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Dienstag, 20 Dezember 2022 10:59

Auf den Punkt gebracht: Starkwind in 2023, aber kein Hurrikan?

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Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
Auf den Punkt gebracht: Starkwind in 2023, aber kein Hurrikan? (Quelle: Adobe 79288124)

Chancen für Schwerwetter-Kapitäne in Wirtschaft und Politik

„Pessimisten stehen im Regen, Optimisten duschen unter Wolken“ lautet ein aktueller Buchtitel; aber was wir 2023 benötigen sind Realisten (lateinisch realis = wirklich).

Nur die Wirklichkeit zeigt uns die erforderlichen Maßnahmen, um durch eine krisenhafte Zeit zu kommen. Jeder Hochsee-Segler, auf den eine Schwerwetterzone zukommt, weiß, dass nur die realistische Einschätzung der Situation, gefolgt von einer gründlichen Vorbereitung auf denkbare Eventualitäten ein möglichst unbeschadetes Durchkommen sichert.

Zum Jahresende der Blick in die Kristallkugel

Purchasing Manager Index PMI

Abb. 1: Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP), Daten IWF 10/2022Abb. 1: Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP), Daten IWF 10/2022Eine gute Vorschau auf die nächsten 3 bis 6 Monate bietet der Purchasing Manager Index PMI. Materialwirtschaftsleiter oder Supplychain Manager müssen je nach Produkt-Durchlaufzeit im eigenen Unternehmen wissen, wann sie die entsprechenden Rohmaterialien oder Zulieferteile ordern müssen.

Benötigt man z. B. Multilayer Ceramic Chip Capacitors (MLCCs) sind Lieferzeiten von 4 bis 12 Monaten und mehr in den letzten zwei Jahren Realität. Leiterplatten dagegen lassen sich in 4 bis 8 Wochen beschaffen, obwohl sie kundensprezifisch produziert werden.

Weiterhin gibt der PMI darüber Auskunft, ob der Markt wächst (ein Wert > 50) oder schrumpft (ein Wert < 50).

Verfolgt man die Dynamik der Kurve über mehrere Monate kann man erkennen, ob sich der Abwärtstrend weiter beschleunigt.

Der globale PMI

Der von S&P Global ermittelte JPMorgan Global Manufacturing Purchasing Managers' Index (PMI) fiel im Oktober weiter unter die neutrale Marke von 50,0. Der Gesamtindex sank von 49,4 im Oktober auf 48,8 im November und damit auf den niedrigsten Stand seit 28 Monaten.

Die Detailauswertungen der Umfrage deuten auf einen anhaltenden Produktionsrückgang angesichts der abnehmenden Nachfrage und der sich verschlechternden Aussichten hin. Die Entspannung in der Lieferkette und der nachlassende Preisdruck sind zwar erfreulich, aber im Wesentlichen auf die Abkühlung der weltweiten Nachfrage zurückzuführen.

Der Output-Index der weltweiten PMI-Umfrage für das verarbeitende Gewerbe, der als zuverlässiger Vorabindikator für die tatsächlichen weltweiten Produktionstrends gilt, zeigte im November den vierten monatlichen Rückgang der weltweiten Fabrikproduktion in Folge an.

BIP Prognose des IMF vom Oktober

Wie die Experten des Internationalen Währungsfonds (IMF) das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2023 einschätzen, zeigt Abbildung 1. Für Deutschland wird ein Rückgang von -0,2% prognostiziert, was einer mittleren Rezession in 2023 entspricht.

Eurozone PMI für das verarbeitende Gewerbe

Der S&P Global Eurozone PMI für das verarbeitende Gewerbe verbesserte sich gegenüber Oktober 2022 zwar um 0,7 Punkte auf 47,1 blieb jedoch im fünften Monat in Folge unter der Neutrallinie 50 (Abb. 2). Damit bleibt die Eurozonen Industrie weiter auf Schrumpfkurs, ohne jedoch derzeit weiter abzustürzen.

plus 2022 12 075Abb. 2: Eurozone PMI für das verarbeitende Gewerbe (Quelle Markit Economics)

Die Produktion und die Nachfrage gingen im November allerdings weniger stark zurück als im Oktober d. J.. Durch eine verbesserte Supply Chain und gleichzeitig rückläufiger Nachfrage reduzierte sich der Preisdruck und damit die Inflation.

Die Produktion und die Auftragseingänge fielen mit nahezu rekordverdächtigen Raten, und auch die Exportnachfrage ging stark zurück, da die geopolitische Unsicherheit, die hohe Inflation und die schwächeren wirtschaftlichen Bedingungen in der ganzen Welt die Ausgaben der ausländischen Kunden belasteten.

Für die kommenden 12 Monate erwarten die Hersteller aufgrund der hohen Inflation, der geopolitischen Unsicherheit und der sich verschlechternden globalen Wirtschaftslage weiterhin einen Rückgang der Produktionsmengen.

Deutschland PMI für das verarbeitende Gewerbe

Der S&P Global/BME PMI für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland verbesserte sich im November 2022 auf 46,2 nach 45,1 im Oktober, was auf einen fünften Monat in Folge mit rückläufigen Produktionsaktivitäten hindeutet (Abb. 3).

Abb. 3: Deutschland PMI für das verarbeitende Gewerbe (Quelle: Markit Economics 12/22)Abb. 3: Deutschland PMI für das verarbeitende Gewerbe (Quelle: Markit Economics 12/22)

Ebenso wie in der Eurozone hat sich der Rückgang jedoch verlangsamt und deutet eine erste Bodenbildung (Umkehrpunkt) an.

In der Zwischenzeit gingen die Auftragsrückstände (Backlog) weiter zurück, und die Käufe sanken so stark wie seit Juni 2020 nicht mehr. Die Firmen haben plötzlich wieder ausreichende oder sogar zu hohe Lagerbestände, Materialknappheit war gestern.

Dies nimmt Druck von den Lieferketten und den Teuerungsraten, welches die Inflation einbremst.

Mit Blick auf die Zukunft sanken die Erwartungen aufgrund der Besorgnis über die anhaltend hohe Inflation, die hohen Energiekosten, die steigenden Zinsen und die Aussicht auf eine Rezession.

PMI Übersicht Europa und Asien

In Abbildung 4 wird noch einmal im Detail der einzelnen Länder deutlich, dass sich die Rückgänge im Einkauf und damit in der Produktion verlangsamen.

Abb. 4: Purchasing Manager Index November versus Oktober 2022  (Quelle: Markit Economics 12/22)Abb. 4: Purchasing Manager Index November versus Oktober 2022 (Quelle: Markit Economics 12/22)

Für die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes in den USA sieht man im November eine erneute Verschlechterung. Der Abschwung von der Wachstumszone im Oktober mit 50,4 auf 47,7 war der stärkste Abschwung seit Mai 2020 und entstand durch Rückgänge bei Produktion und Auftragseingängen. Die Nachfragebedingungen schwächten sich im Inland und auf den Auslandsmärkten ab, da auch neue Exportaufträge weiter zurückgingen.

Das Beschäftigungswachstum verlangsamte sich, da der Druck auf die Kapazitäten abnahm und die Arbeitsrückstände (Backlog) stark schrumpften. Positiv verbesserten sich die Lieferketten zum ersten Mal seit Oktober 2019 ebenso wie der Preisdruck infolge geringerer Nachfrage nach Vorleistungen.

Japan konnte im Oktober mit 50,7 noch ein Wachstum verzeichnen, erreichte aber im November die Schrumpfungsphase mit 49,0. In China mit einem Wert von 49,4 im November hat sich die Schrumpfungsphase nach 49,2 im Oktober nicht mehr weiter beschleunigt. Dies spiegelt auch die in Abbildung 1 genannten GDP/BIP Prognosen für 2023 wider. China wird einerseits durch die nach wie vor rigiden Covid-19 Beschränkungen hart getroffen, aber ebenso durch die Nachfrage-Rückgänge in der westlichen Welt und damit das chinesischen Exportvolumen.

Die in Abbildung 5 gezeigten PMI Werte der ASEAN Staaten für Oktober zeigen ein durchwachsenes Bild. Während Thailand, Vietnam und Indonesien noch leichtes PMI Wachstum zeigen, sind China, Taiwan, Japan und Süd-Korea in der Schrumpfungszone angelangt.

Abb. 5: Purchasing Manager Index Asien Oktober versus September 2022 (Quelle: Markit Economics)Abb. 5: Purchasing Manager Index Asien Oktober versus September 2022 (Quelle: Markit Economics)

Auf den Punkt gebracht

  1. In seinem World Economic Outlook (WEO) vom Oktober senkte der in Washington ansässige IWF seine Prognose für das weltweite Wachstum im nächsten Jahr auf 2,7 %, nach 2,9 % im Juli und 3,8 % im Januar, und fügte hinzu, dass er eine 25%ige Wahrscheinlichkeit sieht, dass sich das Wachstum auf weniger als 2 % verlangsamen wird.
  2. Der Global Manufacturing PMI ging den vierten Monat in Folge zurück. Nach 49,4 im Oktober reduzierte sich der PMI auf 48,8, dies entspricht einem 29-Monats-Tief.
  3. 23 von 31 Ländern aus denen sich der weltweite PMI für das produzierende Gewerbe zusammensetzt befinden sich in der Schrumpfungszone, darunter China, die USA, die Eurozone und Japan.
  4. Selbst wenn Deutschland mit einem „blauen Auge“ durch die 2023er Rezession kommt, so stellt sich doch mittelfristig die Frage, welches neue deutsche Geschäftsmodell zukünftig weiter Erfolg verspricht.
  5. Ukraine/Energiekrise, Nachwirkungen der Pandemie, Chinas Null-Covid-Politik und der geopolitische Konflikt USA – China sorgen für eine toxische Gemengelage. Dazu kommt ein deutscher „Nanny Staat“ mit zunehmenden Eingriffen in den Markt ohne Rücksicht auf die Verschuldung oder die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die soziale Marktwirtschaft mit Wettbewerb und Eigenverantwortlichkeit scheint wie ein Relikt aus einer anderen Zeit.
    Wie sagte Konfuzius: „Wenn der Mensch nicht über das nachdenkt, was in ferner Zukunft liegt, wird er das schon in naher Zukunft bereuen“.

Zum Jahresabschluss möchte ich Ihnen als Leser für Ihre Anregungen, Hinweise und Kommentare danken. Aber auch meinen langjährigen Freunden und Branchenkollegen Walt Custer (www.custerconsulting.com) für seinen Business Outlook der Global Electronic Industry und Dr. Hayao Nakahara für NTI 100 und seine vielen Reports.

Mein Dank ist verbunden mit den besten Wünschen für eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit.

Bleiben Sie uns auch im Neuen Jahr gewogen.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Joachim Friedrichkeit

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Weitere Informationen

  • Ausgabe: 12
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Hans-Joachim Friedrichkeit

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