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Dienstag, 21 September 2021 09:00

Auf den Punkt gebracht: ‚LIDAR‘, Schlüssel zum automatisierten Fahren: Nehmen uns chinesische Hersteller die Butter vom Brot?

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Abb. 1: ADAS – Advanced Driver Assistance System Abb. 1: ADAS – Advanced Driver Assistance System Bild: Harman

Servolenkung, ABS oder dynamisches (77 GHz) Abstandsradar, all diese Systeme hatten eines gemeinsam. Nach der Markteinführung in der Oberklasse, folgte ein rasantes Wachstum bei der Einführung in den gesamten Automarkt. An dieser Schwelle steht nun auch das LiDAR-System als Schlüssel für automatisiertes Fahren. Die Frage ist: Wer macht das Geschäft?

LiDAR (light detection and ranging), ist eine dem Radar verwandte Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung. Statt der Radiowellen wie beim Radar werden bei diesem System Laserstrahlen verwendet, erklärt uns Wikipedia

Marktprognosen 2025

Abb. 2: Marktentwicklung LiDAR Systeme nach Segment 2019–2025 in Mio. US$Abb. 2: Marktentwicklung LiDAR Systeme nach Segment 2019–2025 in Mio. US$Der LiDAR-Markt erreichte lt. Yole ein Umsatzvolumen von 1,6 Mrd. $ in 2019 (Abb. 2) und soll bis 2025 auf 3,8 Mrd. $ wachsen. Dies entspricht einem durchschnittlichen Jahreswachstum (CAGR) von 19 %.

Dabei sind die Prognosen in den 5 Haupt-Applikationssegmenten von LiDAR sehr unterschiedlich. Das Segment automatisiertes Fahren (ADAS vehicle) soll ein Wachstum von 114 % pro Jahr bis 2025 erreichen. Zu den Fahrzeugen mit eingebauten LIDAR gehören in Europa derzeit der Mercedes EQS, die S-Klasse, von AUDI der A8 und der BMW 7er ab 2022, die Level 3 – teilautomatisiertes Fahren – beherrschen. Beim AUDI A8 wurde erstmalig serienmäßig ein VALEO LiDAR System mit rotierendem Spiegel eingesetzt.

Topography LiDAR, die z. B. zur Erstellung von 3D Geländemodellen eingesetzt werden, sollen nur mit 6 % pro Jahr zulegen. Für Wind-LiDAR-Fernerkundungsverfahren, die Windgeschwindigkeit, Windrichtung sowie Turbulenzen erfassen können, wird ein Wachstum von 2 % p. a. prognostiziert. Das Segment Industry LiDAR soll mit einem Wachstum von 5 % p. a. bis 2025 beitragen. Für den Bereich Robotic vehicles wird eine jährliche Wachstumsrate von CAGR 12 % prognostiziert.

LiDAR Technologie-Trends

Die Mehrheit der Hersteller setzt auf kostengünstige CMOS Technik mit einer Wellenlänge im Infrarotbereich von 830 bis 940 nm. Eine weitere Gruppe setzt auf kurzwelliges Infrarot im Bereich 1000 nm bis 1600 nm auf Basis der InGaAS (Indiumgalliumarsenid) Halbleitertechnologie. Dabei werden die LiDAR-Rotationsscanner zunehmend von sogenannten Solid-State-LiDAR-Systemen ohne bewegliche Teile auf Flash- und MEMs Basis ersetzt (Abb. 3).

Abb. 3: LiDAR-Technologie-Roadmap 2018–2025Abb. 3: LiDAR-Technologie-Roadmap 2018–2025

In Abbildung 4 deutet sich das starke Wachstum von 114 % p. a. bis 2025 beim automatisierten Fahren ab 2020 an. Zum Beispiel waren die Toyota Robotaxis mit LiDAR auf der Olympiade 2021 in Tokyo im Einsatz. Im Industriesegment finden sich gehäuft LiDAR-Anwendungen bei automatisierten Transportsystemen. Sie werden aber auch im Bereich Smart Farming bei automatisierten Landmaschinen einen neuen Einsatzbereich finden.

High Resolution 3D Flash LiDAR

Abb. 4: LiDAR-Roadmap Automotive and Industrial 2016– 2025 Abb. 4: LiDAR-Roadmap Automotive and Industrial 2016– 2025 Der Hi-Res-3D-Flash-LiDAR ohne bewegliche Teile ergänzt das derzeitige Portfolio an Umfeldsensoren, die zur Realisierung des automatisierten Fahrens benötigt werden. Ein wesentlicher Vorteil der Hi-Res-3D-Flash-LiDAR-Sensortechnologie besteht darin, dass sie sowohl Bildverstehen in Echtzeit als auch Funktionen der Umgebungserfassung bietet. Diese Technologie ermöglicht ein erheblich umfassenderes und detaillierteres Bild der gesamten Fahrzeugumgebung sowohl bei Tag als auch bei Nacht und arbeitet auch bei widrigen Wetterbedingungen bis zu 300 m zuverlässig. Der Pulslaser tastet mit Signalen die Umgebung ab, die von einem hochintegrierten Sensorchip ähnlich einer Digitalkamera empfangen werden. Dabei wird die Pulslaufzeit pro Pixel erfasst, die der Entfernung zum Objekt entspricht.

Durch die Kombination von 2D-Farbkamera, 24 GHz und 77 GHz Radar und dem neuen 3D-Flash- LiDAR schafft es z. B. Continental, ein verlässliches Umfeldmodell zu erstellen. Dies umfasst dynamische Informationen zu anderen Verkehrsteilnehmern, zu statischen Objekten wie Fahrbahnbegrenzungen, hochgenaue Angaben zur eigenen Position und zur Verkehrssteuerung.

Die 2D-Farbkameras arbeiten im Bereich des sichtbaren Lichts, also 400 nm bis 700 nm. Das 3D-Flash-LiDAR deckt die Wellenlänge 1550 nm ab. Das 77 GHz Radar liegt bei einer Wellenlänge von 3,9 mm und das 24 GHz Radar bei 12,5 mm.

Full-Sensor-StackSystem für Level 2+ bis Level 4

Der HRL131 Fernbereichs-LiDAR (Abb. 5) von Continental besitzt eine neuartige und zukunftsweisende Micro-MEMS-Technologie. Die patentierte AEye-LiDAR-Technologie auf Basis von MEMS bietet eine enorm hohe Zuverlässigkeit und ermöglicht beste Sensorleistung auch bei schwierigen Wetter- und Straßenverhältnissen. 

Leistungsdaten

  • Class 1 LASER IEC 60825 (Ed. 3), 1550nm Laser
  • Field of View: 128°x28°
  • Range: 1,000m (300m@10% reflectivity)
  • Res: 0.05°x0.075° (DDL)
  • Frame rate: 10Hz
  • 2-4 returns per pixel
  • Temp: -40°C to +85°C

 

 Abb. 5: HRL131 Fernbereichs-LiDAR von Continental in Micro-MEMS-TechnologieAbb. 5: HRL131 Fernbereichs-LiDAR von Continental in Micro-MEMS-Technologie

 Abb. 6: Short Range LiDAR SRL121 mit  einer Laserleistung von  70 W Max. mit 905 nm WellenlängeAbb. 6: Short Range LiDAR SRL121 mit einer Laserleistung von 70 W Max. mit 905 nm Wellenlänge

 

Short Range LiDAR SRL121

Die meisten Unfälle passieren in Städten. Bei mehr als der Hälfte der Fälle handelt es sich um einen Frontalaufprall. Gründe für diese Unfälle sind: gar kein Bremsen, zu schwaches Bremsen, zu spätes Bremsen. Eine kosteneffiziente und in hohem Maße zuverlässige Lösung zur Vermeidung derartiger Unfälle ist das Nahbereichs-LiDAR-Sensor SRL121 (Abb. 6). Das SRL121 stellt einen infrarotbasierten Notbremsassistenten (City) bereit und misst dafür den relativen Abstand, die relative Geschwindigkeit und den seitlichen Versatz zu potenziell gefährlichen Objekten.

Entwicklungszusammenarbeit Israel – China

Abb. 7: Reales Verkehrsgeschehen und Umsetzung in eine 3D Darstellung des Innoviz LiDAR-SystemsAbb. 7: Reales Verkehrsgeschehen und Umsetzung in eine 3D Darstellung des Innoviz LiDAR-SystemsInnoviz Technologies, ein israelischer Hersteller von leistungsstarken Festkörper-LiDAR-Sensoren und Wahrnehmungssoftware, und Whale Dynamic, ein in China ansässiges Unternehmen für autonomes Fahren, arbeiten bei der Plattform für autonomes Fahren (AD) der nächsten Generation von Whale Dynamic zusammen (Abb. 7/8).

Whale Dynamic aus Shenzhen konzentriert sich auf die Entwicklung einer Plattform für autonomes Fahren, die mehrere Sensoren, darunter LiDAR und hochauflösende Kameras, einbezieht, um einen vollständigen und detaillierten Überblick über die Umgebung des Fahrzeugs zu erhalten

Harter LiDAR-Wettbewerb aus China

Während bisher europäische, amerikanische und israelische Firmen den weltweiten LiDAR-Markt dominiert haben, formiert sich in China ein harter Wettbewerb. Der Markt ist reif für die Massenproduktion.

Doch längst nicht alle Hersteller wie z. B. TESLA sind davon überzeugt, dass LiDAR der technisch am besten geeignete Weg für das autonome Fahren ist. Der Einsatz von rein optischen Sensoren und das Errechnen von Abstand und Geschwindigkeit durch Halbleiter und Algorithmen gelten als Alternative.

Abb.8: Die erste Solid-State-LiDAR-Lösung ihrer Art von der israelischen Firma InnovizAbb.8: Die erste Solid-State-LiDAR-Lösung ihrer Art von der israelischen Firma Innoviz

Mittlerweile hat der chinesische Autohersteller Nio angekündigt, sein Luxus-E-Auto ET7, das im ersten Quartal 2022 auf den Markt kommen soll, serienmäßig mit einem ‚Hochpräzisions-LiDAR' von Innovusion auszurüsten. Und der chinesische Telekomausrüster Huawei hat berichtet, ebenfalls ein ‚96-Line-LiDAR' zu entwickeln. Dieses Huawei-LiDAR will der chinesische Autohersteller BAIC New Energy nach eigenen Angaben schon bald in seinen E-Autos verbauen.

Gleichzeitig bilden sich neue Partnerschaften. RoboSense LiDAR geht eine Partnerschaft mit Banma und AutoX für die Entwicklung einer Plattform für autonomes Fahren ein.

AutoX ist der marktführende Anbieter des RoboTaxis in China. Es ist das einzige Unternehmen, das einen vollständig fahrerlosen RoboTaxi-Fuhrpark ohne Sicherheitsfahrer auf öffentlichen Straßen in China betreibt. Die Selbstfahrplattform des Unternehmens ist in der Lage, sich auch im dichtesten und lebhaftesten Stadtverkehr in Städten auf der ganzen Welt zurechtzufinden. AutoX ist dabei der weltweit zweite Anbieter, dem die kalifornische DMV-Zulassung für vollständig fahrerlose RoboTaxis erteilt wurde.

Auf den Punkt gebracht

  1. 2019 betrug das Marktvolumen für alle LiDAR-Systeme 1,6 Mrd. $. Es soll nach einer Studie von Yole bis 2025 eine jährliche Wachstumsrate von 19 % auf 3,8 Mrd. $ erreichen.
  2. Der Markt von LiDAR-Systemen im Automobil-Bereich steht vor der Massenanwendung. Das Marktvolumen von Assistenzsystemen soll von 87 Mio. $ 2019 auf 1700 Mio. $ im Jahr 2025 wachsen. Dies bedeutet eine Wachstumsrate von 114 % p. a.
  3. Technologisch werden LiDAR-Systeme mit beweglichen Spiegeln durch Solid-State-LiDAR-Systeme z. B. auf MEMS Basis ersetzt.
  4. In Europa werden LiDAR-Systeme bisher nur bei der Mercedes S-Klasse, dem EQS und dem AUDI A8 eingesetzt sowie ab 2022 bei dem BMW 7er.

Während bisher westliche Firmen den LiDAR-Markt dominierten, braut sich jetzt ein chinesischer Wettbewerb zusammen. Derzeit kosten LiDAR-Systeme für die automobile Applikation im Bereich 500 bis 1500 $/Stück. Jetzt mehren sich die Hinweise, dass chinesische Hersteller mit Kampfpreisen bis 200 $/Stück ab Ende 2021 in den Markt drängen.

Wir sollten aufmerksam bleiben, dass uns chinesische Hersteller nicht auch hier die Butter vom Brot nehmen.

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in das letzte Jahresdrittel.

Es grüßt Sie herzlich

Hans-Joachim Friedrichkeit

Kontakt

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Weitere Informationen

  • Ausgabe: 9
  • Jahr: 2021
  • Autoren: H. J. Friedrichkeit

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