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Dienstag, 15 März 2022 10:59

„Die Lösung ist immer einfach, man muss sie nur finden“

von
Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten

Bekannt ist die Geschichte mit dem Ei des Kolumbus, wobei der sicherlich aufpassen musste, dass es nicht ausläuft. Aber vielleicht war es ja auch hart gekocht. Zauberkünstler leben davon, dass es leichter ist, den Menschen etwas Magisches vorzugaukeln, als sie nach dem einfachen und natürlichen Vorgang suchen zu lassen.

Abb. 1: 2-Rubel-Solschenizyn-GedenkmünzeAbb. 1: 2-Rubel-Solschenizyn-GedenkmünzeVerschwindet die knapp beschürzte Dame aus dem Käfig, so vermuten unbescholtene Menschen also nicht gleich eine Falltür.

Immerhin gibt es noch Wissenschaftler, die sich nicht verblüffen lassen – wie etwa Conrad Röntgen [2], der nicht an ein Gespenst glaubte, als er die Knochen der Hand seiner Frau sah. Hingegen vermuten jedoch Prozessingenieure nicht selten die Hand des Schicksals hinter dem Verschwinden von Metallbeschichtungen beim Löten, schließlich glänzte es doch recht hübsch vor dem Prozess.

Löten ist ein chemisch-physikalischer Prozess, bei dem Verbindungen zwischen Metallen eingegangen werden. Dabei würde man wohl das wichtigste und als größten Anteil vorhandene Metall, nämlich Zinn, als ‚Agressor' bezeichnen können, denn die meisten Reaktionen laufen eben mit diesem ab während die anderen sich, mehr oder minder unbeteiligt, im Lot befinden. Zinn weist in den neueren Legierungen weit höhere Anteile auf als noch in vormals verwendeten bleihaltigen Loten. Deswegen und auch der höheren Temperaturen wegen treten Ablegierungen häufiger in Erscheinung.

Studiert man den Einfluss von Zinn auf die verschiedenen Metalle, dann sollte man nicht nur den Zinnanteil und die Temperatur berücksichtigen, sondern auch die Menge des vorhandenen Lots sowie die Art des Angebots. Bewegt sich das Lot wie etwa beim Schwalllöten, so liegt eine andere Situation vor als bei einem statischen Bad, denn das bewegte Lot verliert weder in der Nähe des eingetauchten Metalls an Temperatur noch reichert es sich mit ablegierten Atomen und Molekülen an. Die Reaktionen verlangsamen sich nämlich, je niedriger die Temperatur und je mehr des ablegierten Metalls im Zinn vorhanden ist, bis eine gewisse Sättigung erreicht wird.

So unterscheidet sich Schwalllöten mit einem ‚unendlichen' Vorrat an Lot vom Selektivlöten – vor allem wenn es sich um ein Tauchverfahren handelt – das eine limitierte Menge aufweist und dem Reflowlöten, bei dem nur ein äußerst geringer Vorrat an Paste (und eventuellem Formteil) vorhanden ist.

Selbstredend, dass hierbei jeweils andere Temperaturen und andere Zeiten über Liquidus zum Einsatz kommen – das weiß jede Prozessingenieurin.

Es ist also kein Hokuspokus, wenn plötzlich die Termierung eines Bauteils verschwunden ist, sondern ein ganz normaler Vorgang, der viele Schlüsse zulässt. Wer selbstkritisch ist, denkt zuerst an falsche Prozessparameter oder mangelnde Kontrolle und Überwachung der Maschinen.

Abb. 2: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen der spröden AuSn4 DiffusionszoneAbb. 2: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen der spröden AuSn4 DiffusionszoneAber es ist keineswegs unwahrscheinlich, dass es am Bauteil liegt. Hier hat Ihr Einkauf wieder Billigware bestellt, um sich beim Management einen ordentlichen Weihnachtsbonus zu erschleichen und die Qualitätskontrolle hat geschlampt oder keine Ahnung wie man die Lötbarkeit von Bauteilen richtig testet und bewertet – oder Sie hatten den Mumm nicht, die schlechte Qualität nach oben zu melden. Dabei wird übersehen, dass die Kosten für eine Reparatur nach dem Löten weit höher sind als die paar Mehrgroschen für ordentliche Bauteile.

Das An- und Auflösen der Metalle im Lot – es ist ja bekannt, dass beim Schwalllöten gelegentlich sehr dünne Anschlussdrähte ganz einfach verschwinden – hat auch eine Kehrseite. Das Metall muss ja irgendwohin und nicht selten findet man es in der Lötstelle wieder. Dort hat es dann Einfluss auf die Langlebigkeit der Verbindung, wobei man die verschiedenen Belastungsarten wie Stoß, Verbiegen oder Scherung unterschiedlich bewerten muss. Durch Warnungen der IPC[3] ist ja schon seit ‚Urgedenken' zumindest der Einfluss von Gold in der Lötstelle bekannt und ihre Standards geben ja dann auch gewisse Grenzwerte dafür an, an die man sich halten sollte. Die Goldversprödung in Lötstellen zeigt sich, wenn ein prozentuales Verhältnis des Gewichts des Goldes zum Gewicht des Lots mehr als 3 % des Gesamtgewichts der Lötlegierung beträgt. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass auch schon bei niedrigeren Werten Probleme auftreten können.

Weniger verbreitet ist das Wissen über andere Verunreinigungen wie Silber etc.

Abb. 3: Verringerung der Radien eines Golddrahtes in SAC305 Lot bei verschiedenen Temperaturen und unterschiedlichen EintauchszeitenAbb. 3: Verringerung der Radien eines Golddrahtes in SAC305 Lot bei verschiedenen Temperaturen und unterschiedlichen Eintauchszeiten

Das Ablegieren wurde selbstverständlich schon früh erkannt und für die verschiedenen Bleilote auch studiert [4]. Etwas neueren Datums sind die Untersuchungen für das meistverwendete bleifreie Lot SAC305 (wenn man Glück hat: 3,0 Ag, 0,5 Cu der Rest Sn – eine große Schmelze so zuzubereiten, dass diese Werte genau eingehalten werden ist ausnehmend schwer, wie man aus der Gießtechnik weiß. Alleine beim Erkalten kommen Stratifizierungen zustande, welche die lokalen Anteile um einiges verschieben). Aus den gewonnen Daten kann man in etwa die Informationen ablesen, die nötig sind, um abzuschätzen ob die vorliegende Dicke einer Beschichtung dem Lötvorgang standhalten wird oder nicht. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Qualität zum Beispiel einer Kupferlage stark von der Methode abhängt, mit der sie aufgetragen wurde.

Abb. 4: Auflösungsrate verschiedener Metalle bei unterschiedlichen Bedingungen und zwei Temperaturen in SAC305Abb. 4: Auflösungsrate verschiedener Metalle bei unterschiedlichen Bedingungen und zwei Temperaturen in SAC305

Abb. 5: Zum Vergleich ähnliche Daten für SnPbAbb. 5: Zum Vergleich ähnliche Daten für SnPb

Zudem muss man sich die Studien genauer anschauen, denn bei vielen fehlen Berechnungen, wie etwa die Berücksichtigung der dem Lot ausgesetzten Oberfläche, da ein runder Draht sich anders verhält als eine flache Aufsatzmetallisierung auf der Leiterplatte. Zudem sind natürlich die Temperaturangaben auf der Anzeige des Bildschirms etwas anders als direkt am Objekt.

Es fällt vielleicht auf, dass sich die Ablegierung beim Silberdraht [in µm/s] um den Faktor 2,6 beschleunigt, wenn man die Temperatur von 250 °C auf 280 °C erhöht während der gleiche Wechsel bei Gold beinahe den Wert 3 ergibt. Hingegen werden Nickel, Palladium und Platin recht langsam angegriffen, doch zeigt Kupfer erstaunlicherweise ein ähnliches Verhalten wie Silber, was bei der Verwendung speziell in Reflowprozessen, bei denen lange Verweilzeiten über dem Liquidus der Legierung häufig sind, berücksichtigt werden sollte.

Literatur und Anmerkungen:

K. Puttliz; K. Stalter: Handbook of Lead-free Solder Technology for Microelectronics Assemblies, Marcel Decker Inc.
R. Wilcoxon et al.: Solder Joint Integrity Impact of Immersion Silver Surface Finish Thickness for Tin/Lead and Lead-free Solder Processes, SMTA Int. Conf. on Soldering and Reliability (ICSR), May 2008
D. Hillman et al.: Dissolution Rate of Specific Elements in SAC305 Solder, Proceedings of SMTA International, Oct. 2018, Rosemont, IL, USA

Referenzen:

[1] Zitat von Alexander Issajewitsch Solschenizyn (1918–2008), Der russische Schriftsteller und Dramatiker war Träger des Nobelpreises für Literatur (Hauptwerk: Der Archipel Gulag)
[2] Wilhelm Conrad Röntgen (1845–1923), Physiker und Entdecker der X-Strahlen
[3] J-STD-001 F
[4] W. G. Bader: Dissolution of Au, Ag, Pd, Pt, Cu and NI in a Molten Tin-Lead Solder, Welding Research Supplement, December 1969

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 2
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Prof. Rahn

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