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Dienstag, 25 Oktober 2022 12:00

Dieweil der Löffel neu ist, braucht ihn der Koch, wird er alt, so wirft er ihn weg [1]

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Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten
Eigenwillige Form von Löffel-Upcycling durch den Mentalisten Uri Geller Eigenwillige Form von Löffel-Upcycling durch den Mentalisten Uri Geller Bild: Taylor Herring, CC BY 2.0

 

Während und nach dem Weltkrieg und in der ehemaligen DDR dachte und handelte man ähnlich wie die ältere Dame in den Bois Francs, die einst erzählte, dass sie noch immer jeden Knopf und jeden Faden sammle, denn in ihrer Jugend lebte die Familie von 5 $ über den Winter und konnte das Haus nicht verlassen, weil der Schnee zu hoch war und es weder Elektrizität noch Telefon gab. Heute hat jede gestandene Jugendliche mindestens vier oder fünf alte Handys in den verschiedenen Schubladen. Schließlich kann sie sich unter Gleichaltrigen nicht mit einem alten Modell zeigen.

Das Siegel brechen: Freiwillige Reparaturarbeiten im Stichting Repair Café InternationalDas Siegel brechen: Freiwillige Reparaturarbeiten im Stichting Repair Café InternationalElektronik herzustellen produziert bereits genug Gifte und Abfälle, ohne dass man auf das Endprodukt schauen muss. Aber es kommt einem auf den ersten Blick kurios vor, dass die meisten Produkte so gestaltet werden, dass man sie nicht reparieren kann. Selbst die Batterie, die ja nur kurz funktionsfähig bleibt, kann der Durchschnittsbürger nicht auswechseln.

Jedoch dann besinnt man sich darauf, dass dieses ‚planned obsolescence' [2] (geplantes Veralten) seit Langem praktiziert wird, um Umsätze zu steigern oder aufrecht zu erhalten, sei es bei Seidenstrümpfen, Autos oder Kaffeemaschinen. Irgendwo wird systematisch eine Schwachstelle geschaffen, die den Nutzer dazu zwingt wieder ins Geschäft zu eilen und ein ‚neues' Produkt zu erstehen, das auch nicht länger halten wird.

Die Auswirkung findet sich dann in der Mülltonne – oder in einigen europäischen Ländern inzwischen beim Schrotthändler oder in einer Sammelstelle, sollte der Bürger sich nach den Vorgaben richten.

In den Massen (Im Jahr 2019 fielen 53,6 Mio. Tonnen an und die Prognosen für 2030 liegen bei etwa 74,7 Mio. Tonnen [3]) sollten sich doch viele Schätze verbergen, wie seltene Erden oder Edelmetalle, die man ansonsten mühselig aus der Erde kratzen muss.

Noch immer landet der weitaus größte Teil des elektronischen Schrotts in Mülldeponien und führt so zu toxischen und bioakkumulativen Umweltschäden. Zu nennen wären da etwa polychlorierte Biphenyle, polybromierte Biphenyle und Schwermetalle, womit die Liste der möglichen Chemikalien nicht ausgeschöpft ist.

Statt in der Erde zu buddeln wäre es vielleicht sinnvoll wirtschaftlich wichtige Materialien aus dem Schrott zurück zu gewinnen. Teuer geschürfte unedle Metalle wie Zink, Blei, Kupfer und Nickel sind bereits in ziemlich reiner Form enthalten. Metalle wie Selen und Indium sind zwar seltener, kommen jedoch in Bauteilen ebenfalls vor. Zwar hat China inzwischen einen Würgegriff bei den seltenen Erden wie Yttrium und Lanthan, aber außer beim Militär finden wir sie auch im elektronischen Schrott wieder und zwar bereits raffiniert. Jeder der sich über die Vergoldung von Steckverbindungen mal gewundert hat, weiß, dass auch Edelmetalle wie Gold und Silber in erklecklichen Mengen zurückzugewinnen wären.

Umweltler und recht gescheite Techniker haben errechnet, dass die Rückgewinnung solcher Materialien aus dem Schrott weit billiger käme als der ursprüngliche Abbau, denn zum Beispiel enthalten Mobiltelefone (ohne Batterien) per Gewichtseinheit weit mehrGold, Nickel, Blei und Kupfer als natürliche Erze.

Statt in der Erde zu buddeln wäre es vielleicht sinnvoll, bestimmte Materialien aus dem Schrott zurückzugewinnenStatt in der Erde zu buddeln wäre es vielleicht sinnvoll, bestimmte Materialien aus dem Schrott zurückzugewinnenZwar werden auch alte Bauteile fein säuberlich gerettet und dann als ‚neu' dem Kunden angedient, aber außer in einigen Billiglohnländern, wo dann Männlein und Weiblein sowie eine Horde Kinder auf dem Boden sitzen und sich ein kärgliches Entgelt verdienen und wahrscheinlich auch vergiften, versucht man die Rückgewinnung kritischen Materials durch Massenverfahren, die kommerziell in westlichen Ländern eher attraktiv sind.

Unter den möglichen Methoden zur Rückgewinnung von Metallen aus dem Schrott (pyrometallurgische, hydrometallurgische, physikalische und kombinierte Techniken) werden derzeit pyrometallurgische Verfahren [4] im kommerziellen Maßstab bevorzugt. Wegen des Aufwands und möglicher Gefahrenstoffe, versucht man immer wieder elegantere Methoden zu entwickeln, die sowohl die Vorbehandlung wie auch die Effizienz von Extraktionsverfahren verbessern sollen.

Die enormen Mengen an Energie und die Gefahrenstoffe, die dabei erzeugt werden, sind ein Anlass, der Profit ein anderer.

Dass so etwas ‚interessant' sein könnte, ersieht man aus solchen Zahlen: allein 2016 wurden55 Mrd. $an Gold, Silber, Kupfer und anderen hochwertigen förderbaren Materialien, nicht aus dem Schrott geborgen.

Laut Umweltbundesamt wurden bereits im Jahr 2018 in Deutschland etwa 853.124 Tonnen Elektroaltgeräte gesammelt. Die Tendenz ist natürlich steigend und wie so üblich, reagiert die Politik spät und dann nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist. Bei Angebot und Nachfrage kann man an zwei Punkten ansetzen. Da man sich für die Entsorgung stark macht statt das Angebot zu regulieren und die Nutzzeiten sowie die Reparaturmöglichkeiten zu verbessern [5], sorgt das Gesetz dafür, dass mehr und mehr Schrott anfällt, denn der Hersteller braucht ja kein schlechtes Gewissen mehr zu haben. Was in der Presse weit weniger ankam als Greta Thunbergs vage Ansagen sind die Bemühungen einiger Erwachsener, die propagieren: ‚Reparieren statt Wegwerfen ist keine Mode!' Womit wir dann wieder bei der Nachkriegszeit und der ehemaligen DDR angelangt wären.

Ob sich aber die Gruppe mit dem Aktionskünstler HA Schult [6] und seinem Wertgiganten bemerkbar machen kann und etwas bewirken wird, steht in den Sternen. Jedenfalls sind die Forderungen klarer formuliert als bei den Gymnasiasten, weswegen er wohl weder von den Journalisten noch den Politikern gerne befragt wird.

Die Prognosen bis 2030 stimmen nicht gerade optimistischDie Prognosen bis 2030 stimmen nicht gerade optimistisch

Die Schuldigen bei dieser Misere sind letztendlich die Hersteller und Vertreiber, die auf ihre Milliardenprofite schauen, die Käufer (und darunter findet man auch die Fridays-For-Future-Aktivistinnen, wenn man den veröffentlichten Fotos mit den vielen Handys glauben darf), die sich von der Reklame einfangen lassen, die Eltern, die Kinderwägen mit dem Handy am Ohr vor sich herschieben und so den Babys bereits beibringen, was ‚wichtig' ist und letztendlich wohl auch viele Politiker, die eher ins Militär investieren als in die Erziehung der Jugend.

Referenzen

[1] Deutsches Sprichwort
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/
Planned_obsolescence

[3] Reginald Davey, An Overview of Printed Circuit Board Recycling and Resource Recovery. Nov 22, 2021
[4] Pyrometallurgie – Verfahren der Metallgewinnung und Metallraffination, welche hohe Temperaturen erfordern (200–3000 °C) und unter Ausschluss von Sauerstoff ablaufen.
[5] https://www.presseportal.de/pm/127001/5101155
[6] https://en.wikipedia.org/wiki/HA_Schult

Literatur

Stichting Repair Café International, www.repaircafe.org
Taiwo K. Aladeojebi: Planned Obsolescence, International Journal of Scientific & Engineering Research, Volume 4, Issue 6, June-2013
R. Cooper: Ethics and Altruism: What Constitutes Socially Responsible Design?, Design Management Review 16, 2005
V. Packard: The Waste Makers, New York, NY, David McKay, 1960

 

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 10
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Armin Rahn

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