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Freitag, 05 November 2021 10:59

Kostelniks PlattenTektonik - Innovationen in Krisenzeiten

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Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten

Seit mehr als einem Jahr sind vor allem in Deutschland viele größere Firmen in einer Wartehaltung. Zu der allgemeinen wirtschaftlichen unausgeglichenen Lage in den angestammten Märkten der Elektronik und des Maschinenbaus kam ein weiteres Globalisierungs-Problem hinzu: Abschottung der eigenen Märkte und eine weitere Verschiebung der Wertschöpfung nach Asien und Nordamerika.

Für die Einen war es ein Weckruf und die Bestätigung für eine neue Denkweise, ein neues proaktives Handeln. Für die Anderen war es ein Grund, den Rückwärtsgang einzulegen. Dabei meine ich nicht einmal die so stark gebeutelte Automobilindustrie. Auch in ganz anderen Branchen wurde brav nach den erlernten betriebswirtschaftlichen Eckpunkten auf Notfallmodus umgeschaltet. Hätte die aktuelle Pandemie nicht so unverhofft all die bereits bestehenden wirtschaftlichen Unzulänglichkeiten überlagert (etwa die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und verlängerte Kurzarbeitregelungen), wären Stellenstreichungen und Streichungen von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten wahrscheinlich unmittelbarer und direkter ausgefallen.

Unweigerlich taucht wieder der Gedanke an den bekannten und gefürchteten Schweinezyklus auf. Gerade die Elektronikindustrie kann davon ein Lied singen. Für die noch in Deutschland tätigen Produzenten folgt nach der Kurzarbeit nun Überstunde auf Überstunde, verbunden mit erhöhten Kosten. Dazu kommen die Verknappung von Bauelementen und gestiegene Materialpreise – ebenfalls Auswirkungen einer verstärkten Abhängigkeit von China. Vieles davon ist hausgemacht. Einige erinnern sich vielleicht noch daran, dass wir einmal eine starke Elektronik-Produktion, Zulieferindustrie und Entwicklung in Europa hatten. Ich spreche von den während der 1990er und 2000er Jahren durchgeführten Auslagerungen vieler Kernkompetenzen der Produktion, Entwicklungen und Marken. Beispiele für den Wandel gibt es genügend: Grundig, Loewe, Siemens, Alcatel.

Was hat das nun eigentlich alles mit Innovationen zu tun? Sehr viel! Dazu kommen wir jetzt.

Meistens bleiben bei allzu schnell angesetzten Sparmaßnahmen, wie bei allen Hauruckaktionen, die Innovationen auf der Strecke. Vieles wird erst einmal zurückgestellt oder verschwindet ganz in der Schublade oder aus den Köpfen.

In diesem Zusammenhang bin ich vor Kurzem auf eine eher zunächst kleine Präsentation eines Innovationstreibenden der heutigen Zeit aufmerksam geworden. Sie erfolgte noch vor der IAA, ganz im Stil von Apple und Samsung. Dieser Innovator namens TESLA macht den bisherigen Strategien der angestammten Automobil-Konzerne und deren Eignern einen ordentlichen Strich durch die Rechnung und baut mit der Gigafactory Berlin-Brandenburg auch im Land des Autos ordentlich Druck auf. Und das geschieht nicht allein durch einfache Auto-Produktion. Bei TESLA wird eher im großen Ganzen gedacht – und das wird, wenn es die Rahmenbedingungen zulassen, demnächst auch Realität.

Quelle: Global Innovation Index Database, WPO, 2021Quelle: Global Innovation Index Database, WPO, 2021

Dieses große Ganze umfasst auch die Batterieherstellung, die Ladestationen inklusive der kompletten Infrastruktur sowie ein weiteres neues Detail. Darauf gehe ich später noch näher ein. Ach ja: das Komplettpaket beinhaltet auch noch, dass TESLA zum Stromanbieter wird. Gewagt, aber konsequent. Bei den etablierten Herstellern aus Deutschland ist das in diesem Umfang und dieser Konsequenz einfach nicht in den Strukturen und Finanzierungen vorgesehen. Schade.

Richten wir den Blick doch noch einmal nach Innen. Positiv ist, dass man sich inzwischen sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene dazu bekannt hat, durch massive Subventionsprogramme etwas zur Stärkung der Innovationskraft zu unternehmen. Andere Regionen der Welt haben bereits gezeigt wie es geht. In der Mikroelektronik (An die Geldgeber: Bitte vergessen sie nicht die restliche Elektronik-Industrie) soll jetzt mit milliardenschweren Innovationspaketen (nicht rückzahlbaren Subventionen) die Halbleiterherstellung in Deutschland gehalten und nachhaltig angesiedelt werden – siehe Bosch, Intel und andere. Um den technologischen Gap zu schließen, wird es aber noch einmal viele Milliarden Subventionen brauchen.

Auf jeden Fall werden Halbleiter in immer mehr Bereichen benötigt. Ich meine nicht nur die mobilen Geräte wie Smartphones und die boomende Sensor- und Sicherheitstechnik. Ich denke hier auch an die Robotik – Smarte Robotik, einen weiteren Innovationspunkt für die Industrie 4.0. An dieser Stelle möchte ich an das oben angesprochene PR-Event von TESLA anknüpfen ... durchgeführt von Elon Musk. Seine Aussage während der Präsentation war: TESLA wird 2022 einen smarten Roboter mit Namen TESLABOT auf den Markt ‚werfen'. Ein Autobauer und ein ‚humanoider' Roboter? Genau – das könnte ein Genie-Streich werden. Warum?

Es ist nicht so, dass Musk der erste mit dieser Idee ist. Aber Innovationen sind ja auch durch eine erfolgreiche Nutzung gekennzeichnet. Und hier wird das Gesamtpaket punkten.

Solch einen Smarten Roboter kann man in vielen Bereichen einsetzen. Damit würde man Exoskelette für menschliche Mitarbeiter und die damit verbundene ethische Diskussion über das Für und Wider überflüssig machen. Entsteht hier ‚Die Fabrik der Zukunft'?

Für mich ergeben die vielen bisher vielleicht losgelösten Aktivitäten von Elon Musk Sinn – eine Strategie mit großer Innovationskraft.

Sehen Sie auch, was ich meine? Einen Smarten Roboter braucht man nicht nur in Auto-Fabriken. Smarte Roboter – in diesem Fall der TESLABOT – werden wahrscheinlich diejenigen sein, die demnächst auf dem Mond und dem Mars ‚herumspazieren' werden. Die Raketen (auch ein Musk-Unternehmen) werden ja schon erprobt. Nichts davon kommt mehr ohne künstliche Intelligenz aus. Und hier schließt sich für mich der Kreis – mit Neuralink und TeslaAI. Musk treibt eine komplette Innovationskette voran, und das in Zeiten, in denen die angestammten Konzerne um das Überleben kämpfen und den entgangenen Profit vor Augen haben. Die Angst lähmt und stoppt die wahre Innovation. Dies belegt leider auch der aktuelle GII 2021 (Global Innovation Index) – siehe ‚Figure 8' aus dem Report. Ich hoffe, dass in den Köpfen von einigen Entscheidern endlich wieder der Pioniergeist zurückkehrt, der die Elektronik und Elektrotechnik in diesem Land einst so stark gemacht hat.

Möglicherweise ist es wieder Zeit für einen Paradigmenwechsel.

Vor allem in einigen Bereichen der Elektronikindustrie könnte sich die Auslagerung von Kompetenzen und Fertigungskompetenz wieder umkehren. Die letzten Dekaden waren und sind bisher noch durch die Schaffung neuer Lieferketten gekennzeichnet, durch Auslagerung und Verlagerung, den Transfer von Know-how nach Asien und neue Abhängigkeiten, welche heute einen kritischen wirtschaftlichen und politischen Faktor ausmachen.

Kann es einen Paradigmenwechsel geben – hin zu geschlossenen Produktionsketten mit einem schlüssigen Konzept für Sichere Elektronik? Auch hier könnte die Mikroelektronik/Mikrosystemtechnik der ‚alte neue Pionier' sein. Systemintegration und Fertigungstiefe sind die Schlüssel für neue Innovationen – ‚Made in Germany and Europe'.

Man kann das ja auch mal so sehen.

Herzliche Grüße

Jan Kostelnik

Quelle:

Global Innovation Index2021 Tracking Innovation through the COVID-19 Crisis, 14th Edition, WIPO, Soumitra Dutta, Bruno Lanvin, Lorena Rivera León and Sacha Wunsch-Vincent Editors, ISBN (print): 978-92-805-3249-4 ISBN (online): 978-92-805-3307-1 DOI: 10.34667/tind.44315, 2021.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 10
  • Jahr: 2021
  • Autoren: Dr. Jan Kostelnik

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