Diese Seite drucken
Donnerstag, 29 Dezember 2022 10:59

Brief aus England

von
Geschätzte Lesezeit: 9 - 17 Minuten
Abb. 1: Das Regionalflugzeug Heart Aerospace ES-30 Abb. 1: Das Regionalflugzeug Heart Aerospace ES-30 Foto: Sevenair

 

2022 – Jahresende – Ein Rückblick

In ein paar Tagen werden die meisten von uns mit Familie und Freunden entspannen und, vielleicht bei einem Gläschen Glühwein, auf das Jahr 2022 zurückblicken. Sicherlich war es für die meisten von uns ein annus horribilis mit dem Coronavirus, dem Krieg in der Ukraine, einer Inflation von ca. 10 % und Energiekosten, die etwa um das Vierfache gestiegen sind. Aber es gab auch Lichtblicke. Die Coronavirus-Epidemie verschwindet langsam (wenn auch offenbar nicht in China, dem Land, in dem sie ihren Anfang nahm). Wir erinnern uns, dass ein kleines deutsches Unternehmen, Biontech, eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs gespielt hat. In Europa und den USA wurden im Jahr 2022 die Anlagen zur Herstellung von Impfstoffen ausgebaut, sodass wir im Falle einer neuen Pandemie schneller reagieren können. Und der Krieg in der Ukraine hat uns einige bittere Lektionen gelehrt, vor allem, wie falsch es war, uns so abhängig von russischem Erdgas (und in geringerem Maße von russischem Öl und russischer Kohle) zu machen.

Als Bundeskanzler Kohl in den Ruhestand ging, hörten wir noch von Zeit zu Zeit Nachrichten über ihn. Dagegen ist Frau Merkel fast aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden. Bis Anfang 2022 wurde Deutschland – wie die meisten anderen europäischen Länder – langsam „grün“. Aber dank der Energieerpressung von Herrn Putin haben wir jetzt zwei Gründe statt nur einem, unseren Verbrauch an fossilen Brennstoffen zu reduzieren. 2022 haben auch viele Menschen ihre Meinung über Kernkraft geändert und erkannt, dass sie von Nutzen sein kann. Der Krieg in der Ukraine hat uns weitere Lektionen erteilt. Wir haben gesehen, wie die USA den tapferen Ukrainern enorme Unterstützung angeboten haben, sowohl militärisch als auch finanziell – sie waren ein echter Freund. Dagegen haben Frankreich und vor allem Italien nur sehr wenig – im Falle Italiens sogar fast gar nichts – zur Verfügung gestellt. Wir haben mutige Worte von Präsident Macron gehört – aber wenig Substanz. Für Militärexperten war der Krieg in der Ukraine eine große Lernerfahrung, ein riesiges Laborexperiment. Sie haben gesehen, wie selbst moderne Panzer von relativ kostengünstigen Ein-Mann-Schulter-Raketen zerstört wurden. Und natürlich der weit verbreitete Einsatz von Drohnen, sowohl zur Aufklärung als auch als Waffenplattformen. Es wird vermutet, dass Russland über 1000 iranische „Shahed“-Drohnen gekauft hat, die ca. 20.000 Euro pro Stück kosten. Sie fliegen langsam, und die Ukrainer behaupten, ca. 60 % von ihnen abgeschossen zu haben. Die restlichen 40 % haben jedoch schwere Schäden verursacht. Die Ukraine hat auch „Drohnenboote“ entwickelt – und mit Erfolg eingesetzt. Diese sind etwa 4 m lang, ferngesteuert, haben eine Reichweite von Hunderten von Kilometern und tragen eine Sprengladung.

Es steht außer Frage, dass der Krieg in der Ukraine das Muster künftiger Konflikte verändert hat. Der Krieg hatte erhebliche wirtschaftliche Folgen, da viele Länder, einschl. Deutschland, ihre Militärausgaben stark erhöht haben. Deutschland hat sein Militärbudget stark aufgestockt, die deutsche Industrie hat davon bereits profitiert und wird dies auch weiterhin tun. Unsere Branche wird ebenfalls neue, militärisch orientierte Kunden bekommen. Die wirtschaftliche „Landschaft“ hat sich verändert. Viele Unternehmen, die früher in Russland aktiv waren, haben sich zurückgezogen – und damit Einkommensverluste erlitten. Die russische Wirtschaft soll um mindestens 5 % geschrumpft sein, und in den Regalen russischer Geschäfte fehlen nun viele westliche Produkte. Nicht zuletzt soll es sowohl in Russland als auch in der Ukraine jeweils ca. 100.000 Tote und Schwerverletzte gegeben haben.

Das Jahr 2022 hat noch viele andere Veränderungen mit sich gebracht. Dank der Pandemie hat der Online-Einkauf deutlich zugenommen, auch wenn in den letzten Monaten eine leichte Rückkehr zur Hauptstraße zu verzeichnen ist. Die Pandemie führte auch zu einem enormen Anstieg der Home-Office-Arbeit, und es ist jetzt klar, dass dies zumindest teilweise ein fester Bestandteil des Arbeitslebens für viele Angestellte werden wird, in den meisten Fällen das sogenannte „Hybrid“-Modell – 3 Tage zu Hause, zwei Tage im Büro oder umgekehrt. Wirkt sich das Home-Office auf die Produktivität aus? Viele Berichte legen nahe, dass dies nicht der Fall ist.

Im November fand die Cop27-Klimakonferenz in Ägypten statt. Letztes Jahr war sie in Schottland. Das ägyptische Treffen enthüllte jedoch eine ganz neue Agenda. Was die Vereinbarungen zur Verringerung der CO2-Emissionen angeht, so wurde das ägyptische Treffen als weitgehend gescheitert angesehen, da nur sehr wenig erreicht wurde. Aber – zum ersten Mal – sahen wir ein großes neues Thema. Es handelte sich um Wiedergutmachungszahlungen der reichen Industrieländer an die armen Länder der Dritten Welt, die unter dem Klimawandel leiden. Ich glaube, dass dies eine echte „Büchse der Pandora“ sein wird und werde es im nächsten Monat weiter diskutieren. Ich glaube, dass das Jahr 2023 nur besser werden kann – und das wollen wir hoffen!

Grüne Luftfahrt

Laut der Fachzeitschrift Atmospheric Environment (Ausgabe Januar 2021) trägt die kommerzielle Luftfahrt ca. 3,5 % zur „anthropogenen Erwärmung“ bei, hauptsächlich durch CO2-Emissionen, aber auch durch Ruß- und Sulfatemissionen, und dieser Anteil wird sich in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich noch deutlich erhöhen. Es liegt auf der Hand, dass – ebenso wie beim Landverkehr (Straßen und Schienen) – ein „grüner Luftverkehr“ entwickelt werden muss.

Batteriebetriebene Flugzeuge

Air Canada hat sich vor kurzem als jüngste Fluggesellschaft auf eine neue, emissionsfreie Technologie festgelegt und 30 batteriebetriebene Passagierflugzeuge bei dem schwedischen Unternehmen Heart Aerospace bestellt. United Airlines und der Regionalanbieter Mesa Airlines bestellten im Sommer letzten Jahres jeweils 100 Exemplare der ES-30 von Heart Aerospace, einem elektrischen Regionalflugzeug mit Platz für 30 Passagiere. Abbildung 1 zeigt die ES-30.

Im Moment sind diese in der Entwicklung befindlichen Elektroflugzeuge noch klein und bieten nur Platz für bis zu 30 Passagiere. Und sie können nicht weit fliegen – das Flugzeug von Heart Aerospace, das von mehr als 5 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien an Bord angetrieben wird, kann mit einer Ladung nur 200 km weit fliegen. Mit Hilfe eines benzinbetriebenen Generators kann es jedoch seine Reichweite auf fast 800 km erhöhen und dabei die CO2-Emissionen um bis zu 50 % reduzieren. Dennoch ist der Einsatz dieser Technologie nur begrenzt möglich.

Flugzeuge mit Brennstoffzellenantrieb

Abb. 2: Dornier 228 Flugzeug mit Brennstoffzellenantrieb (Foto: DLR/Hendrik)Abb. 2: Dornier 228 Flugzeug mit Brennstoffzellenantrieb (Foto: DLR/Hendrik)ZeroAvia ist eines von mehreren Luftfahrtunternehmen, die wasserstoffbetriebene Flugzeuge mit Brennstoffzellenantrieb entwickeln, und hat im Rahmen des HyFlyer II-Projekts mit der Flugerprobung seines wasserstoffelektrischen Antriebsstrangs mit dem Testflugzeug Dornier-228 begonnen (Abb. 2). Ziel ist es, bis 2024 ein vollständig zertifiziertes Flugzeug mit einer Leistung von 600 kW und 19 Sitzen zu liefern. Dabei wird ZeroAvia von der britischen Regierung unterstützt. Das Unternehmen plant, seine Technologie bis 2026 auf Flugzeuge mit 40 bis 80 Sitzen auszuweiten. Die Bodentests der Prototypen des 1,8-Megawatt-Kraftwerks beginnen dieses Jahr. Wie Heart Aerospace hat auch ZeroAvia Pläne für ein Hybridflugzeug mit kombinierten Brennstoffzellen- und herkömmlichen Triebwerken. ZeroAvia entwickelt auch die Technologie, um bestehende Flugzeuge für den Brennstoffzellenbetrieb umzurüsten.

Wasserstoffbetriebene Gasturbinentriebwerke

Ende November testete Rolls-Royce, offenbar zum ersten Mal weltweit eine mit Wasserstoff betriebene Gasturbine. Das Triebwerk selbst war fast völlig konventionell, eine Rolls-Royce AE-2100A-Gasturbine, eine Konstruktion, die in Regionalflugzeugen auf der ganzen Welt weit verbreitet ist. Die Tests werden von Rolls-Royce nach Entwicklungsarbeiten in Derby und in Partnerschaft mit der Fluggesellschaft easyJet durchgeführt. Bislang wurde die Gasturbine nur bei niedrigen Geschwindigkeiten betrieben. Die Ingenieure von Rolls-Royce weisen jedoch darauf hin, dass Wasserstoff, selbst wenn er bei sehr niedrigen Temperaturen verflüssigt wird, immer noch ca. das 4-fache Volumen der entsprechenden Menge Kerosin einnimmt und daher erhebliche Änderungen an der Form des Flugzeugkörpers erforderlich machen würde.

Nachhaltige Flugzeugtreibstoffe

Die letzte Option für die „grüne“ Luftfahrt ist die Verwendung von sogen. nachhaltigen Luftfahrttreibstoffen (Sustainable Aviation Fuel, SAF). Dabei handelt es sich um organische Verbindungen, die aus pflanzlichen Quellen hergestellt werden. Das gesamte Konzept ist sehr umstritten, da befürchtet wird, dass die landwirtschaftliche Produktion von Nahrungsmitteln dadurch verringert wird. In der Vergangenheit wurden in Lateinamerika Zuckerrohrpflanzen in Kraftstoffe umgewandelt. Die Technologie war problemlos – aber das Projekt wurde aus „politischen“ Gründen eingestellt. Aus diesem Grund basieren alle neuen Projekte zur Herstellung von SAF auf organischen Abfällen, wobei betont wird, dass sie nicht auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion gehen. Aber gibt es genug solcher organischer Abfälle, um den Bedarf an Brennstoffen zu decken?

In England konzentriert sich das Projekt Fastacejet auf zwei praktikable Verfahren – Fastjet- und Acejet – zur Herstellung von SAF. Beim Fastjet-Verfahren werden Fettsäuren durch einen zweistufigen Fermentationsprozess erzeugt – chemolithotrophe Fermentation von H2 und CO2 zur Herstellung einer intermediären organischen Säure, die als Ausgangsmaterial für die anschließende Fermentation von ölhaltigen Hefen dient. Der Acejet-Weg produziert einen Aldehyd als Plattformchemikalie aus Abfall oder überschüssigem H2 und CO2 in chemolithotropher Fermentation. Beide Fermentationsprodukte werden dann durch chemo-katalytische Prozesse zu SAF-Produkten aufgewertet. Im Rahmen des Projekts werden beide Verfahren, deren Machbarkeit im Labormaßstab bereits nachgewiesen wurde, optimiert, um Kraftstoffproben herzustellen, deren physikalisch-chemische Eigenschaften und ihre Eignung als Flugkraftstoff zu bewerten und eine detailliertere technisch-wirtschaftliche Modellierung der Verfahren vorzunehmen. Fazit: Innerhalb der nächsten 10 Jahre werden wir die ersten kommerziellen Elektroflugzeuge sehen – „grüne Luftfahrt“. Aber grüne Langstrecken- und Interkontinentalflüge sind noch wenig mehr als ein Traum.

Solarenergie im GigaWatt-Maßstab

Abb. 3: Konzeptionelles Bild eines  Solarparks im WeltraumAbb. 3: Konzeptionelles Bild eines Solarparks im WeltraumSonnenkollektoren, meist auf einem Dach montiert, sind ein alltäglicher Anblick. Seltener sieht man große Solarfarmen mit ganzen Feldern, die mit Solarzellen bedeckt sind. Aber die ESA (Europäische Weltraumorganisation) prüft jetzt die Möglichkeit von Solaranlagen im GigaWatt-Maßstab im Weltraum. Das „Solaris“-Projekt soll mit einer dreijährigen Studie beginnen, um festzustellen, ob riesige Solarparks im Weltraum funktionieren und kosteneffizient sein könnten. Das letztendliche Ziel sind riesige Satelliten in der Umlaufbahn, die jeweils 1 bis 2 GigaWatt erzeugen können. ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher ist überzeugt, dass die Solarenergie aus dem Weltraum einen „enormen“ Beitrag zur Behebung künftiger Energieengpässe leisten könnte. Nach Aschbacher „müssen wir uns zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft wandeln und daher die Art und Weise der Energieerzeugung ändern und insbesondere den Anteil der fossilen Brennstoffe an unserer Energieerzeugung reduzieren“. Wenn wir das vom Weltraum aus tun können, und ich sage, wenn wir es könnten – denn wir sind noch nicht so weit – wäre das fantastisch und würde viele Probleme lösen.

Satelliten mit Sonnenkollektoren müssten etwa 1,7 km lang sein – mehr als doppelt so groß wie das höchste Gebäude der Welt und um eine Größenordnung größer als das derzeit größte Bauwerk im Weltraum, die Internationale Raumstation mit 110 m. Die Energie der Sonne kann im Weltraum viel effizienter aufgefangen werden, da es weder Nacht noch Wolken gibt. Die Idee gibt es schon seit über 50 Jahren, aber ihre Umsetzung war bisher zu schwierig und zu teuer – bis jetzt. Abbildung 3 zeigt das Konzept.

Was sich nun geändert hat, sind die drastisch gesunkenen Kosten für Starts, dank wiederverwendbarer Raketen und anderer vom Privatsektor entwickelter Innovationen. Aber es gab auch Fortschritte beim Bau von Robotern im All und bei der Entwicklung von Technologien zur drahtlosen Übertragung von Elektrizität vom Weltraum zur Erde.

Die Europäische Weltraumorganisation ESA bittet ihre Mitgliedstaaten um Mittel für ein Forschungsprogramm mit der Bezeichnung Solaris, mit dem geprüft werden soll, ob es aufgrund dieser Entwicklungen möglich ist, Solarenergie aus dem Weltraum zuverlässig und kostengünstig genug zu erzeugen, um sie wirtschaftlich zu nutzen.

Ein Hauptaugenmerk des Solaris-Programms liegt auf der Frage, ob es möglich ist, die im Weltraum gesammelte Sonnenenergie in die Stromnetze auf der Erde zu übertragen. Dies kann natürlich nicht über ein extrem langes Kabel geschehen, sondern muss drahtlos über Mikrowellenstrahlen erfolgen. Das Solaris-Team hat bereits gezeigt, dass es prinzipiell möglich ist, Strom sicher und effizient drahtlos zu übertragen.

Im September haben Ingenieure von Airbus in München 2KW Strom aus Solarzellen drahtlos an mehr als 30 Meter entfernte Kollektoren übertragen. Es wird ein großer Schritt sein, Strom in Größenordnungen von vielen Gigawatt über Tausende von Kilometer zu übertragen, aber laut Jean Dominique Coste, Senior Manager für Airbus-Blue-Sky, könnte dies in einer Reihe kleiner Schritte erreicht werden. „Unser Team von Wissenschaftlern hat keine technischen Hindernisse gefunden, die einer weltraumgestützten Solarenergie im Wege stehen“, sagte er.

Emrod (https://emrod.energy), die Firma, die das drahtlose Übertragungssystem entwickelt hat, erklärt, dass die Technologie sicher ist. „Es wird nichts gebraten“, heißt es. „Die Leistung des Strahls ist über einen so großen Bereich verteilt, dass selbst bei der höchsten Intensität im Zentrum des Strahls keine Gefahr für Tiere oder Menschen besteht.“ Die USA, China und Japan sind im Wettlauf um die Entwicklung weltraumgestützter Solarenergie ebenfalls weit fortgeschritten und werden voraussichtlich in Kürze ihre eigenen Pläne bekannt geben. Unabhängig vom ESA-Vorschlag wurde ein weiteres Unternehmen, Space Solar (www.spacesolar.co.uk), gegründet. Sein Ziel ist es, innerhalb von sechs Jahren zu demonstrieren, wie man Strom aus dem Weltraum beamen kann, und dies innerhalb von neun Jahren kommerziell zu tun. Ich füge nur eine Bemerkung hinzu: Die Produktion von Solarzellen ist ein Zweig der Oberflächentechnik. Das könnte eine gute Nachricht für unsere Branche sein.

Energiespeicherung

Das Problem mit den meisten erneuerbaren Energiequellen ist, dass sie nicht rund um die Uhr funktionieren. Daher werden jetzt immer mehr Solaranlagen mit einer Batterie verbunden, sowohl im Inland als auch bei größeren Anlagen, z. B. in Australien. Und in fast allen Fällen handelt es sich um Lithium-Batterien. Aber, wenn Gewicht und Energiedichte nicht wichtig sind – könnte es eine kostengünstigere Option geben? Natrium-Ionen-Batterien sind eine mögliche Antwort. Aber eine andere Technologie wurde kürzlich angekündigt. Die Google-Muttergesellschaft Alphabet setzt auf Salz und Frostschutzmittel als Energiespeicher, die billiger sein könnten als Lithium-Ionen-Batterien. Die geheime X-Abteilung von Alphabet arbeitet an einer potenziell kostengünstigeren Alternative.

Die neue Technologie wurde von Robert Laughlin, einem mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Physiker der Universität Stanford, entwickelt. Sie nimmt Energie in Form von Elektrizität auf und wandelt sie mit Hilfe einer Wärmepumpe in heiße und kalte Luft um. Diese Ströme erhitzen das geschmolzene Salz bzw. kühlen das Frostschutzmittel. Der Prozess kann umgekehrt werden, um die Energie freizusetzen, wenn die warme und die kalte Luft aufeinandertreffen, so dass Druckluft entsteht, die eine Turbine antreibt und den Strom wieder ins Netz einspeist. Wissenschaftler hatten bereits gezeigt, dass die Technologie Energie speichern kann. Die Ingenieure von Alphabet haben jedoch eine Version entwickelt, die bei niedrigeren Temperaturen funktioniert, wodurch die Kosten gesenkt werden und die Technologie kommerziell nutzbar wird. Obwohl die Turbinen und Wärmetauscher des Systems eine Sonderanfertigung erfordern, ist der Großteil der Technologie nicht teuer. Stahltanks, Luft und Kühlflüssigkeiten sind einfach zu beschaffen. Salz (Natriumchlorid) ist billig und reichlich vorhanden und kann immer wieder zur Wärmespeicherung verwendet werden, ohne dass es sich zersetzt oder giftige Nebenprodukte freisetzt. Die Salztanks können Tausende Male geladen und wieder aufgeladen werden, und zwar bis zu 40 Jahre lang – dreimal länger als andere Optionen. Die Größe des Systems kann die Dimensionen einer Garage oder eines Großkraftwerks haben. Wir brauchen Energiespeicher – aber Batterien sind vielleicht nicht die einzige Option.

E-Bikes für Jedermann

Abb. 4: Skarper E-Motor auf dem FahrradAbb. 4: Skarper E-Motor auf dem FahrradE-Bikes sind nichts Neues. Ogden Bolton Jr. erhielt 1895 das erste US-Patent für ein solches. Sein batteriebetriebenes Fahrrad verfügte über einen Nabenmotor, der im Hinterrad montiert war, während die Batterie an der Querstange befestigt war. Zwei Jahre später erfand Hosea W. Libbey in Boston ein Elektrofahrrad, das von einem Motor angetrieben wurde, der in der Nabe der Tretkurbelachse angebracht war. Heute sind E-Bikes ein Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft. Sie lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Es gibt das Ex-novo-E-Bike und es gibt Bausätze, mit denen man ein einfaches Fahrrad in ein E-Bike umbauen kann. Die meisten dieser Umbausätze erfordern ein komplett neues Rad mit eingebautem Motor, um das vorhandene Rad zu ersetzen. Aber jetzt gibt es einen viel schnelleren und einfacheren Umbausatz, den „Skarper“, der in wenigen Minuten an jedes Fahrrad mit Scheibenbremsen angeklemmt werden kann. Abbildung 4 zeigt ein aktuelles Rad. Die Batterie ist im Gehäuse untergebracht und das ganze Gerät wiegt 3 kg. Die Reichweite beträgt ca. 60 km und die Höchstgeschwindigkeit ist auf 25 km/h (30 km/h in den USA) begrenzt. Wenn man zur Arbeit fährt, kann man das Gerät abnehmen und im Büro oder am Arbeitsplatz wieder aufladen.

Selbstfahrende Fahrräder?

Die Idee eines selbstfahrenden Fahrrads scheint ziemlich verrückt zu sein. Aber ein solches Fahrrad wurde 2018 von Google gezeigt. Das Video kann über den hier gezeigten QR-Code oder https://bit.ly/3XKr2NT angeschaut werden. Allerdings wurde schnell klar, dass es sich um einen Scherz handelte. Das Video wurde am 1. April veröffentlicht – also am „All Fools Day“. Doch 2019 hat BMW auf der CES in den USA ein autonomes Motorrad angekündigt – und das war echt, kein Scherz. Jetzt wurde von der Forschungsgruppe City Science am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Media Lab ein autonomes Motorrad entwickelt, das angehalten werden kann und sich dann selbst zu einem Abholpunkt transportiert. Eines der Hauptprobleme beim autonomen Fahren eines Fahrrads ist das Gleichgewicht. Um dieses Problem zu lösen, hat das MIT einen innovativen Mechanismus entwickelt, der zwei verschiedene Konfigurationen ermöglicht: Bei der Benutzung ist das Fahrrad wie ein herkömmliches Zweirad konfiguriert. Für das autonome Fahren verwandelt es sich in ein Dreirad, das die nötige Stabilität hat, um selbst zu fahren. Dieser Übergang wird durch zwei lineare Aktuatoren erzeugt, die die beiden Hinterräder bei Bedarf dynamisch trennen und wieder zusammenführen. Die MIT Media Lab City Science Gruppe hat einen voll funktionsfähigen Prototypen dieses Mechanismus' entworfen, gebaut und getestet. Der Prototyp enthält auch die Motoren für die Bewegung im autonomen Modus: einen Antriebsmotor für den Vortrieb und einen weiteren Motor für die Lenkung. Der aktuelle Prototyp wird über eine Fernbedienung gesteuert; die nächsten Schritte umfassen die weitere Integration der autonomen Hardware und Software. Zwei aktuelle Veröffentlichungen des Teams sind:

Naroa Coretti Sanchez et al. „On the simulation of shared autonomous micro-mobility“, Communications in Transportation Research, Volume 2 (2022): 100065, ISSN 2772-4247, https://doi.org/10.1016/j.ommtr.2022.100065
Naroa Coretti Sanchez et al. „On the performance of shared autonomous bicycles: A simulation study.“ Communications in Transportation Research 2 (2022): 100066.

Die MIT-Gruppe erforscht viel mehr als nur dieses mechanische Gerät. Sie denken darüber nach, wie die Städte der Zukunft im Hinblick auf soziale Strukturen und Lebensstile funktionieren könnten. Auf der ganzen Welt werden autonome Pkw und Lkw entwickelt, und nun auch Fahrräder. Können sie in unserer komplexen Welt sicher und zuverlässig funktionieren?

Ein großer Schritt nach vorne für die Wasserstoffwirtschaft

Abb. 5: Impression der im Bau befindlichen weltgrößten  Elektrolyseuranlage in RotterdamAbb. 5: Impression der im Bau befindlichen weltgrößten Elektrolyseuranlage in RotterdamShell hat mit dem Bau der größten „grünen“ Wasserstoffanlage Europas begonnen, die Strom aus einem Offshore-Windpark zur Herstellung des sauberen Kraftstoffs nutzen wird. Der Öl- und Gaskonzern teilte mit, er habe die endgültige Investitionsentscheidung für den 200-Megawatt-Elektrolyseur im Hafen von Rotterdam getroffen und rechne damit, dass die Anlage im Jahr 2025 in Betrieb genommen wird.

Abbildung 5 vermittelt einen Eindruck von der fertigen Anlage. Nach Angaben von Shell entspricht die Kapazität der Anlage etwa zwei Dritteln aller heute weltweit in Betrieb befindlichen Elektrolyseur-Kapazitäten. Die neue Anlage wird Strom aus dem Offshore-Windpark Hollandse Kust (Noord) nutzen, den Shell gemeinsam mit anderen Unternehmen etwa zehn Seemeilen vor der Küste der Niederlande errichtet. Die Anlage wird mittels Elektrolyse bis zu 60 Tonnen Wasserstoff pro Tag produzieren.

Der kohlenstofffreie grüne Wasserstoff wird zunächst zur Dekarbonisierung des Shell-Energie- und Chemieparks in Rotterdam eingesetzt werden und einen Teil des „grauen“ Wasserstoffs ersetzen, der in der Raffinerie Pernis zur Herstellung von Kraftstoffen verwendet wird. Shell sagte, dass es zu gegebener Zeit, wenn wasserstoffbetriebene Lkw auf den Markt kommen, auch solche Fahrzeuge beliefern könnte. Der Elektrolyseur hat eine Kapazität, die ausreicht, um etwa 2.300 Lkw mit Wasserstoff zu versorgen.

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 12
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Dr. Anselm T. Kuhn

Ähnliche Artikel