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Dienstag, 13 Dezember 2022 10:59

Langzeit-Untersuchungen von selbstschmierenden Silberdispersionsschichten

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Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
REM-Aufnahme der Oberfläche einer Silber-Graphit Dispersionsschicht REM-Aufnahme der Oberfläche einer Silber-Graphit Dispersionsschicht

Wegen der geforderten langen Einsatzzeiten von Steckverbindungen werden diese mit Kontaktschmiermittel vorbehandelt. Als Alternative hierzu wurden Silber-Dispersionsschichten mit verschiedenen Trockenschmierstoffen als Dispersoide auf ihre Eignung zur Erhöhung der Verschleißbeständigkeit stromführender Steckverbindungen untersucht.

Einleitung

Der Trend zur Miniaturisierung in der Elektrotechnik und die daraus resultierende Leistungssteigerung stellt insbesondere für die Beschichtung von stromführenden Steckverbindungen eine zunehmende Herausforderung dar. Steckverbindungen mit hohen Steck- oder Reibzyklenzahlen werden, um den Reibverschleiß im Betrieb gering zu halten, in vielen Fällen mit einem Kontaktschmiermittel vorbehandelt. Damit die geforderten Einsatzzeiten von zum Teil mehreren Jahrzehnten erreicht werden können, muss das Kontaktschmiermittel langzeitstabil und temperaturbeständig ausgelegt sein. Aus diesen Gründen werden als Schmiermittel meist Fluorchemikalien eingesetzt, die sowohl in der Herstellung als auch in der Entsorgung kritisch sind.

Als Alternative zu den üblicherweise eingesetzten Kontaktschmiermitteln wurden Silber-Dispersionsschichten mit verschiedenen Trockenschmierstoffen als Dispersoide unter dem Einfluss erhöhter Temperatur auf ihre Eignung zur Erhöhung der Verschleißbeständigkeit von stromführenden Steckverbindungen untersucht. Aufbauend auf bereits veröffentlichten Untersuchungsergebnissen [1], wurden Reinsilber-, Silber-MoS2, Silber-WS2-Schichten und Silber-Graphit-Systeme in Langzeitversuchen bei anwendungsnahen Temperaturen (140 °C und 180 °C) ausgelagert. Zur Validierung der Silber-Dispersionsschichten wurden deren Reib- und Verschleißeigenschaften sowie Härte und Gefüge analytisch untersucht. Eine Besonderheit dieser Versuchsreihe stellt zudem der bewusste Verzicht auf eine Diffusionssperre zwischen Silber-Dispersionsschicht und Grundmaterial dar.

Experimentelles

Die Auslagerungsversuche wurden an zwei unterschiedlichen Probentypen durchgeführt. Für die materialkundliche Charakterisierung wurden freitragende Folien hergestellt. Für die tribologischen Untersuchungen wurden planare Messingsubstrate verwendet, welche cyanidisch vorverkupfert und vorversilbert wurden. Um den Einfluss der Dispersoide auf das Diffusionsverhalten von Zink aus dem Grundwerkstoff bzw. von Kupfer aus der Kupfer-Zwischenschicht in die Silber-Dispersionsschichten zu untersuchen, wurde in den Versuchsreihen bewusst auf eine Nickel-Zwischenschicht verzichtet. Die im Rahmen dieser Untersuchung verwendeten Proben sind in Tabelle 1 aufgelistet. Weitere Details zur Herstellung der Proben sind [1] zu entnehmen.

 Tab. 1: Übersicht zur Herstellung der untersuchten Proben 

Probe

Elektrolyt

i [A/dm2]

t [min]

d [µm]

Partikeltyp

Partikelgröße D50 [µm]

cPartikel [g/L]

Reinsilber

Cyan. Ag

1

12,5

6

Silber Graphit

Graphit

4,5

120

Silber – WS2

WS2

3

10

Silber – MoS2

MoS2

8,5

10

Für eine Beurteilung der durch den Langzeittest initiierten Topographieveränderungen wurden ausgewählte Proben für eine detaillierte Betrachtung mittels Rasterelektronenmikroskopie (Gemini SEM 300 der Firma Zeiss) untersucht. Die chemische Zusammensetzung der Schichten wurde dabei mittels energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) bestimmt.

Abb. 1:  REM-Aufnahmen der  Probenoberfläche vor  und nach dem Auslagern  bei 180°C für 2000h  (Reinsilber,  Silber-Graphit,  Silber-WS2,  Silber-MoS2) Abb. 1: REM-Aufnahmen der Probenoberfläche vor und nach dem Auslagern bei 180°C für 2000h (Reinsilber, Silber-Graphit, Silber-WS2, Silber-MoS2)

Die tribologischen Eigenschaften wurden mittels Stift-Scheibe-Test mit einem Tribometer des Typs „CSEM Pin On Disk Tester“ und einer mit Reinsilber beschichteten 100Cr6-Kugel als Gegenkörper bei einer Normalkraft von 1 N sowie einer Gleitgeschwindigkeit von 52,4 mm/s ermittelt. Die Temperatur beim Stift-Scheibe-Test betrug dabei 23 °C bei einer relativen Feuchte von 50 %.

Zur Bewertung der Schichthärte wurden instrumentierte Eindringprüfungen an den verschiedenen Schichten im metallografischen Schliff vorgenommen (Fischerscope HM500). Die maximale Prüflast betrug dabei 30 mN. Eindringkörper war ein Vickers-Indentor.

Ergebnisse

Abb. 2:  Querschliffaufnahmen  nach dem Auslagern ‚ bei 180°C für 2000 h  (Reinsilber,  Silber-Graphit,  Silber-WS2,  Silber-MoS2)Abb. 2: Querschliffaufnahmen nach dem Auslagern ‚ bei 180°C für 2000 h (Reinsilber, Silber-Graphit, Silber-WS2, Silber-MoS2)Anhand der rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen können ab einer Auslagerungszeit von 500 h bei 140 °C an allen untersuchten Proben die Elemente Kupfer und Sauerstoff, bei einigen Proben zusätzlich Zink im oberflächennahen Bereich nachgewiesen werden. Eine tatsächliche Veränderung der Oberflächentopographie wird bei 140°C allerdings nur an den Silber-MoS2-Proben nach 2000h beobachtet. Daraus kann geschlossen werden, dass bei den Reinsilberschichten sowie den Dispersionsschichten Silber-WS2 und Silber-Graphit die diffundierenden Spezies noch nicht vollständig durch die Silberschicht durchgedrungen sind. Bei einer Auslagerungstemperatur von 180 °C sind bei allen Proben Veränderungen der Oberflächenstruktur zu verzeichnen. Abbildung 1 stellt die Oberflächentopographie der verschiedenen Proben im Ausgangszustand und nach 2000 h bei 180 °C Auslagerung anhand von Rückstreu-Detektor-Aufnahmen gegenüber. Die Wechselwirkung zwischen Rückstreuintensität und mittlerer Ordnungszahl erlaubt es, Veränderungen der Elementzusammensetzung der Oberfläche zu detektieren.

Die Reinsilber- und Silber-Graphit-Proben zeigen dabei die größte Veränderung der Rückstreuintensität. Im Vergleich dazu können bei den Silber-WS2 und Silber-MoS2 nur lokale Veränderungen vor allem im Bereich der aus der Oberfläche ragenden Dispersoide beobachtet werden (siehe Markierungen).

In Abbildung 2 sind Querschliffaufnahmen der Reinsilber- und Silber-Dispersionsschichten nach der Auslagerung bei 180 °C für 2000 h dargestellt. Es ist erkennbar, dass bei den Silber-Dispersionsschichten Silber-WS2 und SilberMoS2 in der Umgebung der eingebauten Dispersoide das Gefüge der Silbermatrix stark gestört ist. An diesen Stellen werden erhöhte Konzentrationen der diffundierenden Spezies Kupfer und Zink speziell im Bereich der Korngrenzen nachgewiesen.

In Abbildung 3 werden die mittleren Reibkoeffizienten, sowohl von Reinsilber als auch von den Silber-Dispersionsschichten, vor und nach der Auslagerung bei 180 °C für 2000 h dargestellt. Die Untersuchungen an Reinsilberschichten dienen dabei als Referenz. Alle untersuchten Silber-Dispersionsschichten zeigen im Vergleich zur Reinsilberschicht auch nach der Auslagerung bei 140 °C bzw. 180 °C gute tribologische Eigenschaften. Die Wärmebehandlungen haben wenig bis keinen Einfluss auf den mittleren Reibkoeffizienten der Silber-Dispersionsschichten.

Abb. 3: Reibkoeffizient der jeweiligen Silber-Dispersionsschicht im Vergleich vor und nach der Auslagerung bei 180 °C für 2000 h  Abb. 3: Reibkoeffizient der jeweiligen Silber-Dispersionsschicht im Vergleich vor und nach der Auslagerung bei 180 °C für 2000 h

Die Ergebnisse der Instrumentierten Eindringprüfungen zeigen einen leichten Rückgang der Schichthärte im Ausgangszustand infolge des Einbaus der verschiedenen Dispersoide. Des Weiteren wird für alle Systeme ein Härteabfall im Verlauf der Auslagerung registriert (siehe Abb. 4 und 5). Das Reinsilber-System weist mit einem Härterückgang von ca. 105 HV auf ca. 60 HV bei 140 °C bzw. 180 °C nach 100 h die größte Härteänderung auf. Die Härteänderung im Silber-Graphit-System ist weniger stark ausgeprägt; vom Ausgangswert 96 HV sinken die Werte nach 100h bei 140°C bzw. 180°C auf 74 HV. Nach weiterer Auslagerung bei 140 °C bleiben die Werte konstant, wogegen die Härte bei 180 °C bis auf 66 HV absinkt. Das Verhalten der Silber-MoS2-Schichten ähnelt dem der Silber-Graphit-Schichten. Beginnend bei knapp 100 HV fällt die Härte nach 100h auf 77 HV, bei noch längerer Auslagerung bis auf ca. 70 HV. Bei Silber-WS2 ist der Härteabfall etwas geringer ausgeprägt (von 93 HV auf 80 HV nach 100 h bzw. bis Auslagerungsende). Der beobachtete Härteabfall ist bei Silberschichten bekannt und wird in der Regel durch ein Kornwachstum infolge der Wärmebehandlung ausgelöst. Die Gegenwart von Dispersoid-Partikeln scheint diesen Vorgang zu verringern. Da sich bei den Härtewerten der Dispersionsschichten, zumindest bei den Systemen Silber-C und Silber-WS2, nach 1000h Auslagerungszeit bei 180 °C noch kein Plateauwert ausgebildet hat, kann hier ein weiterer Härteabfall bei längerer thermischer Belastung nicht ausgeschlossen werden.

Abb. 4: Härtewerte des jeweiligen Schicht-Systems zu Beginn, nach  100 h, 500 h und 1000 h Auslagerung bei 140 °C Abb. 4: Härtewerte des jeweiligen Schicht-Systems zu Beginn, nach 100 h, 500 h und 1000 h Auslagerung bei 140 °C

Zusammenfassung

Abb. 5: Härtewerte des jeweiligen Schicht-Systems zu Beginn, nach  100 h, 500 h und 1000 h Auslagerung bei 180 °CAbb. 5: Härtewerte des jeweiligen Schicht-Systems zu Beginn, nach 100 h, 500 h und 1000 h Auslagerung bei 180 °CIn mehreren Versuchen wurden Silber-Dispersionsschichten mit unterschiedlich eingelagerten Dispersoiden (Graphit, WoS2, MoS2) in einem Langzeitversuch erhöhten Temperaturen ausgesetzt. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass generell eine gute Anbindung zwischen Silber und den eingesetzten Dispersoiden herrscht. Die Systeme Silber-Graphit, Silber-MoS2 und Silber-WS2 heben sich im Vergleich zu reinen Silberschichten durch ihre guten tribologischen Eigenschaften hervor. Sowohl vor als auch nach der thermischen Auslagerung zeigen diese Systeme einen relativ geringen Reibungskoeffizienten. Der Einbau der Dispersoide verlangsamt den Härteabfall infolge der Wärmebehandlung im Vergleich zu reinen Silberschichten. In nahezu allen Systemen konnte die Diffusion von Kupfer aus der aufgebrachten Zwischenschicht bzw. von Zink aus dem Grundwerkstoff an die Schichtoberfläche detektiert werden. Lediglich das System Silber-Graphit zeigte eine verlangsamte Diffusion der Elemente Kupfer und Zink.

Literatur

[1] Arnet, R.; Egetenmeyer, A.; Kappl, H.; Willing, H.: Silberdispersionsschichten mit selbstschmierenden Eigenschaften, Galvanotechnik 112 (2021) 1, S. 21 ff

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 12
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Dr. Ann-Kathrin Egetenmeyer; Christoph Kiesl; Herbert Kappl; Dr. Heidi Willing

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