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Dienstag, 09 November 2021 10:59

Knappes Kupfer

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Geschätzte Lesezeit: 8 - 15 Minuten
Das ‚Rote Gold' der Elektronikindustrie sorgt weiter für Kopfzerbrechen Das ‚Rote Gold' der Elektronikindustrie sorgt weiter für Kopfzerbrechen © salita2010 - stock.adobe.com

Auch wenn sich der Kupferpreis – auf hohem Niveau – stabilisiert hat, bleibt der Mangel des Metalls eine Herausforderung für die Leiterplattenindustrie. Die PLUS hat Stimmen aus der Branche gesammelt und wagt einen Blick auf die Hintergründe. Die Gemengelage ist komplex: Durch E-Mobilität und Dekarbonisierung steigt der Bedarf, während die Covid-19-Pandemie, Lieferengpässe und Umbrüche im Kupferbergbau den Nachschub unter Druck setzen.

E-Autos benötigen etwa dreimal so viel Kupfer wie Fahrzeuge mit VerbrennungsmotorE-Autos benötigen etwa dreimal so viel Kupfer wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor (©Wellnhofer Designs - stock.adobe.com)Eine Diebestour mit tragischen Folgen: Weil Unbekannte im Juni in einem Zementwerk in Hannover rund 100 Meter Kupferkabel stibitzten, musste die Produktion für mehrere Wochen ausgesetzt werden. Grund war ein Kurzschluss, bei dem nicht nur ein wichtiger Bagger beschädigt, sondern zudem einer der Langfinger schwer verletzt wurde [1].

Der Fall steht exemplarisch für eine Reihe spektakulärer Kupferdiebstähle, die von der Polizei vermeldet werden. Geklaut werden Starkstromkabel, Dachrinnen, Autoteile, Rohre und elektrische Geräte jeder Art, die anschließend ausgeweidet werden.

Das begehrte Ziel ist stets dasselbe: Kupfer. Der seit Anfang 2020 steil angestiegene Preis des Metalls sorgt für zunehmende Kreativität und Risikobereitschaft der Kupferdiebe. Denn Kupferschrott ist längst ein begehrtes Handelsgut. Noch rabiater und professioneller gehen Kriminelle in Südamerika vor: In Chile brachten sie im August 2021 einen Konvoi mit Kupferplatten im Gesamtwert von umgerechnet 600 000 Dollar in ihre Gewalt – unter Einsatz militärischer Waffen und Drohnen [2].

Zwar hat sich die Lage auf dem Weltmarkt seit Mai 2021 entspannt. Damals kostete die Tonne Cu bis zu 10 700 \( – inzwischen werden bei leicht sinkender Tendenz Preise von annähernd 9500 \) aufgerufen. Allerdings ist mit anhaltender Kupferverknappung und einem entsprechenden Preisniveau von etwa 10 000 $ pro Tonne zu rechnen, wie bereits im Sommer Hans-Joachim Friedrichkeit in unserer Zeitschrift prophezeite [3].

Friedrichkeit beschäftigte sich in seinem Artikel mit zwei entscheidenden Gründen für die angespannte Lage auf dem Kupfermarkt: Dem Rohstoffhunger der Volksrepublik China, die zusammen mit den anderen asiatischen Staaten 70 % des weltweit verhütteten Kupfers verbraucht. Aber auch dem galoppierenden Aufstieg der Elektromobilität und der dafür notwendigen Batterieherstellung, die den Bedarf an Kupferfolien und Kabeln exponentiell steigen lässt.

Laut einer Studie des IDTEchEx-Reports, die von der International Copper Association (ICA) in Auftrag gegeben wurde, finden bis zum Jahr 2030 mehr als 250 000 Tonnen Kupfer pro Jahr ihre Verwendung als Teil der Wicklungen in elektrischen Fahrmotoren in E-Mobilen [4]. Dies hat zwangsläufig Auswirkung auf den Weltmarkt – und verschärft die Lieferengpässe, die durch die Covid-19-Pandemie nochmals deutlicher zutage getreten sind.

Verstopftes Nadelöhr Ningbo

Ningbo-Zhoushan, der verkehrsreichste Hafen der Welt – hier musste ein wichtiges Terminal wegen Corona wochenlang schließenNingbo-Zhoushan, der verkehrsreichste Hafen der Welt – hier musste ein wichtiges Terminal wegen Corona wochenlang schließen (©chungking - stock.adobe.com)So sorgte Mitte August 2021 die Teilschließung des weltgrößten Hafens Ningbo-Zhoushan (Shanghai) wegen eines Coronavorfalls für Rohstoffengpässe. Nachdem ein Hafenarbeiter trotz vorheriger Impfung mit dem Vakzin Sinovac positiv auf das Virus getestet worden war, blieb das wichtige Meishan-Terminal für Wochen zugesperrt: nichts ging mehr [5]. Bei der Wiedereröffnung warteten bereits 68 Containerschiffe auf ihre Abfertigung – ein gravierender Stau, der nur langsam abgebaut werden kann.

Die Pandemie verengt dabei nur ein seit längerem bekanntes Nadelöhr. Laut einer Blitzumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags machen Lieferkettenschwierigkeiten (fehlende Container und unzureichende Frachtkapazitäten auf dem Wasser, der Schiene, der Straße und in der Luft) sowie deutliche Preissteigerungen bei Vorprodukten und Rohstoffen den Betrieben sämtlicher Branchen und Größenklassen schwer zu schaffen. Sie treffen, so DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier, „die deutsche Wirtschaft in ihrer ganzen Breite.“ [6]. Ein Viertel der befragten Unternehmen musste die Produktion drosseln oder gar anhalten, da Zulieferer ihre Zusagen nicht einhalten konnten, und in Folge längere Wartezeiten und einen erhöhten Planungsaufwand einkalkulieren.

PCB-Produzenten in Sorge

Die Marktsituation wirkt sich auch auf die Leiterplattenindustrie aus, die auf den Rohstoff Kupfer stark angewiesen ist. „Generell ist die Materialversorgung derzeit sehr angespannt“, so Bernd Schröder, Leiter der Fertigung bei Würth, gegenüber der PLUS. „Wir haben dies jedoch rechtzeitig erkannt, unsere Materialien entsprechend rechtzeitig geordert und Lieferverträge geschlossen, was unseren Lieferanten Planungssicherheit gibt.“

Bei Leiton sieht man hingegen den Zenit bei der Preisentwicklung bereits überschritten. „Das Schlimmste scheint erstmal vorbei zu sein“, schätzt Geschäftsführer Marcus Knopp. „Nach starken Preisanstiegen beim FR4 Anfang letzten Jahres gibt es nun hier und dort sogar wieder leichte Preissenkungen. Größere Schwierigkeiten in der Materialbeschaffung entstehen heute hauptsächlich dann, wenn ungewöhnliche Materialkombinationen gewünscht sind, zum Beispiel sehr dünne Innenlagen mit Dickkupfer. Hier sind die Lieferzeiten oft lang und die Preise hoch – und es gibt Mindestabnahmemengen.“

Ein Bergbauprojekt in der unberührten Natur des Repparfjords (Norwegen) stieß auf heftige AblehnungEin Bergbauprojekt in der unberührten Natur des Repparfjords (Norwegen) stieß auf heftige Ablehnung (Bild: Natur og Ungdom/Creative Commons)Auch Eberhard Heiser, Geschäftsführer bei Fela, blickt mit Sorge auf die Lieferschwierigkeiten bei Teilen und Material aus Asien. Gegenüber der Neckarquelle/Südwest Presse äußerte er die Befürchtung, dass die Industrie bei Glasfasern, Kupferfolie und speziellen Härtern immer mehr Geduld haben und viel höhere Preise akzeptieren müsste. Derzeit müsse man schon Lieferzeiten von über einem Jahr akzeptieren und wisse dabei gar nicht, welcher Preis schließlich für die Ware aufgerufen werde [7]. 

Für den Leiterplattenproduzenten MEKTEC bestand die Problematik der Lieferzeiten für Kupferfolie schon immer. Allerdings habe sich, so das Unternehmen gegenüber der PLUS, die bestehende Lücke angesichts von Lieferzeiten um die 45 Wochen deutlich vergrößert, und zwar als Folge einer „stark gestiegenen Nachfrage aus den Bereichen erneuerbare Energien und Elektromobilität.“ Ein Elektrofahrzeug benötige gegenüber einem Verbrenner die vierfache Menge an Kupfer. Ereigne sich zusätzlich ein ‚force majeur'-Ereignis wie die deutsche Hochwasserkatastrophe im Juli 2021, durch die mehrere Walzwerke ausfielen, verschärfe sich der Engpass nochmals. MEKTEC beobachte mittlerweile „ein Umdenken in der nachgelagerten Wertschöpfungskette“. Dass „ein Vorziehen oder eine kurzfristige Erhöhung bestellter Mengen, auch in Form von Teillieferungen, praktisch nicht mehr möglich ist“, habe sich herumgesprochen. Es werde nicht mehr gefragt, wie man fehlendes Kupfermaterial „1:1 durch marktverfügbare Bestände des gleichen Materials aus anderen Quellen ersetzen“ könne, sondern prüfe eher, „welches von den derzeit verfügbaren Materialien grundsätzlich für die benötigte Funktion geeignet ist.“ Die Bereitschaft steige, Alternativmaterialien zu verwenden – und bei den Kunden erhöhe sich die Bereitschaft, Zusatzkosten aus Sonderbeschaffungen zu tragen. „Das legt sehr deutlich nahe, dass der Ernst der Lage in der gesamten Lieferkette verstanden wurde und mangelnde Flexibilität weitere Unterbrechungen bedeuten würde“, folgert MEKTEC.

Die Kupferverknappung stellt auch für die PCB-Industrie in China eine Herausforderung dar. Gegenüber der PLUS sagt MOKO Technology aus Shenzen, dass seit geraumer Zeit der Mangel spürbar ist: „Viele Materialien in der Leiterplattenfertigung benötigen Kupfer, so dass elektronische Komponenten und die Vorlaufzeit durch den Mangel an Kupfer beeinträchtigt wurden, was zu einem Anstieg des Leiterplattenpreises führte.“ Entsprechende Verzögerungen durch Kupferverknappungen hätten sich vor allem im Mai und Juni ergeben und die Vorlaufzeit einiger Produkte beeinträchtigt. Erst ab Juli konnte MOKO wieder die normale Lieferung garantieren. Der Leiterplattenproduzent sieht nun positiv in die Zukunft: „Die Verknappung hat sich gelockert, da China weiterhin eine Strategie für Kupferreserven verfolgt. Die Kupferpreise sind seit Juli langsam gesunken, ebenso die Preise für kupferbezogene elektronische Bauteile. Derzeit gibt es keinen Mangel an Kupfer auf dem Markt, der Produktionszyklus der Fabriken wird nicht durch Verknappung beeinträchtigt, obwohl der Preis für verwandte Komponenten immer noch höher ist als zu Beginn des Jahres.“ Aufgrund jahrelanger Produktionserfahrung könne MOKO Technology relativ gut auf Schwankungen der Materialpreise reagieren: „Wir verfügen über einen großen Bestand an allen Arten von Materialien, einschließlich einer großen Anzahl kupferhaltiger elektronischer Bauteile. Die Kupferknappheit hat sich zwar auf unsere Produktion ausgewirkt, aber wir haben die normale Auslieferung der meisten Aufträge sichergestellt.“

Ist das Schlimmste also längst ausgestanden? Hans-Joachim Friedrichkeit ist skeptisch. Er hält es für wahrscheinlich, dass sich die aktuelle Kupferknappheit als strukturell erweist [8]. In der Tat beeinflussen mehrere Faktoren die zukünftige Marktentwicklung.

Kupferbergbau vor dem Wandel

Insgesamt steht der Kupferabbau vor großen Umwälzungen. Bis 2035 sollen weltweit 200 Kupferminen schließen, wie auf der 17. World Copper Conference in Santiago verkündet wurde. Schon seit Jahren waren damit Preissteigerungen und Versorgungsengpässe absehbar [9]. Demgegenüber stehen Pläne, bestehende Minen ab 2023 zu erweitern und neue Minenkapazitäten von rund 250 Mio. Tonnen Kupfer zu erschließen [10]. Doch dies erweist sich zunehmend als schwierig. Kupferabbau gilt als „besonders dreckig, giftig und gefährlich“ [11], und die Gesellschaft ist immer weniger bereit, für den Bergbau gravierende Auswirkungen auf die Umwelt und das soziale Gefüge in Kauf zu nehmen.

Ein Beispiel ist das umstrittene Bergbauprojekt Dominga des chilenischen Unternehmens Andes Iron, das zwei Tagebauminen sowie einen Hafen zur Verschiffung vorsieht [12]. Betroffen wäre ausgerechnet das Reserva Nacional Pingüino de Humboldt, ein Meeresökosystem mit hoher Biodiversität und bekannt für seine Humboldt-Pinguine. Zwar erteilte die Kommission für Umweltverträglichkeitsprüfung (Coeva) die Zulassung. Doch die Proteste gegen Dominga halten an, die letztendliche Entscheidung der Gerichte ist ungewiss.

In Chiles Kupferminen werden etwa ein Viertel des weltweit verhütteten Kupfers abgebautIn Chiles Kupferminen werden etwa ein Viertel des weltweit verhütteten Kupfers abgebaut (Bild: Creative Commons)

Jüngst scheiterte ein Prestigeprojekt der deutschen Aurubis AG, die mit dem norwegischen Minenkonsorium Nussir ASA am polaren Repparfjord eine ‚CO2-neutrale' Kupfermine betreiben wollten. Die ‚grüne Mine' hätte allerdings die Lebensgrundlagen norwegischer Samen in diesem Gebiet vernichtet [13]. Nach langen Protesten der indigenen Minderheit ließ Aurubis von dem Projekt ab – auch wenn ihr Sprecher Michael Hellemann auf die Bedeutung neuer Möglichkeiten zu Kupfererschließung verwies: „Unsere Verantwortung in der Lieferkette ist elementar.“ Deshalb sei der Ansatz einer Mine mit „Null CO2-Emissionen“ zu begrüßen, sofern „sämtliche Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sind“ [14]. Dies war am Repparfjord nicht der Fall.

‚Nachhaltiges Kupfer' als Marketingstrategie

Ist solch ‚grüner Bergbau’ – wie von Aurubis propagiert – überhaupt möglich oder pures ‚greenwashing’? Seit 2018 bemüht sich etwa der chilenische Staatskonzern Codelco, aus dessen Minen rund zehn Prozent des weltweit abgebauten Kupfers ans Tageslicht gebracht wird, um eine Verbesserung seiner Ökobilanz. „Unsere Kunden wollen heute Transparenz“, betont Patricio Chávez, Vizepräsident für Nachhaltigkeit bei Codelco [15]. In einer ‚Kooperation für nachhaltiges Kupfer’ (Responsible Copper Iniative) mit dem deutschen Autohersteller BMW verpflichteten sich beide Unternehmen zu einer ökologischen und sozialen Verantwortung der Kupferindustrie. 2017 stellte Codelco auf der Kupferkonferenz in Shanghai seine Initiative ‚Grünes Kupfer’ vor – laut Annika Glatz von der Deutsch-Chilenischen Handelskammer eine historische Zäsur, die von der Kupferbranche „euphorisch“ als Beginn einer nachhaltigen Rohstoffära gefeiert wurde. Ende 2020 schließlich verpflichteten sich in Chile 13 große Kupferbergbauunternehmen des ‚Consejo Minero' freiwillig zu Verminderung von Treibhausgasen[16].

Bislang sei ‚grünes Kupfer’ ein reines Marketinginstrument, gesteht Jorge Cantallopts, Chefökonom der staatlichen Kupferkommission Cochilco, dem Aufsichtsorgan der Branche. Wer jedoch als Erster einen Nachhaltigkeitsstandard für Kupfer durchsetze, habe als Trendsetter einen Wettbewerbsvorteil in der Branche [17].

Codelco versucht dies etwa mit ihrem im August 2021 gestarteten Projekt ‚Rajoy Inca'. In der El Salvador-Mine, dessen reiche Kupfervorräte seit präkolumbianischer Zeit den Menschen bekannt sind, sollen im Tagebau mehr als 800 Mio. Tonnen des ‚roten Goldes' abgebaut werden – und zwar laut dem chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera ökologisch sauber und nachhaltig („pero también limpio y sustentable desde lo ambiental“) [18].

Kupferreceycling gewinnt an Bedeutung

Kupferabbau in ChileKupferabbau in Chile (Luis Sandoval Mandujano - stock.adobe.com)Für Umweltverbände ist das reine Augenwischerei: Ethisch und ökologisch sauberes Kupfer bleibe ein Ding der Unmöglichkeit. Doch dieser Befund ist janusköpfig. Denn Kupfer ist für die ‚grüne Revolution' unverzichtbar und spielt eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung (Solar- und Windenergie) im globalen Wandel hin zu erneuerbaren Ressourcen [19]. Da Kupfer immer wieder verwendet werden kann, ohne seine physikalischen Eigenschaften zu verlieren, gewinnt dieser nachhaltige Aspekt an Bedeutung.

Durch die einfache, hundertprozentige Recyclingfähigkeit sind Kupfer und seine Legierungen ideal für eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft [20]. Bereits heute deckt recyceltes Kupfer 35 % des weltweiten Kupferbedarfs [21]. In der EU, in China und Japan wird inzwischen mehr als die Hälfte des gesamten Kupfers nach Gebrauch recycelt.

Entsprechend ist Kupferschrott inzwischen eine begehrte Importware. Im ersten Halbjahr 2021 führte etwa China 821 kt Kupferschrott (Bruttogewicht) ein, unter anderem aus Malaysia, Japan, den USA, Thailand, Taiwan, Südkorea und Italien – ein beachtlicher Anstieg von 91 % gegenüber den Einfuhren des Vorjahres [22]. Dies kann laut Ansicht des Marktanalysten Roskill die Entwicklung der Kupferpreise maßgeblich beeinflussen. Durch die erhöhten Schrottimporte versuche die chinesische Regierung, ihre grünen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die steigenden Schrottlieferungen verdränge dabei die Importe von Raffinatkathoden (für Verarbeiter) sowie von Konzentrat, Anoden und Blister (für Schmelzhütten und Raffinerien).

Die Leiterplattenindustrie hat sich auf diese Entwicklung längst eingestellt. „In unseren Unternehmen wird seit einigen Jahren auch Kupfer in den eigenen Anlagen recycelt und dem Kreislauf wieder zugeführt“, betont Bernd Schröder von Würth gegenüber der PLUS. „Da wir davon ausgehen müssen, dass es in Zukunft keine Entspannung auf dem Rohstoffmarkt geben wird, bleibt das Thema Kreislaufwirtschaft im Fokus, da die Abfälle von den Ätzprozessen und auch Vorreinigungsprozessen bis hin zu Hilfsmaterialien aus Kupfer noch einen großen Anteil ausmachen. Natürlich können wir die Aufarbeitung nicht selber stemmen, hier versuchen wir mit unseren Lieferanten ein Kreislaufsystem zu erarbeiten.“ Bei MOKO Technology aus Shenzhen ist dies hingegen nicht vorgesehen. „Wir werden das Knappheitsproblem nicht durch Recycling von Kupfer lösen, denn wir können Kupferrohstoffe nicht selbst verarbeiten“, äußert sich das Unternehmen gegenüber der PLUS. „Was wir brauchen, sind kupferhaltige Komponenten.“

Auch das Risiko von Arbeitskämpfen steigt

Weitergehende Gedanken zum Receycling des Metalls sind jedoch angesichts der anhaltenden Kupferverknappung geboten. Neben den erwähnten Lieferkettenproblemen können auch Arbeitskämpfe in bedeutsamen Kupferminen den Nachschub spürbar drosseln. So konnte Mitte August 2021 ein großangelegter Gewerkschaftsstreik in der weltgrößten Mine des chilenischen Kupferproduzenten Codelco erst nach zähen Verhandlungen beendet werden [23]. Die Gewerkschaften – die freilich den wachsenden Bedarf an Kupfer und den rasanten Preisanstieg registrieren – forderten Lohnerhöhungen sowie die Rücknahme einer Streichung von Gesundheitsleistungen und Gefahrenzulagen. Die Kumpel hatten während des Höhepunkts der Coronapandemie, die in Chile über 37 .000 Menschen das Leben kostete, in den Kupferminen weiterarbeiten müssen [24].

Da rund zehn Prozent des weltweit abgebaut Kupfers allein von Codelco stammt, hätte ein langanhaltender Streik erheblichen Druck auf den Preis und die Lieferketten ausgeübt. Die unter Stillschweigen zustande gekommene Vereinbarung zwischen Arbeitnehmern und -gebern befriedete den dreiwöchigen Arbeitskampf und sorgte augenblicklich für eine Entspannung des Kupferpreises [25]. Es folgten weitere Einigungen in Teilgebieten der Kupferproduktion [26].

Kommende Arbeitskämpfe sind jedoch angesichts der Weltmarktlage zu erwarten – mit unabschätzbaren wirtschaftlichen Folgen. „Die Streiks finden in einer Zeit statt, in der sich der Kupferpreis auf einem hohen Niveau stabilisiert hat“, fasst die Politikwissenschaftlerin Viktoria Reisch zusammen. Aufgrund der Bedeutung des Minerals für die Energiewende sowie der Erholung der globalen Wirtschaft nach der Pandemie „fordern die Gewerkschaften, gleichermaßen davon zu profitieren“ [27].

Dies gilt nicht in allen Ländern, die für den Kupferabbau bedeutsam sind. Laut der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) sind etwa in Peru, aus dessen Minen das meiste in Deutschland verarbeitete Kupfererz stammt, die Gewerkschaften sehr schwach und können trotz hoher Kupferpreise eine Verbesserung der mangelnden Arbeitssicherheit und die Abwendung von Schäden an der Umwelt und dem Ackerbau indigener Familien schwer durchsetzen. Die IGBCE hält es deshalb in Deutschland „für unwahrscheinlich, dass Streiks die Lieferkette abbrechen lassen“.

Dennoch ist damit zu rechnen, dass das ‚rote Gold’ rar und teuer bleibt.

Die Diskussion über Kupferknappheit wird die Leiterplattenproduktion weiter begleiten – davon gehen zumindest die von uns befragten Unternehmen aus.

Referenzen

 

[1] www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Kupferdiebstahl-in-Hannover-Dieb-erleidet-Stromschlag,aktuellhannover8792.html 
[2] www.timeline.cl/delincuentes-ocupan-pistolas-y-drones-para-el-robo-de-cobre-a-convoyes-de-fcab-en-antofagasta/ 
[3] Hans-Joachim Friedrichkeit, Das ‚Gold’ der E-Industrie, PLUS 6/2021
[4] Deutsches Kupferinstitut, E-Mobilität: Studie zeigt: Nachfrage nach Kupfer wird steigen, www.kupferinstitut.de/studie-zeigt-nachfrage-nach-kupfer-wird-steigen/ 
[5] www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/ningbo-zhoushan-der-groesste-hafen-der-welt-hat-corona/27514582.html 
[6] www.dihk.de/de/themen-und-positionen/wirtschaftspolitik/konjunktur-und-wachstum/blitzumfrage-lieferengpaesse/kernaussagen-56744 
[7] www.nq-online.de/lokales/industriebetriebe-leiden-unter-materialknappheit-und-hohen-preisen_50_112025448-16-.html 
[8] PLUS, Ausgabe 06/2021
[9] www.elektronikpraxis.vogel.de/knappes-kupfer-bis-2035-schliessen-weltweit-200-minen-a-704986/ 
[10] www.kupferinstitut.de/kupferwerkstoffe/kupfer/vorkommen/ 
[11] wiwo.de/unternehmen/industrie/bmw-und-codelco-oekologisches-kupfer-ist-eine-fast-unmoegliche-mission/22942198.html 
[12] www.amerika21.de/2021/08/253421/umstrittenes-bergbauprojekt-chile 
[13] www.spiegel.de/ausland/klimawandel-warum-die-samen-in-der-arktis-gegen-ein-co2-neutrales-bergbau-projekt-kaempfen-a-2b7d6175-2ea9-42f3-8339-a3b053cafb86 
[14] www.dgap.de/dgap/News/corporate/aurubis-aurubis-und-nussir-beenden-memorandum-understanding-ueber-kuenftige-konzentratlieferungen/?newsID=1472336 
[15] www.wiwo.de/unternehmen/industrie/bmw-und-codelco-oekologisches-kupfer-ist-eine-fast-unmoegliche-mission/22942198.html 
[16] www.international-climate-initiative.com/de/news/article/nachhaltiger_bergbau_in_chile 
[17] www.wiwo.de/unternehmen/industrie/bmw-und-codelco-oekologisches-kupfer-ist-eine-fast-unmoegliche-mission/22942198.html 
[18] www.valoraanalitik.com/2021/08/24/codelco-inaugura-proyecto-rajo-inca-incrementar-extraccion-cobre 
[19] www.recyclingmagazin.de/2021/08/19/kupfer-mit-schluesselrolle-in-nachhaltiger-entwicklung/ 
[20] Dr. Ladji Tikana, Birgit Schmitz: Kupfer komplett wiederwendbar (Artikel), www.kupferinstitut.de/wp-content/uploads/2021/04/Auswirkungen-der-Einfuehrung-des-EU-Rahmenprogramms-Levels-auf-die-Bauwirtschaft.pdf 
[21] www.kupferinstitut.de/kupferwerkstoffe/kupfer/vorkommen/ 
[22] roskill.com/news/copper-chinas-scrap-rebalancing-act-threatens-to-de-rail-the-price-recovery/ 
[23] www.unternehmen-heute.de/news.php?newsid=6477205 
[24] https://www.jungewelt.de/artikel/408737.arbeitskampf-kampf-gegen-den-riesen.html 
[25] www.mining.com/copper-price-down-as-supply-concerns-fades/ 
[26] www.infobae.com/america/agencias/2021/09/15/chilena-codelco-alcanza-acuerdo-laboral-con-sindicato-de-division-salvador/ 
[27] www.amerika21.de/2021/08/253468/kupfer-bergarbeiter-streiken-chile 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 10
  • Jahr: 2021
  • Autoren: Markolf Hoffmann

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