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Freitag, 16 September 2022 12:00

Auf den Punkt gebracht: Das Herz der Elektromobilität schlägt in China

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Abb. 2: Bei Volkswagen Components in Braunschweig werden die Batteriesysteme für ID.3 und ID.4 hochautomatisiert montiert Abb. 2: Bei Volkswagen Components in Braunschweig werden die Batteriesysteme für ID.3 und ID.4 hochautomatisiert montiert Bild: Volkswagen

Es gibt keine erneuerbaren Energien, Batterietechnik oder Robotik ohne Kobalt, Bor, Silizium, Graphit, Magnesium, Lithium, Niob, Seltene Erden und Titan.

Abb. 1: In Produkten/Kathodenmaterial enthaltene Kobaltmengen/-anteile (Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften u. Rohstoffe)Abb. 1: In Produkten/Kathodenmaterial enthaltene Kobaltmengen/-anteile (Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften u. Rohstoffe)Weltweit werden derzeit zwischen 130 000 und 150 000 Tonnen Kobalt pro Jahr gefördert. Davon kommen etwa 80 % aus dem Kongo und 10 % aus Russland. Weithin unbekannt ist, dass das meiste Kobalt-Erz dann nach China transportiert und dort weiterverarbeitet wird. Dabei wird durch thermische Laugung des Erzes mit Schwefelsäure und anschließenden Ausfällungsprozessen die Lösung angereichert. Die Zwischenprodukte Nickel-Kobaltsulfit und -hydroxid werden in einem Raffinerieprozess zu Kobaltmetall und Kobaltchemikalien weiterverarbeitet. Ca. 70 % der vorgenannten weltweiten Fördermenge wird für die Batterieproduktion verbraucht, die Hälfte davon für die Elektromobilität (Abb. 1).

Mit fortschreitender Elektromobilität wird sich bis 2030 der weltweite Kobaltbedarf verdreifachen und der Lithiumbedarf verzehnfachen, wenn nicht durch neue Technologien Kobalt ganz oder teilweise substituiert wird.

Ähnlich sieht die Rohstoff-Abhängigkeit bei Lithium und seltenen Erden aus. Folgt man einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft werden 98 % der seltenen Erden in China gefördert, die in Europa für die Batterieproduktion, für Solar- und Windanlagen erforderlich sind.

China dominiert die Batterieproduktion

Die weltweit installierte Batteriekapazität für Elektrofahrzeuge (BEV) beträgt im 1. Halbjahr 2022 nach einer Analyse der südkoreanischen SNE Research 203,4 GWh (Abb. 3).

  • CATL, der chinesische Weltmarktführer dominierte mit 70,9 GWh den weltweiten Markt, entsprechend einem Anteil von 34,8 %. Im 1. Halbjahr 2021 betrug der Weltmarktanteil noch 28,6 %, entsprechend einem Wachstum von 6,8 %.
  • LG Energy Solutions aus Süd-Korea, die weltweite Nr. 2 verlor Marktanteile von 23,8 % auf jetzt 14,4 %.
  • Die chinesische BYD, Nr. 3, wuchs von 6,8 % im 1. H. 2021 auf jetzt 11,8 %.
  • Auch Panasonic aus Japan, Nr. 4, verlor Marktanteile von 15 % auf 9,6 %.
  • SK On (Nr. 5) erzielte einen Anteil von 6,5 % und Samsung SDI (Nr. 6), beide aus Süd-Korea, einen Anteil von 4,9 %.
  • Die Marktanteile der chinesischen Batteriehersteller CALB (Nr. 7) 4,1 %; Gotion High-Tech (Nr. 8) 2,9 %; Sunwoda (Nr. 9) 1,5 % und Svolt energy (Nr. 10) 1,3 % zeigen vor allem beim Letztgenannten immense Wachstumsraten.

Abb. 3: Weltweiter Marktanteil installierte Batterien für die Elektromobilität (EV) 1. H. 22 (Quelle: SNE Research, Grafik: Friedrichkeit)Abb. 3: Weltweiter Marktanteil installierte Batterien für die Elektromobilität (EV) 1. H. 22 (Quelle: SNE Research, Grafik: Friedrichkeit)

Die Evolution der Batterietypen

Die in der Elektromobilität eingesetzten zylindrischen Zellen 1865 beziehen sich auf den Durchmesser von 18 mm und einer Höhe von 65 mm. Tesla hat diesen Typ in den Modellen S und X eingesetzt (Abb. 4).

Abb. 4: Batteriezellen-Produktion Typ 1865 und 2170 Abb. 4: Batteriezellen-Produktion Typ 1865 und 2170

Um die Speicherkapazität zu erhöhen, wurde der Typ 2170 entwickelt. Der Durchmesser beträgt 21 mm und die Höhe 70 mm. Tesla produzierte diesen Typ ab 2017 in seiner Gigafactory in Nevada und setzt ihn in den Modellen 3 und Y ein.

Die Energiedichte in Wh/kg lässt sich durch die Anoden- und Kathodenchemie erhöhen. Auch durch die Vergrößerung der Zelle von Typ 1865 auf Typ 2170 wird eine Steigerung erzielt, wie Abbildung 5 zeigt. Eine weitere Stellgröße ist die Menge des aktiven Materials pro Zelle. Ziel ist dabei, den Anteil von Kobalt weiter zu reduzieren.

Abb. 5: Steigerung der Energiedichte in Wh/kg 2010 bis 2023Abb. 5: Steigerung der Energiedichte in Wh/kg 2010 bis 2023

Das Entwicklungsziel der Energiedichte ist derzeit 500 bis 1000 Wh/kg. Zum Vergleich: Wasserstoff hat eine Energiedichte von 33 000 Wh/kg.

Wettlauf um die Zukunfts-Batterie 4680

Abb. 6: Der neue Typ 4680 mit 46 mm Durchmesser und 80 mm Höhe wurde erstmals 2020 von Tesla als die nächste Generation vorgestellt Abb. 6: Der neue Typ 4680 mit 46 mm Durchmesser und 80 mm Höhe wurde erstmals 2020 von Tesla als die nächste Generation vorgestellt Derzeit befindet sich Tesla in Kalifornien in der Rampup-Phase für die Massenproduktion des Baterie-Typs 4680 (Abb. 6). Dieser Typ soll auch in der Gigafactory in Berlin-Grünheide produziert werden. Vorteile sollen nicht nur eine fünffach verbesserte Energiespeicherung durch mehr aktives Material pro Zelle sein. Vielmehr sind deutlich weniger Zellen pro Battery-Pack in einer E-Auto-Batterie notwendig, was die Anzahl der Schweißpunkte und Verbindungen deutlich reduziert, also Platz und auch Kosten spart.

Die Nase vorn haben Tesla sowie japanische und koreanische Hersteller. Aber auch die chinesischen Batterie-Hersteller CATL, EVE Energy und BAK Power Battery (verknüpft mit der Volkswagen Group) sind in der Vorbereitung für die Typ 4680 Massenproduktion.

Bisher bekannte Daten: Typ 4680

  • Zylindrische Lithium-Ionen-Batterie des Typs 4680 (46 mm Durchmesser und 80 mm Höhe)
  • Kathode: NCM 811 (81,6 % Nickel)
  • Anode: Graphit (kein Silizium), Trockenbatterie-Elektroden-Technologie, zungenlose Konstruktion
  • eschätzte Gesamtkapazität: 26 136 Ah
  • geschätzte Gesamtenergie: 96–99 Wh (bei einer Spannung von 3,7–3,8 V)
  • geschätzte Energiedichte: 272 bis 296 Wh/kg
  • Gewicht: 355 g

Auf den gebracht

  1. Rohstoffimporte von Kobalt, Bor, Silizium, Graphit, Magnesium, Lithium, Niob, Seltene Erden und Titan sind existentiell für EV Batterien, Solar- und Windkraftanlagen.
  2. Durch die Rohstoff-Weiterverarbeitung und vertragliche Verknüpfung mit den Förderländern hat China Zugriff auf weltweit 50 % von Lithium und 70 % von Kobalt. Bei seltenen Erden liegen 90 % der Weiterverarbeitung bei China.
  3. Rund 60 % der weltweit installierte Batteriekapazität für Elektrofahrzeuge (BEV) wurden im 1. Halbjahr 2022 von chinesischen Firmen produziert, mit dem Weltmarktführer CATL (34,8 %) an der Spitze.
  4. Mit dem Typ 4680 beginnt ein neuer Wettlauf um die EV-Batterie der Zukunft, die mit einer geschätzten Energiedichte von 272 bis 296 Wh/kg einen Spitzenwert liefert.
Wir alle möchten keine Erderwärmung, wir alle möchten keine vermeidbare CO2 Emission!

Aber manchmal erscheint es wie eine Sisyphus-Aufgabe, denn was auf der einen Seite der Erde unter großen Mühen und Kosten eingespart wird, rinnt locker auf der anderen Seite wieder hinaus. Wie erklärte kürzlich Prof. Sinn, der frühere Präsident des Ifo Instituts, München: Selbst, wenn wir Deutschland mit seinem 1,8 % Anteil an der weltweiten CO2 Emission vollständig CO2 frei machen, würden aufgrund der durch uns ausgelösten sinkenden Nachfrage die Preise fossiler Brennstoffe fallen und andere Länder dementsprechend unseren Anteil mehr verbrauchen, d. h. es entsteht ein Nullsummen-Spiel.

Das bedeutet nicht aufzugeben! Wir lernen aber gerade auf schmerzhafte Weise, dass es ohne Ingenieure und Naturwissenschaftler nicht geht. Politische Wünsche ohne Realitätsbezug schaden uns allen, denn sie werden nur im Märchen erfüllt.

Ich wünsche Ihnen einen zuversichtlichen Start in das letzte Drittel des Jahres.

Es grüßt Sie herzlich,

Ihr

Hans-Joachim Friedrichkeit

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Weitere Informationen

  • Ausgabe: 9
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Hans-Joachim Friedrichkeit

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