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Donnerstag, 26 August 2021 11:59

Auf den Punkt gebracht: Chinesische Magnet-Schwebebahn macht Kurzstreckenflüge überflüssig

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Abb. 1: Chinesische Magnet- Schwebebahn wird Kurz- und Mittelstrecken Flugverkehr mit hoher CO2 Emission überflüssig machen Abb. 1: Chinesische Magnet- Schwebebahn wird Kurz- und Mittelstrecken Flugverkehr mit hoher CO2 Emission überflüssig machen Bild: CRRC

What will move us next*

Chinesische Magnet-Schwebebahn macht Kurzstreckenflüge überflüssig

Ende Juli verließ die weltweit schnellste Magnet-Schwebebahn der China Railroad Corporation (CRRC) die Werkshallen in Qingdao, einer 10 Mio. Einwohner Küstenstadt in Ost-China (Abb. 1).

Die Magnetschwebebahn auch Maglev, von englisch magnetic levitation genannt, soll in wenigen Jahren die 1000 km entfernten Städte Wuhan und Guangzhou miteinander verbinden. Bei einer Geschwindigkeit von zunächst 620 km/h wird damit der Kurz- und Mittelstrecken Flugverkehr mit hohen CO2 Emissionen überflüssig.

Missed Opportunity = Verpasste Gelegenheit

Erinnern Sie sich noch an die wegweisende deutsche Entwicklung, die von Siemens und Thyssenkrupp entwickelte Magnetschwebebahn, Transrapid (Abb. 2)?

 

 Abb. 2: Die von Siemens und Thyssenkrupp entwickelte Magnetschwebebahn Transrapid verrottet heute an der 31,5 km langen deutschen Teststrecke im Emsland Bild: SpiegelAbb. 2: Die von Siemens und Thyssenkrupp entwickelte Magnetschwebebahn Transrapid verrottet heute an der 31,5 km langen deutschen Teststrecke im Emsland Bild: Spiegel

 Abb. 3: Der weltweit erste Hochtemperatur-supraleitende Hochgeschwindigkeits-Magnetschwebebahn-Prototyp geht in die kommerzielle Produktion Bild: CRRCAbb. 3: Der weltweit erste Hochtemperatur-supraleitende Hochgeschwindigkeits-Magnetschwebebahn-Prototyp geht in die kommerzielle Produktion Bild: CRRC

 

Vor 21 Jahren fuhr der Autor auf der Teststrecke im Emsland bereits mit 420 km/h an ungestört weidenden Kühen vorbei, denn mehr als ein Rauschen war nicht zu hören. Deutsche Firmen hatten mit staatlicher Unterstützung ein Stück Zukunft bis zur Serienreife entwickelt. Was fehlte war der staatliche Wille und der Weitblick einen ersten kommerziellen Streckenabschnitt in Deutschland zu bauen.

Abb. 4: Das futuristische Cockpit der 600 km/h schnellen China Railroad Magnetschwebebahn Bild: CRRCAbb. 4: Das futuristische Cockpit der 600 km/h schnellen China Railroad Magnetschwebebahn Bild: CRRCChina, nicht Deutschland war damals bereit, eine erste 30 km lange Transrapidstrecke zwischen dem Airport Pudong und der Longyang Road Station in Shanghai zu bauen, geliefert von Siemens und Thyssenkrupp und unter Nutzung der deutschen Patente.

Mit viel Tamtam weihten Bundeskanzler Gerhard Schröder und der chinesische Premierminister Zhu Rongji in Schanghai am 30. Dezember 2002 die weltweit erste kommerzielle Transrapid-Strecke ein. Der Autor schrieb vor 19 Jahren in dieser Kolumne (PLUS 12-2002): „In einigen Jahren werden wir deutsche Patente für viel Geld zurückkaufen müssen.“

Chinesische Bahntechnik hat uns heute längst überholt, ebenso wie japanische und französische. Deutschland entwickelt und andere setzen es um, Deutschland fehlt Mut – andere nutzen unser Wissen.

Premiere des weltweit ersten Magnetschwebebahn-Prototyps

Abb. 5: Komfortabel, aber konventionell soll das Interieur der Magnetschwebebahn sein Bild: CRRCAbb. 5: Komfortabel, aber konventionell soll das Interieur der Magnetschwebebahn sein Bild: CRRCDer weltweit erste Prototyp einer Hochgeschwindigkeits-Magnetschwebebahn mit supraleitenden Magneten und die dazugehörige Teststrecke wurden am 13. Januar 2021 an der Southwest Jiaotong University in Chengdu vorgestellt.

Der Prototyp enthält viele neue Technologien, wie z. B. eine leichte Karosserie aus Kohlefaser, eine aerodynamische Lokform mit geringem Widerstand und supraleitende Magnete mit großer Tragfähigkeit. Mit der Konstruktionsgeschwindigkeit von 620 km/h wird das Fahrzeug voraussichtlich einen neuen Geschwindigkeitsrekord für den Landtransport aufstellen. Dazu kommt in Zukunft die Anwendung der Niedervakuumröhren-(Tunnel-)Technologie, nach dem Prinzip Hyperloop. Die Southwest Jiaotong University ist der Geburtsort der Hochtemperatur-Supraleiter-Magnetschwebebahntechnologie.

Der Zug ist mit Automatic Train Operation (ATO) mit Automatisierungsgrad 3 ausgestattet. Das bedeutet, dass er vollautomatisch fahren kann, aber Zugbegleiter werden aus Sicherheitsgründen mitfahren. Der Zug erfüllt die höchste Sicherheitsanforderung von SIL4.

Der Antrieb mit supraleitenden Magneten

Der Antrieb des Transrapid erfolgte durch einen Linearmotor (genauer: synchroner Stator-Linearmotor). In den Statorspulen, die in Dreierpaketen längs des Fahrwegs angebracht sind, wird ein magnetisches Wanderfeld erzeugt, das sich längs des Fahrweges ausbreitet und den Zug beschleunigt.

Ein supraleitender Magnet ist ein Elektromagnet, der aus Spulen aus supraleitendem Leitermaterial besteht. Im supraleitenden Zustand hat ein solches Material keinen messbaren elektrischen Widerstand mehr und kann daher viel größere elektrische Ströme leiten als normaler Draht. Da das resultierende Magnetfeld unmittelbar mit dem erzeugenden Strom verknüpft ist, können mit solchen supraleitenden Magneten sehr hohe Magnetfelder erzeugt werden.

plus 2021 08 0015bAbb. 6: Blick auf das Cockpit. Ziel ist es, in Vacuum Röhren wie dem Hyperloop, bis zu 1000 km/h auf supraleitenden Magneten zu gleiten

Mobilität als Dienstleistung

Abb. 7: Toyotas selbstfahrendes Robo-Taxi, eingesetzt bei der Olympiade 2021, Reichweite 130 km, Geschwindigkeit 32 km/h Bild: ToyotaAbb. 7: Toyotas selbstfahrendes Robo-Taxi, eingesetzt bei der Olympiade 2021, Reichweite 130 km, Geschwindigkeit 32 km/h Bild: ToyotaToyota zeigt zur diesjährigen Olympiade wie man mit selbstfahrenden Transportsystemen die Mobilität der Zukunft umsetzen kann (Abb. 7). Durch seine Programme und in Partnerschaft mit verschiedenen Unternehmen im Bereich Mobilitätsdienstleistungen plant Toyota, eine Reihe von ‚Mobility as a Service (MaaS)-Plattformen' zu nutzen, um die Entwicklung und den Einsatz von Technologien für das automatisierte Fahren zu unterstützen und zu beschleunigen.

Darüber hinaus bieten MaaS-Fahrzeuge, da ihre Betriebsdauer höher ist als bei Fahrzeugen in Privatbesitz, die Möglichkeit, große Mengen an Erfahrungsdaten zu sammeln, um das automatisierte Fahren für alle Fahrzeuge zu verbessern.

Toyota ist davon überzeugt, dass der Einsatz hochautomatisierter Fahrzeuge zur Unterstützung von MaaS dazu beitragen kann, die Kosten pro Personenkilometer zu senken, was die Nachfrage der Verbraucher erhöht und einen positiven Kreislauf aus erschwinglicher Mobilität, Sicherheit und Komfort schafft.

Die offene, flexible Plattform lässt sich leicht anpassen, um eine Reihe von Anwendungen zu unterstützen, darunter Ride-Sharing, Lieferung und Einzelhandel. Dazu gehört die Abstimmung mit Partnern, wie Amazon, DiDi, Mazda, Pizza Hut und Uber.

Ein positiver Nebeneffekt bei der Corona-Pandemie ist der stark reduzierte menschliche Kontakt bei der Beförderung von Personen oder der Zustellung von Gütern und Lebensmitteln.

Auf den Punkt gebracht:

  1. Am 30. Dezember 2002 weihten Bundeskanzler Gerhard Schröder und der chinesische Premierminister Zhu Rongji in Schanghai die weltweit erste kommerzielle Transrapid-Strecke ein, gebaut von Siemens und Thyssenkrupp. Der ‚Preis' war der Verlust fast aller Patente und Quellcodes.
  2. Der weltweit erste Prototyp einer Hochgeschwindigkeits-Magnetschwebebahn und die dazugehörige Teststrecke wurden am 13. Januar 2021 an der Southwest Jiaotong University in Chengdu vorgestellt.
  3. Die Hauptinnovation sind supraleitende Magnete für den Aufbau des Wanderfelds.
  4. Das System soll anfangs 620 km/h schnell sein und später auf 1000 km/h weiterentwickelt werden. Hierbei soll nach dem Hyperloop Prinzip Niedervakuumröhren-(Tunnel-)Technologie zum Einsatz kommen
  5. Die von Toyota entwickelte Plattform ‚Mobility as a Service (MaaS)' gibt es auch von anderen Herstellern in der Erprobung. Hier liegen viele Chancen mit reduzierten Transportkosten das Fahrerlose Ride-Sharing, Lieferung von Gütern und Einzelhandel-Zustellungen zu übernehmen.

Während Deutschland seit 11 Jahren mit dem Bau des Bahnhofs Stuttgart 21 kämpft und gerade mühevoll den Berliner Flughafen BER zum Glück im Corona- Sparbetrieb hochfährt, entwickeln andere Länder die Zukunft. Die Mobilität der Zukunft müssen wir anders denken. Ministerialbeamte und öffentliche Entscheidungsträger fabulieren über die Reaktivierung oder den Bau von konventionellen Bahnlinien aller Art (DB, S, U, Straßenbahn) mit einem Zeitrahmen von 10 bis 20 Jahren, ohne neue Systeme, die bereits in der Erprobung sind, zu berücksichtigen. Wo sind die zukunftsorientierten Projekte mit autonomen Transportmitteln, die längst von Singapur bis Las Vegas im Testbetrieb für Googles Waymo und General Motors Cruise Erfahrungen sammeln? Massenverkehrsmittel auf Schienen mit selbstfahrendem lokalem Anschlusstransport. Ohne ein konzeptionelles ganzheitliches Denken und dem Mut zukunftsorientierter Weichenstellungen werden wir weiter zunehmend von anderen Ländern überholt werden.

Ich wünsche Ihnen die Courage zu zukunfts- orientierten Weichenstellungen.

Es grüßt Sie herzlich
Hans-Joachim Friedrichkeit

Kontakt

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* „What will move us next“ ist das Motto der IAA MOBILITY im September 2021 in München

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 8
  • Jahr: 2021
  • Autoren: H. J. Friedrichkeit

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