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Dienstag, 25 April 2023 11:59

Instabiles chemisch Nickel

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Foto: vchalup/stock.adobe.com Foto: vchalup/stock.adobe.com

Frage: Vor ungefähr einem Jahr erweiterten wir unser Angebot um eine chemisch Nickel Beschichtung. Die dort abgeschiedenen Schichten enthalten 10–12 % Phosphor. Der pH-Wert liegt bei 4,7, Nickelgehalt bei 7 g/L und die Arbeitstemperatur beträgt 92 °C. Bis vor wenigen Wochen funktionierte alles einwandfrei. Nun stehen wir vor dem Problem, dass der Elektrolyt instabil wird, was sich zunächst durch eine viel höhere Abscheidung äußert. Ein Neuansatz brachte für eine Woche eine Verbesserung, dann gingen die Probleme von vorne los. In unserem kleinen Labor konnten wir keine nennenswerten Abweichungen der Badparameter feststellen. Können Sie uns mögliche Ursachen für das Problem nennen, damit wir den Prozess wieder in den Griff bekommen?

Antwort: Unter normalen Bedingungen sollten bis zu 6–8 MTO erreichbar sein und wir gehen davon aus, dass diese nach einer Woche Produktionszeit noch nicht durch sind. Selbst wenn dem so wäre, sollte die Abscheidegeschwindigkeit sinken und nicht steigen. Die Instabilität kann mehrere Ursachen haben, wobei wir aufgrund der Schilderungen zwischen realistischen und weniger realistischen Ursachen unterscheiden. Auf Letztere möchten wir dennoch eingehen, da „weniger realistisch“ nicht unrealistisch ist.

Weniger realistische Ursachen

Der Nickelgehalt fast aller chemischen Vernicklungsbäder liegt bei 4 bis 8 g/L. In der Regel ist die Abhängigkeit der Abscheidungsgeschwindigkeit von der Konzentration der Nickelionen im Elektrolyten relativ gering. Der Einfluss von Nickel- und Phosphatgehalt auf die Abscheidungsgeschwindigkeit wurde bereits gut untersucht [1]. Aufgrund der Analysen gehen wir davon aus, dass der Nickelgehalt bei Ihnen nicht das Problem ist.

Probleme kann es geben, wenn der Gehalt an Stabilisator zu niedrig ist. Dies kann durch eine falsche Ergänzung des Bades verursacht werden. Bei konstanten und wohl definierten Abscheidungsbedingungen kann somit die Abscheidungsgeschwindigkeit durchaus als ein Maß für die Stabilisatorkonzentration herangezogen werden. Badverunreinigungen sind ebenfalls ein Faktor, jedoch führen diese unseres Wissens nach zu einer niedrigeren Abscheidungsgeschwindigkeit, nicht umgekehrt. So bspw. bei Zn, Fe, Al und Cr6+.

Realistische Ursachen

Temperatur und pH-Wert haben einen größeren Einfluss und werden i. d. R. durch Sensoren erfasst und entsprechend gesteuert. Hier können Funktionsstörungen oder fehlerhafte Kalibrierung zu falschen Werten führen, die normalerweise nur dann infrage gestellt werden, wenn sie einen nicht erwarteten Wert anzeigen. Der Fehler, dass ein erwarteter Wert falsch ist, tritt häufiger auf als gedacht. Deshalb sollten Temperatur und pH-Wert regelmäßig gegengeprüft werden.

Die Elektrolyttemperatur kann insofern als einer der wichtigsten Parameter betrachtet werden, als sie die Abscheidungsgeschwindigkeit der chemischen Vernicklung in entscheidendem Maße beeinflusst. Die während des Abscheidungsvorgangs ablaufenden Reaktionen benötigen Energie, die ihnen in Form von Wärme zugeführt werden muss. Da viele Teilreaktionen erst oberhalb von 50 °C einsetzen, beanspruchen saure Nickel-Phosphor-Elektrolyte Arbeitstemperaturen, die deutlich über diesem Wert liegen. Nähert sich die Temperatur den 100 °C, wird der Elektrolyt instabil und kann genau den von Ihnen beschriebenen Effekt hervorrufen. Hier tritt die RGT-Regel in Kraft, die als Faustformel besagt, dass eine Erhöhung von 10 °C eine doppelte Reaktionsgeschwindigkeit verursacht. Die Destabilisierung beginnt bei > 92 °C (bombing out)[2]. Ähnliche Effekte gibt es beim pH-Wert. Wenn dieser in sauren Elektrolyten sinkt, nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit ab. Bei teigendem pH-Wert verhält es sich umgekehrt. Wie stark dieser Effekt ist, hängt vom Typ des Elektrolyts ab.

Einen weiteren, oft vernachlässigten Einfluss können Filterkerzen haben. Das Filtern ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche chemische Vernicklung. Als Filtermaterial werden häufig Filterkerzen aus Polypropylengewebe eingesetzt. Es kommt vor, dass das Filtermaterial vernickelt wird. Ist dies der Fall, müssen die Filterkerzen ausgetauscht werden. Gerade bei zwei kurz aufeinander folgenden Neuansätzen wird daran oft nicht gedacht, da man davon ausgeht, dass die Kerzen nach so einer genringen Betriebsdauer i. O. sein müssten. Vor allem, wenn man davor ausschließlich mit galvanischen Nickelelektrolyten gearbeitet hat, unterschätzt man die Macht der Autokatalyse.

Quellen

[1] Frormann, S.; Kreye, H.; Schenzel, H.-G.: Metalloberfläche, 45 (1991) 4, S. 157–161
[2] Barker, D.: Trans. Inst. Metal Finishing, 71(3), 1993, pp. 121–124

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 4
  • Jahr: 2023
  • Autoren: B. C.

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