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Donnerstag, 15 September 2022 12:00

‚Grüne Elektronik‘ als Hauptziel

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Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
‚Grüne Elektronik‘ als Hauptziel Bild: Destina - stock.adobe.com

 

IPC will zukünftig mehr Umweltaspekte im Design verankern

Jahrelang hat der US-amerikanische Branchenverband IPC die Umweltproblematik in Design und Fertigung von Leiterplatten, Baugruppen sowie Geräten auf Sparflamme gehalten. Jetzt scheint er ihr deutlich mehr Bedeutung beizumessen. Ziel ist die Realisierung einer effektiven Kreislaufwirtschaft.

Mit der Erarbeitung von IPC-1402, deren Arbeitsentwurf im Juni 2022 zur breiten Diskussion freigegeben wurde, strebt der Verband erstmals an, neben bleifreien Loten in einem neuen Standard die Umweltproblematik beim Einsatz von Reinigungschemikalien konzentriert in den Vordergrund zu stellen. Die Richtlinie mit dem Titel ‚IPC-1402: Standard for Green Cleaners Used in Electronics Manufacturing' soll als Ergebnis internationaler Arbeit bis Ende des Jahres fertig sein.

Mehr Ecodesign wagen

Im August dieses Jahres verkündete der IPC, dass er sich auch der wachsenden Rolle des Ecodesign im Design von Elektronik stärker zuwenden will, nämlich bei der Überarbeitung von IPC-2231 ‚Design for Excellence' (DFX) im Rahmen der laufenden B-Revision. Dieses erstmals 2019 herausgegebene IPC-Richtliniendokument bietet einen Rahmen zur Einrichtung eines Design-Überprüfungsprozesses für das Layout von Leiterplattenbaugruppen. Dabei werden wichtige Fertigungsattribute von Leiterplatten überprüft: Design for Manufacturing der Boards und der Baugruppen, testgerechtes Design, Kostenaspekte, Zuverlässigkeit, Umwelt und Wiederverwendbarkeit (Reusability). Das Management des IPC erklärte in der Mitteilung, dass es sich bewusst sei, dass die Elektronikhersteller bereits in nächster Zeit weltweit mit wachsenden Umweltforderungen seitens der Regulierungsbehörden konfrontiert sein werden und darauf reagieren müssen.

IFA 2022 als Umwelttreiber und Mobilisator?

Die Erklärung des IPC kommt zu einer Zeit, wo auch die weltweit größte Messe ihrer Art, die IFA 2022 im September in Berlin nachhaltige Elektronik und Haushaltstechnik mit einem geringeren CO2-Fußabdruck auffällig in den Vordergrund stellt. Vom 2. bis 6. September präsentieren Forschungsinstitute, Start-ups, Verbände sowie Experten aus Industrie und Wissenschaft im Rahmen der Innovations-Plattform IFA NEXT in Halle 20 des Berliner Messegeländes innovative Lösungen, um die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Elektronikindustrie voranzutreiben. Eine tragende Rolle spielen dabei beispielsweise eine ressourcenschonende und CO2-neutrale Produktion, Reparierbarkeit und Recycling (Abb. 1). Aufschlussreich wird auch sein, was die großen internationalen Elektronikkonzerne wie Philips, Sony, Samsung Electronics usw. zu diesem Thema während der IFA zu sagen haben, beispielsweise zu einer ‚Circular Economy'. Die PLUS wird darüber berichten, ob und in welchem Ausmaß eine Aufbruchstimmung neuer Qualität zu verzeichnen ist.

Abb. 1: Eine Kreislaufwirtschaft ist in der PCB-Industrie noch lange nicht umgesetztAbb. 1: Eine Kreislaufwirtschaft ist in der PCB-Industrie noch lange nicht umgesetzt

Umweltproblematik in IPC-2231A und Hilfsdokumenten bisher spärlich

Nach dem erstmaligen Erscheinen von IPC-2231 im April 2019 folgte im August 2021 die revisionierte IPC-2231A. Das 1-14 DFX Committee des IPC prüft IPC-2231A gegenwärtig aktiv, um es innerhalb der nächsten zwei Jahre zu überarbeiten und als B-Version herauszugeben. Das ist eine sehr lange Zeit, legt man die Dringlichkeit eines entscheidenden Richtungswechsels in der Elektronikindustrie mit dem Ziel einer umweltgerechten Kreislaufwirtsachaft zugrunde.

Gemäß dem IPC als auch des Normungsausschusses hat die Überarbeitung des DFX-Richtliniendokuments erste Priorität. Das Team geht davon aus, dass es möglicherweise in der Lage sein wird, die IPC-Ökodesign-Aktivitäten so auszuweiten, dass die Erstellung einer neuen Ökodesign-Richtlinie für Elektronik möglich wird, die eine ganzheitliche Betrachtung des Entstehungsprozesses von Elektronik unter Einbindung von Zirkularitätskonzepten als Basis hat und also jeden technologischen Teilschritt vom Rohstoff bis zum Recycling bzw. zum Reuse berührt.

Die Größe der Aufgabe, vor welcher der IPC steht, wird deutlich, wenn man sich die jetzt gültige IPC-2231A genauer anschaut [1]. Das Dokument hat 48 Seiten und gliedert sich in 14 Kapitel (in Klammern die aufgerundeten Seitenzahlen):

  1. Übersicht (1)
  2. Angewandte Dokumente (2)
  3. Begriffe und Definitionen (1)
  4. Übersicht über Design für Exzellenz-Praktiken (DFX) (3)
  5. Designprozess für Leiterplattenbestückung (5)
  6. Board-Fertigungsprozess (4)
  7. Bestückungsprozess (7)
  8. Testbarkeit (DFT) (4)
  9. Kosten (2)
  10. Design für Zuverlässigkeit (3)
  11. Umweltgerechtes Design (1)
  12. Design für Wiederverwendbarkeit (Reuse) (1)
  13. Checklistenvergleiche (17)
  14. Abkürzungen (1)

plus 2022 09 0088Abb. 2: Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft soll den Druck auf die natürlichen Ressourcen verringern Mit den beiden Themen ‚Umweltgerechtes Design' und ‚Design for Reuse' befassen sich demnach lediglich zwei Seiten des Dokumentes. Eine grundsätzlich neue Ecodesign-Richtlinie, die den Kreislaufaspekt beinhaltet, müsste sich aber grundlegend mit den Problemkreisen 4R (Reduce, Repair, Reuse, Recycle) auseinandersetzen. Man erkennt hieraus, dass selbst eine revisionierte Ausgabe IPC-2231B, die wie angekündigt erst in zwei Jahren erscheinen soll, dem Anspruch einer Ökodesign-Richtlinie kaum entsprechen kann und auch ziemlich spät kommt. Fazit: Der IPC wird nicht umhin können, für das Ökodesign eine völlig neue und anspruchsvolle Richtlinie zu entwickeln. Dennoch muss gesagt werden, dass die Arbeiten des Branchenverbandes konform zum neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (CEAP) wären, den die Europäische Kommission im März 2020 angenommen hat. Er ist einer der wichtigsten Bausteine des europäischen Grünen Deals (Abb. 2) und eine wesentliche Voraussetzung, um das Klimaziel der EU bis 2050 zu erreichen [2].

Dass für den IPC umweltgerechtes Design in den vergangenen Jahren keine bedeutende Rolle spielte, zeigt sich auch in der ‚IPC Checklikst for Producing Rigid Printed Board Assemblies', die unter [3] eingesehen bzw. heruntergeladen werden kann. Lars Wallin hat diese umfangreiche und detaillierte methodische 28-seitige Checkliste 2016 als Teammitglied des IPC mit erarbeitet, um Designern und Produzenten von Leiterplatten Hilfe beim Einsatz von IPC-Standards im Entwicklungs- und Produktionsprozess zu geben. Ein Grund dafür: In der gesamten Entstehungskette einer fertigen starren Leiterplatte sind viele Parameter zu berücksichtigen, die sich auf die einzelnen Fertigungsschritte beziehen und in unterschiedlichen IPC-Standards enthalten sind. Der DFX-Standard IPC-2231 ist in den Checklisten von 2016 für den Gesamtprozess, angefangen vom Projektstart über den CAD-Prozess, den Board-Order-Prozess, die Fertigung, Reinigung und das Conformal Coating logischerweise noch nicht erwähnt. Umweltgedanken spielen hier somit noch keine explizite Rolle. Das gleiche betrifft den dort enthaltenen IPC Standards Tree. Im separaten ‚IPC Standards Tree 2021' ist IPC-2231 mit seinem geringen Umweltanteil dagegen bereits enthalten.

Trotzdem ist diese Checkliste mit ihren symbolischen Abbildungen der Produktionsabläufe von Boards und Baugruppen und den detailliert zugeordneten IPC-Standards ein sehr nützliches als auch anschauliches Arbeitsmittel für alle diejenigen, die sich mit dem Einsatz des komplexen Richtlinienwerkes des IPC befassen oder sich weiter qualifizieren wollen.

Breite Hilfe aus Forschung und Industrie notwendig

Der IPC ließ in seiner Mitteilung vom August erkennen, dass er sich der Größe der Aufgabe der Entwicklung eines ausführlichen Ecodesign-Standards unter Kreislaufwirtschaft-Aspekten wohl bewusst ist. „Wir glauben, dass dies eine hervorragende Gelegenheit ist, einen wirklichen Schritt in Richtung Ökodesign für zirkuläre Elektronik zu machen – aber alles beginnt mit dem IPC-2231 DFX-Richtliniendokument“, sagte Patrick Crawford, IPC-Manager für Designstandards und verwandte Industrieprogramme, gleichzeitig Verbindungsperson des IPC Staff zum 1-14 DFX-Ausschuss. „Obwohl der IPC fest entschlossen ist, Unternehmen der Elektronikfertigung dabei zu helfen, selbst umweltfreundlicher zu werden, sind Organisationen wie der IPC darauf angewiesen, dass Industrie und Institute maßgebliche Unterstützung leisten durch intensive Mitarbeit in den Normengremien und Bereitstellung von Beiträgen zur Entwicklung der notwendigen Standards. Nur gemeinsam lassen sich die nötigen und sinnvollen Veränderungen herbeiführen.“

Experten für umweltfreundliche PCB-Designtechniken, Materialien, Fertigungstechnologien, für Beschaffung, Richtlinien- und Vorschriftenerarbeitung sind eingeladen, den nächsten Standard für umweltfreundliches Design zu entwickeln. Der IPC bittet alle, die Fachwissen oder Leidenschaft für die Gestaltung einer grünen Zukunft haben, von der sowohl die Industrie als auch die Umwelt profitieren, und die zur Etablierung einer Best-Practice-Designmethodik beitragen möchten, Kontakt mit Patrick Crawford aufzunehmen [4].

Referenzen

[1] www.ipc.org/TOC/IPC-2231A_TOC.pdf
[2] https://environment.ec.europa.eu/strategy/circular-economy-action-plan_en
[3] www.ipc.org/ipc-standards-related-resources
[4] Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 9
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Dr.-Ing. Hartmut Poschmann

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