Diese Seite drucken
Mittwoch, 13 Mai 2020 08:46

EMIL in Leipzig – Produktionstechnologien der Zukunft

von Gustl Keller
Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
Moderator Marc Schmuck, Dr. Jörg Niemeier und Jürg Schüpbach Moderator Marc Schmuck, Dr. Jörg Niemeier und Jürg Schüpbach

Vor dem Corona-bedingten Lockdown gab es in Leipzig eine von SEICA und mehreren anderen Equipmentanbietern getragene Veranstaltung über Produktionstechnologien der Zukunft, bei der Electronic Manufacturing- und Inspektions-Lösungen (EMIL) vorgestellt wurden. Neben Vorträgen wurden Live-Vorführungen der Maschinen und Inspektionssysteme geboten.

Die Begrüßung und Moderation erfolgte durch den Organisator der Veranstaltung Marc Schmuck, SEICA Deutschland GmbH. Er äußerte sich angesichts der kritischen Situation als glücklich über die vielen Besucher. Die Zukunft wird die vollständige Elektrifizierung des Antriebs im Auto bringen. Anhand eines Videos über das Autonome Fahren und die Shared Mobility zeigte er weitere Entwicklungstrends auf. Auch für diese bzw. die dazu benötigten Produkte muss sich die Elektronikbranche mit Produktionstechnologien der Zukunft rüsten.

Bestücken und Löten

Lösungen für das Dosieren in der Elektronikfertigung und bei der Integration in komplexe Produkte stellte anschließend Dr. Jörg Niemeier, ATN Automatisierungstechnik Niemeier GmbH, vor. Er erläuterte ausgehend von den Dosierprozessen die unterschiedlichen Dosierventiltechnologien und -arten sowie deren Anwendungen. Weiterhin ging er auf die Anforderungen und Eigenschaften der zum Dosieren eingesetzten Maschinen ein.

Laut Jürg Schüpbach, Essemtec AG, tendiert der Markt zu kürzeren Markteinführungszeiten für neue Produkte sowie zu kleineren Losgrößen. Die durchschnittliche Losgröße bei der Bestückung liegt derzeit bei 100 bis 150 Stück. Essemtec bietet mit dem All-in-One-System hierfür die Lösung schlechthin. Denn das System bietet Jetten und Bestücken in einer Maschine und zwar auch für die kleinsten Bauformen. Es kann kleinste Mengen von nur 0,4 nl dosiert aufbringen und eignet sich damit auch für kleinste Bauformen (01005) und Anschlussrastermaße von 0,4 mm. Für die NPI werden wegen der besonderen Anforderungen zunehmend extra Prototypenlinien eingesetzt. Das All-in-One-System leistet dies auch.

Über die heutigen Möglichkeiten des Produktions- und Materialmanagements in der Elektronikfertigung informierte Dr. Jan Hepke, JUKI Automation Systems GmbH. Mathematische Optimierungen mittels analytischer Module erwiesen sich als wenig praktikabel, besser ist ein Anlernen basierend auf vorhandenen Daten. Dr. Jan Hepke verglich dazu verschiedene Rüststrategien miteinander.

Dirk Buße, Budatec GmbH, erläuterte, wie Löten und Sintern unter definierten inerten und reduzierenden Atmosphären erfolgen können und welche Vorteile damit verbunden sind. Die dazu konzipierten Anlagen arbeiten mit Vakuum zum Atmosphärenwechsel sowie zur Porenreduktion. Zudem kann damit ein flussmittelfreies Löten erfolgen. Dirk Buße verglich die Lötreaktionen bei Verwendung von Lotpaste oder Preforms unter unterschiedlichen Atmosphären. Er erklärte ferner, wenn Sintern sinnvoller als Löten bzw. erforderlich ist. Zum Sintern wurden bisher Ag-Pasten verwendet, nun sind hierzu Cu-Pasten in Entwicklung, so dass zukünftig alles zusammen gesintert werden kann.

Bevor Olaf Cieply, IBL-Löttechnik GmbH, auf das Dampfphasenlöten mit Vakuum im Detail einging, erklärte er das Prinzip des Dampfphasenlötens und dessen Vorteile gegenüber dem Konvektionslöten. Die angebotenen Dampfphasenlötanlagen bieten unterschiedliche technische Lösungen für die Löttemperaturprofilierung, ebenso für das Vakuum und die Kühlung. Er verglich diese und zählte weitere anlagenspezifische technische Möglichkeiten auf. Danach folgte die erste Serie an Live-Vorführungen.

Digitalisierung und Konsequenzen

Nach der Mittagspause setzte Dr.-Ing. Thomas Windisch, Fraunhofer IWU, die Vorträge mit dem Thema „Autonom fahrende Elektroautos – Herausforderung Digitalisierung für die Elektronikzulieferindustrie“ fort. Auch das autonome Fahren, dessen Motivationen er erwähnte, gehört zu den Anwendungen der Digitalisierung. Das autonome Fahren wird in Stufen realisiert werden. Dr.-Ing. Thomas Windisch erläuterte die vom VDA definierten Stufen. Neben EM- und HV-Modulen für den Antrieb autonomer Fahrzeuge werden vernetzte Steuergeräte benötigt. Er beschrieb, was im dafür gestarteten Förderprojekt KI-FLEX geleistet werden soll und was diese Entwicklungen an Konsequenzen für die Zulieferindustrie haben werden.

Inspektion und Test

Roland Stenger, GPS-Prüftechnik Rhein/Main GmbH, zeigte ausgehend von den Entwicklungen von Industrie 1.0 zu Industrie 4.0 am Beispiel Prüftechnik auf, was die aufgrund der umfassenden Digitalisierung und Automatisierung zu erwartenden Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt und unsere Gesellschaft sein werden. Er ging dabei auf Chancen und Risiken ein und prognostizierte für die Prüftechnik das vollautomatische Testen mit Be- und Entladung durch Roboter.

PL5 20 700 HBCDr. Jan Hepke, Dirk Buße und Olaf Cieply

Alexander Beck, Göpel electronic GmbH informierte über kombinierte Testverfahren – FPT und ICT mit Embedded JTAG. Zur Einleitung erläuterte er den Standard JTAG/Boundary Scan und was damit ermöglicht wird. Anhand von Testszenarien und am Beispiel der von Göpel angebotenen Lösungen verdeutlichte er die Vorteile kombinierter Tests und den Mehrwert durch die Systemintegration. So ist eine Kombination des In-Circuit-Test (ICT) mit Embedded JTAG Solutions vorteilhaft, wenn der mechanische Zugriff eingeschränkt oder nicht genügend JTAG/BS-fähige Bauteile auf der Baugruppe vorhanden sind. Embedded JTAG Solutions und In-Circuit-Tester bilden zusammen ein sehr schnelles Testsystem mit – auch bei hochkompakten Baugruppen – sehr hoher Fehlerabdeckung. Zudem werden durch das Einsparen von Testpunkten die Kosten für den Nadelbettadapter geringer und die Testprogrammerstellung einfacher. Die Kombination von Funktionstest (FPT) und Embedded JTAG Solutions hat den Vorteil, dass nicht die Funktion des einzelnen Schaltkreises überprüft sondern dessen Pins zum Treiben und Messen der Leiterstrukturen benutzt werden. Das Prüfen von Übertragungsfunktionen lässt sich so vereinfachen. Dabei erfolgt eine Diagnose auf Pin-Ebene, was für eine eventuelle Reparatur günstig ist. Auch hier erhöht sich die Prüftiefe und wird die Testprogrammerstellung einfacher. Göpel bietet seine Embedded JTAG-Lösungen als schlüsselfertige Integrationspakete für unterschiedliche Testsysteme z. B. auch für die Pilot- und die Compact-Serien von SEICA an.

PL5 20 700 LiveWährend der Live-Vorführungen wurden Details der Produkte erläutert

Die Welt der IT aus der Sicht der optischen und Röntgeninspektion betrachtete Olaf Römer, ATECare. Er erläuterte dabei, was mit modernen Systemen heute inspizierbar bzw. messbar ist. So können moderne 3D-AOI-Systeme weit mehr als nur prüfen, ob Bauteile vorhanden sowie an der richtigen Stelle und korrekt orientiert positioniert sind, denn sie vermessen auch die Gestalt/Ausbildung der Lötverbindungen. Mittels der so ermittelten Daten lassen sich vorgelagerte Prozesse optimieren. Mittels 3D-Inspektion des Lotpastendrucks (SPI) lassen sich Ursachen für Lötfehler frühzeitig erkennen und korrigieren. Moderne AXI-Systeme ermöglichen eine 3D-Inspektion auch dort, wo andere Systeme Schwierigkeiten haben, wie z.B bei gegenüber auf der Ober- und Unterseite der Leiterplatte bestückten BGA oder bei gestapelten Bauteilen.

PL5 20 700 WSBDr.-Ing. Thomas Windisch, Roland Stenger und Alexander Beck

PL5 20 700 RoemerOlaf Römer

Im letzten Vortrag stellte Martin Merkel, Seica Deutschland GmbH, die für den „Test of invisible“ konzpierte NEXT Technology vor. Seica hat mit der NEXT Technology den Fingertest weiterentwickelt und eröffnet damit neue Möglichkeiten für die Zukunft. So wurde für den Test auch der kleinsten SMT-Chips bzw. für die Kontaktierung auf deren winzigen Anschlüssen die Soft Touch-Technologie entwickelt. Die Probe-Spitze hat einen Durchmesser von nur 25 µm. Martin Merkel zählte die neuen SEICA Produkte mit NEXT Technology auf. Darunter findet sich als neuestes Produkt der PILOT BT Flying Prober für den vollautomatischen Test von Batterie-Arrays für Elektrofahrzeuge, der später live demonstriert wurde.
Nach einer Serie weiterer Produkt-Live-Vorführungen endete die Veranstaltung EMIL mit einer offenen Gesprächsrunde mit den Ausstellern.

Andreas M. Keiner von der Firma nemotronic nutzte die Veranstaltung, um über die Erweiterung des Portfolios seiner Firma zu informieren. Nun werden von nemotronic zusätzlich zu den Produkten für die Prüftechnik und das Baugruppenhandling weitere Produkte für die anderen Prozessschritte der Elektronikfertigung angeboten. Das Angebot reicht von der Be-/Entladung über Pastendruck, SPI, Bestückung, Löten, AOI, AXI, ICT und FKT bis zum EOL und umfasst neben einzelnen Insellösungen auch die gesamte Fertigungslinie aus einer Hand. Abgerundet wird das Portfolio durch Material-Lagersysteme, Trockenschränke, Pastenmischer und Traceability-Lösungen.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 5
  • Jahr: 2020
  • Autoren: Gustl Keller

Ähnliche Artikel