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Montag, 23 Januar 2023 10:59

Gemischtes Abwasser und Nitrit

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Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten
Unterschiedliche Zustände eines Abwassers bei der Dosierung von H2O2. Unterschiedliche Zustände eines Abwassers bei der Dosierung von H2O2.

Frage: Bei internen Kontrollen stellten wir in der Abwasserbehandlung von Chrom(VI) fest, dass sich darin Cyanidverbindungen befinden. Nähere Untersuchungen zeigten, dass das Cyanid aus den Dreierkaskadespülen des cyanidischen Zinkbades in die Chromatierung verschleppt wird. Zwischen Elektrolyt und Kaskade befindet sich eine Standspüle. Die „Standspüle“ ist derzeit lediglich eine Abtropfwanne, in der sich kein Wasser befindet. Nun haben wir die Schwierigkeit, dass wir einerseits unsicher sind, wie wir das Problem vermeiden können, andererseits, wie wir das Gemisch richtig entgiften sollen, schließlich muss Cyanid oxidiert und Chrom(VI) reduziert werden. Eine Idee bestand darin, das Oxidationsmittel direkt in die Kaskadespülen zu geben, um eine Direkt- oder zumindest Vorentgiftung zu realisieren. Da wir auch eine Härterei haben, befindet sich bei uns zudem Nitrit im Abwasser. Könnte man das Nitrit im Gemisch ebenfalls durch Oxidation oder Reduktion mit entgiften?

Antwort: Durch ordentliche Abwasserführung und Spülung sollten solche Probleme nicht auftreten. Die Praxis zeigt aber, dass das durchaus der Fall sein kann. Da wir davon ausgehen, dass Sie eine separate Cyanidentgiftung besitzen, besteht die erste Maßnahme darin, die Verschleppung zu verhindern.

Zurückhalten von Cyaniden

Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass bei Ihnen ein Spülproblem vorherrscht. Selbst wenn ausschließlich die Kaskadespülen betrieben werden, sollte das Spülergebnis unter normalen Umständen ausreichen. D. h. hier ist entweder das Volumen zu gering, die Spülzeiten nicht ausreichend oder – was am naheliegendsten ist – die Zuführung von Frischwasser unzureichend.

Sie sollten zunächst prüfen, ob die Zeiten und/oder die Wasserdosierung verändert wurden. Wenn ja, sind hier die Gründe zu hinterfragen und zu bewerten, ob die entstandenen Nachteile nicht doch überwiegen.

Die nächste Maßnahme würde darin bestehen, die ursprüngliche Sparspüle zu ihrer alt bewehrten Funktion zu verhelfen. Wenn die Rückführung in das Zinkbad aufgrund der Verdünnung nicht mehr ausreicht und Sie generell den Gehalt an Cyanid in der Abwasseranlage reduzieren möchten, bestünde die Möglichkeit einer Vorentgiftung durch anodische Oxidation im Bypass. Hierbei wird der Sparspüle eine Elektrolysezelle angeschlossen, in der anodisch Cyanid oxidiert und kathodisch Zink abgeschieden wird. Dies spart u. a. Frischwasser und kann den Cyanidgehalt der Spüle erheblich reduzieren.

Von der Zugabe von Oxidationsmitteln in die Spülen raten wir hingegen dringend ab. Diese würden Sie in die Chromatierung verschleppen. Je nach Ablauf und Verrohrung können diese Oxidationsmittel in das Kreislaufwasser gelangen und die Harze der Ionenaustauscher beschädigen. Außerdem ist eine Rückführung in das Zinkbad nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass Sie womöglich auch die Zinkschicht oxidieren und die Chromatierung nicht mehr aufzieht, sich womöglich sogar Spuren von Zinkkorrosion bilden, was das Gegenteil von dem ist, was Sie mit der Beschichtung erreichen wollen (Korrosionsschutz).

Normaler Ablauf bei cyanidischen und chromhaltigen AbwässernNormaler Ablauf bei cyanidischen und chromhaltigen Abwässern

Nitrit im Abwasser

Auch wenn sich die Härterei auf demselben Gelände befindet und möglicherweise das Abwasser in denselben Räumen wie das der Galvanik aufbereitet wird, sollte es vom Rest getrennt werden, zumindest in einem eigenen Sammelbehälter. Gerade bei RedOx-Reaktionen ist es häufig eine schlechte Idee, alles zusammen zu mischen und auf das Beste zu hoffen, bspw. weil Sie dadurch möglicherweise keinen klaren Potentialsprung erhalten und – je nach Mengenverhältnis – nicht wissen, was gerade passiert. Diese Vorgehensweise bringt normalerweise nur bei Fällungsreaktionen Vorteile, nachdem alle vorherigen Reaktionsstufen, bspw. Zerstörung von Komplexen, Beseitigung von Ammonium usw. abgeschlossen wurden.

Um Nitrit zu zerstören, gibt es zwei Möglichkeiten: Sie können es zu Nitrat oxidieren oder reduzieren, wonach Sie Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen erhalten. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile.

Wenn Sie ohnehin mit Wasserstoffperoxid arbeiten, bietet sich eine Oxidation an:

HNO2 + H2O2 → HNO3 + H2O

Hierbei entsteht Salpetersäure, die später neutralisiert wird. Die Verweilzeit sollte mindestens 15 Minuten betragen. Bei richtiger Dosierung lässt sich die Bildung von Nitrosegasen minimieren oder ganz vermeiden.

Die Reduktion von Nitrit kann mit Dihydrogensulfit (schwefelige Säure, H2SO3), Harnstoff (CH4N2O) und Aminoschwefelsäure (Amidosulfonsäure, H3SO3N) erfolgen:

2 HNO2 + 3 H2SO3 → N2+ 3 SO42- + 6 H+ + H2O

2 HNO2 + CH4N2O → 2 N2 + CO2 + 3 H2O (Reaktion läuft erst ab 60° ab)

Diese Verfahren sind teurer und – bei Harnstoff – mit einem hohen Energieaufwand verbunden.

Entgiftung von Cyanid und Chrom(VI)

Bei getrennten Abwässern wird das cyanidhaltige Abwasser oxidiert und das chromhaltige Wasser in einem anderen Behandlungsbecken reduziert. Wenn beide Prozesse abgeschlossen sind und das ehemals cyanidhaltige Abwasser von dem Überschuss an Oxidationsmitteln befreit wurde, können diese vermischt und zusammen mit anderen Wässern, etwa aus Beizen und Entfettungen, weiterbehandelt werden.

Für beide Reaktionen gibt es mehrere Verfahren [1–3], die hier nicht weiter vertieft werden sollen. Wenn man sich diese anschaut, stellt man fest, dass sich mittels Wasserstoffperoxid Chrom reduzieren und Cyanid oxidieren lässt. Zudem kann es, wie beschrieben, zur Oxidation von Nitrit verwendet werden. Diese Vorgehensweise sehen wir aber als sehr kritisch an, wie wir nachfolgend ausführen möchten.

Bei Anwesenheit von Nitrit bildet sich, wie ausgeführt, Salpetersäure. D. h. dass der pH-Wert sinkt. Dies ist für die Chromreduktion mit H2O2 sogar erforderlich, da diese erst bei pH < 3,5 erfolgt. Je nach Verhältnis Chrom zu Cyanid und dem ursprünglichen pH-Wert kann sich hier Blausäure bilden, sofern das Cyanid nicht schon in der Chromatierung, also Produktion, in Blausäure umgewandelt wurde. Dies soll für den Fall erwähnt werden, dass es eventuell mehrere Quellen für das beschriebene Problem gibt und wir den pH-Wert der CN-Cr(VI)-Mischung nicht kennen.

Hinzu kommt, dass Sie mit immer mehr Unbekannten arbeiten, je mehr Abwässer Sie mischen. Ein mögliches Problem sind Stoffe, die auf Wasserstoffperoxid katalytisch wirken. Dies gilt u. a. für Kupfer, um nur ein populäres Beispiel zu nennen. Solche Stoffe können zu spontanen Reaktionen von H2O2 führen und das Abwasser bahnt sich explosionsartig seinen Weg aus dem Behandlungsbecken.

Deshalb raten wir dazu, sich beim Gemisch (ohne Nitrit) auf die Oxidation von Cyanid zu fokussieren. Anschließend kann das Chrom reduziert werden, da eine Rückreaktion von Cyanat zu Cyanid recht ausgeschlossen ist.

Da es sich um eine vergleichsweise geringe Menge von Cyanid handelt, raten wir zu einem Versuch mit Karoat (2KHSO5 KHSO4 · K2SO4). Das saure Tripelsalz ist etwas teurer als die gängigen Mittel, dafür aber gut löslich und hat keine Nachteile wie AOX-Bildung, Korrosion etc.

Nach der Cyanidoxidation kann das Chrom(VI) wie gewohnt reduziert werden.

Literatur

[1] Umwelttechnik Teil 1 – Abwasserbehandlung: https://www.galvanotechnik-for-you.de/uebersicht-kurse/umwelttechnik-teil-1-abwasserbehandlung/
[2] Hartinger Handbuch Abwasser- und Recyclingtechnik, Günter Dietrich, Hanser Verlag
[3] Entgiftung von Nickel, Kupfer und Cyaniden, Galvanotechnik, Ausgabe 9/2022

Weitere Informationen

  • Jahr: 2023
  • Autoren: B. C.

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