Wenn das Leben eine Vollbremsung macht…

Ich bin fassungslos! Vor einem Monat waren die Ärzte noch zuversichtlich. Die Chemo hat gegriffen. Und jetzt …. ?!?! Doch nicht geschafft. Ende. Aus. Aus dem Leben gerissen. Mit 61 Jahren. In einem Lebensabschnitt, wo sie erst vor ein paar Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hat. Voller Elan und Zuversicht all ihre Expertise weitergeben wollte. Sie so voller Hoffnungen war.

2022 wird bei mir eingehen in die Geschichte als Jahr der Fassungslosigkeit.

Ich bin fassungslos über

• die grauenhafte Gewalt und die schrecklichen Eskalationen im Ukraine-Krieg.
• massive Unterdrückung und Erniedrigung eines Geschlechts. Von 50 % der menschlichen Bevölkerung. Und das nicht nur im Iran und in Afghanistan.
• die grässlichen Hiobsbotschaften über die steigende Inflation, galoppierende Energiepreise, existenzbedrohende Situationen.

Nicht nur die Berichterstattung in den Medien hat mich zu tiefst erschüttert. Auch die traurigen und außerordentlichen News von Freunden, Kollegen und aus der Verwandtschaft.

Nasser Schlaganfall mit anschließender langer, mühsamer Reha. Freizeitunfall mit anschließendem Wachkoma. Plötzlicher Tod durch Herzinfarkt im Familienurlaub. Tod nach kurzem, schweren Krebsleiden. Trennung.

Jetzt, wo die Tage kürzer und kälter werden. Die Bäume kahl werden. Der Nebel übers Land zieht. Wird es still.

Auch im Leben. Die Stimme versagt.

Und dann geht es rund.

Kein Stein bleibt auf dem anderen.

Fixe, liebgewonnene Bestandteile meines Lebens lösen sich auf. Verschwimmen. Setzen sich neu zusammen. Vieles verändert sich, vor allem die Einstellung. Meine Einstellungen.

Das Hamsterrad bleibt abrupt stehen. Die Bewegung setzt sich fort. Die Fliehkräfte lassen einen auf die Schnauze fallen. Autsch!! Ende des Kampfes durch Technisches KO.

Wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird … dann:

Schockstarre. Sprachlosigkeit. Die Seele bebt. Trauer bahnt sich ihren Weg. Tränen fließen. Wut kommt hoch. Panik macht sich breit. Der Körper rebelliert. Das Herz stolpert. An Schlaf ist nicht zu denken. Der Magen zieht sich zusammen. Der Nacken verspannt sich. Gähnende Leere im Inneren.

Gibt es Hoffnung?

Aber … möchte ich das auch?

Unlängst ist mir eine Spruchkarte in die Hand gefallen:

„Es ruckelt immer ein bisschen, wenn das Leben in den nächsten Gang schaltet.“ Ich wäre auch zufrieden mit einem „darf’s ein bisschen weniger sein?“ …

Als Unternehmerin und zum Schutz meiner Familie und meiner Kunden ist es für mich wichtig, gewappnet zu sein. Gewappnet für den Fall der Fälle.

Meine Kinder wissen, was zu tun ist, wenn ich „out of order“ bin. Der Notfallkoffer ist gepackt. Dies vorzubereiten, nachzudenken, zu überlegen, meine Überlegungen mit meiner Familie zu teilen – das war schwierig. Eine schier unüberwindliche Herausforderung. Wir sind den Weg gemeinsam gegangen. Letztendlich war es erleichternd, weil jetzt klar ist, wohin die Reise gehen soll, wenn …

Aber mein Lebensplan sieht trotzdem vor, dass ich zu meinem 90. das Tanzbein mit allen Kids und meinem Lieblingsmenschen schwingen werde. Lebensfroh, zufrieden, voller Energie, mit dem Schalk im Nacken.