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Mittwoch, 29 Juni 2022 12:00

Wer kämpfen will, muss erst die Kosten zählen [1]

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Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
Abb. 1: Sun Tzu Denkmal in Suzhou, Jiangsu, China Abb. 1: Sun Tzu Denkmal in Suzhou, Jiangsu, China Bild: kanegen by flickr

Wenn entsprechend Clausewitz[2] längst überholter Regel, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei, doch die Waffen sprechen, gibt es zwischen dem politischen Verhalten des Westens und des Ostens Unterschiede: Kurzfristiger, direkter Gewinn scheint auf der einen, langfristige strategische Wirkung scheint auf der anderen Seite wichtiger zu sein. Die Ökonomie des Krieges und der Kräfte hat – lange vor Clausewitz – bereits Sun Tzu herausgearbeitet.

Abb. 2: In den Niederlanden wird ein Halbleiterlithographie-System gefertigtAbb. 2: In den Niederlanden wird ein Halbleiterlithographie-System gefertigtMit dem erwähnten West-Ost-Unterschied ist nicht gemeint, ob man nunausreichend Ziele erreicht zu haben glaubt, wenn Saddam Hussein oder Muammar Gaddafi beseitigt sind oder ob man zunächst Landstriche und Städte – etwa Grosny – vollständig dem Erdboden gleich macht. Es geht gerade im Hinblick auf die Elektronik hier um etwas ganz anderes, wie ein Blick auf Huawei zeigt: Nach restriktiven Handelsmaßnahmen der USA und nachfolgenden Reaktionen Chinas nahm sich die amerikanische Regierung eine der erfolgreichsten Elektronikfirmen vor und verbot US-amerikanischen Firmen mit ihr zu arbeiten, was weitreichende Folgen vor allem im Bauteilbereich hat.

Kurzfristig richtete das Schaden an. Jedoch weit weniger als erhofft, denn vorsorglich hat sich Huawei mit kritischen Prozessoren eingedeckt – wie erfolgreich, ist derzeit nicht abzuschätzen. Doch generell sind derartige Verbote kontraproduktiv, denn sie zwingen den Gegner ‚nach wirksamen Gegenmaßnahmen' zu forschen – hier zeigt das Studium des Sun Tzu Erhellendes.

Enorme Investitionen stehen an, die sowohl von der jetzt bedrängten Industrie als auch von den jeweiligen Regierungen aufgebracht werden. Zu erwähnen ist etwa die Strategie ‚Made in China 2025', um die notwendige Ausrüstung herzustellen, mit der 5-nm-Chips von gleichwertiger oder sogar besserer Qualität als die aus Taiwan und Südkorea im eigenen Land gefertigt werden können. Und die USA gehen ähnlich vor, indem sie wegen nationaler Sicherheitsinteressen – und eindeutig von militärischen Interessen mitgetragenen – gigantische Investitionssummen in diese Industrie pumpen.

Aber 5-nm ist ja nur ein derzeitiger Standard und die IT Experten aus China und anderen ASEAN Ländern wissen genau, dass es in Richtung 3-nm geht. Jedoch verhindern Eigenschaften der Quantenphysik bei den gegenwärtigen Materialien den direkten Schritt zu 3-nm-Chips. Die nächsten Durchbrüche gehen deswegen möglicherweise von anderen Halbleitermaterialien und -techniken aus. In dieser Hinsicht befindet sich China praktisch auf dem gleichen Forschungsniveau wie Taiwan, Südkorea und Japan.

Die von den USA wohl sehnlich gewünschteWissenslücke –oder ein Kommunikationsproblem – zwischen chinesischen und taiwanesischen Ingenieuren existiert zum Beispiel nicht, denn sie ist weitgehend eine Geld- und Gehaltsfrage. So sind in den fraglichen Monaten etwa zwei- bis dreitausend Experten aufs Festland gezogen, weil dort weit mehr bezahlt wird, was ungefähr zehn Prozent der einschlägigen taiwanesischen IT-Angestellten ausmacht.

Abb. 3: Die Yinqueshan Han Streifen (1972 bei Ausgrabungen gefunden) enthalten auch Teile von Sun Tzus Kunst des Krieges, im Shandong Museum zu findenAbb. 3: Die Yinqueshan Han Streifen (1972 bei Ausgrabungen gefunden) enthalten auch Teile von Sun Tzus Kunst des Krieges, im Shandong Museum zu findenAuch hält China ein Augenmerk auf Südkorea – wo einige der besten Tech-Köpfe interessanterweise Russen sind. Vor diesem Hintergrund kann man dann auch die Annäherung an Russland sehen, was sich im Kauf des russischen Gesichtserkennungsunternehmens Vocord durch Huawei im Jahr 2019 widerspiegelt. Schließlich ist Russland nicht nur für die besten Hacker bekannt sondern insgesamt seit vielen Jahren auch führend in Mathematik, Physik und strenger Designarbeit. Was liegt also näher als sich auch dort nach Experten umzusehen?

Damit nähert sich derentscheidende Wechsel von Silizium zu Kohlenstoff an – und hinter vorgehaltener Hand wird geflüstert, die Laborarbeit sei demnächst in die industrielle Produktion überführbar. Kritisch ist dabei, dass auch wegen des Verbots der USA, die Fotolithografie auf ein neues Nicht-Fotolithografieverfahren umzustellen, mit dem kleinere und billigere Chips hergestellt werden können, wobei man ‚billig' noch unterstreichen sollte, sich hier dann die Probleme vor Intel und AMD auftürmen, die zwar auch nicht auf ihren Händen sitzen, aber dann auf dem Weltmarkt gegen diese Produkte konkurrieren müssen. Erinnerungen an Sun Tzu!

Ein weiterer Angriffspunkt, provoziert durch das US-amerikanische Vorgehen, ist die Entwicklung von HuaweisHarmony-Betriebssystem, das zur Zeit sehr vorsichtig eingeführt wird. Nicht wenige IT-Experten schätzen es effizienter ein als Googles Android, auch weil es mit weniger anspruchsvollen Chips läuft. Sowieso kann mit der Erweiterung von 5G der Großteil der Arbeit an Smartphones von Cloud-Servern erledigt werden und 5G ist ja nur eine Übergangstechnik.

Schließlich ist da noch MS Windows, eine der großen Geldmaschinen in den USA. DaHuawei sich auf die Herstellung von Desktop-Computern und digitalen Displays konzentrieren wird, benötigen sie ein von den USA unabhängiges Betriebssystem. Diese Desktops werden mit einem chinesischen Prozessor, dem Kunpeng 920, geliefert und mit einem chinesischen Unified Operating System (UOS) betrieben. UOS ist ein Linux-System, das von Chinas Union Tech entwickelt und von Peking in Auftrag gegeben wurde, um Microsoft Windows zu ersetzen. Diese Desktops werden nicht an die breite Öffentlichkeit verkauft: Sie werden Chinas Provinz- und Nationalverwaltungen ausstatten. Kein schlechter Absatzmarkt.

Man liest viel von der sogenannten ‚Aufholjagd' und das war auch nach dem zweiten Weltkrieg sicherlich der Fall. Damals waren Produkte aus Japan, China, Korea nur minderwertige Kopien westlicher Ware. Aber man hat dort schnell verstanden, dass das große Geld nicht mit billiger Arbeit sondern mit Innovation, Erfindungen und modernsten Techniken und Geräten zu machen ist. Dementsprechend beobachtet man seit einigen Jahren, dass die staatliche und wirtschaftliche Forschung sich auf die Zukunft ausgerichtet hat.

Auf amerikanisch (und auch auf denglisch) spricht man von ‚leap-frogging', einer Strategie mit der die Konkurrenz zu übertreffen ist. Um damit zu reüssieren, muss der Herausforderer über ein exklusives und bahnbrechendes Wissen und eine Technologie verfügen, die allen herkömmlichen Wettbewerbern in jeder Hinsicht überlegen und besser sind, eine Einstellung, die Sun Tzu nahe steht.

Abb. 4: MINT-Kräftemangel in Deutschland Abb. 4: MINT-Kräftemangel in Deutschland

Die Grundlage wird im Erziehungssystem gelegt. So berichtete das Weltwirtschaftsforum, dass in China 2016 4,7 Mio. MINT-Absolventen [Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften, Technik] die Unis verließen (amerikanisch: STEM – Akronym für science, technology, engineering, mathematics). Indien, ein weiteres akademisches Kraftwerk, hatte im vergangenen Jahr 2,6 Mio. neue MINT-Absolventen, während die USA 568 000 ausbildete. Zugegeben, dass nicht alle ein Leibnitz oder Porsche sein werden, aber akzeptiert man die fundamentale Aussage einer Gausschen Verteilung, dann ist das obere Viertel bei 4,7 Mio. nicht nur viel größer sondern auch länger als bei 568 000.

Literatur:

P. Escobar: China deploys Sun Tzu to prevail in the Chip War, asiatimes; 29.09.2020
R. Zhong: In U. S.-China Tech Feud, Taiwan Feels Heat From Both Sides, Ney York Times, 01.10.2020
G. Leopold: Foundry Boom Highlights Strategic Chip Technology, EETimes, 10.01.2020
C. Lee: Thousands of Taiwanese chip experts moved to China for better pay: Reports, ZDNet, 5.12. 2019
K. Ihara: Taiwan loses 3,000 chip engineers to ‚Made in China 2025', Nikkei 3.12.2019
Shu-ren Koo: Russian Brainpower, CommonWealth Magazine (vol. 426); 2009-07-16
https://www.focus.de/politik/deutschland/merkels-handy-abgehoert-der-grosse-betrug-die-usa-verspielen-das-vertrauen-deutschlands_aid_1139006.html
https://orf.at/v2/stories/2203562/
https://www.mbaskool.com/business-concepts/marketing-and-strategy-terms/6895-bypass-attack-leap-frog.html
N. McCarthy: The Countries With The Most STEM Graduate, Forbes, 02.02.2017
MINT-Berufe: Wo sind die Informatiker?, Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft, MINT-Herbstreport 20.11.2019
Chandler: Intel wins second Pentagon deal, Taipei Times (Reuters) – 05.10.2020

Referenzen:

[1] Sun Tzu (um 544–496 v. Chr.) historisch nicht wirklich fassbar – chinesischer General, Militärstratege und Philosoph, bekanntestes Werk: Die Kunst des Krieges
[2] Siehe auch ,Anders Gesehen' PLUS 1/2022, S.92 ff

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  • Ausgabe: 6
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Prof. Rahn

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