
Ernst Peter Fischer
Der diplomierte Physiker, promovierte Biologe und habilitierte Wissenschaftshistoriker ist Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Uni Heidelberg. Er ist Buchautor und hat zahlteiche Auszeichnungen erhalten.
Im Gegenteil! - Satz und Gegensatz
Ich halte es für eine gute Denkübung, Sätze, die im öffentlichen Diskurs als ewige Wahrheiten präsentiert werden, mit ihren Gegensätzen zu vergleichen, um zu sehen, ob an ihnen nicht auch etwas dran ist. Hier ein paar Bespiele: Statt „Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß“, sollte man sagen, „Ich weiß, dass ich wissen will“, was man doch unmittelbar spürt.
Im Gegenteil! - Der Präsident und die Heulsuse
Derzeit läuft in den Kinos ein drei Stunden langer Film über einen Physiker namens Julius Robert Oppenheimer, und der Medienrummel kann einen nur verwundern. „Oppenheimer“ – so der Filmtitel – handelt kaum von der Physik, obwohl es um die erste Konstruktion einer Atombombe und deren Einsatz im Zweiten Weltkrieg geht. Die bewegten Bilder geben vielmehr ausführlich – neben gigantischen Explosionen und Feuerwänden – den Blick auf amerikanische Politiker frei, die Oppenheimer, nachdem er wie ein moderner Prometheus das nukleare Feuer für sie gestohlen hat, wie in der griechischen Mythologie bestrafen und zermürben wollen.
Im Gegenteil! - Die andere Blickrichtung
Wer sich für die Geschichte der Philosophie und Wissenschaft interessiert, wird wissen, dass der Franzose René Descartes im 17. Jahrhundert seine Sicht der Forschungsmethode beschrieben hat. Er meinte, man müsse einen komplizierten Gegenstand wie etwa ein Tier – Descartes zählte sie zu den Maschinen – in seine einfachen Teile zerlegen, um über Organe und kleinere Einheiten zu den allerkleinsten zu kommen. So werde es möglich, sich dem Ganzen zuzuwenden, um es aus seinen Bestandteilen heraus zu verstehen. Dieses Verfahren ist als Reduktionismus bekannt, galt irgendwann als einzige wissenschaftliche Methode und wurde an den Universitäten gelehrt.
Im Gegenteil! - Irrtümer über Irrtümer
Zu den Themen, die voller Überraschungen stecken und immer wieder für Verblüffung sorgen, gehört die Entwicklung von Quantencomputern, die so heißen, weil sie nicht mit den schon länger in der Welt der Informatik vertrauten Bits 0 und 1 rechnen, sondern auf sogenannte Qubits – Quantenbits – zurückgreifen, die als Superpositionen von 0 und 1 existieren und dabei auch alle Zwischenwerte annehmen können. Während sich die Idee im Prinzip einfach und durchführbar anhört, wirft ihre konkrete Umsetzung eine Fülle von Problemen auf.
Im Gegenteil! - Einsteins Einheit
Wenn man sagen soll, wer Albert Einsteins großes Vorbild in der Geschichte der Physik gewesen sein kann, liegt man ziemlich richtig, wenn man den Schotten James Maxwell nennt, der es im 19. Jahrhundert fertiggebracht hat, Elektrizität und Magnetismus als Einheit zu verstehen, die man heute Elektromagnetismus nennt. Maxwell konnte dabei Licht als Bewegung einer elektromagnetischen Welle beschreiben, mit der es ein Problem gab, als Einstein mit dem Studium der Physik begann. Die Erklärung von Bewegungen gehörte eigentlich in das Gebiet der Mechanik, das Isaac Newton begründet hatte, nur passte seine Theorie nicht mit der von Maxwell zusammen.
Im Gegenteil - Gebrochene Symmetrien
In der Existenz von Kristallen mit ihrem regelmäßigen Aussehen lassen sich Eigenschaften erkennen, die mit dem Wort Symmetrie gekennzeichnet werden, das dem griechischen Ausdruck für „Ebenmaß“ nachgebildet worden ist. Kreise sind symmetrisch, Spiegelbilder sind symmetrisch, der Buchstabe A ist symmetrisch (anders als G), und wenn die Wissenschaft solch einen Ausdruck einsetzt, dann meint sie, dass ein Gegenstand dann symmetrisch ist, wenn man ihn so verändern (also durch eine Operation transformieren) kann, dass er danach unverändert erscheint.
Im Gegenteil - Rational oder mystisch?
Wenn Menschen es unternehmen, ihre gesamte Geschichte von den tierischen Anfängen bis zu modernen sozialen Organisationen ins Auge zu fassen, müssen sie nicht nur untersuchen, wann sie mit dem aufrechten Gang begonnen und den Gebrauch des Feuers gelernt haben. Bei dem Riesenthema gilt es auch, die Frage ins Visier zu nehmen, wann das erwacht ist, was in philosophischen Gesprächen gerne der Geist des Menschen genannt wird.
Im Gegenteil - Konstruktion statt Reduktion
Zu den erfolgreichen Ansätzen des wissenschaftlichen oder philosophischen Nachdenkens über die Gegenstände in der Welt gehörte das Denken, das in Gelehrtenkreisen als Reduktionismus bekannt war. Gemeint ist eine Rückführung. Man wollte Wasser als H2O verstehen und versuchte deshalb, etwa die Eigenschaft des Lebenselixiers, flüssig zu sein und nass zu machen, auf die Qualität dieser Moleküle und ihrer Struktur zurückzuführen. Man hielt an diesem Vorgehen fest, auch wenn es nie zu einem überzeugenden Erfolg geführt hat.
Im Gegenteil - Mensch oder Maschine?
Anfang 2023 ist viel von KI – künstlicher Intelligenz – die Rede, die schon länger Schachchampions schlagen kann und inzwischen auch den Weltmeister im Brettspiel Go besiegt hat. Solche Triumphe haben dazu geführt, die KI höher zu bewerten als menschliche Intelligenz. Zwar erinnern Philosophen daran, dass intelligente Entscheidungen – auch Züge beim Schach – in die Zukunft reichen und Maschinen nichts von einer Zeit wissen, die vor ihnen liegt.
Im Gegenteil - Die Zukunft bleibt unvorhersehbar
"Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.“ Diese Formulierung stammt von Wilhelm Busch. Seit seinen Tagen hängen das Leben und der Wohlstand in europäischen Breiten von Wissenschaft und Technik ab. Bevor beide zum Beruf wurden, ließen sich Menschen wie Alexander von Humboldt oder Johann Wolfgang von Goethe von ihrer Neugierde auf die Natur treiben, und sie unternahmen ihre Beobachtungen, um ihren eigenen Platz im kosmischen Gefüge finden zu können.