Diese Seite drucken
Donnerstag, 10 März 2022 10:59

Implantierbare neuronale Schnittstelle in Serie

von
Geschätzte Lesezeit: 3 - 5 Minuten
Die ProtoLaser-Systeme von LPKF sind nicht nur in der Bearbeitung von Leiterplatten einsetzbar. Der Prozess zur Laserstrukturierung ist ebenso für die Herstellung von HF- und Mikrowellenanwendungen, flexibler Elektronik und Glas prädestiniert Die ProtoLaser-Systeme von LPKF sind nicht nur in der Bearbeitung von Leiterplatten einsetzbar. Der Prozess zur Laserstrukturierung ist ebenso für die Herstellung von HF- und Mikrowellenanwendungen, flexibler Elektronik und Glas prädestiniert

Gehörgeschädigte Menschen mit Cochlea-Implantaten auf Basis von Mikroelektroden-Arrays zu versorgen ist nichts Neues. Man macht das seit Jahrzehnten, und rund 700 000 Menschen konnte so bislang geholfen werden. Doch sind weltweit weitere 460 Mio. Menschen betroffen. Statt manuell müssten die Arrays also industriell in großer Stückzahl gefertigt werden. Das hat sich das koreanische Unternehmen Todoc zur Aufgabe gemacht. Fertigungstechnisch setzt das Team, das aus hochrangigen Universitäts- und Forschungsinstituten der Disziplinen Gehirnforschung, Biotechnik und Mikroelektronik kommt, auf ein Ultrakurzpuls-Lasersystem aus Deutschland.

Mit LPKF ProtoLaser R gefertigte Cochlea-Elektroden-Arrays mit 32 KanälenMit LPKF ProtoLaser R gefertigte Cochlea-Elektroden-Arrays mit 32 KanälenProviding people with impaired hearing with cochlear implants based on microelectrode arrays has been done for decades, and around 700 000 people have been helped in this way so far. But another 460 million people are affected worldwide. Instead of being produced manually, the arrays would have to be manufactured industrially in large quantities. This is what the Korean Company Todoc has made its mission. The team coming from high-ranking university and research institutes in the disciplines of brain research, biotechnology and microelectronics, relies on an ultrashort-pulse laser system from Germany for its production technology.

Ein Cochlea-Implantat ist ein elektronisches Medizinprodukt, das chirurgisch implantiert wird und Menschen mit Gehörschäden eine Hörfähigkeit verleiht. Die Technik an sich ist bereits seit einigen Jahrzehnten verfügbar und hat bisher etwa 700 000 Menschen zum Hören verholfen bzw. deren Hörsinn wiederhergestellt.

Weltweit sind jedoch weitere 460 Mio. Menschen von Hörverlust betroffen. Zwar werden jedes Jahr über 60 000 Cochlea-Implantate verkauft. Doch allein in Indien und China kommen jährlich mindestens 60 000 Kinder gehörlos zur Welt. Die Kosten pro Implantat liegen aktuell zwischen 17 000 und 24 000 Euro, denn das Mikroelektroden-Array, welches in die Cochlea implantiert wird, wird manuell hergestellt und eingesetzt.

Spezialisten gründen Start-up

Mit LPKF ProtoLaser R gefertigte Cochlea-Elektroden-Arrays mit 32 KanälenMit LPKF ProtoLaser R gefertigte Cochlea-Elektroden-Arrays mit 32 KanälenUm den weltweiten Mangel an Cochlea-Implantaten zu beheben, wurde bereits 2015 Todoc gegründet. Das Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, maschinell herstellbare Cochlea-Elektroden-Arrays zu entwickeln. Als führende Köpfe hinter dem Unternehmen versammelte Gründer und Miteigentümer Abraham Kyousik Min

  • Lee Hoseung (CTO), der nach Electronic Engineering-Studium und 8 Jahren bei Samsung in der Deep Brain Stimulation-Forschung und für Mentor Graphics Korea arbeitete
  • Jin Won Kim (CRO), der nach Electronic Engineering-Studium und Doktorarbeit am KBIO Health, einem staatlichen koreanischen Entwicklungszentrum für Medizintechnik arbeitete, mehrere Jahre an Cochlea Implantaten forschte, und in einem inter-universitären Halbleiter-Forschungsinstitut im Bereich Dry-Etching tätig war
  • Woojin Ahn (CPO), der vom Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) vor acht Jahren ins Chip Design bei Samsung Electronics wechselte, bevor er bei Todoc einstieg, und
  • Doo Hee Kim (CSO), der Biomedical Engineering an der Yonsei University und Medizin/Neurochirurgie an der Seoul National University studiert hatte und sich 5 Jahre elektronischen Cochlea Implantaten gewidmet hat.

Herkömmliche Cochlea-Implantate

Mit LPKF ProtoLaser R gefertigte Cochlea-Elektroden-Arrays mit 32 KanälenMit LPKF ProtoLaser R gefertigte Cochlea-Elektroden-Arrays mit 32 KanälenEin herkömmliches Cochlea-Elektroden-Array besteht aus 16 bis 22 Elektrodenkontakten aus einer Platinlegierung und Leitungen, die in medizinischem Silikon eingebettet sind. Die maximalen Abmessungen liegen bei 0,4 mm bis 0,8 mm im Durchmesser und 20 mm in der Länge.

Mit der genannten Anzahl von Elektroden und Leitungen wurde vor 20 Jahren ein bahnbrechender, neuer Standard gesetzt. Seitdem gab es vielfältige Versuche, das Cochlea-Elektroden-Array mithilfe eines Halbleiter-Herstellungsprozesses zu fertigen. Leider sind jedoch das Grundmaterial und der für die Halbleiter geeignete Prozess nicht biologisch verträglich.

Todoc begann ab 2016 damit, zunächst den LPKF ProtoLaser U3, dann zwei Jahre später das Ultrakurzpuls-Lasersystem LPKF ProtoLaser R einzusetzen, um Mikrostrukturen auf einer Folie aus einer Platinlegierung herzustellen. Dank dieser Lasersysteme ist es Todoc jüngst gelungen, sogar 32 Kanäle auf einer biokompatiblen Legierung unterzubringen. Die Herstellung wurde so weit wie möglich automatisiert. So lassen sich nun alle 32 Kanäle in einem Durchgang fertigen.

Abraham Kyousik Min und seine Kollegen haben auf der Platinfolie Linien mit einer Breite von 16 µm in einem Abstand von 32 µm strukturiert und Kontakte sowie Anschlussleitungen für 32 Kanäle in nur einem Prozessschritt integriert – anstatt Elektroden für 22 Kanäle manuell herzustellen. Für das fertige Elektroden-Array sind nur noch einzelne Prozessschritte zum Verkapseln der Kontakte und Leitungen notwendig. Mit diesem Fertigungsprozess hat Todoc das erste kommerziell verfügbare Cochlea-Elektroden-Array mit 32 Kanälen entwickelt und auf den Markt gebracht.

Das neue System wurde 2021 zunächst auf dem südkoreanischen Markt eingeführt. Nun plant das Unternehmen den weltweiten Ausbau seines Vertriebsnetzes. Es strebt an, Cochlea-Implantationsoperationen auch für Menschen in Entwicklungsländern verfügbar zu machen, die aufgrund des gegenwärtigen Missverhältnisses aus Angebot und Nachfrage im heutigen Marktumfeld keine Cochlea-Implantate erhalten können. Ziel ist es, Menschen auf allen Kontinenten helfen zu können – ohne Beschränkungen aufgrund der Kosten.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 2
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Volker Tisken

Ähnliche Artikel