und Brookit vor. Daneben sind noch acht weitere synthetisch hergestellte TiO2-Modifikationen bekannt.

Titandioxid

Neben den polymorphen Oxiden ist das Titandioxid, TiO2, hauptsächlich in der Modifikation des Rutils, die bedeutendste Titan-Verbindung.

Der Schmelzpunkt von Titandioxid liegt bei 1855°C. Die Verbindung ist thermisch und chemisch stabil. Sie ist lichtbeständig, preiswert und daher das bedeutendste Weißpigment. Für Lebensmittel ist es als Zusatzstoff E171 zugelassen [23].

1980 kamen 2,5 Mio. t Titandioxid auf den Weltmarkt, 2018 schon an die 7 Mio. t (Abb. 7).

Für die Herstellung des reinen Titandioxids stehen hauptsächlich zwei Prozesse zur Verfügung, das Sulfat- und das Chlorid-Verfahren. Ein Sonderweg führt zum TiO2-Nanopulver (Abb. 8).

Sulfat-Verfahren zur TiO2-Herstellung

Abb. 8: Titandioxid, das weißeste Weiß,   als Pulver (links oben) und als Nano-Material-REM (rechts unten)Abb. 8: Titandioxid, das weißeste Weiß, als Pulver (links oben) und als Nano-Material-REM (rechts unten)Das Sulfat-Verfahren zur Titandioxid-Herstellung konnten die Norweger F. Farup und G. Jebsen 1915 entwickeln. Es wird seit 1916 kommerziell angewandt und ist bis heute von Bedeutung [24].

Das feingemahlene und angereicherte Titaneisenerz, FeTiO3, (Ilmenit) wird mit konzentrierter Schwefelsäure zu Eisensulfat, FeSO4 · 7 H2O, und das Titanoxidsulfat, TiOSO4, aufgeschlossen. Da das Eisen zum Teil dreiwertig als Fe3+ vorliegt, muss die Aufschlusslösung mit reinem Eisenschrott als Reduktionsmittel versetzt werden, um ausschließlich zweiwertiges Eisen Fe2+ zu erhalten. Dieses kann anschließend als sogenanntes „Grünsalz“ aus der Lösung auskristallisiert werden, wobei die Löslichkeit in Wasser noch relativ hoch liegt. Die Dichte des Eisen(II)-sulfats sinkt in Relation zum Molekulargewicht mit steigender Anzahl von Kristallwasser von 2,84 auf 1,89 g/cm3 (20 °C) [25].

Das in Lösung verbleibende Titanoxidsulfat fällt durch Hydrolyse mit Wasserdampf als schwerlösliches Titanoxidhydrat aus. Nach mehreren Filtrations- und Waschvorgängen muss das Titanoxidhydrat bei 800–950°C geglüht werden, um Titandioxid zu erhalten.

Durch Zugabe von Impfkristallen und durch die Temperatur lässt sich in diesem Schritt steuern, in welcher Modifikation das TiO2 produziert werden soll. Der Sulfat-Prozess eignet sich für die Herstellung sowohl der Anatas- als auch der Rutil-Modifikation, während das Chlorid-Verfahren in der Regel nur zur Produktion von reinem Rutil eingesetzt wird.

Die anfallenden Nebenprodukte, die „Dünnsäure“ mit Schwefelsäure und Eisensulfat, wurden zunehmend nach einem 1958 bei der Bayer AG entwickelten Recycling-Verfahren aufgearbeitet. Dabei steht wieder eine 96 %ige Schwefelsäure sowie auskristallisiertes „Grünsalz“ zur Verfügung, das thermisch bis zum Eisenoxid, Fe2O3, zersetzt werden kann [26].

Chlorid-Verfahren zur TiO2-Herstellung

Beim Chlorid-Verfahren [27] erfolgt die Umsetzung von überwiegend Rutil-Erz oder -Rückständen mit Gehalten von vorzugsweise 94 bis 96 % TiO2 mit Petrolkoks und Chlor bei 800 bis 1200 °C im Wirbelbett-Reaktor zu Titantetrachlorid, TiCl4, [28].

Mittlerweile kommen aber auch ärmere Titan-Schlacken zum Einsatz.

Nach der destillativen Reinigung des Titantetrachlorids wird der TiCl4-Dampf mit Sauerstoff zu Titandioxid und Chlorgas bei Temperaturen von 1000 bis 1400 °C verbrannt:

TiCl4 + O2 → TiO2 + 2 Cl2. <4>

Das Chlor-Gas dient wieder zur Herstellung von Titantetrachlorid, das auch nach verschiedenen Prozessen zur Herstellung von Titan-Metall dient.

Abbildung 9 stellt die beiden Herstellungs-Verfahren von Titandioxid, den Sulfat- und den Chlorid-Prozess, noch einmal im Ablauf-Schema gegenüber.

Durch den gesteigerten Bedarf an Weiß-Pigmenten für Anstreichfarben und Kosmetika hat sich in Deutschland die Chlorid-Variante als das favorisierte Verfahren etabliert, während in China hauptsächlich das Sulfat-Verfahren zur Anwendung kommt.

Stellt man das Titandioxid mit anderen analogen Metalldioxiden in Form einer Dichte-Molekulargewicht-Relation gegenüber, so ergibt sich eine lineare Beziehung D = 0,038 M + 1,0, so dass auch eine Extrapolation auf die Dichte von Rutherfordiumdioxid, RfO2, mit D = 12,5 g/cm3 möglich erscheint.

Das Titandioxid als Weiß-Pigment dient in großen Mengen zur Farben-Produktion. Interessant sind dabei die Brechungs-Indizes, die beim Titandioxid mit n = 4,0 einen relativ hohen Wert erreichen. Bei Barium- und Blei-haltigen Pigmenten liegt der Brechungsindex zwar noch höher, aber die toxischen Werte liegen ebenfalls in bedenklichen Bereichen. So stechen Zinkoxid und Calciumcarbonat als Alternativen zum Titandioxid hervor.

Bedenken gegenüber Titandioxid

Titandioxid oder Titan (IV)-oxid kommt als weit verbreiteter „Weißmacher“ zum Einsatz, sowohl als Pigment in Farben als auch in industriell hergestellten Lebensmitteln und Kosmetika.

Auf Lebensmittel-Verpackungen ist das Titandioxid unter der E-Nummer 171 zu erkennen, in Kosmetika wird er unter der Bezeichnung CI 77891 gelistet. Allein im Jahr 2013 wurden rund 6,5 Millionen Tonnen TiO2 für diese Anwendungen produziert. Aber trotz des großflächigen Einsatzes ist Titandioxid gesundheitlich nicht immer unbedenklich.

Mehrere Studien lassen Zweifel daran aufkommen, dass das Titanoxid ungefährlich ist. So etwa einegroßangelegte Studie an der Universität Zürich aus dem Jahr 2017. Die Studie kam zu dem Verdacht, Titandioxid könnte Darmentzündungen verstärken oder gar begünstigen.

Befürchtungen gehen sogar so weit, dass das Einatmen von Titandioxid-Partikeln, besonders im Nanometer-Bereich, krebserregend sein kann. Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, hat die EU-Kommission beschlossen, Titandioxid als Gefahrstoff mit dem Hinweis „vermutlich krebserzeugend bei Inhalation“ einzustufen. Das Risiko betrifft vor allem kosmetische Sprays, Aerosole und Pulver, nicht aber Produkte, die den Weißmacher TiO2 in fester Form enthalten.

Abb. 9: Verfahren zur Herstellung von TitandioxidAbb. 9: Verfahren zur Herstellung von Titandioxid

Aufgrund der unsicheren Faktenlage hat Frankreich als erstes europäisches Land ein Verbot von Titandioxid in Lebensmitteln durchgesetzt. Die Niederlande wollen folgen.

In Deutschland orientiert man sich eher an den Empfehlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA. Von dort hieß es im Mai 2021 in einer aktualisierten Bewertung, dass Titandioxid „als LebensmittelZusatzstoff nicht mehr als sicher angesehen werden“ könne. Weitere Forschungen werden sich dieser Risiko-Vermutungen annehmen müssen.

Der Lebensmittel-Konzern Dr. Oetker verzichtet seit April 2020 auf Titandioxid in seinen Produkten, nachdem „foodwatch“ eine Protest-Aktion gestartet hatte, die rund 40.000 Personen unterschrieben [29].

Metall(II)-Titanate

Als Titanate werden z. B. die Salze der Titansäuren, H2TiO3, bezeichnet, die neben den Orthotitanaten nach der formalen Orthotitansäure, H4TiO4, auch in der Natur als Mineralien vorkommen. Sie können auch als Mischoxide vom Typ Me(II)O · TiO2 aufgefasst werden.

Titanate dienen als Keramik-Material, für Piezo-Elemente und Keramik-Kondensatoren. Viele bilden Ionenkristalle von Perowskit-Struktur mit ferroelektrischen Eigenschaften aus.

Als natürliche Titanate kommen beispielsweise die TitanmineralePerowskit, CaTiO3, Barioperowskit, BaTiO3, Mazedonit, PbTiO3, Ilmenit, FeTiO3, Geikielit, MgTiO3, Pyrophanit, MnTiO3, Tausonit, SrTiO3, vor [30].

Bariumtitanat, BaTiO3, und Bleititanat, PbTiO3, sind weiße oder gelbe Pulver und werden neben der Ausnutzung ihrer ferroelektrischen Eigenschaften auch als Pigmente verwendet. Strontiumtitanat, SrTiO3, ist eine KeramikVerbindung mit sehr speziellen Eigenschaften in Form von plastischem Verhalten. Sie finden als Supraleiter, aber auch als Schmuckstein Verwendung.

Daneben existiert eine Reihe organischer Titanate. Als Beispiele lassen sich Tetramethyltitanat, (CH3O)4Ti, Tetrabutyltitanat, (H9C4O)4Ti, [31] Tetraisopropyltitanat, (H3C-CHO-CH3)4Ti, Tetraphenyltitanat, (Ph-O)4Ti, [32] oder Tetrahexyltitanat, (H13C6O)4Ti, nennen.

Titan-Halogenide

Die Halogenide des Titans [33] existieren in der 2-, 3- und 4-wertigen Oxidationsstufe vom Typus Ti(Hal)2, Ti(Hal)3 und Ti(Hal)4. Tabelle 1 stellt die Eigenschaften der Titanhalogenide gegenüber. Besonders bei der Dichte der Verbindungen in Relation zum Molekulargewicht zeigen die Halogenide des zwei-, drei- und vierwertigen Titans analoge Verläufe.

Tab. 1: Titan-Halogenide 

Halogenid

Farbe

Formel

M

Smp. [°C]

Sdp. [°C]

D [g/cm3]

H-Sätze

Difluorid

 

TiF2

85,86

   

3,44

314

Dichlorid

schwarz

TiCl2

118,79

1035

1500

3,13

250-314-EUH 014

Dibromid

schwarz

TiBr2

207,68

500 (Z.)

 

4,41

keine

Diiodid

schwarz

TiI2

301,68

480 (Z.)

 

5,2

keine

Trifluorid

blau

TiF3

104,88

1200

1400

3,4

314

Trichlorid

violett

TiCl3

154,26

440 (Z.)

 

2,6

250-290-414-EUH 014

Tribromid

schwarzblau

TiBr3

287,58

550 (Z.)

 

4,24

keine

Triiodid

violettschwarz

TiI3

428,60

310 (Z.)

 

4,9

keine

Tetrafluorid

farblos

TiF4

123,86

284 (subl.)

 

2,8

302-312-332-314

Tetrachlorid

farblos

TiCl4

189,71

-24,1

136,4

1,73

314-330-335-EUH 014

Tetrabromid

gelb

TiBr4

367,48

38-40

230

3,25

314

Tetraiodid

rotbraun

TiI4

555,49

150

377

4,3

314

Titantetrachlorid kommt als wichtige Lewissäure in der Organischen Chemie mehrfach zum Einsatz, beispielsweise in „Knoevenagel-Reaktionen“ oder der „MukaiyamaMichael-Reaktion“. Es ist zudem Grundstoff für Katalysatoren, wie beispielsweise „Ziegler-Natta-Katalysatoren“, und Ausgangsstoff für Organo-Titan-Verbindungen.

Titantetrachlorid findet in Rauch-Erzeugern für militärische Zwecke als Nebel-Kampfstoff Verwendung sowie auch bei der Herstellung von Titan-Spiegeln.

Bei der Reinigung von Titandioxid sowie bei der Titanherstellung nach dem „Kroll-Prozess“ tritt das TiCl4 als Zwischenprodukt auf.

Sonstige Titan-Verbindungen

Titan-Verbindungen mit Bor, TiB, Kohlenstoff, TiC, oder Stickstoff, TiN, finden Verwendung als Hartstoffe.

Auch zur Herstellung von„Cermets“, die Verbundwerkstoffe aus Keramik und Metall, kommen Titanverbindungen zum Einsatz.

Abgegrenzt von den Sinterhartmetallen sind die Cermets durch ihre fehlende elektrische Leitfähigkeit sowie durch die höhere Thermoschock- und Oxidationsbeständigkeit [34].

Auch mit den Chalkogeniden Schwefel, Selen und Tellur bildet Titan interessante Verbindungen: Das grüne Titandisulfid mit einer CdI2-Schichtstruktur und einer vergleichsweise niedrigen Dichte von nur 3,22 g/cm3 dient beispielsweise als Schmiermittel und Elektroden-Material für Batterien und Akkus [35].

Ebenfalls Einsatz-Potentiale für die Stromspeicherung hat das graue Titandiselenid, TiSe2 mit einer höheren Dichte von 5,26 g/cm3, aber ebenfalls einer CadmiumiodidSchichtstruktur [36].

Von dem schwarzen, hexagonalen Titanditellurid, TiTe2, mit einer Dichte von 6,34 g/cm3 sind die Halbleiter-Eigenschaften auszunutzen [37].

Bei den Dichten der Titan-Chalkogenide in Relation zu ihren Molekulargewichten zeichnet sich das Disulfid durch eine vergleichsweise niedrige Dichte aus. Bei linearer Extrapolation käme die entsprechende Titan-Polonium-Verbindung auf eine Dichte von etwa 7,8 g/cm3.

Schließlich sei der für LASER eingesetzten Titan-Saphire gedacht, bei denen durch Dotierung von Korund einige hundertstel bis zehntel Gewichtsprozent der Al3+-Ionen durch Ti3+-Ionen mit der Formel von etwa Al2O3:Ti3+ unter annähernder Beibehaltung der Dichte von 3,98 g/cm3 ersetzt sind. Dadurch entsteht ein hellroter Saphir, das aktive Medium des Titan-Saphir-Lasers. Er absorbiert stark im Bereich von 400 bis 600 nm Wellenlänge mit einem Maximum bei 490 nm und fluoresziert von 670 bis 1070 nm mit einem Maximum bei 800 nm. Zudem besitzt der TitanSaphir eine hohe Wärmeleitfähigkeit, die eine Fokussierung des Pumpstrahls auf einen kleinen Bereich ermöglicht, ohne den Kristall dabei zu zerstören [38].

Literatur

[1] https://institut-seltene-erden.de/seltene-erden-und-metalle/strategische-metalle-2/titan/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Titan_(Element)
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/William_Gregor
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Heinrich_Klaproth
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Justus_von_Liebig
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Kroll-Prozess
[7] https://lkalloy.com/de/what-is-titanium-sponge?
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Van-Arkel-de-Boer-Verfahren
[9] https://german.alibaba.com/Popular/CN_titanium-priceper-ton-Trade.html
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Rutil
[11] Merian, E.: Metalle in der Umwelt, Verl. Chemie, Weinheim (1984) 585–588
[12] Binghua, Y. u. a.: Fabrication of Tiron-TiO2 chargetransfer complex with excellent visible-light photocatalytic performance, Materials Chemistry and Physics, 184, 1 (2016) 298–305
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Tiron
[14] https://fwmetals.de/materials/titanium/cp-titanium/
[15] https://www.tag.it/de/titanlegierungen-einfuehrungeigenschaften- und-anwendungen/
[16] https://www.tag.it/de/titanlegierungen-dieklassifizierung-teil-2/
[17] https://de.wikipedia.org/wiki/Formgedaechtnislegierung
[18] https://www.ifam.fraunhofer.de/content/dam/ifam/de/documents/ Formgebung_Funktionswerkstoffe/Pulvertechnologie/titan_fraunhofer_ifam.pdf
[19] https://mav.industrie.de/fertigung/werkzeuge/diebearbeitung-von-titan-in-der-medizinindustrie/#sliderintro-1
[20] https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Titanverbindung
[21] https://de.wikipedia.org/wiki/Titanoxide
[22] Cardarelli, F.: Materials Handbook: A Concise Desktop Reference, Springer Verl. Berlin, (2008) 617
[23] https://de.wikipedia.org/wiki/Titan(IV)-oxid 
[24] https://de.wikipedia.org/wiki/Sulfatverfahren_(Titandioxid)
[25] https://de.wikipedia.org/wiki/Eisen(II)-sulfat 
[26] Bertau, M.; Müller, A.; Fröhlich, P.; Katzberg, M.: Industrielle Anorganische Chemie, Wiley-VCH, 4. Aufl. (2013)
[27] https://de.wikipedia.org/wiki/Chloridverfahren 
[28] https://de.wikipedia.org/wiki/Titan(IV)-chlorid 
[29] https://utopia.de/ratgeber/titandioxid-warum-du-denstoff-meiden-solltest/
[30] https://de.wikipedia.org/wiki/Titanate
[31] https://www.chemwhat.de/Tetrabutyltitanat-cas-5593-70-4/
[32] https://spectrabase.com/compound/D83YMly4Eea
[33] https://de.wikipedia.org/wiki/Vorlage:Navigationsleiste_Titanhalogenide
[34] https://de.wikipedia.org/wiki/Cermet_(Werkstofftechnik)
[35] https://de.wikipedia.org/wiki/Titan(IV)-sulfid 
[36] https://en.wikipedia.org/wiki/Titanium_diselenide
[37] https://www.2dsemiconductors.com/titaniumditelluride-tite2/
[38] https://de.wikipedia.org/wiki/Titan:Saphir 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 11
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Prof. Dr. Wolfgang Hasenpusch

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