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Donnerstag, 20 April 2023 11:59

Leipziger Fachseminar knüpft an Vor-Coronazeit an

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Geschätzte Lesezeit: 5 - 9 Minuten
Prof. Lampke sprach die einleitenden Worte und ließ den 9. März im Lauf der Geschichte Revue passieren Prof. Lampke sprach die einleitenden Worte und ließ den 9. März im Lauf der Geschichte Revue passieren Fotos: Robert Piterek/Marion Regal

In diesem Jahr startete die mittlerweile zweitgrößte DGO-Veranstaltung am 9. März in Leipzig bereits zum 28. Mal. Rückblickend ist das Leipziger Fachseminar eine Erfolgsgeschichte über eine Regionalveranstaltung, die sich zu einem bundesweiten Branchenevent entwickelt hat. In diesem Jahr standen u. a. REACh, Bremsbeschichtungen und die Galvanisierung von Textilien auf dem Programm.

Herr Spielvogel von der DGO-Bezirksgruppe Leipzig/Halle illustrierte seinen Vortrag 1997 noch mit einem  Overhead-Projektor statt wie heute üblich per Beamer (Foto: DGO)Herr Spielvogel von der DGO-Bezirksgruppe Leipzig/Halle illustrierte seinen Vortrag 1997 noch mit einem Overhead-Projektor statt wie heute üblich per Beamer (Foto: DGO)Das Leipziger Fachseminar hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Traditionsveranstaltung der Branche entwickelt. Ins Leben gerufen wurde es 1994 von den regionelen Bezirksgruppen der Deutschen Gesellschaft für Oberflächentechnik (DGO) als Plattform für die Galvano- und Oberflächentechnik in den neuen Bundesländern. Wer das Archiv der Zeitschrift Galvanotechnik durchforstet, findet erstmals im Jahr 1997 einen ausführlichen Bericht über die Veranstaltung – geschrieben von Marion Regal von der DGO in Sachsen, die auch heute noch im DGO wirkt und sich auch an diesem Tagungsbericht beteiligt hat. 1997 ging es noch weniger um die heute allgegenwärtige REACh-Thematik, aber durchaus um Reinigungs- und Abwasserfragen, die weiterhin auf der Agenda stehen. Die Beteiligung galt damals mit 98 Teilnehmern als gut, 15 Unternehmen präsentierten sich zudem am Rande der Veranstaltung. Und hier zeigt sich deutlich der Unterschied zu heute und den Blütejahren des Fachseminars vor der Coronapandemie, denn seit den 1990er-Jahren wuchs das Interesse am Leipziger Fachseminar kontinuierlich: Die Beteiligung pendelte in den Jahren vor Corona zwischen 260 und 280 Teilnehmern sowie 50 bis 60 ausstellenden Unternehmen auf der Fachausstellung – das Fachseminar war damit zuletzt drei bis vier Mal so beliebt wie in den Anfangsjahren der Nachwendezeit.

Stärkung der Branche erwartet

Diese Messlatte galt es nun drei Jahre später zu erreichen – was annähernd gelang: Mit 220 Teilnehmern und 42 Unternehmen knüpfte das Nach-Corona-Debut recht gut an die letzte Präsenzveranstaltung im Jahr 2020 an. Schauplatz des Branchenevents war das Congress Center Leipzig unmittelbar neben dem Leipziger Messegelände. Dieses Jahr fanden neben der Veranstaltung parallel die Industrie- und Zuliefermessen Intech, Grindtech und Z statt, was von den Teilnehmern positiv aufgenommen wurde.

Die einleitenden Worte sprach Prof. Thomas Lampke, Moderator des Vormittagsprogramms und Leiter des Lehrstuhls Werkstoff- und Oberflächentechnik an der TU Chemnitz. Er startete mit einem Blick auf das Datum 9. März im Lauf der Geschichte und rief die Bekanntgabe der Entwicklung des ersten Elektronenmikroskops an diesem Tag im Jahr 1931 in Erinnerung. Für diese Entwicklung erhielt Ernst Muska später den Nobelpreis für Physik. Prof. Lampke erwähnte zudem den Beschluss des Bundestags zur Rente mit 67 im Jahr 2007. Ebenso würdigte er den österreichisch-deutschen Komponisten Hanns Eisler, der vor 125 Jahren in Leipzig geboren wurde, und u. a. die Musik für Brechts Dreigroschenoper komponiert hatte. Nach Prof. Lampke trat der DGO-Vorsitzende Dr. Martin Metzner ans Rednerpult. Er wies darauf hin, dass die jährliche Veranstaltung wegen der hohen Teilnehmerzahl schon seit Längerem eher ein Kongress als ein Fachseminar ist. Dr. Metzner stellte in seiner Rede schnell den Bezug zur aktuellen Transformation von Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft her und sprach von spannenden technischen Zeiten. Der Wandel hin zur Elektromobilität werde zwar dazu führen, dass einige Beschichtungen wegfallen. Potenzial biete aber die Wasserstoffwirschaft für Elektrochemie und Galvanotechnik. Beim Proton Exchange Membrane (PEM)-Elektrolyseur, dem aktuellen Hoffnungsträger einer dezentralen Wasserstofferzeugung, sei jedoch das für die Beschichtung der Elektroden von Elektrolyseuren erforderliche Iridium vierhundert Mal seltener als Gold, daher sei die Entwicklung von Nanoschichten, neuen Legierungen, selektiven Beschichtungsverfahren sowie Rückgewinnungsprozessen wichtig, folgerte er. „Die Branche wird in 10–20 Jahren anders aussehen, aber wahrscheinlich stärker sein“, so Dr. Metzners zuversichtlicher Ausblick zum Ende seiner Rede. Letzter Redner vor dem Vortragsprogramm war Messe Leipzig Geschäftsführer Markus Geisenberger, der das Leipziger Fachseminar als wichtige Schwerpunktveranstaltung der Galvano- und Oberflächentechnik würdigte.

 

Arcadius Waleska von WHW Hillebrand vertrat  Malte Zimmer und brachte die Teilnehmer beim Thema REACh auf den neuesten StandArcadius Waleska von WHW Hillebrand vertrat Malte Zimmer und brachte die Teilnehmer beim Thema REACh auf den neuesten Stand

DGO-Präsident Dr. Martin Metzner bei einer Zwischen- frage. Metzner geht von einer Stärkung der Branche durch die industrielle Transformation ausDGO-Präsident Dr. Martin Metzner bei einer Zwischen- frage. Metzner geht von einer Stärkung der Branche durch die industrielle Transformation aus

Julia Ulrich spannte in ihrem Vortrag über metallisierte Textilien den Bogen von der Textilindustrie zur  GalvanotechnikJulia Ulrich spannte in ihrem Vortrag über metallisierte Textilien den Bogen von der Textilindustrie zur Galvanotechnik

 

Vormittagsprogramm im Zeichen der industriellen Transformation

Die begleitende Fachausstellung ist noch ausbaufähig. 42 Unternehmen präsentierten sich –  in den Vor-Coronajahren waren es mehrThematisch ging es beim Fachseminar gleich um die heikelste aktuelle Frage der Oberflächentechnik: REACh und Cr(VI) in Europa. Ursprünglich war hier Malte Zimmer, neuer Präsident der CETS (European Commitee for Surface Treatment), als Referent eingeplant. Ein Gerichtsverfahren, bei dem es laut Vertretungsreferent Arcadius Waleska, WHW Hillebrand, um die Dokumentation von Chromtrioxid als Zwischenprodukt ging, hielt den Experten für Umwelt- und Chemikalienpolitik aber davon ab, in Leipzig zu erscheinen. Waleska beschrieb den aktuellen Stand bei den Autorisierungen und welche Applikationen diese betreffen. Zudem thematisierte er das sogenannte „Essential Use-Konzept“, also den weiterhin unerlässlichen Einsatz von Chemikalien und zeigte unter welchen Umständen es hier weiter Ausnahmeregelungen geben kann. Ins Zentrum rücke bei der ECHA aber zunehmend die Forderung der Substitution schädlicher Chemikalien, so Waleska. Der Grundgedanke der Europäischen Chemikalienpolitik mit dem European Green Deal sei es gewesen, die deutsche und europäische Wirtschaft zu stärken, nannte Walesa Absichtserklärungen der Politik aus der Vergangenheit und schloss mit den kritischen Worten: „Doch was passiert? BASF-Jobs wandern nach China!“

Im zweiten Vortrag sprach Erik Bratfisch von der bi.bra Abwassertechnik GmbH, Dresden, von der „Komplexspaltmittelfreien Behandlung von Abwasser aus Chemisch-Nickel-Prozessen“. bi.bra Abwassertechnik hat eine neue Technologie entwickelt, bei der Ionenaustauscher zum Einsatz kommen. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten zur erweiterten Behandlung von Phosphit und zur Wertstoffrückgewinnung von Nickel.

Auch Auszubildende zum Oberflächentechniker aus dem Berufsschulzentrum Zwickau waren nach Leipzig gekommen, um Technologien und Unternehmen der Branche kennenzulernenAuch Auszubildende zum Oberflächentechniker aus dem Berufsschulzentrum Zwickau waren nach Leipzig gekommen, um Technologien und Unternehmen der Branche kennenzulernen

Die Kaffeepause lud zum Besuch der Fachausstellung ein. Hier präsentierten sich Unternehmen wie der Anlagenbauer A. S. T., ICom Automation, Bi.Bra, aber auch Georg Fischer Leipzig, Guschem und Mazurczak. Die Gelegenheit, Tuchfühlung mit der Branche aufzunehmen, ließ sich auch eine Gruppe Auszubildender zum Oberflächentechniker aus dem Berufsschulzentrum Zwickau nicht nehmen. Mit einem eigenen Stand machte auch das Museum für Galvanotechnik auf sein Angebot aufmerksam.

Um Bremsbeschichtung, besonders bei E-Mobilen, ging es im Vortrag von René von Schaik von MacDermid Enthone Industrial Solutions aus LangenfeldUm Bremsbeschichtung, besonders bei E-Mobilen, ging es im Vortrag von René von Schaik von MacDermid Enthone Industrial Solutions aus LangenfeldNach der Pause stand mit dem Vortrag „Beschichtungstechnologien von Bremsteilen und Ausblick auf zukünftige Anforderungen“ mit Automobilbeschichtungen ein weiteres Kernthema der Branche auf dem Programm. Referent war René von Schaik von MacDermid Enthone Industrial Solutions aus Langenfeld. Schaik betonte, dass im Bereich Bremsen Wachstum bei Zink-Nickel-Beschichtungen zu beobachten ist, weil mit dieser Beschichtung bei Aluminium Kontaktkorrosion wirksam vermieden werden kann. MacDermid Enthone Industrial Solutions bietet Additive und energiesparende Hilfsstoffe an. Der Einsatz von Aluminium steigt im Auto zusehends an. Damit stellt sich auch die Frage der Beschichtung. Schaik erwähnte das Eloxieren von Aluminium-Bremssätteln sowie den sogenannten Castelox-Beschichtungsprozess für Aluminium-Gusslegierungen. „Die Autoindustrie und die Antriebe verändern sich“, betonte Schaik. Zu beschichtende Substrate seien heute überwiegend Aluminium und Stähle. In der anschließenden Fragerunde kam auch Zink-Eisen als Beschichtung zur Sprache, das offenbar in Nordamerika eingesetzt wird. Doch Schaik wandte ein, dass es bei dieser Beschichtung Probleme mit der Hitzebeständigkeit gibt.

Um die Frage „Beizinhibitoren – warum die Beizwirkung schwächen?“ ging es im anschließenden Vortrag von Björn Stroh, Atotech MKS. Beizinhibitoren schützen das Grundmaterial vor dem „Beizangriff“, vermindern aber auch die Gefahr, dass Wasserstoff in das Kristallgitter des Grundmaterials diffundiert und zu Wasserstoffversprödung führt, so Strohs Ausführungen zu Beizinhibitoren, die auch von seinem Unternehmen hergestellt und vertrieben werden.

Letzter Redner vor der Mittagspause war Lukas Büscher von der Munk GmbH. Er stellte staatlich Fördertöpfe vor, die Unternehmen beim Wechsel zu energieeffizienteren Gleichrichtern in Anspruch nehmen können. Anhand von Praxisbeispielen erläuterte er die erfolgreiche Umsetzung von Fördermaßnahmen (Näheres hierzu im Special zum Leipziger Fachseminar in Galvanotechnik 2/2023 auf S. 202).

Nachmittagsprogramm: Robotik-Applikation und Grenztechnologien

Zwar wurde der Galvanopreis in diesem Jahr nicht verliehen, im Vortrag über die  robotergestützte Galvanik beschrieb Dr. Roy Morgenstern von der TU Chemnitz aber die zukunftsweisende Innovation, deren Entwickler 2021 den Galvanopreis bekamenDas Nachmittagsprogramm moderierte der Technische Sachverständige Dr. Olaf Boehnke. Erster Redner war Dr. Roy Morgenstern vom Lehrstuhl für Werkstoff- und Oberflächentechnik der TU Chemnitz mit seinem Bericht zur „Automatisierten Elektrolytentwicklung – Möglichkeiten und Perspektiven der robotergestützten Galvanik“. Ein Konsortium seines Lehrstuhls, der KleRO GmbH Roboterautomation sowie der OTE Oberflächen- und Elektrotechnik Scheigenpflug GmbH erhielt für dieses Thema in 2021 den Leipziger Galvanopreis. Besonderheit in diesem Jahr war übrigens, dass kein Galvanopreis verliehen wurde. Konkrete Gründe hierfür wurden nicht genannt. Kern des Projektes zur robotergestützten Galvanik ist die ressourcenschonende Prozess- und Bad-Entwicklung in einem vollautomatisierten Galvanik-Prozess. Im Vortrag stellte Morgenstern die Möglichkeiten dieser speziellen Galvanikanlage anhand eines Beispiels zur Prozessentwicklung und der Erforschung des Pulsparameterraums für die Abscheidung von ZnFe-Mo-Legierungsschichten als REACh-konforme Alternative zu ZnNi vor.

Die beiden letzten Vorträge des Tages beschäftigten sich mit Grenztechnologien der Galvanotechnik. Dr. Sven Gerullis, Innovent e. V., berichtete über Untersuchungen zur „Plasmabehandlung von Trockenschmierpulvern und die Einlagerung in Ni-Dispersionsschichten zur Verschleißreduktion“. Im Ergebnis der Untersuchungen hat sich gezeigt, dass durch den Einbau der plasmabehandelten Partikel in die Ni-Dispersionsschichten deren mechanische und tribologische Eigenschaften verändert werden konnten. Alle plasmamodifizierten Pulvermaterialien (hexagonales Bornitrid hBN, Polyetheretherketon PEEK, Polyimid PI) konnten in die Ni-Schichten eingelagert werden. Vorteile der Plasmamodifikation gegenüber der bisher verwendeten nasschemischen Modifizierung nicht dispergierbarer Substanzen ist der Verzicht auf bedenkliche Tenside.

Mit Spannung wurde der Vortrag von Julia Ullrich, Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland e. V., zum Thema „Galvanic meets textile“ erwartet. Sie machte eindrucksvoll deutlich, welche Möglichkeiten die Galvanotechnik bieten kann und präsentierte nicht nur äußerst interessante Anwendungen, sondern auch die Anforderungen an die Textilgalvanik und zeigte Möglichkeiten der technischen Realisierung auf. Die Metallisierung kann sowohl in der textilen Fläche als auch am Faden erfolgen. Die Metallisierung von Textilien orientiert sich verfahrenstechnisch an Prozessen der Kunststoffmetallisierung. Die besonderen Eigenschaften textiler Strukturen machen jedoch Anpassungen der Prozessschritte unabdingbar. Besonders die Vorbehandlung, Warenführung sowie die Elektrolytentfernung aus dem Substrat stellen große Herausforderungen dar. Weitere Herausforderungen sind die Haftung der aufgebrachten Metallschichten, die textile Verarbeitbarkeit sowie der Erhalt textiler Eigen-schaften. Das 29. Leipziger Fachseminar soll Anfang März 2024 stattfinden.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 4
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Robert Piterek; Marion Regal

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