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Dienstag, 28 Juni 2022 12:00

Pilotlinien, Nanodiamanten und fühlende Roboterhaut

von Heiko Weckbrodt
Geschätzte Lesezeit: 6 - 12 Minuten
Laborexperimente mit dem 3D-Druck mit nachwachsenden Rohstoffen an der TU Bergakademie Freiberg Laborexperimente mit dem 3D-Druck mit nachwachsenden Rohstoffen an der TU Bergakademie Freiberg Bild: Detlev Müller/Erzgebirgsfoto

 

Durch die nun voll betriebsbereite ,Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland' (FMD) und die zwölf vorgeschalteten Chiptechnologie-Forschungslabore (Forlabs) hat Deutschland mittlerweile ein virtuelles Mikroelektronik-Großforschungszentrum geschaffen, das sich mit dem Imec in Belgien und dem Cea-Leti in Frankreich messen kann – so schätzt es FMD-Lenker Prof. Albert Heuberger ein: „Damit können wir auf dem europäischen Spielfeld nun besser mitspielen – auch im Rahmen des EU-Chips-Acts.“ Auf diesen setzt man in Sachsen große Hoffnungen.

Mit seiner Einschätzung während der digitalen Konferenz ,Mikroelektronik-Forschung in Deutschland: von den Grundlagen zur Anwendung' in Dresden ist Heuberger, der in Personalunion das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen und den FMD-Lenkungskreis leitet, nicht allein. So verknüpfen mit eben diesem Chips Act, durch den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rund 43 Mrd. € öffentliche und staatliche Gelder für Europas Halbleiterwirtschaft aktivieren will, Vertreter aus Wirtschaft und Politik in Sachsen große Hoffnungen auf einen neuen Schub für ihre Mikroelektronikindustrie.

Die Kette vom Computermodell über das elektrisch funktionalisierte Spritzgießteil bis hin zum fertigen Bauteil mit elektrischem Anschluss: Im konkreten Beispiel wurden in eine Gestriebekappe gleich noch Magnetfeldsensoren integriertDie Kette vom Computermodell über das elektrisch funktionalisierte Spritzgießteil bis hin zum fertigen Bauteil mit elektrischem Anschluss: Im konkreten Beispiel wurden in eine Gestriebekappe gleich noch Magnetfeldsensoren integriert

Dresdner Kabinett steckt Claims in Brüssel ab

Aus solchen Silizium-Zuchtkristallen, Ingots genannt, fertigt Siltronic Wafer für die großen Chipfabriken. Nun investiert das Unternehmen weitere Millionenbeträge in den Standort Freiberg Aus solchen Silizium-Zuchtkristallen, Ingots genannt, fertigt Siltronic Wafer für die großen Chipfabriken. Nun investiert das Unternehmen weitere Millionenbeträge in den Standort Freiberg Um die regionalen Claims abzustecken, verlegte das sächsische Kabinett seine Sitzung am 10. Mai kurzerhand von Dresden nach Brüssel. Man wollte dort Flagge zeigen und die Entscheidungsträger auf EU-Ebene noch einmal auf die besondere Bedeutung der Halbleiterindustrie hinweisen. „Der European Chips Act ist für Europa und Deutschland enorm wichtig, um in der Schlüsselbranche Mikroelektronik unabhängiger zu werden“, betonte Ministerpräsident Michael Kretschmer. „Die weltpolitische Lage erfordert unser schnelles Handeln“, sagte er mit Verweis auf Abhängigkeiten und gestörte Lieferketten als Folge von Corona-Pandemie und Krieg in der Ukraine. „Der Freistaat setzt alles daran, dass Europas Chipoffensive ein Erfolg wird. Denn das Projekt ist wichtig für unseren Kontinent und gleichzeitig eine Riesenchance, dass Sachsen seine Position als führender europäischer Mikroelektronikstandort weiter festigt.“

Mit der FMD hatten Akteure aus Sachsen und ganz Deutschland in den vergangenen Jahren bereits eine virtuelle Fab geschaffen, die bis dahin weitverstreute Halbleiter-Forschungsaktivitäten zumindest teilweise zusammenfasst. Vor allem auf Drängen der Fraunhofer-Gesellschaft und der sächsischen Mikroelektronikindustrie hatte deshalb die damalige Bundesforschungsministerin Johanna Wanka 2017 rund 350 Mio. € zugesagt, um den virtuellen Verbund aus Pilotlinien aufzubauen, welche über Deutschland verstreut ganz verschiedene Mikroelektronik-Entwicklungsprojekte bearbeiten. Beteiligt waren und sind ein Dutzend Fraunhofer- und zwei Leibniz-Institute. Die Koordination hat eine Geschäftsstelle in Berlin übernommen.

In Summe hatten die beteiligten FMD-Institute bis Ende 2021 mit den Fördergeldern rund 250 neue Anlagen beschafft, um Lücken in ihren wissenschaftlich-technischen Ketten zu schließen. Ein Investitionsschwerpunkt lag dabei in den Halbleiter-Forschungsreinräumen in Dresden. Nach der nun abgeschlossenen Aufbauphase soll sich die FMD jetzt weitgehend selbst durch Industrieaufträge finanzieren.

Forelabs als universitäre Vorstufe an Forschungsfabrik angedockt

An diese FMD für die Pilotproduktion hatten sich ab 2019 noch zwölf Forelabs angedockt, die sich stärker auf die Vorlaufforschung konzentrieren. Sie bekamen rund 50 Mio. €, um auch ihre Hardware-Lücken zu schließen. Die 14 beteiligten Unis bestellten dafür in Summe 100 Anlagen, von denen 96 inzwischen geliefert sind. „Es gab da einige Verzögerungen durch Corona und den Brexit, daher haben wir das Projekt etwas verlängert“, berichtete Forlab-Koordinator Prof. Thomas Mikolajick von der TU Dresden. Bis November 2022 sollen aber die letzten Anlagen geliefert sein. Damit „verfügen Hochschulstandorte deutschlandweit über eine hervorragende Ausrüstung und Infrastruktur“, betonte er. „Diese kann und muss intensiv genutzt werden.“ Er plädierte dafür, die Forlabs künftig auch stärker für ausgegründete Hightech-Unternehmen zu öffnen, damit die zum Beispiel Reinräume anmieten können.

Mikolajick sieht dank der Vernetzung durch die FMD und den Forlab-Verbund auch bessere Chancen: Dadurch sei ein beachtlicher ,Innovationstrichter' entstanden. Gemeint ist die sehr breite Vorlaufforschung in den Forlabs, die später zu einer Auswahl an Pilotlinen in den FMD-Instituten getrichtert wird.

Das CNT arbeitet an neuen nanoelektronischen Frontend-Technologien (Bild: Paul-Ressl für das FhG-IPMS)Das CNT arbeitet an neuen nanoelektronischen Frontend-Technologien (Bild: Paul-Ressl für das FhG-IPMS)

Die angeschlossenen Forlabs beschäftigen sich unter anderem an zweidimensionalen Materialien, Memristoren, Spintronik, gehirnähnlichen Computern, neuen Sensoren, Photonik, besserer Leistungselektronik und Höchstfrequenzelektronik. Das ,Forschungslabor Mikroelektronik Dresden für rekonfigurierbare Elektronik' (DCST) zum Beispiel experimentiert mit Chips, die sich selbst auf der Hardwareebene auf neue Aufgaben umprogrammieren können. Die Fördergelder hatten den Dresdnern geholfen, eine kleine komplette Chipfertigungskette bis hin zur Endmontage aufzubauen, mit der sie unter anderem an Titan-Nanodraht-Transistoren arbeiten. Zu den Anschaffungen gehörte eine besonders leistungsfähige Atomlagenabscheidungs-Anlage (ALD).

Ein weiteres Beispiel aus Sachsen: Das ,ForLab Mat4μ' an der Bergakademie Freiberg sucht nach neuen Materialien und Test-Bauelementen für die Leistungselektronik, aber auch an Nanodiamanten für Quantencomputer.

Lücke zwischen Forschung und Vermarktung

Prof. Karl LeoProf. Karl LeoTrotz all dieser neugeschaffenen Strukturen und Netzwerke klaffen in Sachsen und ganz Deutschland immer noch Lücken zwischen der eigentlich starken naturwissenschaftlich-technischen Forschungslandschaft und einer breiten kommerziellen Vermarktung der dort gewonnen Erkenntnisse. Als Vorbild gelten dafür seit Jahr und Tag die USA und dort insbesondere das Silicon Valley, in dem sich kalifornische Spitzenuniversitäten und Hightech-Schmieden gegenseitig befruchten – und dabei in gewissen Abständen immer neue disruptive Produkte generieren.

„Deutschland braucht mehr Pilotlinien“, fordert deshalb beispielsweise Harald Gossner. Er ist einer der deutschen Chefingenieure im Halbleiterkonzern Intel, der sich gerade anschickt, in Magdeburg zwei große Chipfabriken zu bauen. Er konkretisiert: „Was wir hier brauchen, ist ein Zwischenschritt, in dem sich austesten lässt, ob ein neuer Ansatz marktfähig und integrierbar ist.“

Da gerade in der Mikroelektronik die Startausrüstungen teuer seien, wären dafür allerdings erhebliche Investitionen nötig, die kaum ein Standort allein stemmen könne. „Das müssen landesweite Lösungen sein.“

Die involvierten Fraunhofer-Institute bemühen sich derweil in Dresden, ihre bereits installierte Halbleiter-Entwicklungstechnik zu komplexen, praxisnahen Pilotlinien zusammenzuführen. Die Betonung liegt dabei auf praxisnah, denn es handelt sich um Anlagen, wie sie so ähnlich auch in Spitzen-Halbleiterfabs stehen, die also beispielsweise Wafer mit 300 mm Durchmesser prozessieren können. Konkret wollen der Freistaat und die Fraunhofer-Gesellschaft die bisher räumlich getrennten Frontend- und Backendforschungen an einem Ort zusammenführen. Geplant ist, in der ehemaligen Plastic Logic-Elektronikpapierfabrik im Dresdner Norden ein neues ‚Center for Advanced CMOS & Heterointegration Technologies Saxony' einzurichten. Beteiligt sind daran die Fraunhofer-Institute IPMS und IZM über ihre Tochterzentren: Das ‚Center Nanoelectronic Technologies' (CNT) ist auf Frontend-Prozesse spezialisiert, das ‚All Silicon System Integration Dresden' (Assid) auf das Backend und die 3D-Integration. Insofern würden beide Zentren ihre bisherigen Entwicklungspfade künftig in einem 4000 Quadratmeter großen Reinraum weiterverfolgen. Zusätzlich sollen sie sich stärker als bisher auf Chiplets und andere heterogene Kombinationen aus verschiedenen Schaltkreisen, Sensoren und andere Komponenten in einem Chip konzentrieren.

Additives Schaltkreis-Packaging im Fokus

Unabhängig von diesem neuen Mikroelektronik-Forschungskomplex verfolgt die Fraunhofer-Gesellschaft in Sachsen auch Backend-Prozessentwicklungen an anderen Standorten. Ein Beispiel dafür ist das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme (ENAS). Das hat am Standort Chemnitz kürzlich ein neues Reinraum-Labor für additive Schaltkreis-Montage eingerichtet. Die Ingenieure kombinieren dort verschiedene 3D-Drucktechnologien, mit denen sich sowohl die Elektronik selbst wie auch Leiterbahnen, Gehäuse sowie andere Aufbau- und Verbindungstechnik additiv herstellen lassen. Ihr Ziel: Deutsche Hightech-Entwickler sollen ihre Elektronik-Prototypen künftig ohne Umweg in die großen Backend-Fabriken in Asien künftig selbst endmontieren können.

Ein Damm- und Füll-Dosierer erzeugt im Enas-Reinraum eine Hülle für ein elektronisches Bauteil. Neben solchen Dispens-Anlagen hat Fraunhofer in Chemnitz eine Vielzahl moderner additiver Verfahren kombiniertEin Damm- und Füll-Dosierer erzeugt im Enas-Reinraum eine Hülle für ein elektronisches Bauteil. Neben solchen Dispens-Anlagen hat Fraunhofer in Chemnitz eine Vielzahl moderner additiver Verfahren kombiniert

„Aktuelle Entwicklungen, wie die Miniaturisierung, die 3D-Integration und die Integration verschiedener funktionaler Bausteine in einem so genannten ,System in Package', bedingen neuartige Materialien und damit neue Technologien“, erklärte Forscher Frank Roscher, warum das Institut solch ein Reinraumlabor aufgebaut hat.

Im ForLab DSCT der TU Dresden werden Anlagen für die interdisziplinäre Erforschung von Schaltungen aus Nanodrähten aufgebaut (Bild: TU Dresden/IHM)Im ForLab DSCT der TU Dresden werden Anlagen für die interdisziplinäre Erforschung von Schaltungen aus Nanodrähten aufgebaut (Bild: TU Dresden/IHM)Das neue ENAS-Reinraumlabor kombiniert mehrere solche Ansätze. Dazu gehören beispielsweise Nanopartikel-Tintendrucker, Lotpasten-Verteiler, spezielle Spritzgießmaschinen, eine Cluster-Anlage für 3D-konforme Materialabscheidung, Siebdruck- und Dispensanlagen, Montageroboter sowie Roboter mit Druckköpfen und andere Geräte. Diese Geräte und Verfahren ermöglichen die Verwendung von Nanopartikeltinten, Chemikalien, sensorischen Materialien wie CNT-Pasten aber auch Lotpasten, elektrisch leitfähigen und isolierenden Materialien auch in Kombination miteinander. Als ein Beispiel, was dadurch möglich ist, haben die Fraunhofer-Ingenieure per Spritzguss eine Gestriebekappe erzeugt, in die sie eine elektrische Schaltung mit Magnetfeldsensoren gleich integriert haben, um Platz für andere Elektronik zu sparen.

Apropos 3D-Druck: Während sich andere auf additive Fertigung mit besonders hochwertigen Materialien wie Titan und Keramiken konzentrieren, möchten Prof. Henning Zeidler und sein Team an der Bergakademie Freiberg biogene Abfälle in industriellen 3D-Druckern verarbeiten. Anders formuliert: Sie wollen die additiven Anlagen mit Stroh, Schalen, Spelzen, Papier, Pfirsichkernen oder Haselnussschalen füttern und daraus Bühnenbilder oder anderes mehr drucken. Eigens für solche Ansätze, die auf neue Wege des Recyclings per 3D-Druck zielen, finanziert der sächsische Regionalminister Thomas Schmidt ein neues Reallabor ‚Sustainable Additive Manufacturing in Saxony' (Samsax – auf Deutsch: Nachhaltige additive Fertigung in Sachsen) in Freiberg.

Siltronic und FMC: Millioneninvestitionen für Waferproduktion

Apropos Freiberg: Neben 3D-Druck und Ressourcentechnologien vom Bergbau bis zum Recycling ist ein ganz wichtiges Standbein dieses Forschungs- und Wirtschaftsstandortes schon seit DDR-Zeiten die Produktion von Wafern aus Silizium wie auch aus Verbindungshalbleitern. Zu den Vorzeigeunternehmen in diesem Sektor gehören insbesondere Siltronic, das mit seinen Silizium-Wafern Branchenriesen wie Samsung, Intel und Bosch beliefert, wie auch die Freiberger Compound Materials (FCM), die sich unter anderem auf Galliumarsenid und Galliumnitrid als Wafer-Material spezialisiert hat. Beide Unternehmen haben nun neue Investitionen in Freiberg angekündigt: Siltronic will einen „dreistelligen Millionenbetrag“ in eine neue Kristallziehhalle und weitere Ausbauschritte stecken. FCM wiederum plant, bis Ende 2023 rund 60 Mio. € am Standort zu investieren. Das Unternehmen will unter anderem Anfang 2023 seine ersten Indiumphosphid-Wafer produzieren. Die später darauf gefertigte Elektronik ist vor allem für die Photonik und speziell für Glasfasersysteme gedacht.

Photonische Innovationen hat auch die jüngste Ausgründung des Instituts für angewandte Physik der TU Dresden ermöglicht: Im Start-up ‚Phosphorescent Response Under UV Excitation' (Pruuve) wollen drei Physiker neuartige wiederbeschreibbare Leuchtfolien herstellen und verkaufen. Durch individuell designte organische Schichten in einer Kunststoffhülle können sie besonders exakt UV-Dosen in industriellen Verfahren anzeigen. „Unsere UV-Sensor-Folien ermöglichen erstmals eine genaue Messung der UV-Dosis direkt auf der Oberfläche und während des Herstellungsprozesses“, betont Dr. Paul-Anton Will, Mitgründer und Produktentwickler bei Pruuve. „Wir bieten damit eine zuverlässige und schnelle Erfolgskontrolle bei der UV-Härtung und UV-Desinfektion. Die Unternehmen können so unnötige Wartezeiten vermeiden, ihre Energiekosten senken und auch den Materialverschleiß verringern.“

Die Gründer sehen noch große Perspektiven für ihre Folien. Die lassen sich nämlich nicht nur als eine Art UV-Dosimeter einsetzen, sondern können mit Maskenunterstützung und Infrarot-Licht immer wieder neu beschrieben und gelöscht werden. Insofern lassen sich damit künftig auch wiederverwendbare Etiketten und Sicherheitssiegel herstellen, die nur für ausgewählte Unternehmen in der langen Wertschöpfungskette eines Produktes selektiv sichtbar werden.

Smartphone durch Körperwärme aufladen

Das Institut für angewandte Physik, das in der Vergangenheit bereits Novaled, Heliatek und zahlreiche andere Ausgründungen in der organischen Elektronik hervorgebracht hat, forscht derweil an einem neuen Projekt, das womöglich eine besonders ambitionierte Ausgründung hervorbringen könnte: Der Dresdner Organikelektronik-Papst Prof. Karl Leo und sein Partner Dr. Shu-Jen Wang arbeiten derzeit an organischen Energieernten (Energy Harvesting), die in Zukunft Smartphones, Smartwatches und andere mobile Geräte allein durch Körperwärme wiederaufladen sollen. Die Wissenschaftler verändern dafür Dünnschichtkristalle aus dem roten organischen Farbstoff Rubren über eine Modulationsdotierung. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Modulationsdotierung in Verbindung mit hochbeweglichen kristallinen organischen Halbleiterfilmen eine neuartige Strategie zur Erzielung leistungsstarker organischer Thermoelektrika darstellt“, betonte Dr. Wang. Weil die so erzeugen thermoelektrischen Wandler flexibel sind und dennoch vergleichsweise effizient Strom aus Körperwärme erzeugen, sieht Prof. Leo großes Potenzial in diesem Ansatz: „Unsere Arbeit ebnet neue Wege zu flexiblen thermoelektrischen Bauelementen, die es ermöglichen, auf elegante und effiziente Weise direkt elektrische Energie aus Wärme zu erzeugen.“

Künstliche Haare: Roboter erahnen nahende Berührungen

Kaum weniger ambitioniert ist eine neue Roboterhaut der TU Chemnitz: Die nämlich fühlt nahende Berührungen durch künstliche Haare, die menschlichen Körperhaaren nachempfunden sind. Das erleichert zum Beispiel kollaboratives Arbeiten von Roboter und Mensch in der Industrie. Diese kleinen Sensorhaare in der Roboterhaut können sogar detektieren, aus welcher Richtung eine menschliche Berührung naht. Damit komme die elektronische Haut der realen Berührungsempfindlichkeit organischer Haut einen großen Schritt näher, heißt es in einer Mitteilung der TU Chemnitz, die dieses Projekt gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Festkörperforschung (IFW) Dresden vorangetrieben hat. Hergestellt haben die Wissenschaftler diese kleinen Sensoren mit der sogenannten Mikro-Origami-Technik. Dabei werden zunächst die sensorischen und elektronischen Bauelemente zweidimensional erzeugt und dann das biegsame Trägermaterial wie bei der japanischen Papiertechnik zusammengefaltet. Mit dieser Methode passen viele mikroelektronische Komponenten auf engsten Raum mit Geometrien, die man mit konventionellen Mikrochip-Herstellungsverfahren nicht realisieren kann.

Künstliche elektronische Haut (E-Skin): Hochintegrierte flexible mikroelektronische 3D-Sensorik nimmt Bewegung von Härchen auf künstlicher Haut wahr (Grafik: Forschungsgruppe Prof. Dr. Oliver G. Schmidt)Künstliche elektronische Haut (E-Skin): Hochintegrierte flexible mikroelektronische 3D-Sensorik nimmt Bewegung von Härchen auf künstlicher Haut wahr (Grafik: Forschungsgruppe Prof. Dr. Oliver G. Schmidt)

Die elektronische Haut selbst besteht aus einem biegsamen Polymer-Kunststoff, in den die Forscher Annäherungs-Sensoren und andere elektronische Bauelemente integrieren – ähnlich den Nerven und Sinneszellen einer natürlichen Haut. Ihr neuester Coup sind die künstliche Härchen, an deren Wurzeln sich Magnetfeldsensoren befinden. Diese winzig kleinen Anisotropischen magnetoresistiven Sensoren (AMR) können Veränderungen im Magnetfeld besonders präzise und dreidimensional erfassen. Die Idee dabei: Wenn sich nun die künstlichen Haare auf der Roboterhaut in die eine oder andere Richtung verbiegen, weil zum Beispiel ein Mensch mit seiner Hand gerade dem Roboter eine Schraube oder ein Bauteil herüberreichen will, dann registriert der Sensor diese kleinen Richtungsänderungen, noch bevor die Menschenhand in der nächsten Millisekunde die Roboterhand berührt. Der Roboter kann dann rechtzeitig seine eigenen Bewegungen verlangsamen, stoppen oder Federfunktionen aktivieren, damit der menschliche Kollege keine blauen Flecken von der Stahlhand davonträgt.

Quellen:

Silicon Saxony, oiger.de, TUC, TUD, Fraunhofer Enas, Fraunhofer IPMS, Fraunhofer IIS, IAPP, Bergakademie Freiberg, FMD, Pruuve

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 6
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Heiko Weckbrodt

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