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Dienstag, 14 Juni 2022 12:00

Ganzheitliche Verifikation und virtuelle Erprobung

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Ganzheitliche Verifikation und virtuelle Erprobung Bild: IPG Automotive GmbH

Im Bereich des autonomen Fahrens laufen Design und Test zunehmend im integrierten Prozess ab. Ein Beispiel dazu zeigte das in Darmstadt ansässige Fraunhofer-Institut LBF Autonomes Fahren vor 14 Tagen auf der Hannover Messe. Sogenannte XiL-Tests macht es möglich, reale Komponenten – beispielsweise Kameras – in virtuellen Entwürfen von Fahrzeugen und Einsatzszenarien zu testen.

Mit simulationsbasiertem Testen lässt sich das Verhalten automatisierter Fahrfunktionen mit geringen Kosten und Risiken in vielen Verkehrssituationen erprobenMit simulationsbasiertem Testen lässt sich das Verhalten automatisierter Fahrfunktionen mit geringen Kosten und Risiken in vielen Verkehrssituationen erprobenDamit die künftige Autonomie des Fahrens auch wirklich im Alltag ankommen kann, muss sichergestellt sein, dass alle relevanten Bauteile eines Fahrzeugs zuverlässig funktionieren. Das ist aus mehreren Gründen eine Herausforderung für die Systementwickler, die einmal mehr Trends des integrierten Designs forciert: Um diese Sicherheit zu gewährleisten, werden die einzelnen Komponenten bereits in der Entwurfsphase des Fahrzeugs umfassend und realistisch geprüft.

Durch sogenannte X-in-the-Loop-Tests (XiL) der Sensoren wird es möglich, Fahrzeuge und Szenarien realitätsnah zu simulieren und die reale Komponente in ihrer Einsatzumgebung zu testen. Dadurch werden Einflüsse auf die Verkehrssicherheit sichtbar, die mit anderen Prüfmethoden nicht oder erst bei der Freigabe des Gesamtfahrzeugs erkannt werden können. Auf der Hannover Messe präsentierten Forschende des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF zukunftsweisende Ergebnisse.

Beispielsweise ist es mit einer Kamera-in-the-Loop-Testumgebung möglich, den Einfluss von Fahrzeugschwingungen auf die Klassifizierung von Objekten in unterschiedlichen, virtuellen Verkehrssituationen zu untersuchen. Damit lässt sich die Sicherheit und Funktionalität von kamerabasierten Sensorsystemen sicherstellen. Diese Validierung und Verifikation von kamerabasierten Sensorsystemen stellt bei der Entwicklung von hochautonomen Fahrfunktionen einen entscheidenden Entwicklungsschritt dar.

Autonome Fahrfunktionen validiert und verifiziert

In einer virtuellen Testumgebung für automatisierte Fahrzeuge werden unterschiedliche Umwelt- und Fahrzeugkomponenten durch vernetzte Simulationsmodelle repräsentiert. Schnittstellen für den Austausch standardisierter Datennachrichten ermöglichen den flexiblen Einsatz unterschiedlicher Modelle und Simulationsumgebungen in vereinheitlichten, digitalen VerifikationsprozessenIn einer virtuellen Testumgebung für automatisierte Fahrzeuge werden unterschiedliche Umwelt- und Fahrzeugkomponenten durch vernetzte Simulationsmodelle repräsentiert. Schnittstellen für den Austausch standardisierter Datennachrichten ermöglichen den flexiblen Einsatz unterschiedlicher Modelle und Simulationsumgebungen in vereinheitlichten, digitalen VerifikationsprozessenAutomatisierte Fahrzeuge sind die vermutlich größte Veränderung im Bereich des Indiviualverkehrs seit der Erfindung des Verbrennungsmotors. In absehbarer Zukunft werden Fahrzeuge vollständig autonom (Level 4 und 5 der SAE-Skala) am Straßenverkehr teilnehmen. Als Forschungspartner unterstützt das Darmstädter Fraunhofer-Institut Hersteller und Zulieferer bei der Entwicklung dieser Fahrzeuge mit Analysen der Systemzuverlässigkeit (zum Beispiel FMEA) und Methoden zur Validierung virtueller Prototypen in Multiskalensimulationen. Entscheidend dabei ist, dass durch dieses Vorgehen nicht nur Entwurfsphase und Validierung/Verifizierung integriert, sondern auch die Grenze zwischen realen und nur virtuell existierenden, aber weitgehend oder vollständig funktional modellierten Komponenten in der Entwicklung keine Rolle mehr spielt.

Die Vorteile der individuellen Komfortsteigerung für Passagiere, die die Fahrzeit für andere Dinge als bislang nutzen können, sind nur ein Aspekt. Wichtig ist ebenso, dass automatisierte Fahrzeuge einen effizienteren und reibungsloseren Straßenverkehr ermöglichen. Bisher spielte die Gewährleistung der aktiven und passiven Fahrzeugsicherheit in der Fahrzeugentwicklung eine dominierende Rolle. Sie wird durch den weitergehenden Aspekt des sicheren Fahrzeugverhaltens abgelöst. Im vollständig automatisierten Straßenverkehr wird der Crash nicht mehr durch Knautschzonen oder Airbags entschärft, sondern er wird vermieden. Das wird zu enormen Ressourceneinsparungen und völlig neuartigen Funktionskonzepten führen – auch hier haben die neuen Ansätze der Mobilität also weitreichende Auswirkungen auf Fahrzeugentwicklung und -design.

Doch um dieses Ziel zu erreichen, muss nicht nur die sichere Funktion, sondern das sichere Verhalten des Fahrzeugs innerhalb jeder denkbaren Fahrsituation nachgewiesen werden. Dies beinhaltet die richtige Wahrnehmung und Interpretation der Verkehrssituation, die richtige Entscheidung über das Fahrzeugverhalten und die Umsetzung dieser Entscheidung durch das Fahrzeug als mechatronisches Gesamtsystem.

Das LBF legt wichtige Grundsteine für die hierzu notwendige ganzheitliche Verifikation und Validierung sowie für die simulationsbasierte Entwicklung. Dabei haben die Darmstädter Forschenden wesentliche Innovationen im Zusammenspiel von virtuellen und realen Tests entwickelt, die auf einem szenarienbasierten und datengetriebenen Ansatz beruhen. Die Ergebnisse werden bereits für den Autobahnverkehr und für urbane Verkehrssituationen angewendet.

Im Projekt SET Level (simulationsbasiertes Entwickeln und Testen von automatisiertem Fahren) wird die Grundlage für ein effizientes, entwicklungsbegleitendes Testen und eine umfassende verlässliche Überprüfung automatisierter Fahrzeuge in komplexen Verkehrssituationen geschaffen. Das Hauptresultat des Projektes SET Level besteht in einer offenen, flexiblen und leicht bedarfsgerecht erweiterbaren Plattform, für simulationsbasierte Untersuchungen und Tests von SAE-Level 4 und 5 Fahrzeugen in urbanen Verkehrssituationen.

Das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt steht seit 1938 für Sicherheit und Zuverlässigkeit von Leichtbaustrukturen. Mit seinen Kompetenzen auf den Gebieten Betriebsfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Schwingungstechnik und Polymertechnik bietet das Institut heute Lösungen für drei wichtige Querschnittsthemen der Zukunft: Systemleichtbau, Funktionsintegration und cyberphysische, maschinenbauliche Systeme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen, wie Ressourceneffizienz und Emissionsreduktion sowie Future Mobility, wie die Elektromobilität und das autonome, vernetzte Fahren. Die Auftraggeber kommen u. a. aus dem Fahrzeugbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, der Medizintechnik sowie der chemischen Industrie. Sie profitieren von der ausgewiesenen Expertise der rund 390 Mitarbeitenden und modernster Technologie auf mehr als 17 900 m2 Labor- und Versuchsfläche.

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