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Montag, 14 März 2022 10:59

PlattenTektonik: Die smarte Elektronik-R-Evolution

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Geschätzte Lesezeit: 3 - 5 Minuten
Girolamo Sferrazza Papa - GiroScience Girolamo Sferrazza Papa - GiroScience

Von Smartphone über Smart- Energy bis SmartHome – inzwischen leben wir in einer völlig neuen Welt der smarten Dinge. Die ‚Smartworld' beherrscht mittlerweile das tägliche Miteinander im öffentlichen sozialen und beruflichen Umfeld. Doch was muss passieren, damit unsere Welt wirklich smart wird?

plus 2022 02 0001Häufig hört man: „Eigentlich will ich mich nicht so abhängig von den sozialen Medien machen“. Doch allzu oft ist die smarte virtuelle Welt ja nur einen Klick entfernt – und leider hat das Ganze auch einiges an Suchtpotential. Es ist, wie so oft, Fluch und Segen zugleich.

Dass Social Media und IoT so allumfassend erfolgreich sind und rund um den Globus technisch funktionieren, ist nicht zuletzt der Technik-R-Evolution zu verdanken. Physiker und Ingenieure haben 1992 ein System entwickelt, das neben vielen anderen Innovationen die Welt revolutioniert hat – ein perfektes Zusammenspiel aus Hardware und Software.

Was vor nunmehr 30 Jahren als interne und schnelle Kommunikationsplattform begann, ist längst ausgewachsen und so mächtig und vielschichtig, dass es sich bereits wieder auf dem Weg in die Verkomplizierung und Einschränkung befindet. Was einmal als einfaches Internet begonnen hat – ohne Einschränkungen und kommerzielle Überfrachtung – ist nun an dem Punkt angekommen, an dem man zur Regulierung greift.

Eigentlich wäre das der langsame Tod einer guten Sache. Damit es nicht dazu kommt, werden neue Hardware- und Software-Konzepte entwickelt, die helfen sollen, die Welt sicherer und vertrauenswürdiger zu machen. Ich schnitt dieses Thema in meiner ersten Kolumne in der PLUS 10/2021 an: Ein Schlüssel sind Halbleitertechnik und die Elektronik mit ihrer Aufbau- und Verbindungstechnik. Also Hardware mit spezifischen Merkmalen und Funktionen, welche eine sichere Verwendung und eine Integration von Systemen in Systeme ermöglicht und dazu noch klimaneutral sein soll.

An dieser Stelle möchte ich nicht den aktuellen Entwicklungen vorgreifen, aber durchaus darauf verweisen: Mir gefällt, dass durch die Erweiterung der Kompetenzen in den Bereichen der Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik ein Weg in Europa für die Elek-tronik-Entwicklung für verschiedene Zukunftsfelder aufgezeigt wird. Hierzu gehören für mich vor allem die Entwicklungen neuer Konzepte für Sensorik und deren Anwendungen. Smarte Sensoren – ein Beispiel für Systemintegration.

Dahinter stehen neue Materialien, Aufbaukonzepte, Verbindungstechniken, die Kombination verschiedener Technologien aus der Welt der Halbleiter und Organik – die Heterogene-System-Integration. Ergebnisse können zum Beispiel völlig neue sogenannte Quantensensoren sein. Sie konnten sich bereits in der vorherigen Ausgabe der PLUS dazu informieren.

Sowohl Start-ups als auch Technologiekonzerne sehen in diesem Markt riesiges Potential. Bosch erhofft sich spätestens in 10 Jahren einen umfassenden Durchbruch dieser Technologien. Sozusagen etwas, was einem – ich möchte es mit ‚Beyond MEMS' bezeichnen – gerecht wird. Bosch hat das Zeug dazu. Und es ist eine konsequente Weiterentwicklung der bisherigen MEMS-Technologien für Sensoren. Für Bosch scheint sich der Weg immer klarer abzuzeichnen. Man wird die nächsten 10 Jahre hybride Technologien entwickeln. Altbewährtes aus der MEMS-Ära wird sich sicher auch in den neuen Sensoren mit Quanten-Technologie befinden. Und der Trend zur Miniaturisierung wird sich fortsetzen. Das könnte einer der großen Vorteile der neuen Technologie sein. Kleinere und flachere Baugrößen, die bisher MEMS auf Grund ihrer Bau- und Funktionsweise verwehrt sind.

Auf dem Weg zur wirklich smarten Technik der ZukunftAuf dem Weg zur wirklich smarten Technik der Zukunft

Die Herausforderungen für die Aufbau- und Verbindungstechnik sind ähnlich hoch wie bei den ersten Aufbaukonzepten für elektrisch-optische Koppler auf Schaltungsträger- bzw. Leiterplattenebene. Projekte wie EOCB und Futureboards haben vor ca. 20 Jahren die zu lösenden Herausforderungen bereits deutlich aufgezeigt: Positioniergenauigkeiten von Komponenten im Sub-Mikrometer-Bereich. 2 µ waren es für die Optische Kopplung in das optische Bauelement aus der Glasfaser bzw. dann aus dem optischen Lichtwellenleiter in Polymer- oder Glasstruktur – und dies auf Schaltungsträgerebene.

Apropos: Damals ganz intensiv mit dabei waren Firmen wie Infineon und Siemens. Möglicherweise wird Infineon ja wieder auf den Zug aufspringen. Die Quantensensorik würde auch hier gut in ein neues Portfolio passen. Zu hoffen wäre es, da Infineon ebenfalls einer der großen Investoren in Europa ist.

Interdisziplinarität

Eins ist sicher: Smarte Elektronik braucht eine komplette Wertschöpfungskette und Interdisziplinarität. Allein die Halbleiter werden es nicht richten können. Die Welt der Halbleiter-Chips und die organische Schaltungsträgerwelt gehören hier endlich zu einer zukunftsweisenden Aufbau- und Verbindungstechnik zusammengeführt. Die Software wird zusätzlich integraler Bestandteil sein müssen, z. B. in Form von Firmware mit einem hohen KI-Anteil und den richtigen Schnittstellen für die Kommunikation – 6G/7G oder ‚BT9'. All das ist letztendlich nur von echten Technologie-Firmen und Konzernen zu leisten, welche mit einer klaren und progressiven Technologiestrategie am Markt agieren. Mit ,agieren' meine ich proaktive und zukunftsweisende Technologiepläne und Szenarien sowie Konzepte und Produktionen in Europa.

Schauen wir nach vorn und setzen wir unser Vertrauen in das Können der passionierten Ingenieure und Ingenieurinnen, welche nach wie vor eine hervorragende Ausbildung erhalten.

Hier schließt sich der Kreis. Wichtiger als je zuvor ist die umfassende und fundierte Ausbildung des technischen Nachwuchses. Aus meiner Sicht wird in Zukunft die Interdisziplinarität eine immer wichtigere Rolle spielen. Aus eigenen Ausbildungszeiten kennen wir das als Mechatronik oder sogar noch unter dem Begriff Feinwerktechnik. Hier wird sowohl das technische Verständnis als auch das Zusammenwirken von Mechanik, Elektronik, Optik und auch Software vermittelt. Die zunehmende Bedeutung der kollaborierenden Entwicklung wird vor allem daran ersichtlich, dass alle führenden Design-Tool-Hersteller inzwischen 3D-Entwurfswerkzeuge für mechanische, elektrische/elektronische Systeme entwickeln bzw. anbieten.

Um auf das eingehende Szenario der Smarten Elektronik und der SmartWorld zurückzukommen: Genau dieses Verständnis für die Anwendung und Funktion sowie die oben angesprochene Interdisziplinarität werden hier benötigt. Durch diese Herangehensweise und mit einer konsequenten Investitionsstrategie in neue Technologie und Know-how kann es gelingen. Und das ist die eigentliche ‚Smarte Technik R-Evolution'.

Es heißt also ,Über den Tellerrand schauen!' und wir dürfen gespannt sein, was uns die Zukunft bringt.

Man kann das ja auch mal so sehen.

Herzliche Grüße
Jan Kostelnik

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Weitere Informationen

  • Ausgabe: 2
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Dr. Jan Kostelnik

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