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Donnerstag, 25 Juni 2020 09:24

Stretchable und Conformable Electronics – Neue Ansätze und Lösungen für 3D-Elektronik (Teil 1)

von Jan Kostelnik
Geschätzte Lesezeit: 7 - 14 Minuten

An der Entwicklung von dehnbaren und formbaren Schaltungen – auch bekannt als Stretchable und Conformable Elektronik – arbeitet die Würth Elektronik CBT seit einigen Jahren. 2016 wurde eine Technologie zur Herstellung dehnbarer elektronischer Systeme auf Grundlage konventioneller Prozesse einer Leiterplattenfertigung fertiggestellt. Seit 2018 ist diese Technologie als TWINflex-Stretch in Serie verfügbar. Statt der starren glasfaserverstärkten epoxidharzbasierten Materialien oder flexiblen Polyimidfolien werden dehnbare Substrate aus Polyurethan eingesetzt und geradlinige Leiterbahnen durch mäanderförmige Leiter ersetzt. In diesen neuartigen elektronischen Systemen werden Eigenschaften wie Flexibilität, Elastizität, Formbarkeit und Biegeschlaffheit vereint. Deswegen können sich diese Schaltungsträger flexibel an Freiformflächen anpassen und eignen sich ideal für die Integration in Textilien und Wearables genauso wie für 3D-Flächen. Die weichen und hautfreundlichen Eigenschaften der Polyurethane sind prädestiniert für den Einsatz in medizinischen Anwendungen. In diversen Projekten mit Kunden aus der Medizin-, Sensor- und Automobiltechnik wurden verschiedene dehnbare Leiterplatten auf Polyurethan-Basis hergestellt. Textilintegrierte Bandagen und Lichtsysteme, dehnbare FPC (Stretchable PCB), Elektrodenanordnungen für EMG sind einige Beispiele. Teil 2 dieses Fachbeitrags erscheint in PLUS 7/2020.

Würth Elektronik CBT has been working on the development of stretchable and formable circuits – also known as stretchable and conformable electronics – for several years. In 2016, a technology for the production of stretchable electronic systems based on conventional processes of printed circuit board manufacturing was completed. Since 2018 this technology is available in series as TWINflex-Stretch. Instead of rigid glass fibre reinforced epoxy resin based materials or flexible polyimide foils, stretchable substrates made of polyurethane are used and straight conductors are replaced by meander-shaped conductors. These new types of electronic systems combine properties such as flexibility, elasticity, formability and bending slackness. Therefore, these circuit carriers can be flexibly adapted to free-form surfaces and are ideal for integration in textiles and wearables as well as for 3D surfaces. The soft and skin-friendly properties of the polyurethanes are predestined for use in medical applications. Various stretchable polyurethane-based printed circuit boards have been produced in various projects with customers from the medical, sensor and automotive industries. Textile-integrated bandages and light systems, stretchable FPC (Stretchable PCB), electrode arrangements for EMG are some examples. Part 2 of this article is published in PLUS 7/2020.

Flexible elektronische Schaltungen sind schon seit einigen Jahrzehnten in vielen Produkten zu finden und gehören inzwischen zum Stand der Technik. Der anhaltende Trend zur Miniaturisierung mit steigender Funktionalisierung führt dazu, dass immer kleinere Bauräumen in allen drei Dimensionen platzsparend durch das Biegen, Rollen oder Falten genutzt werden sollen (Abb. 1).image1aAbb. 1: System in Foil-Varianten

Mit Hilfe der in der Leiterplattenindustrie etablierten Technologien wie Starrflex, aber auch durch die Weiterverarbeitung mittels Falten oder Rollen von flexiblen Leiterplatten, werden viele geometrische Strukturen erfasst, jedoch ist die Verformung meist auf eine Achse begrenzt. 

Elektronische Systeme, die bei dreidimensionaler mechanischer Verformung ihre elektrische Funktionalität beibehalten können, schaffen neue Möglichkeiten wie die Fähigkeit sich an beliebig geformte Flächen anzupassen oder reversible Dehnung zu bewältigen und empfehlen sich somit für viele Bereiche wie Medizintechnik oder Prothetik, Softrobotik, Wearables oder Textilien.

Neue Konstruktionen auf der Grundlage von Polyurethan- oder Silikonwerkstoffen, Vliesstoffen und Textilien, aber auch dehnbaren Leitern aus Metall oder Polymer und dünnen oder gedruckten elektronischen Bauelementen sind daher im Focus vieler Forschungsarbeiten. Eine einfachere und praktische Umsetzung offerieren dehnbare Polyurethan-Leiterplatten (Abb. 2). Abb. 2 TWINflex Stretch Dehnbare Leiterplatte auf Polyurethanbasis Q. WEAbb. 2: TWINflex-Stretch – Dehnbare Leiterplatte auf Polyurethanbasis Ein wesentlicher Vorteil: Die als TWINflex-Stretch im Markt eingeführten Schaltungsträger werden in angepassten, jedoch konventionellen nasschemischen Ätztechniken realisiert, wobei die Dehnbarkeit der metallischen Leiter durch ein spezielles Mäander Design erreicht werden kann [1, 2]. 

Dehnbare Substrate auf Basis von Thermoplastischen Polyurethan

Thermoplastisches Polyurethan wird aus Diolen und Isocyanaten ohne Einsatz von Weichmachern hergestellt und ist in unterschiedlichen Beschaffungsformen von hart über weich bis hin zu elastisch erhältlich. Aufgrund des breiten Eigenschaftsprofils findet dieses Polymer vielfache Anwendungen. Im täglichen Leben begegnen wir Polyurethan oft im geschäumten Zustand. Erzeugnisse wie Matratzen, Schuhsohlen oder Lederimitat werden aus diesem Rohstoff gefertigt. Das Multiblock Co-Polymer besteht aus ,harten‘ und ,weichen‘ Segmenten. Dadurch werden Eigenschaften wie Flexibilität, Biegeschlaffheit oder Dehnbarkeit umgesetzt. Sie eignen sich ideal für Einsätze in Textilien oder Wearables.Abb. 3 Dehnbare Polyurethan Leiteroplatten Q. WE Abb. 3: Dehnbare Polyurethan Leiterplatten

Die hohe Oberflächenenergie macht Polyurethan kratz- und verschleißfest. Außerdem besitzt Polyurethan bekanntermaßen charakteristische Eigenschaften wie hoher Weiterreißwiderstand oder gute wärmeisolierende Eigenschaften. Deshalb wird dieser Werkstoff gerne als Oberflächenbeschichtung von Möbeln oder Armaturen, als Wärmedamm oder, versetzt mit Füllstoffen, zur Erhöhung der Stabilität von Baukonstruktionen eingesetzt.

In der Elektronikindustrie findet man diesen Werkstoff höchstens als Basis für Klebstoffe oder Vergussmasse. Thermoplastische Polyurethanfolien als Trägermaterial in der Leiterplattenindustrie sind eine Neuheit.

Die Hydrolyse- und Mikrobenbeständigkeit sowie die physikalische Bindung aller Additive in der Polymermatrix ermöglichen hautfreundliche und ferner biokompatible Applikationen. Dies ebnet den Weg zum Einsatz dieser Substrate im medizinischen Sektor.

Leiterplattentypische Verarbeitung dehnbarer Substrate / Industrielle Herstellung

Polyurethan haftet exzellent auf Kupfer, weist gute physikalische und chemische Stabilität auf, so dass es auch als Basismaterial in der Leiterplattentechnik eingesetzt werden kann. Polyurethan ist für Leiterplatten in 50 bis 200 µm Dicke erhältlich und lässt sich bei Temperatuten <140 °C sicher verarbeiten.

Die dünnen transparenten Folien wurden ursprünglich nicht für die Leiterplattenindustrie entwickelt. Auch hier mussten neue Wege beschritten werden. Vorteil ist die Verwendung leiterplattentypischer Prozesse. So werden die benötigten Laminate in einem ersten Produktionsschritt durch das Laminieren mit Kupferfolien realisiert. Die Haftfestigkeit ist im Vergleich zu Polyimid (PI) oder FR4 um Faktor 2 bis 4 höher. Anschließend wird auf die konventionellen nasschemischen Strukturierungs- und Ätzprozesse zurückgegriffen.image4Abb. 4: Dehnbare Leiterplatten TWINflex-Stretch

Würth Elektronik ist es als erstes Unternehmen gelungen, die hochelastische Polyurethan-Folie unter Serienbedingungen als Muster und auch in größeren Stückzahlen zu fertigen. Das typische Fertigungsformat für Muster ist 18 x 12“. Die Vorteile dieser Aufbauvarianten sind leicht zu erkennen:

  • Mit einem flexiblen und anpassungsfähigen Material ist beinahe jede Form realisierbar
  • Eine dynamische Dehnung bis zu 20 % ist möglich
  • Die Layoutauslegung und Komponentenauswahl muss sich nicht ändern, da leiterplattenübliche Strukturen und Dimensionen eingehalten werden
  • Typische Layoutdesigns und herkömmliche Oberflächenveredlung erlauben die SMD-Bestückung, jedoch sind hier Niedrigtemperaturlote einzusetzen
  • Weiterverarbeitungsmöglichkeiten wie Kleben, Schweißen, Lamination, Umspritzen oder Umformen ermöglichen den Einsatz dieser Schaltungsträger in vielen unterschiedlichen ApplikationenRelative Widerstandsänderung Leiterbahn GeometrienAbb. 6: Relative Widerstandsänderung unter Berücksichtigung der Leiterbahn-Geometrie (doppelt logarithmische Auftragung)

Eigenschaften dehnbarer Substrate

Wie auch bei den starren und flexiblen Substratmaterialien gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten der Materialwahl und des Aufbaus. Faktoren wie die Biokompatibilität, die maximale Dehnbarkeit, die bei der Endanwendung benötigt wird, die Verarbeitungskompatibilität, die Haftung zwischen Metall und Substrat und die Atmungsaktivität sind entscheidend. Je nach Anwendung müssen die Grenzen jeweils gemessen und festgelegt werden. Die mechanischen Eigenschaften der finalen Schaltung werden im Wesentlichen vom Kupfer-Layout beeinflusst. Da Kupfer wie alle Metalle eine niedrige intrinsische Dehnbarkeit aufweist, müssen die Leiterbahnstrukturen zu einer geeigneten zweidimensionalen Mäandergeometrie geformt werden. Durch dieses spezielle Design kann die Dehnbarkeit der metallischen Leiter wesentlich beeinflusst werden. In Abhängigkeit von der image5Abb. 5: Spannungs-Dehnungs-Beziehung der Messdaten und FEM-Simulation von TPULeiterbahngeometrie kann für dynamische Applikationen eine Ausdehnung zwischen 5 und 20 % erreicht werden. Eine einmalige Ausdehnung bis zu 60 % kann ebenfalls zuverlässig ausgeführt werden. 

Bei der Auslegung der Mäandergeometrie sind zunächst unzählige Variationen vorstellbar. Aus diesem Grund ist es schwierig, die grundlegenden Technologieparameter für eine gewünschte Ausdehnung festzulegen. Umso bedeutender ist es, eine optimale Geometrie im Wechselspiel der erzielbaren Eigenschaften und der Fertigbarkeit zu finden. Parameter wie die Veränderung des Mäanderdesigns, Leiterbahnbreite und –abstand sowie Höhe beeinflussen die Dehnbarkeit des Gesamtsystems. Weiterhin sind Themen wie Lötstopp, Deckfolie und anschließende Bestückung nicht zu vernachlässigen.

Für die Gewährleistung beherrschbarer Eigenschaften sind fundierte Kenntnisse hinsichtlich der eingesetzten Materialien und Layoutgrenzen unumgänglich. Aus diesem Grund sind die Charakterisierung und multiphysikalische Modellierung dehnbaren thermoplastischen Polyurethans sowie mäanderförmiger Kupfer-Leiterbahnen erforderlich. Aufgrund großer Parameterzahl erwies sich die quantitative Untersuchung der Dehnbarkeit als eine sehr schwierige Aufgabe. In einem ersten Versuch wurde der Einfluss der Mäanderstruktur auf die Dehnbarkeit untersucht. Dazu wurden verschiedene Leiterzugs-Geometrien einer dynamischen Belastung ausgesetzt und die Anzahl der Dehnzyklen wurde ermittelt. Geradlinige Leiterbahn-Verläufe aus Kupfer halten hohen Zugbeanspruchungen bzw. Deformationen aufgrund ihrer plastischen Eigenschaften nur unzulänglich stand und können zu Materialversagen und somit zum Funktionsverlust des Schaltungsträgers führen. Die Mäander-Leiterbahnen konnten dagegen bis zu 10 000 mal in Abhängigkeit vom Layout reversibel gedehnt werden. Unerwartet zeigten die rechteckigen Strukturen die beste Performance. Durch weitere und gezielte Optimierung der Leiterbahngeometrie ist eine Erhöhung der Zyklenzahl zu erwarten. Diese Ergebnisse konnten mit Hilfe der Finiten-Elemente-Simulation (FEM) mittels COMSOL Multiphysics bestätigt werden, womit eine gute Übereinstimmung zwischen Messung und Simulation zu beobachten ist [11]. 

Verglichen mit konventionellen Leiterplatten-Technologien sind dehnbaren Polyurethan-Substraten durch ihr hohes Maß an Flexibilität und die gute biologischePräsentation1Abb. 7: Spannungsverläufe bei Optimierung der eckigen Geometrie:
(a) eckige Geometrie 1.0 % Dehnung
(b) eckige Geometrie 5.0 % Dehnung
(c) Radius 60 µm bei 1.0 % Dehnung
(d) Radius 60 µm bei 5.0 % Dehnung
(e) Radius 100 µm bei 1.0 % Dehnung
(f) Radius 100 µm bei 5.0 % Dehnung
Verträglichkeit als Zukunftstechnologie im Bereich medizinischer Applikationen sehr große Potentiale zuzusprechen. Durch innovative, additive Technologien erzeugte, funktionelle Schichten auf einer elastischen Polyurethan-Matrix sowie die Einbettung passiver beziehungsweise aktiver Bauelemente in Verbindung mit der Entwicklung formgebender Verfahren, kann eine signifikante Erweiterung des Funktionsumfangs bei gleichzeitiger Reduktion des Flächenbedarfs erzielt werden. Um die Volumenänderung bei thermischen Umformprozessen ohne Beeinträchtigung der elektrischen Leitfähigkeit auszugleichen, müssen die Leiterbahnen als Mäanderstrukturen ausgelegt werden. 

Zur Charakterisierung des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens von Polyurethan bei starker Dehnung wurde ein hyperelastisches Materialmodell von Mooney [17] und Rivlin [18] herangezogen. 

Dadurch konnten Parameter wie Materialkonstanten, Kompressionsmodul, Querkontraktion extrahiert werden. Die Werte der extrahierten Parameter flossen in die Erstellung einer Finiten-Elemente-Simulation (FEM) mittels COMSOL Multiphysics [11]. Mit Hilfe dieser Simulation ergaben sich schließlich die in Abbildung 5 illustrierten Spannungs-Dehnungs-Kurven. Eine gute Übereinstimmung zwischen Messung und Simulation ist zu beobachten.

Neben den hyperelastischen Materialmodellen sind vor allem auch die eingebetteten Leiterbahn-Strukturen von Bedeutung. Bei der Implementierung von Kupfer-Leiterbahnen in TPU muss deren antagonistisches Verhalten hinsichtlich der Spannungs-Dehnungs-Charakteristik, die Widerstandsänderung während des Dehnungsvorgangs (und damit verbundene elektrische Leitfähigkeit) sowie auftretende mechanische Spannungen berücksichtigt werden. 

Die Untersuchung unterschiedlicher Leiterbahn-Geometrien ist ein wichtiger Schritt zur optimalen Leiterbahngeometrie. Auf Basis von FEM-Simulationen werden im Hinblick auf die gezielte Anpassung der Geometrien zur Reduktion von Spannungsspitzen während der Deformierung Optimierungspotenziale aufgezeigt.

Tab. 1: Vergleich der von Mises-Spannungen und normierten Initialwiderständen
für unterschiedliche Leiterbahn-Geometrien bei 5 %-Dehnung

Geometrie

norm. Initialwiderstand
R0, norm

von Mises-Spannung
σM,aver.

von Mises-Spannung
σM, max.

gerade

100 %

100 %

100 %

180° Mäander

157 %

90 %

122 %

270° Mäander

333 %

26 %

76 %

eckig

291 %

26 %

100 %

 

Vier unterschiedliche Strukturen wurden 

miteinander verglichen:

a) geradlinige Leiterbahnen, 

b) mäanderförmige Geometrie mit einer Aneinanderreihung von 180°-Kreisbögen (Halbkreise), 

c) mäanderförmige Geometrie mit einer Aneinanderreihung von 270°-Kreisbögen (Horseshoe), 

d) mäanderförmige Geometrie mit eckigen Strukturen

Mäanderkonstruktion

Spannungs Dehnungs Kurve Radiengroeße KopieAbb. 8: Spannungs-Dehnungs-Kurve in Abhängigkeit der RadiengrößeGeradlinige Leiterbahn-Verläufe aus Kupfer halten hohen Zugbeanspruchungen bzw. Deformationen aufgrund ihrer plastischen Eigenschaften nur unzulänglich stand und können zu Materialversagen und somit zum Funktionsverlust des Schaltungsträgers führen. Auf Basis eines FEM-Modells können bereits bei Dehnungsraten von 5 % prinzipielle Aussagen bezüglich der Leitfähigkeit bzw. der damit verbundenen relativen Widerstandsänderung getroffen werden. Wie die doppelt logarithmische Auftragung in Abbildung 6 zeigt, scheinen insbesondere 270°-Mäander sowie eckige Leiterbahn-Strukturen für den Zweck der Deformation geeignet zu sein, während geradlinige Leiterbahn-Geometrien im Vergleich dazu hohe Widerstandsänderungen zeigen und daher bei weiteren Analysen keine Berücksichtigung mehr finden.

Von Interesse sind in erster Linie die auftretenden Spannungswerte. Für die Bewertung herangezogen werden neben dem normierten Initialwiderstand R0,norm. auch die durchschnittliche von Mises-Spannung σM,aver. sowie die Maximalwerte der von Mises-Spannung σM,max.. Obwohl der normierte Initialwiderstand R0,norm sowohl für einen 270°- Mäander als auch für die eckige Struktur vergleichsweise hoch erscheint, kann dies auf die Längenzugabe aufgrund der geometrischen Gegebenheiten zurückgeführt werden (vgl. Tab. 1).

An diesem Beispiel zeigt sich, dass die mechanischen Spannungen durch die Wahl geeigneter Leiterbahn-Strukturen um bis zu 74 % reduziert werden können. Dies bedeutet also, dass der dehnbare Schaltungsträger deutlich ausgeprägteren Zugbeanspruchungen bzw. Deformationen standhält, ehe ein potentielles Materialversagen eintritt.

Wie aus dem Gebiet der technischen Mechanik bekannt, treten Spannungsspitzen vermehrt an Ecken und Kanten von Bauteilen auf. Daher wurden in Abbildung 7 verschieden große Radien in die eckige Leiterbahn-Geometrie aus Abbildung 6 integriert, um die Auswirkungen auf den Spannungsverlauf zu analysieren. Ausgehend von einer Leiterbahnbreite von 100 µm wurden Radien von 60 µm, 100 µm und 200 µm implementiert. 

Beispielhaft sind die Ergebnisse der FEM-Simulationen hinsichtlich der resultierenden Spannungsverläufe für die eckige Originalvariante sowie einer Leiterbahn mit einem Radius von 60 µm bzw. 100 µm dargestellt. Die Abbildungen a), c) und e) zeigen auftretende von Mises-Spannungen bei einer Dehnung von 1 %. Die Abbildungen b), d) sowie f) repräsentieren Spannungszustände bei 5 % Dehnung. Zur Interpretation kann die Farblegende als Indikator der Spannungsmaxima herangezogen werden. Die Originalgeometrie zeigt bereits bei 1 % Dehnung deutliche Spannungen, welche bei fortschreitender Dehnung bis 5 % bereits kritische Werte aufweist und die eine Materialermüdung indizieren kann. Bei der Integration eines Radius von 100 µm sinken hingegen die Spannungswerte bereits um ca. 10 %.

Als Bewertungsgrundlage werden zudem spezifische Materialkennwerte bezüglich des Plastizitätsmodells von Cu herangezogen. Effekte der Plastizität unterliegen elasto-plastischen Materialmodellen. Ein charakteristisches Kriterium ist dabei ein ideal elastisches Verhalten des Werkstoffes, solange eine gewisse Spannungsgrenze unterschritten wird. Für den Übergangsbereich zwischen elastischem Verhalten und dem Beginn des Fließens eines derartigen Materials werden zwei Parameter festgelegt, welche als kritische Grenzwerte gelten – die initiale Fließspannung für das analysierte Cu (liegt bei 125 MPa) und die eigentliche Fließspannung (205 MPa). Werden folgeschlüssig alle vorgestellten Parameter und Kenngrößen visualisiert, so können aus diesem Kausalzusammenhang bzw. auf Grundlage von Abbildung 8 Aussagen zum Optimierungspotential von Leiterbahngeometrien abgeleitet werden.


Literatur:
[1] J. Kostelnik: Flexible and Stretchable PCBs for Smart Electronics - TWINflex-Concept; Visions to Products – MID and Beyond, Stuttgart, DOI: 10.13140/RG.2.2.16785.48485, 10.10.2017
[2] A. Schreivogel; J. Kostelnik: More than flexible – Stretchable Electronic Solutions, BE-FLEXIBLE, Munich, 11.2016
[3] T. Someya: Stretchable Electronics, Wiley VCH, 2013 
[4] ULTIMUM - UltraThin flexible Microsystems – BMBF-Projekt (16SV5136); https://www.pronto-ultimum.de
[5] KoSiF – Komplexe Systeme in Folie – BMBF-Projekt (16ES00016); http://kosif.ims-chips.de
[6] J. Kostelnik: Die funktionelle Integration von aktiven und passiven Komponenten in die Leiterplatte im industriellen Umfeld, Systemintegration in der Mikroelektronik: Embedding-Technologien und ihre Wertschöpfungskette bei elektronischen Baugruppen; Kongress, Nürnberg 8.–10. Juni 2010, SMT Hybrid Packaging, Hrsg.: H. Reichl, VDE Verlag GmbH, Berlin/Offenbach
[7] S. Saller; C. Harendt; J. Kostelnik; A. Schreivogel; Y. Mahsereci; J. Burghartz: SmartSkin – Eine intelligente Haut für adaptiv bionische Greifer, Mikrosystemtechnik Kongress 2015, Karlsruhe, 26.–28. Oktober 2015
[8] K.F. Becker et al.: Embedding technologies for an automotive radar system, 2009, 59th Electronic Components and Technology Conference, San Diego, CA, 2009, 1453–1459, DOI: 10.1109/ECTC.2009.5074203
[9] A. Kugler; M. Koyuncu; A. Zimmermann; J. Kostelnik: Chip Embedding in Laminates, 159–165, In: Ultra-thin Chip Technology and Applications, Springer, New York, NY, DOI 10.1007/978-1-4419-7276-7_14
[10] http://intakt-projekt.de/
[11] N. Philippin; A. Schreivogel; I. Kühne; J. Kostelnik: Elektronik einer neuen Dimension – Potenziale dehnbarer Foliensysteme bei der Entwicklung interaktiver Mikroimplantate, EBL 2020, Fellbach
[12] C. Kallmayer; F. Schaller; T. Löher; J. Haberland, F. Kayatz; A. Schult: Optimized Thermoforming Process for Conformable Electronics, In: 2018 13th International Congress Molded Interconnect Devices (MID) IEEE (2018), S. 1–6
[13] https://applause-ecsel.eu/
[14] K.-P. Hoffmann et al.: Technical, Medical and Ethical Challenges in Networks of Smart Active Implants, 41st Annual Intern. Conference IEEE EMBC (2019), S. 1484–1487
[15] K. Birkner: SnBiAg1 in der Serienfertigung (SnBiAg1 for serial production), DVS-Berichte 273, Fachtagung Weichlöten – Forschung & Praxis für die Elektronikfertigung, Hanau, 2011
[16] M. Nowottnick; A. Novikov; J. Trodler: Possibilties and Limits of Bismuth Solders, P.195-200, SMTA International, Rosemont, IL, USA, Sep. 17–21, 2017
[17] M. Mooney: A Theory of Large Elastic Deformation. Journal of Appl. Physics, 11 (1940) H.9, S. 582–592
[18] R. Rivlin: Large elastic deformations of isotropic materials. I. Fundamental concepts, Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Series A.: Mathematical and Physical Sciences, 240 (1948) H.822, S. 459–49
[19] P. Schwarzmann: Thermoforming: A practical guide, 2. Aufl. Hanser Publications, 2019

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 6
  • Jahr: 2020
  • Autoren: Jan Kostelnik, Alina Schreivogel, Nadine Philippin, Würth Elektronik GmbH & Co. KG, Research & Innovation Center, Künzelsau