Eugen G. Leuze Verlag KG
×
 x 

Warenkorb leer.
Warenkorb - Warenkorb leer.
Dienstag, 19 Juli 2022 12:00

Auf den Punkt gebracht: Treibt uns der Bedarf für Lithium, Kobalt oder seltene Erden in neue Abhängigkeiten?

von
Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten
Abb. 1: Lithium Ionen Batterie System mit Hochvolt Verbindungskabeln für PKW Abb. 1: Lithium Ionen Batterie System mit Hochvolt Verbindungskabeln für PKW xiaoliangge - stock.adobe.com

Ab 2035 werden 96 % aller Neuzulassungen in Deutschland einen batterieelektrischen Antrieb haben, prognostiziert eine Boston Consulting-Studie (Abb. 1). Plug-in-Hybride werden als Brücken-Technologie daran zwischen 2021 und 2030 noch etwa 15 % Anteil haben, um dann vom Neufahrzeug-Markt zu verschwinden. Das deckt sich mit den Plänen auch der EU, die Mitte Juni diesen Jahres ein ,Aus' für Verbrenner ab 2035 beschlossen hat.

Aber das Gefühl beschleicht uns, dass alles ein wenig nach den Kindern von Bullerbü oder dem sprichwörtlichen Ponyhof aussieht: Alles nur ein bunter Traum naiver Politiker, die nicht verstehen wollen, dass die Geopolitik und damit die globale Rohstoffversorgung nicht nach ihren Wünschen läuft, sondern anderen Gesetzen folgt?

Die EU-Entscheidung wurde von einigen Automobilherstellern ja bereits vorweggenommen, wird von anderen aber auch deutlich kritisiert [1]. Interessant in diesem Zusammenhang auch: Japanische Autokonzerne halten sich klarer technologieoffen. Hersteller wie Toyota, Nissan und Honda geben sich bezüglich dem Phase Out von Verbrennungsmotoren wesentlich differenzierter als die großen deutschen Autobauer.

Einerseits sieht man einen Bedarf an Hybrid-Fahrzeugen und Pkw mit Verbrennungsmotoren in Drittwelt-Ländern, außerhalb der Ballungsgebiete in Europa, USA und China, noch weit über 2035 hinaus. Andererseits arbeitet man an BEV-Kleinwagen zu attraktiven Preisen, die auch ohne Förderung breiten Bevölkerungsschichten zugänglich sind. Auch stellen japanische Automobilhersteller viele Fragen zu 100 % batterieelektrischen Fahrzeugen deutlicher: Ist es ,Morgen' noch politisch korrekt, Batterien aus China zu beziehen? Wo kommen die Rohstoffe für die Batterien her? Und auch die Verknüpfung der finanziellen Nachhaltigkeit der Firmen mit der ökologischen Nachhaltigkeit gehört zum umfassenden japanischen Denken.

Mit Schwung in eine neue Rohstoff-Falle?

Wir versuchen uns gerade mit viel Mühe und sehr großem Risiko für die Wirtschaft – und damit für die Arbeitsplätze und den Wohlstand – aus der selbstverursachten Gas- und Öl-Abhängigkeit von Russland zu befreien.

Abb. 2: Neuzulassungen in Deutschland 2021–2035 nach Antriebstyp in Prozent (Grafik: Friedrichkeit; Daten: BCG)Abb. 2: Neuzulassungen in Deutschland 2021–2035 nach Antriebstyp in Prozent (Grafik: Friedrichkeit; Daten: BCG)

Wenn wir dies ohne massiven Wirtschaftseinbruch schaffen, werden sich schon bald Fragen stellen hinsichtlich der Verfügbarkeit von seltenen Erden, Lithium, Kobalt, Nickel und anderen Rohstoffen, die für den permanent steigenden Anteil an Elektronik benötigt werden (Abb. 2). Anders gefragt: Begeben wir uns in eine neue Abhängigkeit?

Abb. 3: Elektronik-Anteil bei Pkw steigt  deutlich weiter an (hier in Prozent)Abb. 3: Elektronik-Anteil bei Pkw steigt deutlich weiter an (hier in Prozent)Lithium (Karbonat) kostete am 1. Januar 2021 6700 $/t, bis Juni 2022 erhöhte sich der Preis um satte 935 % auf 70 000 $/t. Chile, Australien, Argentinien und China verfügen über die größten Vorkommen.

Ähnlich ist es bei Kobalt. 2021 kamen 120 000 t des weltweit auf den Rohstoffmärkten angebotenen Kobalts [2] aus dem Kongo (teils unter fragwürdigen Bedingungen geschürft) [3], gefolgt von 7 600 t aus Russland und 5 600 t aus Australien. Der Preis ist von 30 000 $/t im Januar 2019 auf derzeit über 80 000 $/t gestiegen.

Bisher sind diese Rohstoff-Abhängigkeiten noch nicht sonderlich aufgefallen. Die Lithium-Bedarf für 10 000 Smartphones entspricht etwa einer Autobatterie mit einer Reichweite von 600 km (Abb. 1). Mit dem Hochlaufen der Elektromobilität bekommt die Rohstoff-Versorgung aber eine andere Dimension.

Effizienzfaktoren für batterieelektrische Pkw

Um einen modernen batterieelektrischen Pkw mit einem Verbrauch von < 10 KWh/100 km zu bauen, bedarf es einer Vielzahl von Faktoren (Abb. 3). Eine aerodynamische Karosserie mit einem Luftwiderstandsbeiwert CW von ca. 0,17 ist entscheidend. Ebenso hilfreich sind digitale Außenspiegel auf Basis von Kamerasystemen, die sowieso für Komfort- und Sicherheitsfunktionen an Bord sind und es gleichzeitig auch ermöglichen, den rückwärtigen Verkehr zu beobachten. Leichtlaufende Reifen bringen Verbrauchseffizienz. Auch der Wirkungsgrad des E-Antriebsstrangs hat großen Einfluss – en Detail geht es um die Effizienz des Inverters, der Leistungselektronik, der E-Motoreffizienz oder die richtige Auslegung der Rekuperation. Hinzu kommen Energiemanagement durch OBCs und DC/DC Wandler und die Energiedichte der Batterie.

Abb. 4: Die Effizienz-Einflussparameter an batterie-elektrischen Pkw hat Yole Developpement zusammengefasst Abb. 4: Die Effizienz-Einflussparameter an batterie-elektrischen Pkw hat Yole Developpement zusammengefasst

Mercedes hat die in Abbildung 3 von Yole dargestellten Effizienzkriterien in der Vision EQXX in die Praxis umgesetzt. Mit einer Reichweite von mehr als 1000 km mit einer einzigen Batterieladung und einem Energieverbrauch von weniger als 10 kWh/100 km ist dieses Fahrzeug (Abb. 4) eine Blaupause für die Zukunft der Effizienz. Neben dem hochmodernen elektrischen Antriebsstrang, dem weltbesten Luftwiderstandsbeiwert von cw 0,17 und dem bionischen Leichtbau ist der Vision EQXX auch Pionier eines radikal neuen softwaregesteuerten UI/UX-Ansatzes (UI – User Interface, UX – User Experience Design). Die Benutzeroberfläche zeigt, wie Echtzeitgrafiken neue digitale Möglichkeiten eröffnen, indem sie sofort auf die Bedürfnisse des Fahrers reagieren und die reale Welt ins Fahrzeug bringen.

Abb. 5: Auto-Produktion weltweit 2021 (Pkw, Lkw, Bus) nach Land Abb. 5: Auto-Produktion weltweit 2021 (Pkw, Lkw, Bus) nach Land

Auto-Produktion weltweit 2021 (Pkw, Lkw, Bus)

Die weltweite Fahrzeugproduktion betrug 2021 insgesamt 80,1 Mio. Einheiten (Abb. 5). China ist mit einem Welt-Produktionsanteil von 28,0 % Spitzenreiter, gefolgt von Europa mit noch 20,4 %. Platz 3 hält Japan mit 10,6 %, abschließend gefolgt von Süd-Korea mit 4,3 % und Süd Amerika mit 3,4 %.

Auf den Punkt gebracht

  • Nur noch 23 % Pkw-Neuzulassungen mit Verbrennungsmotoren soll es in Deutschland Ende dieses Jahrzehnts geben, dagegen 63 % batterieelektrische Pkw-Neuzulassungen. Der Rest sind Plug-in-Hybride
  • 2030 wird der Elektronik-Anteil 45 % der Fahrzeugkosten ausmachen – so eine Studie von Deloitte
  • Der weltweite Fahrzeugmarkt, Pkw, Lkw und Busse wird zu 29 % von China abgedeckt, zu 21 % von Europa, von 19 % von den USA und zu 11 % von Japan

Abb. 6: Die Zukunft der Effizienz – der Mercedes Vision EQXX (Quelle: Mercedes)Abb. 6: Die Zukunft der Effizienz – der Mercedes Vision EQXX (Quelle: Mercedes)Sägen wir uns den Ast ab, auf dem wir sitzen, in dem wir unsere technologisch anspruchsvollen Benzin- und Dieselmotore kampflos auf den Schrottplatz der Geschichte fahren und nicht einmal die Nische für E-Fuels lassen? Die Länder mit der höchsten CO2 Emmission weltweit, China (30 %) und die USA (14 %) haben es nicht so eilig mit dem Verbot von Verbrennern. Nach einer PwC Studie soll der Anteil bei Neufahrzeugen in Gesamt-Europa 17 % betragen, in China 35 % und in den USA satte 75 %. Überrascht? Die weitere Technologie-Offenheit japanischer Automobilkonzerne wie Toyota, Nissan oder Honda scheint hier ausgewogener zu sein als vollmundige Ankündigungen vieler unserer Politiker ohne globalen Realitätsbezug.

Ich hoffe, dass wir nicht den Niedergang unserer einzigen Industrie von Weltgeltung mitansehen müssen.

Ich wünsche Ihnen eine erholsame Urlaubs- und Sommerzeit

Ihr
Hans-Joachim Friedrichkeit

Kontakt

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Anmerkungen/Referenzen:

[1] www.sparneuwagen.de/news/pro-verbrenner-aus-vw-undmercedes-begruessen-plan-des-eu-parlaments/
[2] siehe https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38452/umfrage/produktion-von-cobalt-in-ausgewaehlten-laendern/
[3] www.wiwo.de/unternehmen/auto/kobalt-und-die-kinderarbeit-der-hype-um-kobalt-koennte-schon-bald-vorbei-sein/27585126.html

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 7
  • Jahr: 2022
  • Autoren: H. J. Friedrichkeit

Onlineartikel Suche

Volltext

Autoren

Ausgabe

Jahr

Kategorie

Newsletter

Auf dem Laufenden bleiben? Jetzt unsere Newsletter auswählen und alle 14 Tage die neuesten Nachrichten in Ihrem E-Mail Postfach erhalten:

Der Leuze Verlag ist die Quelle für fundierte Fachinformationen.
Geschrieben von Fachleuten für Fachleute. Fachzeitschriften und Fachbücher
rund um Galvano- und Oberflächentechnik sowie Aufbau- und Verbindungstechnik in der Elektronik –
seit 120 Jahren professionelle Informationen und Fachwissen aus erster Hand.

UNTERNEHMEN

ZAHLARTEN

Paypal Alternative2Invoice
MaestroMastercard Alternate
American ExpressVisa

Zahlarten z.T. in Vorbereitung.

KONTAKT

Eugen G. Leuze Verlag
GmbH & Co. KG
Karlstraße 4
88348 Bad Saulgau

Tel.: 07581 4801-0
Fax: 07581 4801-10

E-Mail: [email protected] oder
E-Mail: [email protected]