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Mittwoch, 21 September 2022 12:00

Mit Openair-Plasma - Taktzeiten in der Elektronikindustrie optimieren

von Anne-Laureen Lauven
Geschätzte Lesezeit: 3 - 5 Minuten
Beim Dual-lane-concept transportiert das erste Förderband nacheinander zwei befüllte Trays zu definierten Positionen, auf denen die Plasmabehandlung stattfindet. Sobald die Behandlung der Bauteile abgeschlossen ist, fahren die beiden Plasmadüsen zum zweiten Förderband und bearbeiten die dort befindlichen Bauteile Beim Dual-lane-concept transportiert das erste Förderband nacheinander zwei befüllte Trays zu definierten Positionen, auf denen die Plasmabehandlung stattfindet. Sobald die Behandlung der Bauteile abgeschlossen ist, fahren die beiden Plasmadüsen zum zweiten Förderband und bearbeiten die dort befindlichen Bauteile Bild: Plasmatreat

Bei der Leiterplattenherstellung konnte lange keine atmosphärische Oberflächenbehandlung durchgeführt werden – es bestand die Gefahr eines Kurzschlusses. Mit einer potentialfreien Plasma-Oberflächenbehandlung, wie sie die Firma Plasmatreat anbietet, können jedoch Leiterplatten ganzflächig oder selektiv aktiviert und gereinigt werden.

Für die Bearbeitung von kunststoff- oder metallkernbasierten Platinen, aber auch Keramik- und LS-Schalter-Träger lassen sich nach dem Die-Bonding und vor dem Wire-Bonding schonend und zuverlässig mit der Plasmatechnologie vorbehandelnFür die Bearbeitung von kunststoff- oder metallkernbasierten Platinen, aber auch Keramik- und LS-Schalter-Träger lassen sich nach dem Die-Bonding und vor dem Wire-Bonding schonend und zuverlässig mit der Plasmatechnologie vorbehandelnDie Technologie der Plasmaoberflächenbehandlung ist in der Elektronikindustrie vielfältig einsetzbar, zum Beispiel bei der Herstellung von Leiterplatten oder Halbleiterbauteilen – und zwar in verschiedenen Prozessschritten, z. B. beim Wire-Bonding und Die-Bonding, beim Thermal-Compress-Bonding und beim Pre-Molding. Dabei unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Plasmaprozessen: Mit dem Niederdruckplasmaverfahren lassen sich gleichzeitig mehrere Bauteile in einer Vakuum-Kammer mit Plasma behandeln. Jedoch können sich bei diesem Verfahren Ausrüstungskosten und lange Prozesszeiten nachteilig auswirken. Eine selektive Behandlung einzelner Bauteile ist überdies nicht möglich.

Das von Plasmatreat entwickelte Openair-Plasma-Verfahren erlaubt es hingegen, Bauteile selektiv und gezielt zu behandeln. Die auf einer oder mehreren Düsen basierende Oberflächenbehandlung arbeitet mit Druckluft, benötigt kein kostenintensives Gas und lässt sich auch hochflexibel von einem Roboter führen. Zudem ist es möglich, Openair-Plasma im Produktionsprozess sowohl inline als auch als Insellösung einzusetzen. Das Verfahren eignet sich für Oberflächenbehandlungen wie Feinstreinigungen, Oberflächenaktivierungen und Plasmabeschichtungen nahezu aller Materialien wie etwa Kunststoffe, Metalle, Glas, Keramik und Verbundstoffe. Ferner eignet sich die Openair-Plasma-Technologie zur Reinigung aller metallischen Oberflächen.

Für die Halbleiterindustrie ist sie besonders dann interessant, wenn anstelle von Druckluft ein anderes Gas zum Einsatz kommt, z. B. spezielle Gasgemische zur Behandlung von Kupfer. Weil dieses Element insbesondere bei höheren Temperaturen äußerst oxidationsempfindlich ist, kommen hierfür normalerweise nur Niederdruckplasmaanlagen oder Verfahren unter Schutzatmosphäre zum Einsatz. Die reduzierende Behandlung mit Openair-Plasma erlaubt hingegen eine sehr schnelle Reinigung von Kupfer-Leadframes ohne erkennbare Verfärbungen des Kupferrahmens. Die geringe thermische Beanspruchung der Bauteile ermöglicht beispielsweise die Bearbeitung von kunststoff- oder metallkernbasierten Platinen ohne thermische Schäden. Aber auch Keramik- und LS-Schalter-Träger lassen sich nach dem Die-Bonding und vor dem Wire-Bonding behandeln. Chipschäden durch elektrostatische Ladungen sind bei den elektrisch neutral arbeitenden Plasmadüsen ausgeschlossen.

Auf spezifische Vorgaben ausgelegt

Auch Chipverpackungen können mit Openair-Plasma und passenden Düsen vor der weiteren Verarbeitung von unerwünschten Oxidschichten gereinigt werdenAuch Chipverpackungen können mit Openair-Plasma und passenden Düsen vor der weiteren Verarbeitung von unerwünschten Oxidschichten gereinigt werdenDie Halbleiterindustrie greift bereits seit einiger Zeit auf die von Plasmatreat gefertigten Plasmaprodukte zurück. Dennoch gab die Anfrage eines langjährigen Kunden den Anstoß zur Entwicklung einer speziellen Plasma Treatment Unit (kurz PTU) für die Halbleiterindustrie. „Als etablierter Systemlieferant für unsere PTUs haben wir uns dieser sehr spezifischen Anfrage gerne angenommen“, sagt Nico Coenen, Market Segment Manager Electronics bei Plasmatreat. Bei den PTUs handelt es sich um individuelle Fertigungszellen, die sich nahtlos in Produktionslinien integrieren lassen und dabei auf die prozesstechnischen Abläufe beim Kunden ausgelegt sind. Dazu gehören auch verschiedene Handling- und Automatisierungsoptionen, die eine abgestimmte Prozessautomatisierung für die effiziente Oberflächenbehandlung und ein passgenaues Handling von Baugruppen und Bauteilen ermöglichen. „Da wir bereits vollautomatisierte Systeme für andere Industrien herstellen, mussten wir die für die Entwicklung und Umsetzung des vom Kunden geforderten Systems erforderliche interne Konstruktions- und Automatisierungskompetenz nicht erst aufbauen“, erklärt Coenen weiter. „Wir haben allerdings unsere Prüfkapazitäten am Standort in Steinhagen ausgebaut und für dieses spezielle Kundenprojekt einen Reinraum der Klasse 6 eingerichtet.“

Plasmatreat entwickelte dieses System speziell für die Halbleiterindustrie. Beispielsweise wurden Vakuumspannvorrichtungen zum Fixieren der Bauteil-Trays integriert oder auf SECS/GEM basierende Protokollschnittstellen genutzt. „Um ein inline-fähiges System für die Halbleiterindustrie zu entwickeln und möglichst hohe Taktzeiten garantieren zu können, galt es bereits während der Konzeptionsphase mehrere Prozessschritte zu berücksichtigen“, betont Coenen. „So haben wir die parallele Behandlung (Dual-lane concept) von zwei Ablagevorrichtungen auf zwei Förderbändern innerhalb eines Systems eingeplant. Wir lesen Barcodes aus, um jeden Chip zurückverfolgen zu können. Außerdem können wir einzelne Bauelemente selektiv behandeln und beispielsweise nur die Oberseite eines Bauteils mit Plasma behandeln. Diese spezifische Behandlung ist etwa mit Vakuumplasma nicht möglich.“

Maximaler Durchsatz

Anne-Laureen Lauven, Head of Marketing bei PlasmatreatAnne-Laureen Lauven, Head of Marketing bei PlasmatreatDas Dual-lane concept mit Anpassung an individuelle Taktzeiten beim Kunden ist grundsätzlich für verschiedene Anwendungen ausgelegt. So erzielt die Anlage einen maximalen Durchsatz pro Quadratmeter. Das sowohl für JEDEC Trays als auch für Leadframes ausgelegte System kann Ablagefächer mit 8 oder 128 Bauteilen verarbeiten. Ferner wird bei der aktuell ausgelieferten PTU im ersten Schritt der Barcode der in einem JEDEC Tray transportierten Bauteile mittels einer Kamera on the fly ausgelesen. Damit lässt sich jedes einzelne Bauteil rückverfolgen. Im nächsten Schritt werden die Bauteile durch Erzeugung eines Vakuums in den Fächern des JEDEC Trays fixiert. Die anschließende Oberflächenbehandlung erfolgt mittels der mit einer integrierten Absaugung ausgestatteten Rotationsdüsen RD1004. Ist die Plasma-Oberflächenbehandlung abgeschlossen, durchlaufen die Bauteile ein externes, selektives Flux-Modul, wo sie für den anschließenden Thermal-Compress-Bonding-Prozess vorbereitet werden.

Das Dual-lane concept (siehe einleitende Fotografie) erlaubt unterschiedliche, der Taktzeit entsprechende Bearbeitungskonzepte. Dazu transportiert das erste Förderband nacheinander zwei befüllte Trays zu definierten Positionen, auf denen die Oberflächenbehandlung stattfindet. Zeitgleich transportiert das zweite Förderband zwei weitere beladene Trays zu den jeweiligen Bearbeitungspositionen. Sobald die Oberflächenbehandlung der Bauteile auf dem ersten Förderband abgeschlossen ist, fahren die beiden Plasmadüsen zum zweiten Förderband und bearbeiten die dort befindlichen Bauteile. Während die fertigen Trays das System verlassen, rücken die nächsten nach. Die Kommunikation innerhalb der Fertigungslinie erfolgt über die Standard-Equipment-Interface-Protokollschnittstelle in der Halbleiterindustrie, SECS/GEM.

„Immer wieder ist die Elektronikindustrie mit einer Bauteileknappheit konfrontiert“, hebt Coenen hervor. „Die zunehmende Elektromobilität trägt auch nicht gerade zur Entspannung bei.“ Plasmatreat will daher auch für die Bereiche Automatisierung und Maschinenbau individuelle Plasma-Lösungen konzipieren und umsetzen. Ziel sind taktzeitoptimierte Alternativen in der Herstellung von Chips und Mikroprozessoren.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 9
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Anne-Laureen Lauven, Plasmatreat GmbH

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